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Baustein F: Gesetzliche Mindeststandards

3 Erfassung, Konsolidierung und Bewertung der Vorschläge für die GAP nach 2020 für die GAP nach 2020

3.2.2 Konsolidierung der Vorschläge

3.2.2.1.6 Baustein F: Gesetzliche Mindeststandards

Den sechsten Baustein, den wir in den ausgewerteten Vorschlägen für die GAP nach 2020 identi-fizieren konnten, bilden die gesetzlichen Mindeststandards im Ordnungs- und Fachrecht. Bei der Auswertung konnten dabei zwei Cluster unterschieden werden, die in Tabelle 11 überblickartig mit den entsprechenden Quellen dargestellt sind.

Auf der einen Seite wird für die Beibehaltung des gegenwärtig geltenden Ordnungs- und Fach-rechts plädiert. Aus Sicht von Copa-Cogeca ist ein Anheben der gesetzlichen Mindeststandards bei gleichzeitigem Absinken des Beihilfeniveaus nicht akzeptabel (COPA-COGECA, 2018b, S. 8).

Auf der anderen Seite plädieren viele Publikationen für die Anhebung bestimmter gesetzlicher Mindeststandards oder für die Ausweitung der Tatbestände im Ordnungs- und Fachrecht. Insbe-sondere gehen Vorschläge, die flächenbezogenen Direktzahlungen auslaufen zu lassen oder un-mittelbar abzuschaffen, zumeist mit der Empfehlung einher, die heute im Cross Compliance-Me-chanismus enthaltenen Anforderungen als gesetzliche Mindeststandards im Fach- und Ord-nungsrecht zu verankern (vgl. z.B. KLU, 2019, S. 8; Rat für Nachhaltige Entwicklung, 2017, S. 4;

WBAE, 2018, S. 65). Der RNE betont in seiner Stellungnahme, dass eine nachhaltige Agrarpolitik auf ausreichend anspruchsvollen, für alle Akteure in der Produktionskette geltenden und konse-quent durchgesetzten Fachrecht aufbauen muss (Rat für Nachhaltige Entwicklung, 2017, S. 4).

Unabhängig davon, so der RNE, ob eine Förderung in Anspruch genommen wird, darf kein Be-trieb umweltschädlich wirtschaften (ebd.). Die KLU schlägt vor, dass Kommunen die Befugnis

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eingeräumt werden müsse, die ökologischen Mindestanforderungen örtlich zu konkretisieren und zu ergänzen (KLU, 2019, S. 8).

In der Tabelle sind nur diejenigen Quellen aufgeführt, die explizit dafür plädieren, die gesetzli-chen Mindeststandards beizubehalten oder auszuweiten. Daneben wird in vielen anderen Vor-schlägen zur Ausgestaltung der künftigen Agrarpolitik die Relevanz der gesetzlichen Mindest-standards hervorgehoben, jedoch ohne konkrete Aussagen zur Entwicklungsrichtung zu machen (vgl. z.B. BÖLW et al., 2016, S. 5; Buckwell et al., 2017, S. 9; Dierking & Neumann, 2016; European Environmental Bureau, 2017, S. 11; P. Feindt et al., 2018, S. 16f.).

Tabelle 11: Baustein F: Gesetzliche Mindeststandards

Cluster Quellen

Beibehalten Copa-Cogeca (2018)

Ausweiten De Schutter et al. (2019); Feindt et al. (2019);

Isermeyer, F. (2016); Oppermann et al. (2016);

WBAE (2018); EEB (2017); RNE (2017); Verbände-Plattform (2017); KLU (2019); Hart/Bas-Defossez (2018)

Quelle: eigene Darstellung. HU Berlin.

3.2.2.2 Pakete

Im Rahmen der Konsolidierung der Vorschläge für eine umweltorientierte Weiterentwicklung der GAP lassen sich vier Pakete identifizieren. Als Pakete werden Bausteine zusammengefasst, die regelmäßig zusammen vorgeschlagen werden. Die Kombination von Bausteinen im Rahmen der Pakete ähnelt sehr stark den Paketen der Förderperiode 2014 bis 2020. Tabelle 12 fasst die Pakete zusammen. Sie umfassen:

Paket 1 – Baustein A + Baustein B: Paket 1 enthält die Bindung des Erhalts der flächenge-bundenen Direktzahlungen (Baustein A) an bestimmte Auflagen der Landbewirtschaftung (Baustein B). Dieses Paket entspricht dem derzeitigen Cross Compliance-Mechanismus oder der sogenannten neuen Konditionalität im Legislativvorschlag der Europäischen Kommis-sion.

