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5 DISKUSSION

5.3 Auswirkungen von ROS auf das Zytoskelett unter Beteiligung von

Um die verschiedenen Funktionen von PARP-1 unter oxidativem Stress genauer zu erfassen, wurden Immunpräzipitationen von unbehandelten und oxidativ gestressten TUR-Zellen mit anti-PARP-1-Antikörpern durchgeführt. Ziel war es dabei, Interaktionspartner von PARP-1 vor und nach oxidativer Zellschädigung zu finden. Die angeschlossene zweidimensionale gelelektrophoretische Auftrennung zeigte eine Vielzahl unterschiedlicher Proteine, die mit PARP-1 kopräzipitieren und daher mögliche Interaktionspartner darstellen. Die Menge an kopräzipitierten Proteinen lässt eine große Vielfältigkeit in den zellulären Aufgaben von PARP-1 in oxidativ gestressten sowie in unbehandelten Zellen vermuten. Es ist bekannt, dass PARP-1 neben der Aktivierung verschiedener DNA-Reparaturmechanismen [2] und des Abbaus oxidativ geschädigter Proteine durch das 20S-Proteasom [4], u. a. Funktionen in der Regulation von Transkriptionsvorgängen [1] sowie in der Apoptose [2] übernimmt. Die Muster der Protein-Spots unbehandelter Zellen zeigten darüber hinaus deutliche Unterschiede zu denen gestresster Zellen, was darauf hindeutet, dass sich die Interaktionspartner und damit die zellulären Aufgaben von PARP-l bei oxidativer Zellschädigung verändern. In der anschließenden massenspektrometrischen Analyse wurde neben dem Serin-Protease-Inhibitor Kazal-Typ 5 in unbehandelten und dem Phosphoprotein 41 in oxidativ stimulierten Zellen das humane nichtmuskuläre Myosin heavy chain Form A Typ 9 (NMMHC-A oder MYH-9) als Interaktionspartner von PARP-1 in unbehandelten Zellen identifiziert. MYH-9 ist eine Myosin-Isoform, die mit Aktin-Stressfasern kolokalisiert ist und bei Disorganisation der Aktin-Stressfasern durch Cytochalasin D verschwindet [48]. MYH-9 konnte im Präzipitat der unbehandelten Zellen nachgewiesen werden, war aber nach oxidativer Exposition vollständig verschwunden.

Myosin als Interaktionspartner von PARP-1 stellt ein unerwartetes Ergebnis dar, da beide Proteine vornehmlich in verschiedenen Zellkompartimenten zu finden sind.

Während es sich bei PARP-1 in erster Linie um ein Kernprotein handelt [3], befindet sich Myosin hauptsächlich im Zytosol [22]. Eine Reihe von Arbeiten zeigt allerdings, dass sowohl Mitglieder der PARP-Familie im Zytosol [54,2] als auch bestimmte Myosin-Isoformen im Zellkern vorkommen [55-58,43]. PARP-1 wurde abgesehen vom Nukleus auch im Mitochondrium und im Centrosom nachgewiesen [46]. PARP-3, das

interagiert mit PARP-1, mit dessen Primärstruktur es zu 61 % übereinstimmt, und ist ebenso wie PARP-1 durch 3-ABA hemmbar [2]. Vault-PARP, das auch PARP-4 genannt wird, ist Teil eines im Zytoplasma lokalisierten Ribonukleoprotein-Komplexes [2]. Myosin-Isoformen, die im Zellkern vorkommen, sind das nukleäre Myosin I (NMI), das in Verbindung mit nukleärem Aktin in Transkription und Chromatin-Reorganisation involviert ist [55–57] sowie Myosin IV, das mit RNA-Polymerase II interagiert [58].

Für retinale Perizyten beispielsweise wurde bei Shojaee et al. 1999 der Anteil des im Kern lokalisierten Myosins mit 3 % des gesamten Myosingehalts der Zelle angegeben [43]. Für ein klareres Verständnis der Funktionen von nukleärem Myosin und zytoplasmatischem PARP sind weitere Untersuchungen notwendig. Insbesondere die Frage, ob es alternative zelluläre Lokalisationen der in dieser Arbeit betrachteten Isoformen PARP-1, MYH-9 oder nichtmuskuläres Myosin II gibt, bedarf weiterer Forschung.

