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8.4 Bewältigung des Übergangs

8.4.3 Antizipierte berufliche Schwierigkeiten

Einen Hinweis, wie die Bewältigung des Übergangs für die jungen Erwachsenen gelun-gen ist, liefern nicht nur Analysen des aktuellen Erlebens der beruflichen Situation.

Wichtig ist auch, wie die jungen Erwachsene in ihre berufliche Zukunft schauen. Des-halb wurden sie in sechs Bereichen zu ihren antizipierten beruflichen Schwierigkeiten befragt. Aufgrund dieser Fragen soll analysiert werden, ob die jungen Erwachsenen nach dem Übergang zuversichtlich in ihre Zukunft blicken und in welchen Bereichen sie sich Sorgen machen. Dabei sollen wiederum Unterschiede je nach Anschlusslösung und nach askriptiven Merkmalen untersucht werden.

In Tabelle 8.7 sind die Einschätzungen der jungen Erwachsenen aufgeführt. Im Durch-schnitt sehen die jungen Erwachsenen für ihre berufliche Zukunft kaum Probleme, ab-gesehen vom Bereich Lohn.

Zur Untersuchung von Geschlechtsunterschieden wurde eine multivariate Varianzanaly-se durchgeführt, die signifikant wurde, Hotelling's T=0.16, F(6, 191)=5.18, p<.001.

1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0

2. Lehrjahr 3. Lehrjahr nach Übergang

Ausbildungszufriedenheit

Erwerbstätigkeit

Berufliche Grundbildung Tertiäre Ausbildung Zwischenlösung

196)=17.49, p<.001, Konflikte am Arbeitsplatz, F(1, 196)=18.27, p<.001, und Stellen-unsicherheit, F(1, 196)=5.34, p<.05, zutrifft.

Tabelle 8.7: Antizipierte berufliche Schwierigkeiten, differenziert nach Geschlecht und nach Migrationshintergrund (Mittelwerte und Standardabweichungen)

Total Männlich Weiblich Schweiz Ausland

Geringer Lohn 2.54 (0.83) 2.62 (0.81) 2.52 (0.83) 2.50 (0.80) 2.69 (0.90) Hoher Arbeitsdruck 2.36 (0.74) 1.96 (0.60) 2.47 (0.74) 2.40 (0.75) 2.25 (0.72) Stellenunsicherheit 2.23 (0.86) 1.96 (0.86) 2.30 (0.85) 2.13 (0.83) 2.54 (0.89) Konflikte am Arbeitsplatz 2.22 (0.81) 1.80 (0.68) 2.34 (0.80) 2.19 (0.77) 2.29 (0.90) Vereinbarkeit Arbeit und Familie 1.93 (0.80) 1.84 (0.71) 1.96 (0.82) 1.89 (0.74) 2.10 (0.96) Arbeitsweg 1.89 (0.80) 1.73 (0.74) 1.93 (0.81) 1.88 (0.80) 1.94 (0.80) Wertebereich: 1: überhaupt kein Problem bis 4: ein grosses Problem

Erstaunlich ist, dass sich die jungen Frauen nicht in den Bereichen Sorgen machen, in welchen eine Benachteiligung der Frauen öffentlich diskutiert wird, wie Lohn oder Ver-einbarkeit von Arbeit und Familie. Sie sehen mehr Schwierigkeiten in Bereichen, wel-che die konkrete Arbeitstätigkeit betreffen, wie Arbeitsdruck und soziale Konflikte. Das kann so interpretiert werden, dass junge Frauen in Berufen arbeiten, in denen die Arbeit als belastender erlebt wird als in den Berufen der jungen Männer. Eine mögliche andere Interpretation ist, dass die jungen Frauen solche Schwierigkeiten sensibler wahrnehmen und sich ernsthafter damit auseinandersetzen. Frauen machen sich auch mehr Sorgen bezüglich Arbeitslosigkeit. Dies gilt, obwohl sie beim Übergang an der zweiten Schwel-le nicht häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen waren (vgl. Kap. 7.2). Dies könnte ein Hinweis sein, dass die jungen Frauen den Übergangsprozess dennoch als schwieriger wahrnahmen als die jungen Männer, auch wenn sie schliesslich eine Anschlusslösung gefunden haben.

