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4.2 Öffentlichkeitsarbeit ausgewählter Institutionen und Initiativen zu

4.2.3 Öffentlichkeitsarbeit zu ,Gesundheit‘ auf den Websites der

62 eingehalten würden. Indem offen gelassen wird, warum es keine Mindestabstände gibt, kann durchaus Verunsicherung entstehen und die Risikowahrnehmung negativ beeinflusst werden.

Hinzukommt, dass in Niedersachsen Mindestabstände gesetzlich verankert sind (Bundesnetzagen-tur 2014b, o. S.). Damit scheint hier eine klare gesetzliche Regelung zu bestehen, die Mindestab-stände definiert und fixiert – wenn auch für das Wohnumfeld und nicht den Gesundheitsschutz.

Dadurch entsteht ein Wert, an dem sich Bürgerinnen und Bürger orientieren können. Doch auch hier kommt eine Einschränkung zum Tragen: Abstände könnten „allerdings“ auch unterschritten werden, „wenn keine geeignete zulässige Trassenvariante möglich ist, die die Mindestabstände einhält“ (Bundesnetzagentur 2014b, o. S.). Eine Garantie für die Bürgerinnen und Bürger besteht damit nicht.

Es wird insgesamt eher über technisch-planerische Notwendigkeiten argumentiert, Gesundheit bildet nur einen Subdiskurs. Vor dem Hintergrund der skizzierten Ergebnisse werden nun die Übertragungsnetzbetreiber Amprion GmbH und TenneT TSO GmbH und deren Informationspolitik zum Stromnetzausbau und gesundheitsbezogenen Fragestellungen analysiert.

4.2.3 Öffentlichkeitsarbeit zu ,Gesundheit‘ auf den Websites der Übertragungsnetzbetreiber

63 betont: „Akzeptanz und Rahmenbedingungen sind hier die Schlüsselwörter. Für den Netzausbau an Land heißt dies: Es ist ein politischer Konsens notwendig darüber, wo und wie im kommenden Jahrzehnt Netze gebaut werden.“ (TenneT TSO GmbH 2014f, o. S.).

Inwieweit wird nun aber gesundheitsbezogen argumentiert? Welche Rolle spielen Bezüge zu elektrischen und magnetischen Feldern, zu Strahlenschutz und möglichen Risiken?

Auf der Website der Amprion GmbH wird ausgeführt, dass beim Leitungsbau „genauestens auf den Schutz der Natur und Umwelt“ geachtet würde. „Stromtransport ohne Beeinträchtigung der Umwelt“ sei nicht möglich, allerdings würde diese „so gering wie möglich gehalten“ (Amprion GmbH 2014a, o. S.). Als Auswirkungsbereiche auf den Menschen werden „Landschaftsbild“,

„Geräusche“ und „elektromagnetische Felder“ und auf die Natur „Flächenbeanspruchung“,

„Boden“, „Wasser, Tier – und Pflanzenwelt“ genannt (Amprion GmbH 2014a, o. S.). Argumen-tiert wird, dass Amprion „[…] den Natur- und Umweltschutz von Beginn der Planungen an“

berücksichtige – ein Argument, das mehrfach (re)produziert wird, ohne allerdings ausdifferenziert zu werden. Es wird ebenfalls auf das System der Wissenschaft verwiesen, auf „unabhängige Gutachter“, die die „Umweltsituation“ und die „zu erwartenden Auswirkungen der neuen Leitungstrasse“ bewerteten (Amprion GmbH 2014d, o. S.). Die Planfeststellungsbehörde entscheide schließlich, „wo ein Eingriff in die Natur notwendig ist oder wo zum Beispiel die Trasse verschoben werden muss, um die Umwelt zu entlasten.“ (Amprion GmbH 2014d, o. S.).

Entscheidungsprozesse werden damit mit der Planungsebene verbunden und aus dem Bereich des Übertragungsnetzbetreibers ausgegliedert. Konkretisiert in Bezug auf Gesundheit wird angeführt, dass in der Bevölkerung Sorgen existierten, „dass Hochspannungsleitungen nachteilige gesund-heitliche Wirkungen haben und im schlimmsten Fall Krankheiten auslösen könnten“ (Amprion GmbH 2014b, o. S.). Amprion betont, dass es hier um die „elektromagnetischen Felder, kurz EMF“ ginge. Weiter werden sie als „eine Begleiterscheinung der Elektrizität“ gerahmt und beträfen Hochspannungsleitungen ebenso wie viele andere „technische Alltagsgeräte“. Amprion halte die in Deutschland geltenden „EMF-Anforderungen“ für Stromleitungen „auf allen Freilei-tungsstrecken ein und im Planfeststellungsverfahren“ müsste dies „nachgewiesen werden“.