Einen Hinweis auf Interaktionen zwischen Myosin und PARP gibt die Arbeit von Shojaee et al 1999, in der eine Translokation von Myosin heavy chains (MHC) vom Zytosol zum Zytoskelett mit anschließender Zellkontraktion in retinalen Perizyten nach H2O2-Exposition beschrieben wird [43]. Beides wurde durch den PARP-Inhibitor 3-ABA gehemmt. Auch der nach längerer H2O2-Exposition eintretende Zelltod konnte durch 3-ABA verhindert werden. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass die Myosin-Translokation vom Zytosol zum Zytoskelett und die folgende Zellkontraktion erste Schritte in Richtung apoptotischer Zellkondensation in PARP-induzierter Apoptose darstellen [43].

Die Änderungen, die sich unter oxidativem Stress an den Zytoskelettproteinen Myosin und Aktin abspielen, scheinen allerdings weitaus komplexer zu sein, wie eine Vielzahl von Arbeiten nahelegt, in denen morphologische Veränderungen der Zelle und des Zytoskeletts, wie Zellkontraktion [45,43,42] und Umorganisierung der Mikrofilamente [43-45,51-53], nach oxidativer Exposition beschrieben werden. Eine Auflösung von Aktin-Stressfasern [45,51] bei gleichzeitiger Bildung von Aktin „short fibers“ und

„parakristallinen Strukturen“ [41,45], „rosettenförmigen Strukturen“ aus Aktin-filamenten im Zytosol [51] oder Zellmotilitätsstrukturen, wie Filopodien und Lamellipodien, aus Aktinfilamenten [51] bei Inkubation mit H2O2 wurden für unterschiedliche Zellen und Versuchsbedingungen beschrieben. Die Ausbildung von Zellmotilitätsstrukturen aus Aktin nach ethanolinduzierter H2O2-Überproduktion in der

Maus-Endothelzelllinie SVEC4-10 hatte eine Steigerung in Zellmigration und Zellinvasion zur Folge [51].

Andere beschriebene Zytoskelett-Veränderungen bei oxidativem Stress sind eine frühe Aktin-Polymerisation [43-45,52], die von Hsp 25/27 und MAPK (Mitogen-aktivierte Proteinkinase) abhängig ist [52] sowie eine spätere Aktin-Depolymerisation [43]. Auch eine Kolokalisation von Myosin Va mit F-Aktin nach H2O2-Inkubation [44] sowie eine vorübergehende Rekrutierung von Aktin und Myosin zum Zytoskelett [53] wurden beobachtet. Teilweise sind die Beschreibungen der Veränderungen des Zytoskeletts nach oxidativem Stress widersprüchlich. So wurde beispielsweise auch eine Dissoziation von Aktin und Myosin heavy chains vom Zytoskelett [41] und eine Bildung von Aktin-Stressfasern [53] nach H2O2-Exposition in pulmonalen Epithelzellen gefunden.

In der vorliegenden Arbeit wurden Veränderungen von non-muscle Myosin IIa und β-Aktin in Western Blots von unbehandelten und mit H2O2 gestressten TUR-Zellen zeit- und konzentrationsabhängig analysiert. Die Myosin IIa-Bande war bereits nach 2 min Inkubationszeit mit H2O2 vollständig verschwunden. Gleichzeitig verstärkte sich eine Bande im hochmolekularen Bereich von etwa 350 kDa deutlich. Da ein vollständiger Abbau des Myosins in so kurzer Zeit nicht anzunehmen ist, kann davon ausgegangen werden, dass Myosin unmittelbar nach Einsetzen des oxidativen Stresses modifiziert oder mit bestimmten Proteinen oder anderen zellulären Strukturen assoziiert wird.

Möglicherweise stellt die nach oxidativem Stress deutlich verstärkte Bande bei 350 kDa diese modifizierte Form des Myosins dar, was in weiterführenden Untersuchungen analysiert werden sollte.

