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Böckh an Schleiermacher

Im Dokument Schleiermacher an Brinckmann. (Seite 46-49)

Heidelberg, d. 9. Febr. 1808. *)

Schon lange habe ich Ihnen wieder schreiben wollen, wenn ans keiner andern Ursache, wenigstens um Ihnen Ihren von Marheineke mir zugekommnen Gruß wieder zu vergelten und die ich von Ihnen durch Andere noch erhalten habe, und ich will es jetzt um so weniger mehr anstehen lassen, da ich einen näheren Anlaß habe. So viel ich von Berlin gehört habe, wollten Sie diesen Winter theol. Borls.

halten; haben Sie dieses wirklich gethan, oder wieder aufgegeben?

Wie sehr wünschte ich Ihre Geschichte der griechischen Philosophie gehört zu haben, von welcher mir von einem Ihrer Zuhörer mit großem Enthusiasmus geschrieben worden ist, nehmlich von Dr.

Schneider, welchen Sie wohl auch kennen werden. Ich habe mich damit seit einiger Zeit hier auch beschäftigt und sie hat mich wie sonst so auch jetzt wieder so sehr angezogen, daß ich künftigen Som­

mer darüber lesen wollte. Lieber aber habe ichs denn wieder auf den folgenden Winter aufgeschoben, um sie dann zugleich mit dem Platon zu lesen, welchen ich alle Winter wohl lesen werde, so lange wir hier in ungestörter Ruhe bleiben. Ihr Timotheus scheint aller Ecken gewaltigen Spektakel zu machen; der Leipziger Recensent hat's am rechten Fleck angegriffen, wie diese Zeitung zu thun pflegt. Hier wissen eigentlich die wenigsten Leute, die sich darum kümmern was sie daraus machen sollen : und ich weiß auch nicht, ob einer derselben darüber urtheilen kann, den einzigen de Wette ausgenommen, der Sie in der I. A. L.-Z. recensirt hat. **) Ich habe an diesem Faktum

*) Ein früherer Brief Böckh'S vom 9. Nov. 1806 gedenkt eines College über Ethik bei Schleiermacher und platonischer Studien in Halle.

**) Jen. Litt.-Z. 1807 Nr. 255 v. 2. Nov. — Die neue Leipz. Vitt.-Z, 1808 Nr. 5 v. 11. Jan. ist ironisch gelobt; sie brachte eine armselige Recension, welebe nach bekannter Methode Schleiermacher'S geseblossner Beweissührnng damit ent­

gegentritt, daß sie seine Gründe einzeln bei Seite zn bringen sucht.

wieder gesehen, wie wenig sich auch achtbare Leute vom alten Glau- ben und Vorurtheilen losreißen können und wie es den Meisten mehr darum zu thun ist, ein schönes Gewebe vor sich zu haben und selbst Neues daraus zu weben, als auf den wahren Grund zu gehen. Weil sich nun das Alte nicht so leicht aufgeben läßt und Einige meinen das Heilige sich entrissen zu sehen, so werden Sie freilich auch viele Gegner unter den Theologen haben; bei den Consistorien aber wer­

den Sie sich gewiß übel angeschrieben haben.

Meine Abhandlung in den Studien und meine Dissertation über den Timäos werden Sie hoffentlich erhalten haben und ich bin begierig wie Sie damit zufrieden sind. Ich muß Ihnen aber noch eine Beichte thun und ein Geständniß wie ich mich an Ihnen ver­

sündigt habe. Die Redaktion der hiesigen Jahrb. hat mir keine Ruhe gelassen, bis ich Ihren Platon zu recensiren versprochen habe;

so habe ich mich in mein Schicksal ergeben und bin über die zwei ersten Bände gekommen; wie ich das nun angefangen habe, werden Sie aus dem demnächst erscheinenden Hefte sehen. Sie können frey­

