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Allgemeine und krankheitsspezifische Lebensqualität unter Berücksichtigung der

5. Diskussion

5.3. Allgemeine und krankheitsspezifische Lebensqualität unter Berücksichtigung der

5.3. Allgemeine und krankheitsspezifische Lebensqualität unter Berücksichtigung der

(hier 17% der Patienten mit primärer Rektumresektion) bei ansonsten vergleichbaren Werten im QLQ-C30 und QLQ-CR29, langfristig die bessere Lebensqualität bringt. Dies stellten auch schon andere Studien in Frage [85, 86].

Neben der Operationsmethode ist in der vorliegenden Studie die neoadjuvante bzw.

adjuvante (Radio-) Chemotherapie als Einflussfaktor auf die Lebensqualität untersucht worden. Es ließ sich feststellen, dass adjuvant behandelte Patienten vor allem in den Bereichen der Funktionalität eine niedrigere Lebensqualität hatten, als neoadjuvant behandelte. Dies betraf den globalen Gesundheitsstatus (p=0,007), die körperliche (p=0,014), kognitive (p=0,037) und soziale Funktionalität (p=0,085) und die

Rollenfunktionalität (p=0,014).

Um zu objektivieren, ob hier adjuvant behandelte Patienten nun eine deutlich

schlechtere oder neoadjuvant behandelte Patienten eine besonders gute Lebensqualität hatten, wurden beide Gruppen mit den Patienten verglichen, die nur operiert wurden, ohne eine Radiochemotherapie zu erhalten. Dabei konnte gezeigt werden, dass auch bei diesem Vergleich adjuvant behandelte Patienten deutlich schlechter abschnitten, während neoadjuvant behandelte Patienten und Patienten mit alleiniger Operation geringe Unterschiede in der Funktionalität hatten. Besonders betroffen von diesen Funktionalitätseinbußen waren adjuvant behandelte Männer und adjuvant behandelte Patienten ohne Stoma. Frauen, die adjuvant behandelt wurden, litten lediglich mehr unter Mundtrockenheit als Patientinnen aus den anderen Therapiegruppen und auch bei adjuvant behandelten Patienten mit Stoma konnten keine großen

Funktionalitätseinbußen bemerkt werden.

Bereits 2004 stellten Sauer et al. in einer großen deutschen Studie fest, dass eine postoperative Radiochemotherapie eine geringere Compliance bei erhöhter Toxizität hat, im Vergleich zu einer präoperativen Radiochemotherapie [43]. Und wirklich haben adjuvant therapierte Patienten im vorliegenden Kollektiv in nahezu allen

Symptombereichen der krankheitsspezifischen und allgemeinen Lebensqualität die höchsten Werte und somit die ausgeprägteste Symptomatik.

Auch wenn die Anzahl der Studien, die die Lebensqualität bei Patienten mit adjuvanter und neoadjuvanter bzw. mit alleiniger Operation vergleichen, spärlich ist, wurde bereits in einigen Studien festgestellt, dass die Kontinenz- und Sexualfunktion bei Patienten nach adjuvanter Therapie schlechter war als bei Patienten mit alleiniger Operation [87,

88]. Dieser Effekt, der in anderen Studien hauptsächlich auf den Einfluss der

Bestrahlung zurückgeführt wird [64, 88, 89], egal ob prä- oder postoperativ verabreicht, kann in der vorliegenden Studie im Bereich der Stuhlinkontinenz gesehen werden, die in der adjuvant und neoadjuvant behandelten Gruppe deutlich höher ist als bei

Patienten mit alleiniger Operation.

Die sexuelle Dysfunktion ist erstaunlicherweise im vorliegenden Kollektiv bei

neoadjuvanter Behandlung sowohl bei Frauen als auch bei Männern am niedrigsten, während die höchsten Werte bei den adjuvant behandelten Patienten auftraten. Dies wurde bereits in einer chinesischen Studie von Peng et al. 2011 [64] festgestellt und darauf zurückgeführt, dass Patienten mit postoperativer Radiochemotherapie weniger Zeit haben sich bis zur Befragung zu erholen als Patienten mit neoadjuvanter

Radiochemotherapie. Dieser Effekt mag vorhanden sein, ist jedoch bei der vorliegenden Studie mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 6,7 (±2,8) Jahren wahrscheinlich zu vernachlässigen. Es erstaunt somit nicht, dass das sexuelle Interesse bei Männern mit adjuvanter Therapie deutlich geringer ist als in den anderen Therapiegruppen.

