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4.1 Wissenschaftsdiskursstränge: Aushandlungsprozesse und

4.1.3 Auswertung von Veröffentlichungen zum ,Netzausbau‘: Gesundheitsrisiken

In der qualitativ ausgerichteten diskurstheoretischen Analyse zu Veröffentlichungen mit Schwer-punkt Stromnetzausbau werden acht Publikationen unterschiedlicher Bereiche berücksichtigt:

Ausgangspunkt bildet der Zwischenbericht des Dialogverfahrens zur 380 kV-Westküstenleitung (DUH 2013a) vom Juni 2013, ergänzt um eine Präsentation zu elektrischen und magnetischen Feldern von Freileitungen im Rahmen des Fachdialogs Wohnumfeldschutz im September 2013

7 12

30 38 58

86 109 116 124 150

162 193 196 198 233

338 542

1.385 1.415

1.825

0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 1.600 1.800 2.000 Erholung/Freizeit

Betreiberunternehmen Konventionelle Energiegewinnung Ästhetik Energie allgemein Planung Regenerative Energiegewinnung Ökonomie Raum (relational; z.B. nahe) emotionale Bezüge (z.B. Angst) Raum (konkret; z.B. Bundesländer, Städte) Gestaltung/Entwicklung (z.B. Bau)

Politik/Verwaltung Natur/Naturschutz Umwelt/Umweltschutz Raum (allgemein) Technik Governance Netze Gesundheit

49 (Fels 2013), das Ergebnisprotokoll eines Expertenworkshops zu elektrischen und magnetischen Feldern im November 2014 (DUH und IZES 2014) und ein Artikel, der Ergebnisse einer Studie zu Abstandsregelungen und Akzeptanz zusammenfasst (Wiedemann und Claus 2014)13. Auf diese Weise werden die Bereiche Dialog und Kommunikation sowie Akzeptanz berücksichtigt. Mit der umweltpsychologischen Untersuchung der Akzeptanz von Maßnahmen zur Netzintegration Erneuerbarer Energien in der Region Wahle-Mecklar (Forschungsgruppe UmweltPsychologie 2010), der Diskursanalyse zum Streit um die Uckermarkleitung (Zimmer et al. 2012) und der Studie zur Akzeptanz des Stromnetzausbaus in Schleswig-Holstein (Hübner und Hahn 2013b) fließen drei dezidiert wissenschaftliche Untersuchungen ein. Zudem werden ein Gutachten zum Vergleich Erdkabel-Freileitung (Hofmann und Oswald 2010) und der zweite Entwurf des Netz-entwicklungsplans Strom 2014 (Übertragungsnetzbetreiber 2014b) ausgewertet, um gerade auch technisch-planerische Aspekte berücksichtigen zu können und damit einen Querschnitt der Themen der Veröffentlichungen abzudecken.

Übergreifend wird deutlich, dass immer wieder vergleichbare Aspekte in direktem Argumentati-onszusammenhang vorgebracht werden (siehe dazu jeweils ausführlich auch in der Übersicht Narrative Muster 114). Grundlegend wird die Energiewende befürwortet, allerdings kommen unterschiedliche „Bedenken“/„Befürchtung[en]“/„Kritikpunkte“ zum Tragen (DUH 2013a, S. 12;

Forschungsgruppe UmweltPsychologie 2010, S. 22; Zimmer et al. 2012, S. 28). So werden regelmäßig Bezüge zu Landschaft, Wirtschaft und Tourismus, Naturschutz, zum Planungsverfah-ren sowie zu Gesundheit hergestellt. Die Formulierungen sind, wie sich beispielhaft zeigen lässt, bei den Argumenten ähnlich:

 Landschaft: „Landschaftsbild“, „landschaftliche Effekte“, „Störung des Landschaftsbil-des“, „landschaftliche Veränderungen“

 Wirtschaft und Tourismus: „Wertverluste der Häuser“, „Wertverlust von Grundstücken oder Immobilien“ beziehungsweise „Beeinträchtigungen des Tourismus“, „negativ auf Tourismus“

 Naturschutz: „Auswirkungen auf die Natur“, „Natur- und Vogelschutz“, „Auswirkungen auf Natur/Umwelt“

 Gesundheit: „gesundheitliche Bedenken“, „gesundheitliche Beeinträchtigungen“, „Ge-sundheitsschutz“, „Gesundheitsauswirkungen“.

Die Argumente reihen sich aneinander und werden durch die regelmäßige Benennung verfestigt.

