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Analyseblock 4: Hebel zur Beeinflussung von Gesundheit und Beschwerden im Fallstudienunternehmen

6 Kritische Reflektion

6.1 Überblick über die Diskussionspunkte

6.3.2 Analyseblock 4: Hebel zur Beeinflussung von Gesundheit und Beschwerden im Fallstudienunternehmen

Für das BGM ist die Kenntnis von Möglichkeiten zur Einschränkung gesundheitsbe-dingter Leistungshemmnisse im Unternehmen von grundlegender Bedeutung. Die gefundenen Zusammenhänge beschreiben die relevanten Hebel zum Zeitpunkt der ersten Datenerhebung (vgl. Tab. 6.2).

Tab. 6.2 Wichtigste Effekte zwischen der Gesundheits- und Beschwerde-perspektive (2) und der Prozess (3) und PotenzialBeschwerde-perspektive (4)

Effekt

Regressions-koeffizient Je mehr „Gesundheitliche Beschwerden“, desto größer

„Persönli-che Leistungseinschränkung“ 0,61

Je ineffizienter „Coping“, desto größer „Persönliche Leistungs-einschränkung“

-0,34 Je geringer „Zufriedenheit mit betriebsärztlichem Dienst (fachlich)“,

desto größer „Persönliche Leistungseinschränkung“

-0,31 Je höher „Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen,“ desto mehr

„Gesundheitliche Beschwerden“ (und umgekehrt)

0,42 Je stärker die „Tätigkeitsbezogene Belastung“, desto mehr

„Gesundheitliche Beschwerden“

0,36 Je stärker die „Tätigkeitsbezogene Belastung“, desto größer

„Leistungseinschränkende Faktoren“

0,35

Abb. 6.5 fasst die Ergebnisse aus Kapitel 5 im Sinne der BSC-Logik zusammen. Die einzelnen Zusammenhänge werden im Folgenden diskutiert.

Gesundheit & BeschwerdenProzesse Coping

Persönliche Leistungseinschränkung

Zufriedenheit mit WD (fachlich) Gesundheitliche

Beschwerden Leistungseinschränkende

Faktoren

Inanspruchnahme ärztlicher Leistung Tätigkeitsbezogene

Belastung

Erfolg

Positiver Zusammenhang Legende

Negativer Zusammenhang Positiver Zusammenhang Negativer Zusammenhang Legende

Abb. 6.5 Zusammenhänge zwischen der Prozess- und Gesundheit- &

Beschwerdeperspektive

Je mehr „Gesundheitlichen Beschwerden“, umso größer die „Persönliche Leistungs-einschränkung“.

Die „Persönliche Leistungseinschränkung“ ist maßgeblich durch die Anzahl bzw.

Stärke gesundheitlicher Beschwerden bestimmt. Dies bedeutet, dass psychische wie physische Hemmnisse stark negativen Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit, Sorgfalt, Arbeitsgeschwindigkeit etc. (siehe Faktorenstruktur „Persönliche Leistungs-einschränkung) haben. Dieses Ergebnis wurde erwartet.

Je schlechter die „Coping-Strategien“ der Werker, umso größer die „Persönliche Leistungseinschränkung“.

Ineffiziente Coping-Strategien der Mitarbeiter sind ein weiterer Prädiktor für man-gelnde Sorgfalt und Konzentrationsstörungen am Arbeitsplatz. Dieser Sachverhalt wurde bereits von HACKER (1995) beobachtet. Essentiell für die Leitungseinschrän-kung ist, dass der Werker die Arbeitsplatzsituation subjektiv als Bedrohung für sein eigenes Wohlbefinden empfindet (LAZARUS & FOLKMAN, 1984). LAZARUS unter-scheidet zwischen der „Primärbewertung“ (der Bedrohung selbst) und der „Sekun-därbewertung“ (der eigenen Handlungsmöglichkeit). Dies ist entscheidend für die Beanspruchungsregulation oder auch „Coping.“ Obgleich mehrere Coping-Arten un-terschieden werden können sind problembezogenes und emotionsbezogenes Co-ping zentrale Konstrukte. Problemorientiertes CoCo-ping ist eine rationale Strategie, in

der das Individuum die „bedrohliche“ Situation z. B. durch Wissenserwerb oder Aus-sprache mit der „Gegenpartei“ bei Konflikten zu entschärfen versucht. Emotionsbe-zogenes Coping beinhaltet Verhaltensweisen wie Ablenkung, Entspannung oder Konsumverhalten (Alkohol, Zigaretten). LAZARUS betont, dass die Wahl einer effi-zienten Coping-Strategie stark von der Situation abhängt. In der aktuellen Literatur hat sich bisher keine der beiden Strategien als die bessere erwiesen, was vor allem auf den Fakt zurückzuführen ist, dass besonders emotionales Coping noch nicht aus-reichend erforscht wurde (SEMMER & UDRIS, 2004).

Im Fallstudienunternehmen sind vor allem der Umgang mit Stress und der Umgang mit Konflikten am Arbeitsplatz kritische Dimensionen (siehe Faktorenstruktur). Aus Sicht der Werker kommt es also gerade bei Fehlen von effizienten Coping-Strategien für diese Dimensionen zu Leistungseinschränkungen. Hier könnten problemorientier-te Coping-Straproblemorientier-tegien zielführend sein.