Gesundheitliche Auswirkungen werden mit den Wörtern „eingehalten“ und „nachgewiesen“

ausgeschlossen und verbunden mit Grenzwerten, auf die weiter verwiesen wird.

„[G]esundheitliche Risikobewertungen“ werden wiederum als Aufgabenbereich der „Gesetzgeber“

beschrieben. Dies wird noch weiter verstärkt durch die Aussage, dass „keine wissenschaftlichen Erkenntnisse“ vorlägen, die zeigen würden, dass es nötig sei, die „bestehenden Grenzwerte“ zu verändern (Amprion GmbH 2014b, o. S.). Darüber hinaus wird auf die Geräuschentwicklung von Freileitungen eingegangen. Grundsätzlich könne es während des Betriebes von Freileitungen bei sehr feuchtem Wetter zu „so genannten Korona-Entladungen und damit zu Geräuschen an den Leiterseilen kommen“. Der Schallpegel hänge neben der Witterung „von der elektrischen Feldstärke auf der Oberfläche der Leiterseile ab.“ Für Lärmimmissionen gelte nach Bundesimmis-sionsschutzgesetz (BImSchG) die „Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ (TA-Lärm). Die Richtwerte der TA-Lärm würden beim Betrieb der Freileitungen „immer eingehalten“ und selbst

„unterhalb der Freileitungen dauerhaft deutlich unterschritten“ (Amprion GmbH 2014b, o. S.).

Durch die Verbindung von „immer eingehalten“ und „dauerhaft deutlich unterschritten“ werden gesundheitliche Risiken in das Außen des Diskurses verschoben, das heißt, sie werden ausge-schlossen. Amprion verzichtet auf die Nennung von exakten Grenzwerten, physikalischen Größen sowie Messwerten und -größen – einer fachspezifischen Sprache und Logik, die eher Expertinnen und Experten zugänglich ist.

Wie argumentiert im Vergleich hierzu die TenneT TSO GmbH? Innerhalb des Internetauftritts wird angeführt, dass „beim Transport elektrischer Energie durch Freileitungen oder Erdkabel […]

64 niederfrequente elektrische und magnetische Felder“ entstünden. Diese Felder würden die Menschen „auch in unserem täglichen Leben“ umgeben „und zwar immer dann, wenn Strom erzeugt, transportiert oder genutzt wird.“ (TenneT TSO GmbH 2014c). Es wird betont, dass eine

„gesundheitliche Schädigung“ nicht nachgewiesen sei und auf „[g]eltende Grenzwerte“ rekurriert (TenneT TSO GmbH 2014c, o. S.). TenneT bezieht sich auf die „empfohlenen Grenzwerte“ der WHO, die „in der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV)“ für Deutschland umgesetzt seien und „[bei 50 Hertz-Leitungen] für die magnetische Flussdichte 100 Mikrotesla (µT) und für die elektrische Feldstärke 5 Kilovolt pro Meter (kV/m)“

betrügen (TenneT TSO GmbH 2014d, o. S.). Die Ausführungen bewegen sich auf einem sehr technischen Niveau und bedienen sich der dazugehörigen Fachsprache, die für Laiinnen und Laien nicht unbedingt zugänglich ist (dazu Narrative Muster 6).

Narrative Muster 6: Fachsprache in Bezug auf Feldstärken

„Die Gesamtheit dieser Ströme wird in Form der Körperstromdichte gemessen. Diese liegt im natürlichen Bereich zwischen 1 und 10 Milliampere pro Quadratmeter (mA/m²).“

„Der von der WHO empfohlene Grenzwert ist in der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) für Deutschland umgesetzt und beträgt (bei 50 Hertz-Leitungen) für die magnetische Flussdichte 100 Mikrotesla (µT) und für die elektrische Feldstärke 5 Kilovolt pro Meter (kV/m).“

TenneT TSO GmbH 2014d, o. S. (Webinhalt zuletzt geprüft am 30.12.2014)

„Bei einer380-kV-Leitungliegt die Feldstärke unter der Leitung bei ungefähr5 kV/m, bei einer220-kV-Leitungbei rund3 kV/mund bei einer110-kV-Leitung unter 2 kV/m.“

TenneT TSO GmbH 2014e, o. S. (Webinhalt zuletzt geprüft am 30.12.2014)