Es ergibt sich ein gewisses Problembündel, bei dem in vielen Fällen die Argumente gleichberech-tigt nebeneinander stehen. Zunächst unabhängig von der Frage, ob der Netzausbau grundsätzlich als notwendig oder nicht eingeschätzt wird, wird eine vergleichbare Äquivalenzkette aus Bedenken in den untersuchten Veröffentlichungen reproduziert, wobei die einzelnen Momente dieses Diskurses nicht zwingend auch alle einer ausführlichen Betrachtung unterzogen werden.

13 Die letzten drei genannten Präsentationen und Artikel wurden erst nach der Durchführung der quantitati-ven Auswertung per Email zur Verfügung gestellt beziehungsweise veröffentlicht und bleiben entsprechend in der quantitativen Auswertung unberücksichtigt. Durch die Themenrelevanz erfolgt eine qualitative Analyse.

14 In den ,Narrative Muster‘-Boxen werden innerhalb der angeführten Originalzitate zentrale Begrifflichkeiten beziehungsweise Anknüpfungspunkte durch Unterstreichung hervorgehoben, die miteinander argumentativ verwoben werden (siehe hierzu Kapitel 3.1.2). Fett hervorgehoben werden einerseits zentrale Knotenpunkte, andererseits Wörter wie ,jedoch‘ oder ,aber‘, die Aussagen abgrenzen, damit also unterschiedliche Positionierungen gegeneinander abgewogen werden. Auslassungen werden mit […] gekennzeichnet, grammatikalische Anpassungen mit [-] oder [Buchstabe(n)], beispielsweise wenn statt ,anderen‘ grammati-kalisch ,andere[-]‘ beziehungsweise statt ,andere‘ ,andere[n] korrekt ist.

50 Narrative Muster 1: Problembündel

„Stromleitungen und der Ausbau der Erneuerbaren Energien verändern das Landschaftsbild und beeinträchtigen den Tourismus. Beide Belange werden jedoch geprüft.“

„Der Bürgermeister von Almdorf spricht die Bedenken seiner Einwohner an: Veränderung des Landschaftscharakters, Wertverluste der Häuser, gesundheitliche Bedenken, direkte Überspannungen von Wohnhäusern und der anstehende Bau der Bundesstraße 5.“

DUH 2013a, S. 10, 12

„Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die prinzipielle Notwendigkeit neuer Stromleitungen anerkannt wird, neue Freileitungen aber sehr negativ bewertet werden, gesundheitliche Befürchtungen sowie die erwarteten negativen landschaftlichen Effekte stehen dabei als Argumente im Vordergrund. […]“

„Inhaltlich stellen dementsprechend die Befürchtung vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die erwarteten negativen Auswirkungen auf die Natur, der störende Anblick in Hausnähe sowie die Fairness im Planungsverfahren die zentralen Prädiktoren für die Akzeptanz von Freileitungen dar.“

Forschungsgruppe UmweltPsychologie 2010, S. 2, 22

„Zu den Kritikpunkten an den geplanten Vorhaben gehören in der Regel die Störung des Landschaftsbildes sowie der Natur- und Vogelschutz, ein empfundener Eingriff in die gewohnte Umgebung, sprich die direkte Betroffenheit, Risiken für die AnwohnerInnen aufgrund von elektromagnetischer Strahlung, die Abwertung von Immobilien sowie ökonomische Nachteile für die Region, bspw. aufgrund von Beeinträchtigungen des Tourismus. […]“

„Die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, Gesundheitsrisiken und negative Auswirkungen auf die Natur durch die Freileitung wurden seit 2008 durchgängig thematisiert. […]“

„Neben dem Biosphärenreservat geht es v.a. um Vogelschutz, Gesundheitsschutz, Bewahrung des Landschaftsbildes, um den Umgang mit Bürgern und das Hinterfragen des Bedarfs an neuen Höchstspannungsleitungen. […]“

„Weitere wichtige Kritikpunkte betreffen die Verschandelung des Landschaftsbildes, ökonomische Fragen sowie die Beeinträchtigung des Naturschutzes. Die ökonomischen Argumente beziehen sich entweder direkt auf einen Wertverlust von Grundstücken oder Immobilien oder indirekt auf eine Entwertung der Region, die durch die Freileitung ihren Erholungswert einbüßt, was sich negativ auf Tourismus und regionale Entwicklung auswirken wird.“

Zimmer et al. 2012, S. 6, 28, 45, 28

„Die stärksten Befürchtungen bezogen sich auf landschaftliche Veränderungen, verbunden mit Einbußen im Tourismus und der Landwirtschaft sowie Immobilienverluste. Befürchtungen zur Gesundheit waren dagegen weniger stark ausgeprägt.“

