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6. Zusammenfassung der Ergebnisse und übergreifende Diskussion

6.2. Auftreten von Adaptationen

In den In-vitro-Untersuchungen konnte für zwei C. jejuni- und ein C. coli-Isolat die Fähigkeit nachgewiesen werden, sich schrittweise an steigende Konzentrationen von Sorbinsäure oder Propionsäure zu adaptieren und somit eine erhöhte Widerstandsfähigkeit zu entwickeln (Publikation 2). Auch für andere Bakterienspezies und Hefen wurde in der Vergangenheit gezeigt, dass sie sich an organische Säuren adaptieren können (THERON u. LUES 2011; JARBOE et al. 2013). Die Startkonzentrationen der organischen Säuren lagen in der vorliegenden Studie im sub-inhibitorischen Bereich. Nach Abschluss der Adaptationsversuche zeigten die Isolate zwei- bis vierfach erhöhte MHK-Werte im Vergleich zu den Ursprungsisolaten und damit eine klare Adaptation an die jeweiligen Säuren. Ähnliche Ergebnisse wurden in einer In-vitro-Studie von WARTH (1988) beobachtet, in der verschiedene Hefen sub-inhibitorischen Konzentrationen an Benzoesäure ausgesetzt wurden. Die Hefen zeigten im Anschluss 1,4- bis 2,2-fach niedrigere MHK-Werte gegenüber Benzoesäure als die nicht-adaptierten Isolate (WARTH 1988). Um die Stabilität der Adaptation zu untersuchen, wurden die adaptierten Isolate in Anlehnung an die Studie von RENSCH et al. (2013) an zehn aufeinanderfolgenden Tagen auf MHA ohne Zusatz organischer Säuren überimpft und im Anschluss die MHK-Werte bestimmt. Fünf der sechs Isolate zeigten dabei eine stabile Adaptation.

Um einschätzen zu können, welche Auswirkungen das Auftreten von adaptierten Isolaten in einer Campylobacter spp.-Population hat, wurde untersucht, ob die Adaptation an die beiden organischen Säuren einen Einfluss auf die sogenannte Fitness und das Wachstum der Isolate hatte. Dazu wurden Kompetitionsversuche durchgeführt, in denen das Wachstumsverhalten der adaptierten und der

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Ursprungsisolate in direkter Konkurrenz untersucht wurden. Es konnte nachgewiesen werden, dass die adaptierten Isolate im Verlauf des Versuchs signifikant niedrigere Bakterienkonzentrationen zeigten als die Ursprungsisolate. Durch Analyse der Daten mittels einer linearen Regression wurde gezeigt, dass die Adaptation mit einem Fitnessverlust assoziiert war (Publikation 2). Ähnliche Ergebnisse wurden in einer In-vitro-Studie von RENSCH et al. (2015) beobachtet, in der anhand von Kompetitionsversuchen für Triclosan-resistente Salmonella enterica-Isolate ein Fitnessverlust im Vergleich zu den Ursprungsisolaten nachgewiesen wurde. Eine mögliche Erklärung für den in der vorliegenden Studie nachgewiesenen Fitnessverlust könnte sein, dass die der Adaptation zugrundeliegenden Mechanismen zu einem gesteigerten Energieverbrauch führten, so wie es in einer früheren Studie für an organische Säuren adaptierte Saccharomyces cerevisia-Isolate nachgewiesen wurde (HOLYOAK et al. 1996; BRACEY et al. 1998). Weiterführende Untersuchungen wären notwendig, um die Mechanismen der Adaptation weiter aufzuklären.

Aus der Antibiotikaforschung ist bekannt, dass eine reduzierte Fitness mit Beeinträchtigungen verschiedener Wachstumsparameter wie der maximalen Wachstumsrate oder der Lag-Phase einhergehen (GUO et al. 2012;

LUANGTONGKUM et al. 2012; LINKEVICIUS et al. 2013; LOFTON et al. 2014). Um dies für die in dieser Studie adaptierten Isolate zu evaluieren, wurde das Wachstumsverhalten der Isolate in Reinkultur untersucht. Es zeigte sich, dass fünf der sechs adaptierten Isolate signifikant verlängerte Lag-Phasen aufwiesen, wohingegen die maximale Wachstumsrate jeweils höher, gleich oder niedriger lag als bei den Ursprungsisolaten und damit kein einheitliches Bild zeigte. Darüber hinaus wurden Wachstumsversuche in Bouillon supplementiert mit sub-inhibitorischen Konzentrationen von Propionsäure bzw. Sorbinsäure (0,5 x MHK-Wert) durchgeführt.