Bei Frauen war das sexuelle Interesse generell sehr niedrig, jedoch insbesondere bei neoadjuvant behandelten Patientinnen noch deutlich eingeschränkter. Dieses niedrige sexuelle Interesse bei neoadjuvant behandelten Frauen wurde bereits bei Marijnen et al. [90] bemerkt und dort auf die sexuelle Dysfunktion zurückgeführt, die im

vorliegenden Kollektiv in der neoadjuvanten Gruppe allerdings am niedrigsten ist. Da in der neoadjuvant behandelten Gruppe Frauen signifikant mehr an Blähungen (p=0,02) und auch an Schmerzen (p=0,075) leiden als Männer, könnte auch dies mit zum niedrigen sexuellen Interesse beitragen. Zudem wurde in der Studie von Peng et al.

ebenfalls ein deutlich vermindertes sexuelles Interesse bei Frauen, bei nicht vorhandener Dyspareunie, festgestellt [64].

Die vermehrte Stuhlinkontinenz bei neoadjuvant behandelten Patienten wurde neben kleineren Studien [64, 91, 92] auch in einer großen Metaanalyse von Loos et al. im Jahr 2013 [93] ermittelt, wobei dort ebenfalls, wie in der vorliegenden Studie, kein

signifikanter Einfluss der neoadjuvanten Therapie auf die sexuelle Funktionalität und die Harninkontinenz festgestellt werden konnte. Dass die Symptomatik bei adjuvant

behandelten Patienten deutlich höher war als in den anderen Gruppen, könnte auch durch die Altersstruktur und die Tumorklassifikation in dieser Gruppe bedingt sein.

Prozentual waren nämlich Patienten mit adjuvanter Therapie älter und hatten ein

fortgeschritteneres Tumorstadium als Patienten aus den anderen Therapiegruppen (vgl.

Anhang Tab. 9).

Patienten mit Radiochemotherapie, unabhängig davon ob sie prä-oder postoperativ verabreicht wurde, hatten im Vergleich zu Patienten mit alleiniger Operation höhere Werte in allen Bereichen, die man mit Nebenwirkungen der Chemotherapie verbindet.

So litten sie durchschnittlich mehr an Mundtrockenheit, Haarausfall, Problemen mit dem Geschmackssinn, Übelkeit/Erbrechen und Bauchschmerzen.

Erstaunlicherweise hatten von allen Patienten diejenigen mit der neoadjuvanten Therapie die niedrigsten Werte in den Bereichen Diarrhoe, Flatulenzen, Stuhlfrequenz und Impotenz/ Dyspareunie. Dies könnte für ein gutes Langzeitoutcome der

neoadjuvant behandelten Patienten sprechen, wobei die niedrigste Symptomatik an Stuhlinkontinenz die Patienten ohne Operation hatten.

Pucciarelli et al. [94], die in einer Studie 2010 die neoadjuvante Therapie für die ausgeprägte gastrointestinale Symptomatik verantwortlich machten, betrachteten ein Kollektiv, das nur aus Patienten mit präoperativ verabreichter Radiochemotherapie bestand. Somit kann nicht festgestellt werden, ob die Symptomatik vor allem durch den Zeitpunkt der Applikation bedingt war oder ob es sich eher um einen generellen Effekt der multimodalen Therapie handelt. Da in der vorliegenden Studie neoadjuvant

behandelte Patienten nicht so stark von der Symptomatik betroffen sind wie adjuvant behandelte, könnte man vermuten, dass eine präoperative Applikation bezüglich gastrointestinaler Symptomatik günstiger ist als eine postoperative. Auf die

Stuhlinkontinenz hat der Zeitpunkt der Applikation nur eine geringe Auswirkungen, da diese zu den Spätfolgen der Radiochemotherapie zählt [95].

Bezüglich des QLQ-C30 zur allgemeinen Lebensqualität kann man sagen, dass

Patienten mit alleiniger Operation noch am ehesten eine, mit der von Schwarz et al. [57]

für die Allgemeinbevölkerung ermittelten, vergleichbare Funktionalität haben. In den Symptombereichen haben Patienten ohne Radiochemotherapie zwar meist die niedrigsten Werte der Therapiegruppen, jedoch sind diese deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung [57].

5.4. Die Kontinenzleistung bei Patienten ohne langfristiges Stoma

Auch wenn in dem neuen EORTC Fragebogen QLQ-CR29 der Vergleich der

Symptomskalen Stuhlinkontinenz und Flatulenzen bei Patienten mit und ohne Stoma ermöglicht wurde, erfolgte die Auswertung der Daten bezüglich Stuhlkontinenz in der vorliegenden Studie nur von den 50 Patienten ohne Stoma, die die entsprechenden Fragen beantworteten. Dabei kann festgestellt werden, dass generell ein Drittel (32%) der Patienten nicht an Stuhlinkontinenz litten, während zwei Drittel (68%) der Patienten regelmäßig unwillkürliche Abgänge von Darmgasen oder Stuhl haben. Während bei Männern 39% keine Stuhlinkontinenz hatten, war der Anteil bei Frauen nur 18%.

