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5. DISKUSSION

5.2 Die Assemblierung von eIF2 durch Cdc123

Erste Hinweise auf eine funktionelle Verbindung von Cdc123 mit der Translationsinitiation ergaben sich bei einer Analyse von synthetischen genetischen Interaktionen: Die Kombination von cdc123-Allelen mit Deletionsmutanten von Genen, welche für verschiedene Translationsinitiationsfaktoren codieren, führte zu langsamem Wachstum (Richter, 2006). Dass Cdc123 tatsächlich eine Rolle für die Translationsinitiation spielt, zeigte die Reduktion der Polysomen in cdc123-Mutanten (Richter, 2006).

Weitere Analysen ergaben, dass sich Cdc123-Defekte auf den Translationsinitiationsfaktor eIF2 auswirken: Die Expression von GCN4 wird auf Ebene der Translation reguliert und reagiert sensibel auf die Menge an ternären Komplexen aus eIF2, GTP und der Initiator-tRNA (vgl. 3.2.3.1). Die erhöhte GCN4-Expression in cdc123-Mutanten weist deshalb darauf hin, dass die Menge an ternären Komplexen verringert ist. Dies ist nicht auf eine Aktivierung des bekannten Regulationsweges zur Phosphorylierung der α-Untereinheit von eIF2 zurückzuführen ist, denn die erhöhte GCN4-Expression in cdc123-Mutanten ist unabhängig von der eIF2α-Kinase Gcn2 (vgl. 4.1.1). Neben cdc123-Mutanten führen verschiedene Mutationen in eIF2- und eIF2B-Untereinheiten zu einem Gcd-Phänotyp, d.h. zu einer Gcn2-unabhängigen Derepression der GCN4-Expression (Hinnebusch, 2005). Dies unterstreicht den engen funktionellen Zusammenhang von Cdc123 und eIF2.

Die Auswirkungen einer Beeinträchtigung von Cdc123 auf eIF2 wurden mit Hilfe der Depletion von Cdc123 untersucht, wofür CDC123 unter Kontrolle des GALL-Promotors gestellt wurde und die Expression durch Zugabe von Glukose reprimiert wurde (vgl. 4.3). Die Reduktion der Cdc123-Menge hatte eine verringerte Interaktion der drei eIF2-Untereinheiten Sui2 (α), Sui3 (β) und Gcd11 (γ) zur Folge. Ähnliche Ergebnisse waren auch zuvor mit cdc123-Mutanten erzielt worden (Richter, 2006).

Cdc123 ist also wichtig für die Integrität des eIF2-Heterotrimers. Nachdem Cdc123 hauptsächlich mit monomerem Gcd11 und nicht mit dem eIF2-Komplex interagiert (vgl. 4.2.1 und 5.1), stimuliert Cdc123 die Interaktion der Untereinheiten nicht über Stabilisierung vorhandener eIF2-Heterotrimere. Vielmehr scheint Cdc123 an der Assemblierung von eIF2-Komplexen aus den drei Untereinheiten beteiligt zu sein (Abb. 5.1). Es wäre möglich, dass Cdc123 ein Enzym ist, welches Gcd11 modifiziert und so die Affinität von Gcd11 für Sui2 und Sui3 erhöht. Allerdings wurde bisher kein Einfluss von Cdc123 auf die Mobilität von Gcd11 in der SDS-PAGE beobachtet (vgl. z.B. Abb. 4.8 + 4.28c). Dies schließt jedoch eine Modifikation nicht kategorisch aus: die Modifikation könnte entweder unter den Bedingungen der Probenvorbereitung und Gelelektrophorese instabil sein oder auf Grund geringer Masse und Ladung keinen Einfluss auf die Mobilität von Gcd11 bei der eindimensionalen Gelelektrophorese ausüben. In letzterem Fall könnte eine zweidimensionale Gelelektrophorese weitere Erkenntnisse bringen. Eine andere Möglichkeit ist, dass Cdc123 als allosterischer Aktivator der eIF2-Assemblierung wirkt: Die Bindung von Cdc123 an Gcd11 könnte eine Änderung der Gcd11-Konformation bewirken, welche die Interaktion von Gcd11 mit Sui2 und Sui3

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ermöglicht. Diese Hypothese ist besonders attraktiv, weil Cdc123 nicht im Bereich der Sui2- und Sui3-Bindestellen von Gcd11 (Domäne II bzw. Domäne I) bindet, sondern an Domäne III von Gcd11 (vgl.