Interessanterweise wiesen vier adaptierte Isolate selbst in Anwesenheit sub-inhibitorischer Konzentrationen signifikant längere Lag-Phasen als die Ursprungsisolate auf. Dies könnte darauf hindeuten, dass die adaptierten Isolate auch in Anwesenheit organischer Säuren in einer Bakterienpopulation von den Ursprungsisolaten verdrängt werden. Im Gegensatz zu dieser Annahme konnte für antibiotikaresistente Salmonella enterica- und E. coli-Isolate gezeigt werden, dass sie

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selbst in Anwesenheit sehr niedriger Antibiotikakonzentrationen einen Wachstumsvorteil gegenüber den Ursprungsisolaten aufwiesen (GULLBERG et al.

2011). Um das kompetitive Verhalten der adaptierten Isolate unter Selektionsdruck weiter zu evaluieren, wären Kompetitionsversuche in mit organischen Säuren supplementierter Bouillon notwendig.

Auch im Verlauf des Tierversuchs wurde untersucht, ob der inokulierte Campylobacter-Stamm adaptive Reaktionen gegenüber der Säurekombination zeigt. Dazu wurden zu verschiedenen Zeitpunkten des Versuchs insgesamt 90 Re-Isolate gesammelt und auf ihre Empfindlichkeit untersucht. Alle untersuchten Re-Isolate wiesen die gleichen Werte auf wie der inokulierte Teststamm. Folglich konnten anhand der MHK-Wert-Bestimmung in vivo keine Hinweise auf eine Adaptation des C. jejuni-Stamms an die Säurekombination beobachtet werden. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass der C. jejuni-Stamm eine reduzierte Empfindlichkeit gegenüber der Säurekombination entwickelte. So könnten feine Differenzen in der Empfindlichkeit der Re-Isolate durch die MHK-Wert-Bestimmung mittels zweifacher Verdünnungsreihen nicht erfasst worden sein. Auch ist es möglich, dass die adaptierten Isolate in vivo ein vermindertes Wachstum zeigten. So könnte die verlängerte Lag-Phase, die in vitro für vier der sechs adaptierten Isolate in Anwesenheit organischer Säuren nachgewiesen worden war, auch von den in vivo adaptierten Isolaten gezeigt worden sein. Folglich könnte das verminderte Wachstum dazu geführt haben, dass die adaptierten Isolate von den Ursprungsisolaten wieder verdrängt und damit in der stichprobenartigen Untersuchung nicht erfasst wurden (ANDERSSON u. HUGHES 2011). Ein Beispiel hierfür liefert eine frühere In-vitro-Studie, in der für Erythromycin-resistente C. jejuni anhand von Kompetitionsversuchen ein Fitnessverlust im Vergleich zu den sensiblen Stämmen nachgewiesen wurde (ALMOFTI et al. 2011). Eine In-vivo-Untersuchung zur Kolonisationsfähigkeit der C. jejuni in einem Mausmodell zeigte, dass der resistente C.

jejuni-Stamm die Mäuse im Vergleich zu dem sensiblen Isolat weniger stark kolonisierte (ALMOFTI et al. 2011).

Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwieweit die in vitro beobachteten Ergebnisse zur Adaptationsfähigkeit von Campylobacter spp. auf die Situation in vivo übertragbar sind und welche Faktoren hierbei eine Rolle spielen könnten. Dies wird im Folgenden am

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Beispiel der Einflussfaktoren Art und Konzentration der organischen Säuren und pH-Wert diskutiert.

