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Andere Verwendungskontexte des Nickens

7 Fallstudie 1: Kopfschütteln

7.4 Exkurs: Nicken

7.4.2 Andere Verwendungskontexte des Nickens

mit der Negation, sondern ist – ähnlich wie die Partikel eben – auf einer höheren Ebene anzusiedeln.

Illustriert wird diese Situation in Beispiel (12). Schriftstellerin Hera Lind (HL) erzählt hier über ein neues Projekt, in dem sie für eine Zeitschrift über „Super-weiber“ berichtet, d. h. über Frauen, die trotz einer besonderen Leistung nicht bekannt geworden sind. Die Negation ist hier Teil des Sachverhaltes, der durch das Nicken als wahr bzw. unkontrovers markiert wird (die Tatsache, dass sie nicht bekannt geworden sind), und liegt also in dessen Skopus.

(12) FG_B1b

439 HL und ich bItte (.) um (.) ZUschriften;

440 ich (.) kOmme die leute beSUchen die (.) frauen-

441 IN ja-

442 HL und [schrEIbe über ihr SCHICKsal;

443 IN [(ja und also)

444 HL für eine beKANNte frAUenzeitschrift;

445 IN und das sInd ja auch ähm dann VIEle ähm wie sagt man,

446 ja viele inspiratiOnen für neue roMAne wie wir schon gehört haben,

447 HL ja-

448 IN der Erste [ist schon (.) am entSTEhen ne;

449 HL [und ich ZIEhe meinen hUt vor diesen frauen-

450 das sind WIRKlich sUperweiber;

451 IN ja;

452 HL > {die eben nIcht beKANNT geworden sind-}

7.4.2 Andere Verwendungskontexte des Nickens

An dieser Stelle sei noch kurz auf zwei weitere Verwendungskontexte eingegan-gen, die oben bereits angesprochen wurden: die Verwendung mit Partikeln des Clusters 2b und die Verwendung mit den Intensivierern ganz und sehr. Dass das Nicken auch bei den Partikeln des Clusters 2b eingesetzt werden kann, ist darauf zurückzuführen, dass die durch die Mitglieder des Clusters 2b markierte Evidenz eine gewisse Wahrheit unterstellt; die Geste markiert also eine Facette (bzw. eine Implikatur) der Partikelbedeutung. Im Gegensatz zum Kopfschütteln kommt das Nicken aber erheblich häufiger bei eben vor: In 10 der 28 Belege von eben mit einer Geste (= 35,71%) ist diese Geste ein Nicken, während halt und einfach unter 10% bleiben. Trotz der niedrigen Belegzahl ist dies eine auffällige Beobachtung, zumal die Wahrheitsmarkierung des Nickens eigentlich eine schwächere Nuance

ist als die Evidenzmarkierung des Kopfschüttelns, während eben gerade die ka-tegorischste Partikel der drei im Cluster 2b zu sein scheint. Allerdings enthielten die oben angeführten und an Kendon (2002) orientierten Paraphrasen des Kopf-schüttelns eine deutliche subjektive Facette (‚ich weiß nicht‘ o. dgl.), die bei der Wahrheitsmarkierung weniger deutlich nachweisbar ist. In der Hinsicht wirkt die Wahrheitsmarkierung, obwohl gewissermaßen schwächer als die Evidenzmar-kierung, zugleich immerhin objektiver bzw. kategorischer als die Evidenzmarkie-rung des Kopfschüttelns, das vor allem subjektive Evidenz andeutet. Das dürfte erklären, warum das Nicken dann doch häufiger als das Kopfschütteln bei dem objektiveren eben eingesetzt wird, während das stärker sprecherorientierte ein-fach das umgekehrte Bild zeigt.

Interessant ist in dieser Hinsicht auch die Beobachtung, dass die relative Häufigkeit des Nickens bei eben (35,71%) höher liegt als bei ja (12,92%)12 – wenn-gleich aufgrund der niedrigen Belegzahl bei eben eine gewisse Vorsicht geboten ist. Vermutlich spielen hier zwei nicht ganz voneinander unabhängige Faktoren eine Rolle: zum einen die Tatsache, dass ja eine schwächere und allgemeinere Bedeutung zum Ausdruck bringt als eben, zum anderen die stärkere Konkurrenz anderer Gesten bei ja. Darauf soll im nächsten Kapitel (insbesondere Abschnitt 8.2.2.3) ausführlicher eingegangen werden.