Eine weitere multivariate Analyse wurde zur Analyse von Gruppenunterschieden nach Migrationshintergrund berechnet. Diese wurde allerdings nur marginal signifikant, Ho-telling's T=0.06, F(6, 190)=2.03, p<.10. Univariate Analysen zeigen, dass Personen mit Migrationshintergrund mehr Schwierigkeiten im Bereich Stellenunsicherheit befürch-ten, F(1, 195)=7.97, p<.01. Wenn der Migrationshintergrund enger gefasst wird und Personen danach verglichen werden, ob sie in der Schweiz geboren sind oder nicht, dann wird der Unterschied signifikant, T=0.09, F(6, 187)=2.71, p<.05. Personen, die im Ausland geboren wurden, machen sich signifikant mehr Sorgen um ihre berufliche Zu-kunft in den Bereichen Stellenunsicherheit, F(1, 192)=9.97, p<.01, Konflikte am Ar-beitsplatz, F(1, 192)=4.69, p<.05, und Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, F(1, 192)=5.88, p<.05. Ähnlich wie bei den jungen Frauen, könnte es sein, dass Lehrabgän-ger/-innen mit Migrationshintergrund beim Übergang an der zweiten Schwelle mehr Schwierigkeiten erlebt haben, obwohl sie nicht häufiger arbeitslos waren als Personen ohne Migrationshintergrund (vgl. Kap. 7.2). Weitere Erklärungen sind, dass sie bereits bei der ersten Schwelle mehr Schwierigkeiten erlebt hatten (vgl. Häberlin et al., 2004) oder viele Personen mit Migrationshintergrund kennen, die von Arbeitslosigkeit

betrof-fen waren. Solche eigenen Erfahrungen oder auch stellvertretende Erfahrungen einer Bezugsgruppe könnten die Sorgen um die eigene berufliche Zukunft nähren.

Schliesslich wurde eine weitere multivariate Varianzanalyse für die vier Anschlusslö-sungen berechnet, die signifikant war, Hotelling's T=0.65, F(18, 548)=3.10, p<.001. Es bestand ein signifikanter Unterschied im Bereich Arbeitsdruck, F(3, 189)=4.78, p<.01.

Personen in einer tertiären Ausbildung (M=2.80, SD=0.63) antizipieren signifikant mehr Schwierigkeiten in diesem Bereich als Personen in einer Erwerbstätigkeit (M=2.26, SD=0.73) oder Zwischenlösung (M=2.29, SD=0.74). Für sie ist der Wechsel in eine schulische Ausbildung mit höheren Anforderungen eine Belastung. Ein weiterer Unter-schied besteht im Bereich Stellenunsicherheit, F(3, 189)=6.57, p<.001. Personen in ei-ner tertiären Ausbildung (MTA=1.66, SD=0.51) antizipieren signifikant weniger Schwie-rigkeiten als Personen in den anderen drei Anschlusslösungen (MErw=2.26, SD=0.84;

MBG=2.58, SD=0.94; MZL=2.45, SD=0.90). Mit dem Besuch einer tertiären Ausbildung müssen sich die jungen Erwachsenen für den Moment keine Sorgen um die Stellensu-che maStellensu-chen. Hinzu kommt, dass sie sich mögliStellensu-cherweise mit ihrer zusätzliStellensu-chen Ausbil-dung für die weitere Zukunft gute Stellenchancen ausrechnen.

8.5 Zusammenfassung

Am Beispiel von Lehrabgänger/-innen des Kantons Zürich wurde gezeigt, dass für jun-ge Erwachsene der Übergang nach der Berufslehre in eine erste Erwerbstätigkeit, re-spektive in eine weitere Ausbildung, eine Herausforderung darstellt. Der Übergang ver-läuft für viele Lehrabgänger/-innen nicht reibungslos. So haben rund 17% der jungen Erwachsenen dreiviertel Jahre später den Übergang noch gar nicht vollzogen, sondern befinden sich in einer Zwischenlösung. Die Zwischenlösung ist für sie als eine zeitliche Überbrückung gedacht, bis sie eine bessere Lösung gefunden haben. Sie erleben die Zwischenlösung als wenig zu ihren Interessen und Fähigkeiten passend und sie beurtei-len sie als weniger zufriedenstelbeurtei-lend als die jungen Erwachsenen ihre Erwerbstätigkeit oder Ausbildung. Zwischenlösungen nach der Berufslehre stellen nur geringe berufliche Anforderungen und können deshalb kaum als Weiterqualifizierung genutzt werden.

Aber auch diejenigen jungen Erwachsenen, die den Übergang vollzogen haben und ei-ner ersten Erwerbstätigkeit nachgehen, haben eine Suchphase hinter sich, in der sie ver-schiedenen, auch berufsfremden Erwerbstätigkeiten nachgingen, erwerbslos waren oder auch einfach eine Urlaubsphase einlegten. Befristete und Teilzeitanstellungen sind zwar nicht der Normalfall, kommen aber gehäuft vor. Rund zweit Drittel der Erwerbstätigen haben den Betrieb gewechselt und etwa 13% auch den Beruf.