TenneT bemerkt, dass „diese Grenzwerte“ von der „natürlichen Körperstromdichte“ abgeleitet seien, „so dass keinesfalls eine zusätzliche Belastung auftreten kann“ (TenneT TSO GmbH 2014d, o. S.). Weitergehend heißt es, dass Grenzwerte „bei dem Betrieb einer Freileitung durch TenneT selbstverständlich eingehalten und beim magnetischen Feld sogar deutlich unterschritten“

würden. Die gesetzlichen ‚Grenzwerte‘, wie von der 26. BlmSchV festgelegt, lägen „um den Faktor 5 bis 50“ unter den Werten, bei denen „laut aktuellem Forschungsstand mögliche Wirkungen überhaupt zu erwarten“ seien. Magnetische Felder von Alltagsgegenständen werden den Werten einer Freileitung gegenübergestellt, womit herausgestellt wird, dass gerade auch im Alltag Strahlenbelastungen gegeben seien (TenneT TSO GmbH 2014b, o. S.). Auch hier wird das Argumentationsmuster reproduziert, dass bestehende Grenzwerte und „geltende Richtwerte“

eingehalten würden (TenneT TSO GmbH 2014c, o. S.). TenneT stützt sich dabei auf „unabhän-gige wissenschaftliche Untersuchungen“, die sicherstellten, dass „die gültigen Grenzwerte ein Risiko für den Menschen ausschließen“ (TenneT TSO GmbH 2014d, o. S.).

Die Frage nach ‚langfristigen Auswirkungen‘ nehme die TenneT TSO GmbH „sehr ernst“ und orientiere sich „an den Erkenntnissen des Bundesamtes für Strahlenschutz, sowie der WHO und der Internationen Krebsforschungsagentur“. Beantwortet wird die Frage von TenneT, dass „[e]ine langfristige Schädigung […] nicht nachgewiesen“ sei. Es wird jedoch eingeräumt, dass die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) elektrische und magnetische Felder dennoch als

„möglicherweise krebserregend“ einordne. „Möglicherweise“ wird dort als „begrenzter oder unzureichender Nachweis von Kanzerogenität bei Menschen“ beschrieben. Es wird von „keiner Schädigung des menschlichen Organismus“ durch elektrische und magnetische Felder ausgegan-gen. Ein „positiver Zusammenhang“ zwischen ‚elektromagnetischen Feldern‘ und ‚Leukämie‘

könne als „möglich“ gedeutet werden, wenn „ein eingeschränkter Nachweis“ bestünde. Der Nachweis könne „aber aufgrund systematischer Fehler und Störvariablen nicht vertretbar

65 angenommen werden“. Daher sei von „keiner Schädigung“ auszugehen (TenneT TSO GmbH 2014a, o. S.). Mögliche Risiken werden hier eher ausgeschlossen.

Um die gesundheitlichen Auswirkungen von elektrischen und magnetischen Feldern bei Einhal-tung der Grenzwerte als ‚unschädlich‘ zu bekräftigen, wird darauf hingewiesen, dass sich „in der Gruppe 2B der IARC auch das Kaffeetrinken und das Benutzen von Laserdruckern“ als kanzero-gene Auslöser finden ließen (TenneT TSO GmbH 2014a, o. S.).

Die Narrationen auf den Internetseiten von TenneT zu ,Gesundheit‘ verlaufen entlang der Argumentation, dass die ‚gesetzlichen Grenzwerte‘ eingehalten und ‚weit unterschritten‘ würden und somit alles dafür getan würde, dass es zu keinen gesundheitlichen Auswirkungen von elektrischen und magnetischen Feldern komme.

Die Ausführungen zu elektrischen und magnetischen Feldern und Gesundheit sind bei der TenneT TSO GmbH um ein wesentliches länger und ausführlicher als die der Bundesnetzagentur und der Amprion GmbH. Im Kontrast zu denen von Amprion können die Ausführungen von TenneT in Teilen eher als ‚Expertensprache‘ bezeichnet werden. Sie sind recht fachspezifisch und nicht unbedingt für Laiinnen und Laien zugänglich. Beide Übertragungsnetzbetreiber greifen verschie-dene Sorgen auf und reagieren auf spezifische Weise. Die Hauptargumentationslinien verlaufen bei der Amprion GmbH und der TenneT TSO GmbH ebenso wie bei der Bundesnetzagentur entlang von ‚unabhängigen Gutachten‘, ‚unabhängigen wissenschaftlichen Studien‘ und ‚gesetz-licher Grenzwerte‘, die ‚weit unterschritten‘ würden. Elektrische und magnetische Felder umgäben die Menschen zu jeder Zeit in ihrem Alltag – hierzu werden von TenneT auch Ver-gleichswerte herausgestellt, die als eine Rückführung des wissenschaftlichen Diskurses in die Praxis gedeutet werden können (dazu auch Kapitel 5.4.3 und 5.4.4).

Vor dem Hintergrund bisheriger Ergebnisse wird nun dargestellt, wie die Deutsche Umwelthilfe e.V. und ihre Plattform Forum Netzintegration Erneuerbare Energien als Nichtregierungsorganisa-tion den Stromnetzausbau und Bezugnahmen zu Gesundheit und Strahlenschutz rahmen.

4.2.4 Öffentlichkeitsarbeit des Forums Netzintegration Erneuerbare Energien als Projekt der