Ähnlich ist auch die Einsetzbarkeit des Nickens mit Intensivierern zu deuten.

Im Grunde genommen sieht die Erklärung jener des Kopfschüttelns und der Par-tikel einfach sehr ähnlich: Wenn man markiert, dass man zum Zutreffen des Sach-verhalts steht, wirkt die Äußerung von sich her kategorischer, als wenn man dies nicht markiert. Dieses Prinzip trifft gleichermaßen zu, ungeachtet, ob dieses Zum-Sachverhalt-Stehen durch einen Wahrheitsmarkierer (Nicken) oder einen Evidenzmarkierer (Kopfschütteln) zum Ausdruck gebracht wird. Die genaue Nu-ance, die durch die Abtönungsform vermittelt wird, ist zwar unterschiedlich, und dementsprechend dürfte die Äußerung mit einer Abtönungsform noch stärker wirken als mit einer anderen. Trotzdem kann man sagen, dass der Sprecher in den beiden Fällen markiert, dass er zum Zutreffen des Sachverhalts steht, und so die Äußerung verstärkt. Auch die Verwendung des Nickens als (bzw. mit einem) Intensivierer ist also auf die abtönende Wirkung zurückzuführen.

Was die Modalpartikeln betrifft, ist allerdings noch hinzuzufügen, dass sich das Auftreten des Nickens nicht auf die zentralen Elemente der Cluster 2a/b be-schränkt: Auch bei schon sind Belege mit Nicken vorzufinden. An sich ist das

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12 Diese Beobachtung widerspricht allerdings nicht der obigen Anmerkung, ja sei die häufigste Partikel mit Nicken, denn letztere Behauptung wurde aus der Sicht des Nickens (und nicht der einzelnen Partikeln) gemacht.

nicht verwunderlich, da schon im Grunde genommen auch eine Art Wahrheits-markierer ist. Schon ist jedoch nicht ganz einer Partikel wie ja gleichzusetzen, da es immer auch eine Art Geltungseinschränkung (Thurmair 1989: 148) impliziert.

Diese Geltungseinschränkung kann sich auf die eigene schon-Äußerung bezie-hen, aber im Korpus ist das Nicken mit schon nur in Fällen wie (13) belegt, in de-nen mittels schon mögliche Gegenargumente oder Einwände in ihrer Gültigkeit eingeschränkt werden. Die Rede ist von einer Situation, in der ein Telekomanbie-ter trotz Kündigung mit Beifügung der STelekomanbie-terbeurkunde des Vertragsinhabers den Vertrag nicht hat auflösen wollen. Die Sprecherin nennt diese Situation „bedau-erlich“ und weist durch schon etwaige Einwände gegen diese Einstufung der Si-tuation als bedauerlich zurück. Die Partikel unterstreicht also, dass das Gesagte („das ist bedauerlich“) der Sprecherin zufolge als wahr gelten kann, und gerade das ist auch die Funktion des Nickens.

(13) FG_B1c

156 IN ist das jetzt ein EINzelfall oder erleben sie mEhr solche fälle.

157 IG sowas kOmmt schon immer mal WIEder vor, 158 so beDAUerlich das auch Ist,

159 zumal hier ja wirklich ähm letztendlich der Anbieter da überhaupt nicht geSCHALtet hat, 160 > {das IST (.) schon (-) bedAUerlich; (---)}

Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass die Datensammlung auch vier Belege des Nickens mit einer Entscheidungsfrage enthält. Diese sind bei den obigen Zählungen (die sich nur auf die Beziehung zu ja und bedeutungsähnli-chen Elementen in Assertionen bezogen) außer Betracht geblieben, aber im Hblick auf das Verhältnis zur Partikel ja erscheinen diese Belege als besonders in-teressant. Tatsächlich wurde in der Literatur schon nachgewiesen, dass die Partikel ja im Althochdeutschen noch in Entscheidungsfragen eingesetzt werden konnte, um eine positive Antworterwartung zu signalisieren (ausführlicher dazu Wauchope 1991).13 Gerade das scheint auch die Funktion des Nickens mit einer Entscheidungsfrage zu sein, wie in Beispiel (14). Für ein gutes Verständnis des Beispiels sei angedeutet, dass hier von Horst Lichters (HO) neuer Theatertournee die Rede ist, in der seine Erfahrung als Fernsehkoch, wie auch das Kochen im Allgemeinen, ein zentrales Thema ist. Zwar handelt es sich in diesem Fall um eine direkte Rede, aber trotzdem übernimmt Lichter hier das Nicken, das angibt, dass

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13 Diese Funktion wird heutzutage im Allgemeinen der Partikel auch zugeschrieben (vgl. u. a.

Thurmair 1989: 157).

die zitierten Personen durchaus darauf hoffen, etwas probieren zu können (und also eine positive Antwort zu bekommen) (vgl. zu dieser Verwendung des Ni-ckens auch Whitehead 2011: 113).

(14) FG_B1c

546 IN g gibt=s denn gIbt=s denn noch menschen die bei dir im proGRAMM sind,

547 und dann EIgentlich (.) ESsen bestellen wollen,

548 und erwarten dass du jetzt oben gAs gibst und was KOCHST [für die belegschaft?

549 HO [ja ich werde hÄUfiger mal geFRAGT,

550 die sAgen dann herr LICHter,

551 wenn sie dA und da im theATer sind- 552 > äh [{kriegen wir ALle wat zum probIEren?}

553 IN [was GIBT=s denn;

Es zeigt sich also, dass das Nicken ähnlich wie das Kopfschütteln neben sei-ner emblematischen Wirkung auch eine abtönende Wirkung aufweist, die an ers-ter Stelle mit den Partikeln der Clusers-ter 2a/b zu verknüpfen ist. Insbesondere gibt es Übereinstimmungen mit der Partikel ja. Allerdings kann hier nicht von einer starken Korrelation ausgegangen werden, was auf die Allgemeinheit der Bedeu-tung von ja sowie auf die damit zusammenhängende Konkurrenz anderer Gesten zurückzuführen sein dürfte. Darauf soll im nächsten Kapitel ausführlicher einge-gangen werden.

7.5 Fazit

Am Ende dieser ersten Fallstudie sind einige Sachen festzuhalten. Es hat sich her-ausgestellt, dass die Partikeln der Cluster 2a/b Tendenzen zur Kookkurrenz mit bestimmten Gesten aufweisen, die zudem ein neues Licht auf das Verhältnis der Partikeln untereinander sowie zu anderen verbalen Elementen (insbesondere In-tensivierern) werfen. Darüber hinaus hat sich der Wert eines breiten Gestikbe-griffs, der auch Kopfbewegungen umfasst, deutlich gezeigt, denn die beiden Be-wegungsmuster, auf die eingegangen wurde, sind gerade Kopfgesten (Nicken und Kopfschütteln). Drittens wurde dargelegt, dass diese Gesten nicht nur als Embleme der expliziten Bejahung bzw. Verneinung funktionieren, sondern dar-über hinaus auch pragmatische Verwendungen erworben haben, die als abtö-nend zu betrachten sind. Dies zeigt sich nicht nur darin, dass diese Gesten (wie angesprochen) mit Modalpartikeln kookkurrieren, sondern auch etwa in ihrer

Dauer, die im Allgemeinen den normalerweise breiten Skopus von Abtönungs-mitteln widerspiegelt. Interessant ist in dieser Hinsicht auch die Beobachtung, dass das abtönende Kopfschütteln insbesondere in nicht-kontextverschobenen Kontexten vorkommt; Sprecher scheinen also eher geneigt zu sein, eine abtö-nende Geste zu verwenden, wenn sie selber für die Abtönung verantwortlich sind. Inwiefern sich diese Beobachtungen generalisieren lassen, ist jedoch an dieser Stelle schwer zu sagen und soll in den folgenden Kapiteln anhand weiterer abtönender Gesten gezeigt werden.