lich die Parthie ungleich nennen, und mich gar anmaßend; das habe ich auch vorgeschützt; allein die Antwort war, die größte Anmaßung sey es doch, in der Welt zu seyn, und wer daö einmahl wäre, der müsse dann auch für einen Mann dastehn. Das Schlimmste, was einem geschehen kann, ist doch das schlechte Lob; daß ich mich aber damit versündigt, glaube ich doch nicht; mit dein Tadel mag cs seyn wie es will, wenn nur das Lob richtig ist. Daß der Schüler den Lehrer recensirt, hat mir auch nicht gefallen wollen; aber in unsrer aufgeklärten Zeit sind wir darüber doch weg, und so hatte ich-weiter keine Bedenklichkeit mehr. Was Sie aber darüber meinen, bitte ich Sie doch mir zu schreiben, wenn Sie diese ziemlich große Recension gelesen haben.*) Dieö erste Heft der philosophisch-belletristischen Abth.

enthält übrigens noch eine sehr geistreiche Abh. über die Mythologie von Creuzer und zwey herrliche Recensionen von F. Schlegel, die eine von Göthes Werken.

*) Diese erste sachkundige Würdigung des Schleiermacher'schen Werkes siebt Heidelberger Jahrbücher I. 5 S. 81 fj.

Heindorf und Buttmann lassen gar nichts von sich hören. Grü­

ßen Sie herzlich und sagen Sie ihnen doch, daß ich sie gewiß un­

geschoren lassen würde, weil sie doch nichts von mir wissen wollten.

Ich kenne sie zwar schon und weiß wie die Sachen gehen.*) Das Museum der Alterthumswissenschaft hat ja gewaltig debütirt. Aber, gestehen Sie doch, ist die Philologie darin nicht gar zu äußerlich genommen? Ich habe mich nach und nach, schon in Berlin und be­

sonders feit meinem hiesigen Aufenthalt, mit einer etwas anderen Ansicht vertraut gemacht, und so scheint mir das Wesen der Philo­

logie doch viel tiefer zu liegen als dort angegeben ist. Dort ist sie nur hoch und breit gestellt, tief gemacht aber gar nicht. Sehr tief gedacht ist doch jenes Ganze nicht; am meisten haben mich die Briefe des Ungenannten angezogen: wer wohl der ist? Interessant war es mir auch einmal die tollgewordene Philologie zu sehen, wie sich diese wohl geberden möchte, und so was Tolles ist doch wohl kaum je erschienen, wie Kanne'S Urgeschichtsurkunden, die Jean Paul zu Tage gefördert hat. Darin sind doch bei Weitem alle Tollheiten der Neu- platoniker übertroffen worden; das Buch ist auch uns Platonikern wichtig / es wirft doch ein sehr helles sticht auf den platonischen KrathloS.

Hier ist immer noch die theol. Professur des K. R. Ewald unbe­

setzt und erst vorgestern ist endlich hierher eine Anfrage an die theol.

Facultät gelangt, wie eS damit zu halten seh. Diese, nur aus den zwey Männern Daub und Schwarz bestehend, hat sich dabei sehr unpolitisch benommen, indem.sie Nichtbesetzung, welche die Regierung freylich auch wünschte, zu wünschen schien. Durch einen eigenen Zu­

fall ist auch Creuzer darein verwickelt worden, und dieser hat in einem Schreiben an den Commissarius der Regierung vorgeschla­

gen, man möchte doch Sie berufen. Ob Ihnen das recht wäre, und ob sich die Regierung überhaupt dazu verstehen wird, weiß ich nicht;

*) Nach so langer Zeit erinnert sich auch der Schreiber diese« Briefe« nicht mehr des Scherze«, der dieser Stelle zn Grunde liegt. — Da« erste Heft de«

Museums enthielt bekanntlich Mols'« Darstellung der Allerthumswissenschast mit zwei Anmerkungen ans Briefen Wilhelm von Humboldt'«.

Schleiermacher an Brinckmann. 14g lins allkn aber würde es unendliche Freude seyn, wenn sowohl Letz­

teres als Ersteres der Fall wäre. —

Im Dokument Schleiermacher an Brinckmann. (Seite 46-49)

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