„Gesprochen wurde vor allem über mögliche Trassenverläufe (31.0 %), Gesundheitsauswirkungen (21.8 %), Erdkabel (19.7

%), Auswirkungen auf Immobilienpreise (15.5 %) und die Kosten der Energiewende insgesamt (12.0 %).“

Hübner und Hahn 2013b, S. 3, 8

„Die Befürchtungen im Zusammenhang mit den geplanten HGÜ-Korridoren sind groß: Themen wie gesundheitliche Auswirkungen (elektrische und magnetische Felder/EMF), Auswirkungen auf Natur/Umwelt, Abstandsregelungen zu Wohnhäusern sowie der Wertverlust von Immobilien und Grundstücken wurden in vielen Stellungnahmen angesprochen.

Damit einher geht der Wunsch nach Erdverkabelung.“

Übertragungsnetzbetreiber 2014b, S. 113

„Politik, Übertragungsnetzbetreiber und Genehmigungsbehörden“ werden als „Akteure“ beschrie-ben, die dem Vorhaben positiv gegenüberstünden, wohingegen Umweltverbände und Bürgerinitia-tiven als „Kritiker“ benannt werden (Zimmer et al. 2012, S. 42, dazu auch 29, 39). Es entstehen damit zwei Lager: Befürworterinnen und Befürworter versus Gegnerinnen und Gegner – diskurs-theoretisch gedacht antagonistisch einander gegenüber stehend.

Gerade das Erreichen der Bürgerinnen und Bürger und die Erhöhung der Akzeptanz beziehungs-weise Einbindung in Planungsprozesse ziehen sich wie ein roter Faden durch die untersuchten Studien (DUH 2013a, S. 6; Forschungsgruppe UmweltPsychologie 2010, S. 3; Hübner und Hahn 2013b, S. 1). Durchgehend wird darauf rekurriert, dass nur durch Bearbeitung von Akzeptanzfra-gen die Zustimmung erhöht werden könne. Als zentrales Problem kristallisiert sich in den Veröffentlichungen allerdings heraus, dass Konflikte und Misstrauen einen Austausch von

51 Positionen stark erschwerten (Forschungsgruppe UmweltPsychologie 2010, S. 21, 25; Hübner und Hahn 2013b, S. 28; Zimmer et al. 2012, S. 7, 28, 48). Die Relevanz veränderter Steue-rungsmechanismen und damit Governance lässt sich auch bei einer Auswertung der Worte, die am häufigsten in der Studie zur Uckermarkleitung (Zimmer et al. 2012) nachzeichnen (Abbildung 10). Unter anderem kommen die Worte ,Bürgerinitiative‘, ,Streit‘, ,Konflikt‘, ,Vertreter‘ besonders häufig vor: Der Stromnetzausbau in der Uckermark beinhaltet unterschiedliche Positionen, die sich aneinander reiben und nicht konfliktfrei bleiben. Es treten Begriffe wie ,Proteste‘, ,Vattenfall‘, ,Freileitung‘ und ,Erdverkabelung‘ hinzu – Proteste drehen sich hier gerade auch um die Frage, ob Erdverkabelungen nicht statt Freileitungen zum Einsatz kommen könnten. Zwar finden sich auch andere Argumente wie ,Landschaft‘, ,Biosphärenreservat‘ oder ,Tourismus‘, aber sie sind zumindest nicht hochfrequent.

Abbildung 10: Hochfrequente Worte in der Diskursanalyse zum Streit um die Uckermarkleitung

Quelle: Grafik auf Grundlage von Zimmer et al. 2012 als Textdatei, erstellt mit www.wordle.net.

Fragen um Bürgerbeteiligung und Planung werden fast durchgehend und in Teilen sehr ausführ-lich reproduziert, ebenso landschaftausführ-liche, naturbezogene und ökonomische Gesichtspunkte (unter anderem DUH 2013a, S. 76; Forschungsgruppe UmweltPsychologie 2010, S. 2, 14; Hofmann und Oswald 2010, S. 49; Hübner und Hahn 2013b, S. 27–28; Zimmer et al. 2012, S. 41).

Gesundheitliche Argumente werden dagegen nur eher randständig einbezogen. Eine zunächst zentrale Auffälligkeit hierbei betrifft die Positionierung der Übertragungsnetzbetreiber (2014b, S.