Je schlechter die fachliche „Zufriedenheit mit dem betriebsärztlichen Dienst“, umso größer die „Persönlichen Leistungseinschränkungen“.

Eine falsch fokussierte Beratung der Gesundheitsexperten könnte ebenfalls zu Leis-tungseinschränkungen führen. „Um einen effektiven Ressourceneinsatz zu gewähr-leisten, ist an die Anbieter von Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung ein hoher Qualitätsmaßstab anzulegen.“ (SPITZENVERBÄNDE DER GESETZLI-CHEN KRANKENKASSEN, 2003). Die Skala „Persönliche Leistungseinschränkun-gen“ bezieht sich inhaltlich vor allem auf psychische und emotionale Probleme. Dies beinhaltet auch die Einflüsse aus und auf das Privatleben der Mitarbeiter. Die Ergeb-nisse legen nahe, dass der betriebsärztliche Dienst in diesem Feld keine oder nicht ausreichende Beratungskompetenz besitzt. Betriebsärzte haben im klassischen Set-ting eine Kurationsaufgabe in Bezug auf arbeitsbedingte Erkrankungen. Die sich stel-lende Herausforderung geht jedoch eher in Richtung einer psychologischen Bera-tung. Im Zuge der Ausweitung psychischer Stressoren im Arbeitsumfeld (LEIDIG et al., 2006) ist es für die Betriebsärzte von zunehmender Bedeutung, sich von ihrer traditionellen Rolle zu lösen und sich auch mehr auf psychologische Problematiken einzustellen, um die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten bzw. zu fördern.

Je größer die „Gesundheitlichen Beschwerden“, desto größer die „Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen“.

Die Häufigkeit und Art „Gesundheitlicher Beschwerden“ eines Mitarbeiters bedingen dessen Gesundheitszustand („Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen“), also wie oft die Person einen Arzt aufsuchen oder Medikamente nehmen muss. Eine Vielzahl von Beschwerden führt konsequent zu einem schlechteren Gesundheitszustand, der in häufigerer Konsultation von Ärzten bzw. Medikamenteneinahmen resultiert. Ein Handlungsfeld, das gerade den betriebsärztlichen Dienst des Fallstudienunterneh-mens betrifft, da das Konstrukt sich vor allem auf externe Arztbesuche bezieht. Hier kann der Werksarzt als Berater im Bereich Kuration und Prävention tätig werden.

Je größer die „Tätigkeitsbezogenen Belastung“, desto größer die „Gesundheitlichen Beschwerden“.

Eine hohe tätigkeitsbezogene (physische) Belastung führt ebenfalls zu

gesundheitli-chen Beschwerden. Dies ist über die Arbeitsschutzforschung problemlos zu vertreten (ULICH, 2002; BERNARD, 1997, BADURA et al., 1998).

Je größer die „Tätigkeitsbezogene Belastung“, desto größer die „Leistungsein-schränkenden Faktoren“.

Obwohl die Regression mit der abhängigen Variable „Leistungseinschränkende Fak-toren“ nur wenig Erklärungswert besitzt (siehe Kapitel 5), zeigt sich der Faktor „Tätig-keitsbezogene Belastung“ als zentraler Einflussfaktor. Somit zeigt sich auch hier die Problematik, dass eine belastende Arbeitsumgebung zu Leistungseinschränkungen führt, wie dies bereits bei anderen Regressionen der Gesundheits- und Beschwerde-perspektive festgestellt wurde (s. o).

Zusammenfassung

Die Faktoren der Gesundheits- und Beschwerdeperspektive bildeten gemäß For-schungsdesign die abhängigen Variablen für Faktoren der Prozess- und Potenzial-perspektive. Es konnten relevante Stellhebel in Form von Ursache-Wirkungsketten identifiziert werden, die auch konkrete Anforderungen an das Fallstudienunterneh-men stellen.

Viele der untersuchten Einflussfaktoren zeigen keinen Zusammenhang mit den Ge-sundheitsindikatoren der Perspektive 2. Das Fehlen eines Nachweises von Zusam-menhängen kann u. a. auf die Tatsache zurückgeführt werden, dass die subjektiv zu bewertenden Konstrukte nicht in dem Maße auffällig sind (geringe Streuung um den Mittelwert), um mit den ebenfalls subjektiv einzuschätzenden Skalen der Gesund-heits- und Beschwerdeperspektive in Verbindung gebracht werden zu können. Wenn die Mitarbeiter die Variablen zu indifferent einschätzen, werden nur wenige signifi-kante Ergebnisse belegbar. Diese Annahme wird durch eine deskriptive Betrachtung der Daten gestützt, die zeigt, dass im Mittel keine nennenswerten negativen Ge-sundheitszustände auffallen. Wenn nur geringe Gesundheitseinschränkungen empi-risch zurückgemeldet werden (subjektive Einschätzung!), entziehen sich diese der statistischen Beschreibung von Zusammenhängen mit anderen Verhaltensbereichen.

6.3.3 Analyseblock 5: PSO-Hebel zur Beeinflussung der Prozessebene im