4.5 + 5.1). In diesem Modell könnten die beobachteten schwachen Interaktionen von Cdc123-myc mit Sui2-ha (Richter, 2006) oder flag-Sui3 mit Cdc123 (vgl. 4.3.1) als Komplex aus Cdc123 und eIF2 erklärt werden, welcher als Zwischenprodukt der Assemblierung auftritt: Zunächst interagiert Cdc123 mit Domäne III von Gcd11 und bewirkt eine Konformationsänderung, woraufhin Sui2 und Sui3 an die Domänen II bzw. I von Gcd11 binden und zuletzt dissoziiert Cdc123 vom eIF2-Komplex.

Abbildung 5.1: Modell zur eIF2-Assemblierung durch Cdc123

Cdc123 bindet an die Domäne III von Gcd11 und erhöht – möglicherweise durch Änderung der Gcd11-Konformation – die Affinität von Gcd11 für Sui2 und Sui3. Ob die Bindung von Sui2 und Sui3 in einer festen Reihenfolge erfolgt, ist unklar. Nach der Assemblierung des eIF2-Komplexes löst sich Cdc123 rasch von Gcd11 und der eIF2-Komplex kann in der Translationsinitiation wirken.

Die Reihenfolge der Bindung von Sui2 und Sui3 ist unklar. Zunächst legten Studien zur Suppression der CDC123-Deletion durch Überexpression von eIF2-Untereinheiten eine besondere Bedeutung der Wechselwirkung von Sui2 und Gcd11 nahe: Während die Überexpression von SUI2 oder GCD11 alleine ein langsames Wachstum von cdc123Δ-Stämmen ermöglichte und die kombinierte Überexpression von SUI2 und GCD11 es cdc123Δ-Stämmen sogar erlaubte, annähernd so schnell zu wachsen wie Wildtyp-Stämme, hatte die Überexpression von SUI3 keinen Einfluss (Richter, 2006; vgl.

auch Anhang 9.2.2). Außerdem konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, dass die verbesserte Suppression durch das gcd11-03-Allel (Meitinger, 2007) auf eine stärkere Interaktion dieser