116): Diese nehmen zwar als „Befürchtungen“ auch „gesundheitliche Auswirkungen“ auf, allerdings werden diese nicht zu einem „Beurteilungskriterium für den Netzausbaubedarf“

(Übertragungsnetzbetreiber 2014b, S. 113, 116). Es dominiert ein technisch-systemischer Ansatz, das heißt elektrische und magnetische Felder sind physikalisch bedingt und bilden kein Kriterium für die Netzausbauplanung, da die „gesetzlich festgelegten Grenzwerte“ eingehalten würden (Übertragungsnetzbetreiber 2014b, S. 116). Aus systemtheoretischer Sicht werden zwar gesundheitliche Befürchtungen aus Sicht des Systems Netzbetreiber wahrgenommen, aber nicht als relevante Größe bewertet. Die Befassung mit dieser Thematik wird anderen gesellschaftlichen Teilsystemen überantwortet. Eine Resonanz des eigenen Systems erfolgt zunächst nicht. Gerade für Bürgerinnen und Bürger beziehungsweise Betroffene sind Gesundheitsfragen dagegen eines der Argumente, die mit Verunsicherungen verbunden sind. Übergreifend wird in den anderen Veröffentlichungen auf elektrische und magnetische Felder beziehungsweise ,Strahlung‘

eingegangen, durch die es zu negativen Gesundheitseffekten kommen könne (siehe dazu

52 Narrative Muster 2). Aus technischer Sicht fällt die Verwendung des Begriffes ,Strahlung‘ auf:

Für Laiinnen und Laien könnte ein Zusammenhang zu Radioaktivität suggeriert werden, was allerdings nicht der Fall ist. In der technischen Fachsprache wird von ,Feldern‘ gesprochen. Bei Gesundheitsrisiken werden erhöhte Leukämierisiken bei Kindern und erhöhte Fehlgeburtenraten sowie mögliche Gefährdungen von Herzschrittmachern mit elektrischen und magnetischen Feldern in Beziehung gesetzt. Begriffe wie „befürchtete“, „befürchtet“, „möglicherweise“,

„Sorge“ oder „potentielle“ zeigen (DUH und IZES 2014, S. 4; Forschungsgruppe UmweltPsycho-logie 2010, S. 3, 16, 19; Zimmer et al. 2012, S. 40), dass Risiko und Sorge zentral sind. Es sind vor allem Ängste, die sich in den nachstehenden Zitaten widerspiegeln. Die Sachlage ist nicht eindeutig und dadurch aber nicht weniger konflikthaltig.

Narrative Muster 2: Gesundheit und ,elektromagnetische Felder/Strahlung‘

„befürchtete negative Gesundheitseffekte durch elektromagnetische Felder bzw. Elektrosmog.“

„Bei Freileitungen werden gesundheitliche Beeinträchtigungen in hoher Ausprägung befürchtet, wohingegen dies bei Erdkabeln wesentlich weniger der Fall ist. Insbesondere die Angst vor elektromagnetischer Strahlung dominiert hier die Diskussion und ist die meist genannte Befürchtung in diesem Kontext.“

„Eine große Zahl derjenigen, die in einer der Bürgerinitiativen organisiert sind, wäre unmittelbar durch die neuen Stromlei-tungen beeinträchtigt. Sie würden die neuen LeiStromlei-tungen sehen und wären möglicherweise auch einem stärkeren elektromag-netischem Feld, in unterschiedlichem Maße, direkt ausgesetzt.“

Forschungsgruppe UmweltPsychologie 2010, S. 3, 16, 19

„Risiken für die AnwohnerInnen aufgrund von elektromagnetischer Strahlung.“

„Wenn konkrete Risiken angesprochen werden, dann geht es um ein erhöhtes Leukämierisiko bei Kindern oder um eine erhöhte Fehlgeburtenrate, die durch die elektromagnetischen Wechselfelder ausgelöst werden sollen.“

„Gesundheit: Sorge vor gesundheitlicher Beeinträchtigung durch elektromagnetische Strahlung.“

Zimmer et al. 2012, S. 6, 28, 40

„Im Zuge der gesamtgesellschaftlichen Diskussion um den geplanten Ausbau der Stromnetze stehen die potentielle gesundheitliche Gefahr, die von Elektromagnetischen Feldern (EMF) ausgeht, und die damit verbundene Angst betroffener Anwohner immer wieder im Fokus einer Debatte rund um den Netzausbau. Hierbei steht das Thema EMF meist nicht im Kern der Debatte, allerdings aufgrund des hoch sensiblen und emotionalen Gegenstandes, als ein sehr schwieriges Thema da.“