Trotz dieser vielfältigen Schwierigkeiten beim Übergang wird die Anpassung an die neue berufliche Situation von den jungen Erwachsenen durchschnittlich als wenig be-lastend erlebt (vgl. auch Kälin et al., 2000), gerade im Vergleich zum Übergang an der ersten Schwelle (von der Schule in die Berufslehre). Nur diejenigen, welche von dem beruflichen Umfeld in ein schulisches Umfeld in Form einer tertiären Ausbildung wech-seln, erleben diesen Übergang durch die erhöhten Leistungsanforderungen als belastend.

Im Durchschnitt blicken die Lehrabgänger/-innen positiv in ihre berufliche Zukunft.

Diejenigen, die als Erwerbstätige in den Arbeitsmarkt eingetreten sind, sind nach dem Übergang mit ihrer beruflichen Situation sogar zufriedener als noch während der Lehre.

Viele Lehrabgänger/-innen nutzen den Übergang als Chance und beginnen eine weitere Ausbildung. Sie absolvieren eine tertiäre Ausbildung, eine berufliche Grundbildung o-der machen teilzeitlich neben ihrer Erwerbstätigkeit eine Weiterbildung. Sowohl Perso-nen in einer tertiären Ausbildung als auch in einer beruflichen Grundbildung verbessern damit nach dem Übergang ihre subjektive Passung zwischen ihrer Anschlusslösung und ihren Interessen bzw. Fähigkeiten. Personen, die sich während der Lehre nur in gerin-gem Ausmass mit ihrem Beruf identifiziert haben, nutzen den Übergang vermehrt, um ihren Beruf zu wechseln.

Ob der Übergang als Chance genutzt werden kann, hängt von den strukturellen Bedin-gungen der Ausbildung ab. So beginnen die Lehrabgänger/-innen aus mittleren und grossen Betrieben und aus dem Bereich des Gesundheitswesens eher in eine tertiäre Ausbildung. Auf die Wahl der Anschlusslösung nach der Lehre haben die Beziehungen zu Berufsbildenden und Eltern hingegen kaum einen Einfluss.

Askriptive Merkmale wie das Geschlecht und der Migrationshintergrund spielen für die Chancen und Belastungen beim Übergang an der zweiten Schwelle kaum eine Rolle.

Frauen und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund erleben nicht mehr Belastun-gen nach dem Übergang und haben auch nicht andere AnschlusslösunBelastun-gen gewählt. Dies ist erstaunlich, da Frauen und Jugendliche mit Migrationshintergrund beim Übergang in die Lehre (Schwelle 1) benachteiligt sind (Häberlin et al., 2004). Allerdings sind Lehr-abgänger/-innen mit Migrationshintergrund dann benachteiligt, wenn es darum geht in eine tertiäre Ausbildung zu wechseln, insbesondere wenn sie nicht Deutsch als Mutter-sprache haben. Es gibt ausserdem Hinweise, dass Frauen und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund den Übergangsprozess als belastender erleben als junge Männer und Personen ohne familiären Migrationshintergrund. Sie machen sich mehr Sorgen um ihre berufliche Zukunft, insbesondere bezüglich Arbeitslosigkeit. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass der Übergangprozess Unsicherheiten ausgelöst hat, auch wenn er ihnen schliesslich gelungen ist.

Am Beispiel des Berufswechsels wurde gezeigt, dass situative Aspekte, wie das Erleben von Arbeitslosigkeit, einen Einfluss auf die Bewältigung des Übergangs haben. Hier zeigt sich, dass junge Erwachsene sehr flexibel sind und sich an die ihnen gegebenen Bedingungen anpassen. Sie sind der Situation aber nicht einfach ausgeliefert, sondern ihre aktive Bewältigung hat einen wesentlichen Einfluss auf den Übergangsprozess. So konnte gezeigt werden, dass sie seltener den Beruf wechselten, wenn sie Stellensuch-strategien als wichtig erachteten. Damit eröffnet sich eine Ansatzmöglichkeit für die Unterstützung von jungen Erwachsenen bei der Bewältigung der zweiten Schwelle, in-dem ihre Selbstwirksamkeit in der Stellensuche gestärkt wird.

9 Diskussion: Herausforderungen

Wir haben nun zahlreiche Befunde zur Effektivität der Berufsbildung und zum Über-gang in die Berufsbildung präsentiert. Im Folgenden möchten wir die beiden Themen diskutieren, so dass in Kapitel 10 einige Schlussfolgerungen gezogen werden können.