Jüngere Patienten (<70 Jahre) hatten ebenfalls in 39% der Fälle nicht mit

Stuhlinkontinenz zu kämpfen, während es bei den älteren Patienten (≥ 70 Jahre) nur 23% waren. Auch in Abhängigkeit von der Therapie variiert der Anteil der Patienten ohne Stuhlinkontinenz; bei alleiniger Operation waren es 45%, bei neoadjuvanter Behandlung 25% und bei adjuvanter Therapie nur 13%.

Der negative Einfluss der Radiotherapie auf die Kontinenzleistung wurde bereits diskutiert (siehe Kap. 5.3.) und somit ist es nicht überraschend, dass Patienten ohne Adjuvanz deutlich weniger an Stuhlinkontinenz litten, als Patienten aus den anderen Therapiegruppen. Dass jüngere Patienten eine bessere Kontinenzleistung hatten als ältere, erstaunt ebenso wenig, da die Kontinenzleistung bekanntlich mit steigendem Alter sinkt, wobei die genauen Prozesse noch Gegenstand aktueller Forschung sind [96].

In der vorliegenden Studie scheinen Männer ein geringeres Risiko für Stuhlinkontinenz zu haben als Frauen. Dies deckt sich mit Ergebnissen einer aktuellen Studie von Contin et al. 2014 [97] zum Outcome von unterschiedlich therapierten Patienten mit

Rektumkarzinom, die bezüglich Geschlechterverteilung und Durchschnittsalter sehr gut mit der vorliegenden Studie vergleichbar ist. Es wurde festgestellt, dass Männer in knapp 60% der Fälle keine Stuhlinkontinenz hatten, während es bei Frauen nur 52%

waren [97]. Der Anteil der Patienten, die an Stuhlinkontinenz litten, betrug in der

vorliegenden Studie 68% (28% Inkontinenz Grad 1,40% Inkontinenz Grad 2 und 3); bei Contin et al. waren es 42% [97].

Dass der Anteil der Patienten mit Inkontinenz in der vorliegenden Studie etwas höher ist, könnte daran liegen, dass die Anzahl der Studienteilnehmer (N=216) bei Contin et

al. [97] fast dreimal so groß war wie in der vorliegenden Studie (vgl. Abb. 21). Bezüglich der Patienten mit Stuhlinkontinenz konnte in der vorliegenden Studie festgestellt

werden, dass Patienten weiblichen Geschlechts, höheren Alters und mit adjuvanter Therapie eher an einer Inkontinenz 1. Grades litten, während Patienten männlichen Geschlechts, niedrigeren Alters und mit neoadjuvanter Therapie bzw. alleiniger Operation eher eine Inkontinenz Grad 2 oder 3 angaben. Diese Trends sind jedoch aufgrund der geringen Fallzahlen nicht als repräsentativ zu werten und müssen in weiteren Studien überprüft werden.

Abbildung 21: Stuhlinkontinenz in Abhängigkeit von Geschlecht und Therapie in den Studien von Contin et al. [97], Pollack et al. [88] und der vorliegenden Studie

Während in einer schwedischen Studie, zum Langzeitoutcome bei Patienten mit tiefer anteriorer Rektumresektion von Floodeen et al. 2014 [98], die Stuhlkontinenz bei

Patienten mit temporärem Stoma und Patienten, die nie ein Stoma hatten, vergleichbar war, fand sich in der vorliegenden Studie ein Unterschied. Während 77% der Patienten, die zwischenzeitlich ein Stoma hatten, langfristig an Inkontinenz litten, waren es bei Patienten, die nie ein Stoma hatten, nur 47%.

Eine vermehrte gastrointestinale Dysfunktion nach Stomarückverlagerung ist schon in anderen Studien wie der von Siassi et al. 2008 [99] beschrieben worden. Dabei wurde auch festgestellt, dass die Rückverlagerung nicht wie angenommen zu einer

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Contin et al. (2014) Pollack et al. (2006) eigene Studie (2015)

Frauen Männer

Neoadjuvante Therapie alleinige Operation adjuvante Therapie Patienten mit Stuhlinkontinenz

N=216

N=77 N=64

Verbesserung der Lebensqualität führte [99]. Neben der prospektiven Studie von Siassi et al. mit 35 Patienten mit Stomarückverlagerung [99] und der vorliegenden

retrospektiven Studie mit 38 Patienten mit Stomarückverlagerung, beschrieben auch Neumann et al. 2011 [100] für 60 Patienten bei gleichbleibender Lebensqualität, vermehrte gastrointestinale Probleme nach Rückverlagerungs-Operation.