Es wurden bereits einige Veränderungen beschrieben, die Myosin bei oxidativem Stress zeigt. Eine davon ist die reversible Bildung von inter- und intramolekularen Disulfidbrücken und die daraus resultierende Entstehung von Myosin- und gemischten Proteinaggregaten [45,49,50]. Diese Modifikation kann allerdings unter den hier gewählten Versuchsbedingungen nicht für die Änderung im Bandenmuster von Myosin verantwortlich sein, da die Zellextrakte mit DTT behandelt und entstandene Disulfidbrücken dadurch gelöst wurden. Allerdings zeigten Bhoite-Solomon et al. 1992 in einer Arbeit mit Skelettmuskel-Myosin, dass bei Inkubation mit H2O2 auch in Anwesenheit von β-Mercaptoethanol, welches ebenfalls Disulfidbrücken reduziert, hochmolekulare Aggregate aus den schweren Ketten des Myosins gebildet werden können. Als mögliche Erklärung wird hier crosslinking durch Bildung von

Myosin-Radikalen angegeben [49]. Eine andere bekannte Veränderung von Myosin bei Behandlung mit H2O2 ist die Phosphorylierung der leichten Ketten durch die Myosin light chain kinase (MLCK), die zur Aktivierung des Myosins durch Formation von Myosinfilamenten führt, so dass Myosin mit anderen Proteinen, wie z. B. Aktin, interagieren kann [53,42,41]. Auch die oben beschriebene Assoziation von Myosin an Aktinfilamenten und Zytoskelett [43,44,53] könnte bei der Verstärkung der hochmolekularen Bande im Western Blot des Myosins eine Rolle spielen. Eine weitere in der vorliegenden Arbeit gefundene Veränderung war die kontinuierliche Verstärkung einer Bande bei etwa 60–70 kDa, die Spalt- oder Abbauprodukte von Myosin im Rahmen der unter längerer H2O2-Exposition zunehmenden Apoptose darstellen könnte, was allerdings durch weitere Untersuchungen zu beweisen wäre.

Das zweite untersuchte Zytoskelettprotein, β-Aktin, reagiert ebenfalls ausgesprochen schnell auf Inkubation mit H2O2, ist allerdings erst nach etwa 10 min vollständig verschwunden. Dieser Unterschied zu Myosin, dessen Bande schon unmittelbar nach Einsetzen des oxidativen Stresses nicht mehr zu sehen ist, gibt einen Hinweis darauf, dass die Veränderungen beider Proteine unter oxidativen Bedingungen möglicherweise nicht auf denselben Mechanismus zurückzuführen sind. Bekannte Veränderungen von Aktin bei oxidativem Stress, sind neben der Bildung von Disulfidbrücken [50,45], welche hier durch DTT gelöst wurden, die zahlreichen oben beschriebenen Rearrangements in der Organisation der Aktinfilamente, wie die MAPK- und Hsp 25/27-abhängige Aktinpolymerisation, die Auflösung von Aktinstressfasern [45,51]

und die Bildung von kurzen Aktinfasern [41,45], „parakristallinen“ [41] bzw.

„rosettenförmigen“ Strukturen [51] und Zellmotilitätsstrukturen [51].

Im direkten Vergleich der TUR- und TUR pTracer-Zellen zu TUR-Zellen mit reduzierter 1-Expression (TUR asPARP) sowie in Versuchen mit dem PARP-Inhibitor 3-ABA, wurde die Abhängigkeit der Veränderungen beider Zytoskelett-proteine nach oxidativem Stress von PARP-1 untersucht. Die Reaktionen von Myosin und Aktin auf H2O2 zeigten bei den TUR asPARP-Zellen im Vergleich zu den TUR- und TUR pTracer-Zellen keine Unterschiede. Bei Vorinkubation der TUR-Zellen mit 3-ABA zeigte sich für Myosin ebenfalls kein Unterschied in der Reaktion auf H2O2 -Exposition. Allerdings verhinderte die Vorinkubation mit 3-ABA die Verringerung der Aktinkonzentration in TUR-Zellen nach oxidativem Stress, was einen Hinweis auf die Beteiligung von PARP an den oxidativ bedingten Änderungen in der Organisation der Aktinfilamente gibt. Die Tatsache, dass die Minderung bzw. Hemmung von PARP-1

ansonsten keine Auswirkungen auf die Bandenmuster im Western Blot hatte, lässt vermuten, dass diese Änderungen nicht in erster Linie von PARP abhängig sind oder allein durch PARP hervorgerufen werden. Insgesamt bleiben die Modifikationen in Organisation und Struktur des Zytoskeletts unter oxidativem Stress und die mögliche Involvierung von PARP ein interessantes Gebiet für weitere Untersuchungen.

5.4 ROS-induzierte Veränderungen im Aufbau der