6.2.1. Einfluss der Wahl der organischen Säuren

Die In-vitro- und In-vivo-Studien zur Adaptationsfähigkeit unterschieden sich unter anderem in der Anzahl und Art der eingesetzten organischen Säuren. So wurden in vitro die beiden organischen Säuren Sorbinsäure und Propionsäure getrennt voneinander eingesetzt, wohingegen in vivo die vier organischen Säuren Sorbinsäure, Propionsäure, Benzoesäure und Essigsäure in Kombination verabreicht wurden.

Ergebnisse früherer Studien deuten darauf hin, dass organische Säuren teils unterschiedliche Wirkmechanismen aufweisen. Grundsätzlich wird angenommen, dass organische Säuren nach der Diffusion durch die Zellmembran durch Ansäuerung des Zytoplasmas und durch die Akkumulation der Anionen eine Störung verschiedener Zellfunktionen bewirken (MASTROMATTEO et al. 2010). Die Diffusionsgeschwindigkeit durch die Zellmembran und der Grad der intrazellulären pH-Wert-Absenkung unterscheiden sich dabei zwischen verschiedenen organischen Säuren (GREENACRE et al. 2003). Daneben deuten Ergebnisse verschiedener Studien darauf hin, dass Benzoesäure, Sorbinsäure und MCFA zusätzlich eine schädigende Wirkung auf die bakterielle Zellmembran ausüben (BERGSSON et al.

1998; CAMPOS et al. 2009; TER BEEK et al. 2015). Untersuchungen von kurzkettigen organischen Säuren wie Ameisensäure und Essigsäure zeigten dagegen keinen oder nur einen geringen Effekt auf die Zellmembran (CHAVEERACH et al. 2002; TER BEEK et al. 2015). Wie in Kap. 5.1.1. beschrieben, vermuteten KIM u. RHEE (2013) als Ursache für die synergistische Interaktion von MCFA und SCFA, dass MCFA eine Zellmembranschädigung verursachen und auf diese Weise den Eintritt der SCFA ins Zytoplasma der Bakterien erleichtern.

So wie organische Säuren unterschiedliche Wirkmechanismen aufweisen können, sind auch unterschiedliche Adaptationsmechanismen von Campylobacter bekannt, die zu einer erhöhten Widerstandsfähigkeit gegenüber organischen Säuren führen. Die Mechanismen der Toleranzbildung sind zwar nicht vollständig aufgeklärt, doch wurden in verschiedenen Studien beispielsweise die Rolle von verschiedenen

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Umbaumaßnahmen der bakteriellen Zellmembran und von Effluxpumpen untersucht und diskutiert (BRUL u. COOTE 1999; JARBOE et al. 2013; TER BEEK et al. 2015).

In der Antibiotikatherapie werden erfolgreich Kombinationen von Antibiotika mit unterschiedlichen zellulären Mechanismen angewendet, um so die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzbildung zu reduzieren (FISCHBACH 2011). Übertragen auf die Anwendung organischer Säuren könnte dies bedeuten, dass die Applikation von kombinierten organischen Säuren mit unterschiedlichen Wirkmechanismen bakterielle Adaptationen erschweren oder sogar verhindern könnte. Dies könnte möglicherweise eine Erklärung dafür sein, dass in vivo keine Re-Isolate nachgewiesen wurden, die im Vergleich zum Ursprungsstamm erhöhte MHK-Werte zeigten. Weitere In-vitro-Untersuchungen wären notwendig, um die Adaptationsfähigkeit von Campylobacter spp. gegenüber unterschiedlichen Säurekombinationen zu testen und den Einfluss möglicher Adaptationen auf die bakterielle Fitness zu evaluieren.

6.2.2. Einfluss der Konzentration

In den In-vitro-Adaptationsversuchen wurden die drei Campylobacter spp.-Isolate zunächst sub-inhibitorischen Konzentrationen der organischen Säuren ausgesetzt.