Paket 2 – Baustein A + Baustein B + Baustein C: Paket 2 kombiniert die Fortführung von flächenbezogenen Direktzahlungen (Baustein A), für deren Erhalt bestimmte Auflagen der Landbewirtschaftung einzuhalten sind (Baustein B), mit weiteren flächenbezogenen Direkt-zahlungen, die an „green outcomes“, also spezifische Maßnahmen zum Umwelt-, Natur- und Klimaschutz geknüpft sind (Baustein C). Wie oben beschrieben, bestehen verschiedene Mög-lichkeiten, diese Verknüpfung in Form von „Menü-Modellen“ (wie dem Greening) oder „À la carte-Modellen“ (unterschiedliche Punktemodelle) auszugestalten.

Paket 3 – Baustein A + Baustein B + Baustein E: Paket 3 umfasst die Kombination der Auf-lagenbindung (Baustein B) flächenbezogener Direktzahlungen mit bestimmten Maßnahmen zur Förderung von Zusammenarbeit, Wissensaustausch, Beratung und Innovation (Baustein E). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Förderung der Beratung notwendig ist, um sicherzustellen, dass die Anforderungen an die Landbewirtschaftung im Rahmen der Aufla-genbindung umgesetzt werden können.

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Paket 4 – Baustein A + Baustein C + Baustein E: Anders als Paket 3 setzt Paket 4 auf die Verknüpfung von flächenbezogenen Direktzahlungen mit spezifischen Maßnahmen zum Um-welt-, Natur- und Klimaschutz. Ebenso wie bei Paket 3 soll dann die Förderung von Bera-tung, Zusammenarbeit, Wissensaustausch und Innovation sicherstellen, dass die Maßnah-men auf den landwirtschaftlichen Betrieben erfolgreich umgesetzt werden können. Im Falle von Wahlmöglichkeiten soll die Beratung zudem dabei helfen, möglichst effektive und effizi-ente Maßnahmen auszuwählen.

Tabelle 12: Übersicht über Pakete

Paket Quellen

Baustein A + Baustein B z.B. Europäische Kommission (2018a); EWSA (2018);

Hart/Bas-Defossez (2018);

Baustein A + Baustein B + Baustein C Europäische Kommission (2018a), Meredith/Hart, (2019); SPD Bundestagsfraktion (2019); DBV (2018a, 2019); Heinemann/Weiss (2018); Hart/Bas-Defossez (2018); Verbände-Plattform (2019); Copa-Cogeca (2018); Feindt et al. (2019); Matthew (2016); Feindt et al. (2018); DBV (2018a, 2019);

Beckmann/Metzner (2019); Dierking et al. (2017);

De Schutter et al. (2019); WBAE (2019)

Baustein A + Baustein B + Baustein E Europäische Kommission (2018a); EWSA (2018);

Hart/Bas-Defossez (2018); De Schutter et al. (2019);

Fresco/Poppe (2016); Mathews (2016); Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt M-V (2017); Ben-ning/Reichert (2016); Verbände-Plattform (2017);

DBV (2018a); SPD Bundestagsfraktion (2019); WBAE (2019)

Baustein A + Baustein C + Baustein E Europäische Kommission (2018a); EWSA (2018);

Hart/Bas-Defossez (2018); De Schutter et al. (2019);

Feindt et al. (2019); Fresco/Poppe (2016); Mathews (2016); Buckwell et al. (2017); European

Environmental Bureau (2017); Rat für Nachhaltige Entwicklung (2017); Dierking/Neumann (2016); SPD Bundestagsfraktion (2019); Verbände-Plattform (2019); DBV (2018b); Oppermann/Schraml (2019);

WBAE (2019) Quelle: eigene Darstellung. HU Berlin.