DUH und IZES 2014, S. 4

Die technischen Einschätzungen unterstreichen dagegen, dass magnetische Felder „mit wach-sendem Abstand schnell“ abnähmen beziehungsweise diese „deutlich unter Grenzwert“ lägen (Fels 2013, Folie 8). Ein „schlüssiger Nachweis“ einer gesundheitsschädigenden Wirkung sei bisher „nicht erbracht“ worden (Hofmann und Oswald 2010, S. 48). Die „elektromagnetischen Grenzwerte“ würden „auch heute nicht überschritten“ (Zimmer et al. 2012, S. 44) und For-schungen der Universität Aachen hätten auch „keine Beeinflussung durch Leitungen auf Herz-schrittmacher nachweisen“ können (DUH 2013a, S. 20).

Es ergibt sich damit in Bezug auf die Grenzwerte und die Wirkung von elektrischer und magneti-scher ,Strahlung‘ auf den Menschen eine uneindeutige Informationslage mit einerseits einem recht deutlichen Ausschluss von Risiken und andererseits einer gefühlten Bedrohungslage.

Letztere spiegelt sich übergreifend in den Veröffentlichungen wider: So wird bemängelt, dass die Sachlage zu ,elektromagnetischer Strahlung‘ „noch unklar“ sei, „nicht genügend Informationen über die Auswirkungen der elektromagnetischen Strahlungen“ vorhanden seien (Forschungsgrup-pe UmweltPsychologie 2010, S. 16, 17), wissenschaftliche Erkenntnisse „keineswegs eindeutig“

ausfielen, „keine Einigkeit über die Gefährdung der menschlichen Gesundheit“ bestehe (Zimmer et al. 2012, S. 34, 46) und „große[s] „Misstrauen gegenüber Grenzwerten“ vorhanden sei (DUH

53 und IZES 2014, S. 6). Ängste aufgrund unzureichender Informationslage werden damit zu einem hegemonial verankerten Argumentationsmuster. Wenn dann entsprechend auch neueren Informationen nicht vertraut wird, kommt es zu einer weiteren Verunsicherung und zu einer zusätzlichen Verfestigung der Vermutung negativer Auswirkungen von elektrischen und magneti-schen Feldern auf die Bevölkerung. Auch die Darstellung der Einhaltung von Grenzwerten trüge nicht automatisch zu einer Akzeptanzsteigerung bei – die „Risikowahrnehmung und die Einstel-lung zur Technik“ beeinflussten „wesentlich die für den Gesundheitsschutz und die für die Akzeptanz erforderlich erachteten Entfernungen einer Stromtrasse zur eigenen Haustür“. Je genauer über Vorsorge-Grenzwerte informiert würde, umso größer würde auch die Distanz, in der Stromtrassen akzeptiert würden. Abstandsregelungen könnten durchaus eher zu „verstärkter Besorgnis“ führen (Wiedemann und Claus 2014, S. 77).

Besonders ,mehr Information‘ wird zum zentralen Schlagwort beziehungsweise Argument im Hinblick auf die weiteren Entwicklungen beim Stromnetzausbau, bezogen auf neue Technologien wie Erdkabel, aber auch den gesamten Planungsprozess inklusive Informationsveranstaltungen (unter anderem DUH 2013a, S. 18; Forschungsgruppe UmweltPsychologie 2010, S. 2, 18, 30;

Hübner und Hahn 2013b, S. 22). Darüber hinaus werden Mindestabstände zu Wohnhäusern angeführt: Gesundheitsfragen könnten „nur durch optimierte Abstände gelöst werden“ (Hübner und Hahn 2013b, S. 28). Messungen vor Ort könnten zudem das Thema elektrischer und magnetischer ,Strahlung‘ „erlebbar“ machen (DUH und IZES 2014, S. 10). Diese Ansätze zielen explizit darauf ab, Unsicherheiten zu begegnen und damit die Informationslage zu verändern.

Während Übertragungsnetzbetreiber auf die technische Notwendigkeit des Netzausbaus rekurrie-ren, werden bei Bürgerinnen, Bürgern und Bürgerinitiativen Fragen und Ängste laut – und Ängste gerade in Bezug auf elektrische und magnetische Felder und Gesundheitsgefährdung. Übertra-gungsnetzbetreiber sowie Politik stehen, vereinfachend formuliert, Kritikerinnen und Kritikern des Stromnetzausbaus gegenüber.

4.1.4 Auswertung von Veröffentlichungen zu ,Magnetfelder/Gesundheit‘: Problematik