Anschließend erfolgte eine schrittweise Adaptation an steigende Konzentrationen (Publikation 2). Die Konzentration der eingesetzten organischen Säure könnte die Art der Adaptation und damit einhergehend auch die Auswirkungen auf die Fitness beeinflussen. So wurde in der Antibiotikaforschung beispielsweise für Salmonella enterica-Isolate nachgewiesen, dass sub-inhibitorische Konzentrationen von Streptomycin im Vergleich zu Konzentrationen oberhalb der MHK-Werte zum Auftreten jeweils unterschiedlicher resistenzvermittelnden Mutationen führten (WISTRAND-YUEN et al. 2018). Die jeweiligen Mutationen können wiederum stark variierende Auswirkungen auf die bakterielle Fitness ausüben. So konnten für verschiedene resistenzvermittelnden Mutationen ein reduzierender Effekt auf die Fitness nachgewiesen werden, wohingegen andere zu einer erhöhten Fitness der Bakterien führten (KOMP LINDGREN et al. 2005; MARCUSSON et al. 2009).

Gemäß diesen Ausführungen könnte die Kenntnis über die Konzentration der Säurekombinationen im Geflügeldarm eine Voraussetzung dafür sein, um

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Rückschlüsse aus den In-vitro-Untersuchungen auf die Situation in vivo zu ziehen. In der vorliegenden Studie wurden die intestinalen Konzentrationen der organischen Säuren nicht untersucht. Weitere Forschungsarbeiten sind notwendig, um zum einen zu evaluieren, welche Konzentrationen die organischen Säuren im Geflügeldarm erreichen und zum anderen, inwiefern der Faktor Konzentration einen Einfluss auf die Adaptation und Fitness von Campylobacter spp.-Isolaten ausübt.

6.2.3. Einfluss des pH-Wertes

Frühere Studien haben gezeigt, dass Campylobacter spp. und andere Bakterien in der Lage sind, sich an niedrige intrazelluläre oder extrazelluläre pH-Werte zu adaptieren und damit widerstandsfähiger zu werden (RICKE 2003; BIRK et al. 2012). Wie in Kap.

2.2.4. dargestellt, wurden in früheren Studien unterschiedliche Mechanismen der Säureadaptation aufgezeigt. In einer Studie von KWON u. RICKE (1998) wurde die Säure-Stressreaktion von S. Typhimurium-Isolaten auf die organischen Säuren Essigsäure und Propionsäure bei pH 7,0 und pH 5,0 untersucht (KWON u. RICKE 1998). Es konnte nachgewiesen werden, dass die Bakterien in beiden Versuchsansätzen eine Säureadaptation zeigten, doch war diese bei pH 5,0 stärker ausgeprägt als bei pH 7,0 (KWON u. RICKE 1998). Eine Säureadaptation kann dabei nicht nur zu einer erhöhten Toleranz gegenüber niedrigen pH-Werten führen, sondern auch die Empfindlichkeit gegenüber organischen Säuren reduzieren. So zeigte E. coli nach einer Säureadaptation an pH 5,0 eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegenüber der organischen Säure Milchsäure (LEYER et al. 1995).

Für die vorliegende Studie bedeutet dies, dass durch die Applikation der Säurekombination, verstärkt durch die Ansäuerung des Tränkewassers auf pH 6,0, eine mögliche Säureadaptation des C. jejuni-Stamms induziert worden sein könnte.

Die daraus resultierende erhöhte Widerstandsfähigkeit gegenüber niedrigen pH-Werten und organischen Säuren könnte rein hypothetisch dazu geführt haben, dass die Bakterien auf Grund einer höheren Überlebensrate im sauren Mageninhalt den Geflügeldarm stärker kolonisierten und eine reduzierte Empfindlichkeit gegenüber der applizierten Säurekombination aufzeigten. In der vorliegenden In-vivo-Studie konnten diese Annahmen allerdings nicht bestätigt werden. So zeigten die Tiere aus der

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Versuchsgruppe keine signifikanten Unterschiede in den C. jejuni-Konzentrationen im Zäkum und Colon. Zudem waren die MHK-Werte der Re-Isolate und des C. jejuni-Stamms vor der Inokulation gleich. Weiterführende Untersuchungen wären notwendig, um das Auftreten, die Auswirkungen und die Relevanz möglicher Säureadaptationen in vivo aufzuklären.