3.2.2.3 Gesamtarchitekturen

Im Rahmen der hier durchgeführten Erfassung, Konsolidierung und Bewertung der Vorschläge für eine umweltorientierte Weiterentwicklung GAP werden komplexere Gesamtarchitekturen zusätzlich zu den Bausteinen und Paketen, die sie enthalten, separat untersucht. Als Gesamtar-chitekturen sind hier solche Vorschläge konsolidiert, die ein gesamtes agrarpolitisches Förder-modell enthalten und nicht nur auf die Ausgestaltung einzelner Instrumente fokussieren. Dar-über hinaus wurden nur Vorschläge mit einem hinreichenden Konkretisierungsgrad (mindes-tens mittel, d.h. Nennung spezifischer Instrumente) und hoher Reichweite (d.h. Abdecken aller landwirtschaftlichen Sektoren) berücksichtigt, die im Rahmen von Analyseschritt 1 untersucht wurden. Auf diese Weise wurden insgesamt 11 Gesamtarchitekturen in unserem Textkorpus identifiziert. Diese umfassen die folgenden Vorschläge:

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► Europäische Kommission (2018a),

► De Schutter et al. (2019),

► Feindt et al. (2019),

► Fresco und Poppe (2016),

► Oppermann et al. (2016),

► Matthews (2016)

► Buckwell et al. (2017),

► European Environmental Bureau (2017),

► Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft M-V (2017)

► SPD Bundestagsfraktion (2019) sowie

► Verbände-Plattform (2017).

Tabelle 13 einen Überblick über die erfassten Gesamtarchitekturen und die in ihnen enthaltenen Bausteine. Schon dieser Überblick verdeutlicht, dass hier durchaus unterschiedliche Vorschläge vorliegen. Die elf Vorschläge enthalten neun verschiedene Muster von Bausteine-Kombinatio-nen. Nur einer der sechs Bausteine ist in allen Gesamtarchitekturen enthalten, und zwar die För-derung Forschung, Beratung, Kooperation und Innovation. Auffallend sind die unterschiedlichen Muster bei den Bausteinen A, B und C, welche den künftigen Stellenwert der flächenbezogenen Direktzahlungen betreffen.

118 Tabelle 13: Übersicht über Gesamtarchitekturen

Baustein A Baustein B Baustein C Baustein D Baustein E Baustein F

Europäische Kommission (2018) x x x x x x

De Schutter et al. (2019) x x x

Feindt et al. (2019) x x x x

Fresco und Poppe (2016) x x x

Oppermann et al. (2016) x x x x

Mathews (2016) x x x

Buckwell et al. (2017) x x x x

European Environmental Bureau (2017) x x

Verbände-Plattform (2017) x x x

Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt M-V (2017) x x x x

SPD Bundestagsfraktion (2019) x x x x x x

Quelle: eigene Darstellung. HU Berlin.

Die hohe Zahl unterschiedlicher Kombinationen von Bausteinen in den Gesamtarchitekturen korrespondiert der relativ geringen Zahl von Paketen, die in unserer Analyse identifiziert wur-den. Die Beobachtung, dass neben der Kommission nur ein weiterer Vorschlag alle Bausteine enthält, korrespondiert der langjährigen Strategie der Kommission, in ihren Legislativvorschlä-gen eine Synthese der verschiedenen agrarpolitischen VorstellunLegislativvorschlä-gen und Diskurse vorzuneh-men (Peter H. Feindt, 2017).

Im folgenden Abschnitt werden die verschiedenen Bausteine, Pakete und Gesamtarchitekturen nach den aus der wissenschaftlichen Literatur abgeleiteten Kriterien bewertet.

3.2.3 Bewertung

In Analyseschritt 3 (Assessing) erfolgte die Bewertung der Vorschläge für eine GAP nach 2020 anhand der oben herausgearbeiteten Kriterien: Effektivität, Effizienz, System der Leistungsmes-sung, Instrumentation, Regelungs- und Vollzugsfähigkeit, Institutionelle Anschlussfähigkeit, Ak-zeptanz in der Landwirtschaft und Resilienzorientierung (vgl. Kapitel 2.2). Entsprechend der Leistungsbeschreibung liegt der Fokus auf der Bewertung der Bausteine, die in den Vorschlägen identifiziert und herausgelöst wurden.

Zur Bewertung wurde auf Grundlage einer Plausibilitätsbewertung durch Expertenurteile des Projektteams die erwartete Entwicklungsrichtung der Bausteine im Hinblick auf das jeweilige

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Kriterium angegeben (Verschlechterung = ↓; leichte Verschlechterung = ↘; keine Veränderung

= →; leichte Verbesserung = ↗; Verbesserung = ↑). Die Baseline für erwartete Entwicklungs-richtung stellt jeweils der Cluster „Beibehalten“ dar. Entsprechend wurde für jeden Cluster „Bei-behalten“ die erwartete Entwicklungsrichtung „keine Veränderung = →“ eingetragen. Vor dem Hintergrund der in Kapitel 4 durchgeführten Auswertung der wissenschaftlichen Bewertungen wurden die weiteren erfassten und konsolidierten Vorschläge (Cluster) von einem Mitglied des Projektteams in einem ersten Durchgang in Bezug auf die Kriterien bewertet. In einem projekt-internen Workshop am 31.05.2019 wurden diese Ergebnisse im Projektteam überprüft und ein-gehend diskutiert, um durch einen iterativen Prozess zu einer intersubjektiven Nachvollziehbar-keit der Ergebnisse zu gelangen.