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Variante mit Sui2 zurückzuführen ist (vgl. 4.3.4). Eine naheliegende Erklärung dieser Beobachtungen wäre, dass die Assemblierung des eIF2-Komplexes in einer strikten Reihenfolge abläuft: Zuerst bindet Cdc123 an Gcd11 und ermöglicht die Anlagerung von Sui2. Die Interaktion von Sui2 mit Gcd11 ist die Voraussetzung für die anschließende Bindung von Sui3, woran Cdc123 nicht direkt beteiligt ist. Ein Hinweis, dass die Bindung von Sui3 an Gcd11 abhängig von Sui2 sein könnte, ergab sich auch bei den Experimenten zur Depletion von Translationsinitiationsfaktoren: Während die Reduktion der Sui3-Menge keinen Einfluss auf die Interaktion von Gcd11 mit Sui2 hatte, verursachte die Depletion von Sui2 eine Abnahme der Interaktion von Gcd11 mit Sui3 (vgl. 4.3.2). Allerdings war das Ausmaß geringer als für eine strikte Reihenfolge erwartet: Die mit Gcd11 co-präzipitierte Sui2-Menge nahm bei Depletion von Sui2 im Vergleich zur Kontrolle auf ca. 20% ab, wohingegen die Menge an co-präzipitiertem Sui3 nur auf 40% abnahm. Dies spricht zwar dafür, dass Sui2 die Bindung von Sui3 an Gcd11 fördert oder stabilisiert, allerdings scheint die vorherige Bindung von Sui2 nicht strikt notwendig für die Interaktion von Gcd11 und Sui3 zu sein. Gegen eine Abhängigkeit der Interaktion und eine festgelegte Reihenfolge der Bindung sprechen auch Untersuchungen von eIF2-Komplexen aus anderen Eukaryoten: So konnten nach Expression der eIF2-Untereinheiten des Mikrosporidiums Encephalitozoon cuniculi in E. coli sowohl αγ- als auch βγ-Dimere aufgereinigt werden (Naveau et al., 2010). Außerdem war bei humanen eIF2-Untereinheiten, welche mit Hilfe des Baculovirussystem einzeln exprimiert und gereinigt wurden, in ELISA-Studien eine paarweise Interaktion von α-γ und β-γ nachweisbar (Suragani et al., 2005). Eine andere Hypothese zur Erklärung der beobachteten Unterschiede zwischen Sui2 und Sui3 hinsichtlich der Interaktion mit Gcd11 und der Fähigkeit zur Suppression der CDC123-Deletion ist, dass Sui2 die „korrekte“ Konformation von Gcd11 stabilisiert und so die Bindung von Sui3 unterstützt. Deswegen schwächt die Depletion von Sui2 die Sui3-Interaktion, die Bindung ist aber nicht völlig von Sui2 abhängig, da Cdc123 die Änderung der Gcd11-Konformation und damit die Sui3-Bindung fördert. In Abwesenheit von Cdc123 (cdc123Δ) hingegen ist die vorige Bindung von Sui2 strikt notwendig für die Bindung von Sui3 an Gcd11. Um diese Hypothese zu überprüfen und um die Rolle von Cdc123 bei der Assemblierung des eIF2-Komplexes genauer zu analysieren, wäre die Etablierung eines in vitro-Assays zur eIF2-Assemblierung von Vorteil.

Auch wenn der genaue Wirkmechanismus von Cdc123 unklar blieb, konnte gezeigt werden, dass die Funktion von Cdc123 nicht auf die Assemblierung neusynthetisierter eIF2-Untereinheiten beschränkt ist: Durch Co-Immunpräzipitation wurde nachgewiesen, dass Cdc123 auch mehrere Stunden nach der Repression der GCD11-Expression mit Gcd11 interagiert (vgl. 4.6). Da zu diesem Zeitpunkt keine Gcd11-Synthese mehr stattfindet, bindet Cdc123 also nicht nur an neusynthetisiertes Gcd11. Es konnte ausgeschlossen werden, dass sich die Cdc123-Komplexe schon direkt nach der Gcd11-Neusynthese gebildet hatten und während der Repression der GCD11-Expression bestehen blieben,

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da sich auch dann Cdc123-Gcd11-Komplexe bildeten, wenn zunächst die GCD11-Expression reprimiert und danach die CDC123-Expression induziert wurde. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eIF2-Komplexe zerfallen können und mit Hilfe von Cdc123 reassembliert werden müssen. Es wäre sogar denkbar, dass die Dis- und Reassemblierung von eIF2 ein bisher unerkannter Schritt des Translationsinitiationszyklus ist: Sowohl eIF2 als auch der Elongationsfaktor eEF1A, welcher Homologie zur γ-Untereinheit von eIF2 aufweist, sind G-Proteine, welche in GTP-gebundener Form tRNAs zum Ribosom rekrutieren und diese dort nach Hydrolyse des GTP-Moleküls entlassen.