Im Folgenden werden hier die Ergebnisse der Bewertung für die einzelnen Bausteine überblick-artig präsentiert (Kapitel 3.2.2.1 bis Kapitel 3.2.2.6). Die Bewertungen der Pakete und Gesamtar-chitekturen basieren auf dem Zusammenführen der einzelnen Bausteine, die bei der Konsolidie-rung identifiziert wurden. Die Bewertungen der Gesamtarchitekturen werden in Kapitel 3.2.3.7 zusammengefasst. Die Bewertung der Pakete geht darin auf und wird hier nicht eigens darge-stellt.

3.2.3.1 Baustein A: Flächenbezogene Direktzahlungen

In Tabelle 14 sind die Bewertungen der vier Cluster von Vorschlägen (Beibehalten, Reduzieren, Auslaufen, Abschaffen) für die flächenbezogenen Direktzahlungen dargestellt. Die Bewertungen des Clusters „Beibehalten“ entsprechen dem aus der wissenschaftlichen Literatur abgeleiteten Leistungsprofil der flächenbezogenen Direktzahlungen (vgl. Kapitel 2.3.2.1). Das Reduzieren und Auslaufen führt hinsichtlich der Kriterien der Effektivität, Effizienz, System der Leistungsmes-sung, Instrumentation, Regelungs- und Vollzugsfähigkeit sowie der institutionellen Anschlussfä-higkeit voraussichtlich zu keiner Veränderung, weil lediglich das Budgetvolumen reduziert wird.

Eine andere Frage ist, ob das durch eine Reduktion freiwerdende Budget in Verwendungen überführt wird, die hinsichtlich der genannten Kriterien besser abschneiden. Wenn die flächen-bezogenen Direktzahlungen vollständig ausgelaufen sind oder abgeschafft werden, entfallen sie aus dem Bewertungsschema. Es ist anzunehmen, dass bei isolierter Betrachtung auf der Instru-mentenebene die Akzeptanz bei einer Mehrheit der Landwirtinnen und Landwirte für die Optio-nen Reduzieren und Auslaufen wie auch für die vollständige Abschaffung geringer ist als für die Beibehaltung der flächenbezogenen Direktzahlungen. Hinsichtlich der Resilienzorientierung der verschiedenen Vorschläge lässt sich konstatieren, dass die ökonomische Robustheit der Agrar-systeme durch das Reduzieren oder Entfallen von Pufferressourcen kurz- bis mittelfristig vo-raussichtlich abnehmen würde, was durch Anpassungen an den Faktormärkten gemindert würde. Auch ist vorstellbar, dass auf anderem Wege – etwa Versicherungslösungen – die ökono-mische Robustheit der Betriebe erhöht werden kann. Weiterhin würde das Reduzieren, Auslau-fen oder AbschafAuslau-fen der flächenbezogenen Direktzahlungen voraussichtlich Anreize vermindern, notwendige Lern- und Anpassungsprozesse hinauszuschieben, so dass die Adaptabilität und Transformabilität weniger bzw. nicht mehr behindert würde. Dies ist jedoch eine Partialbetrach-tung. Bei Wegfall der flächenbezogenen Direktzahlungen würden viele Betriebe andere Formen der Unterstützung benötigen, um die notwendigen Anpassungen vornehmen zu können.

120 Tabelle 14: Bewertung Baustein A

Cluster Effektivität Effizienz System der Leistungsmessung Instrumentation Regelungs- und Vollzugsfähigkeit Institutionelle Anschlussfähigkeit Akzeptanz in der Landwirtschaft Robustheit Adaptabilität Transformabilität

Beibehalten → → → → → → → → → →

Reduzieren

→ → → → → → ↘ ↘ ↗ ↗

Auslaufen → → → → → → ↘ ↘ ↗ ↗

Abschaffen

n.n n.n n.n n.n n.n n.n ↓ ↓ ↗ ↗

Quelle: eigene Darstellung. HU Berlin.