Während bei eEF1A die Affinität für tRNA in der GTP-Form etwa 10000mal höher ist als in der GDP-Form, ist der Affinitätsunterschied bei eIF2 wesentlich geringer: Die Affinität von eIF2 für die Initiator-tRNA ist bei Bindung von GTP nur etwa 20mal höher als in GDP-gebundener Form (Kapp und Lorsch, 2004). Es stellt sich daher die Frage, ob dieser vergleichsweise geringe Unterschied für eine effiziente Freisetzung der tRNA nach der GTP-Hydrolyse ausreichend ist. Eine Möglichkeit ist, dass andere Komponenten des 43S Präinitiationskomplexes einen Einfluss ausüben: Zum einen könnten Interaktionspartner von eIF2 dessen Affinität für die tRNA beeinflussen und dazu führen, dass die Affinitätsunterschiede zwischen der GTP- und der GDP-Form von eIF2 größer sind als die in vitro für isoliertes eIF2 gemessenen Werte. Zum anderen könnte durch die Startcodonerkennung und die damit verbundene Umlagerung des Initiationskomplexes in der P-Stelle des Ribosoms eine bessere tRNA-Bindestelle entstehen, welche eine Interaktion der tRNA mit eIF2 aber auf Grund von sterischer Hinderung ausschließt. In der Tat gibt es Hinweise, dass eIF1 die Bindung der tRNA in der P-Stelle sterisch behindert und somit die Freisetzung von eIF1 im Rahmen der Startcodonerkennung die Bindung der tRNA in der P-Stelle stabilisiert (Hinnebusch, 2011). Ob dies die Bindung der tRNA an eIF2 beeinflusst, ist jedoch unklar. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Umlagerung des Initiationskomplexes den Zerfall des Heterotrimers auslöst. Nach der Freisetzung der eIF2-Untereinheiten wäre die Reassemblierung des eIF2-Komplexes durch Cdc123 die Voraussetzung für den nächsten Translationsinitiationszyklus. Gemäß dieser Hypothese müsste die Inhibition der Translationsinitiation – z.B. durch Cycloheximid, welches nicht nur die Elongation, sondern auch die Initiation der Translation inhibiert (Pestka, 1971; Campbell et al., 2005) – den Zerfall von eIF2 verhindern und somit zu einer erhöhten Interaktion von Gcd11 mit Sui2 und Sui3, aber einer verringerten Interaktion von Gcd11 mit Cdc123 führen, was sich durch Co-Immunpräzipitation überprüfen ließe.

Sofern der Zerfall von eIF2 kein Teil des Translationsinitiationszyklus ist, könnte der eIF2-Komplex auch spontan dissoziieren. Da möglicherweise sowohl Sui3, als auch Sui2 den Switch1 der G-Domäne von Gcd11 kontaktieren (Stolboushkina et al., 2008), könnte die Interaktion der eIF2-Untereinheiten durch die Konformation der Switch-Regionen und damit durch das gebundene Guanin-Nukleotid beeinflusst werden. So war bei der Depletion von eIF2B-Untereinheiten eine Abnahme der

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Interaktion von Sui3 mit Gcd11 beobachtbar (vgl. 4.3.2). Dies könnte darauf hindeuten, dass die Bindung von Sui3 an Gcd11-GDP weniger stark ist als an Gcd11-GTP. In diesem Zusammenhang ist auch bedenkenswert, dass eIF5 neben seiner bekannten Rolle als eIF2-GAP vor kurzem eine zweite Funktion als GDI zugeordnet wurde: eIF5 bindet an eIF2-GDP und verhindert die Dissoziation von GDP (Jennings und Pavitt, 2010a; Jennings und Pavitt, 2010b). Wenn die Affinität der eIF2-Untereinheiten in der GDP-gebundenen Form tatsächlich verringert ist, könnte die Bindung von eIF5 an eIF2-GDP zusätzlich dazu dienen, den Zerfall von eIF2 zu verhindern. Die Einordnung von Cdc123 in den GTP/GDP-Zyklus von eIF2 stellt eine interessante Aufgabe für zukünftige Untersuchungen dar.

Ein möglicher Ansatzpunkt ist die Ausweitung der Versuche zum Einfluss von Cdc123, eIF2B und eIF5 auf die Interaktion der eIF2-Untereinheiten miteinander und mit den anderen genannten Faktoren.

In diesem Zusammenhang wäre eine schnellere Inaktivierung von Faktoren, als dies durch Depletion möglich ist, erstrebenswert, zum Beispiel über temperatursensitive Mutanten.