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2 LITERATURÜBERSICHT

2.4 Epidemiologie

2.4.4 Aktuell mögliche Interventionsmaßnahmen

Die zahlreichen Kontaminationswege von Campylobacter spp. in der Broilerschlachtung sind weitestgehend bekannt, die Notwendigkeit der Intervention zum Schutz des Verbrauchers ebenfalls. Um offensiv gegen die Campylobacter-Gefahr vorzugehen, werden unterschiedliche Ansatzpunkte verfolgt.

2.4.4.1 Broileraufzucht

Da eine vertikale Übertragung von Campylobacter spp. durch Spermienübertragung nicht sicher ausgeschlossen werden kann, bleibt es eine mögliche Kontaminationsquelle. Der Einsatz von Antibiotika wie Gentamicin konnte die Keimbelastung von Spermien effektiv reduzieren, ohne negativ auf die Fertilität der Spermien zu wirken (SEXTON et al. 1980).

Alle Anzeichen deuten jedoch darauf hin, dass Campylobacter spp. vor allem durch Umweltfaktoren in Broilerbestände transportiert werden. Viele mögliche Vektoren wurden identifiziert, unter anderem Personal und technische Ausstattung des Stalls, Schädlinge wie Nager und Insekten sowie Wildvögel. Theoretisch müssten daher strenge Hygienemaßnahmen auf Broilerfarmen vor dem Eindringen von Campylobacter spp. schützen bzw. dieses reduzieren. Diese Möglichkeit wurde in einer Studie von VAN DE GIESSEN et al. (1998) untersucht. In dem beschriebenen Betrieb konnte festgestellt werden, dass eine Übertragung von Campylobacter spp.

von Kühen auf Broiler über die Schuhe des Personals erfolgte. Umfangreiche Hygienemaßnahmen wurden eingeleitet, die neben Reinigung und Desinfektion, den Tausch der Schuhe vor Eintreten in jeden der Broilerställe und die Kontrolle von Schädlingen beinhaltete. Die Ergebnisse wiesen darauf hin, dass durch die Einführung der Hygienemaßnahmen die Infektion der Broiler mit Campylobacter spp.

reduziert werden konnte. In der Studie von GIBBENS et al. (2001) wurden ebenfalls strikte hygienische Sicherheitsmaßnahmen auf ihre Fähigkeit der Campylobacter-Reduktion in Broilerställen untersucht. Maßnahmen zur Kontrolle des

Staubaufkommens durch ein technisch einwandfreies Ventilatorensystem, fachgerechtes und zeitoptimiertes Desinfizieren von Ställen sowie technischer Ausstattung, fachgerechte Händedesinfektion, sichere Trinkwasser- und Futterbereitstellung, Einsatz von Desinfektionsfußmatten, spezielle Kleidung einschließlich Schuhe für Personal und separate saubere Umkleidezonen vor den Ställen standen im Fokus. Diese Maßnahmen konnten die Prävalenz von Campylobacter spp. in Broilerherden von 80% auf 40% senken.

Laut KLEIN (2010) scheinen Interventionsmaßnahmen auf Bestandsebene den höchsten Effekt zur Reduzierung von Campylobacter zu haben. Modern ausgestattete Geflügelmastanlagen können relativ sichere Hygienebarrieren bieten, dennoch werden diese Barrieren täglich überschritten, die Häufigkeit lässt die Prävalenz einer Campylobacter-Infektion ansteigen (REFREGIER-PETTON et al.

2001). Daher ist es wichtig, die Organisation und den Ablauf der Mast zu optimieren, um unnötigen Kontakt zwischen Personal bzw. technischer Ausrüstung und Broilern zu vermeiden, wie beispielsweise die Notwendigkeit eines möglichen Vorfanges (HALD et al. 2001; PATTISON 2001). Vorteilhaft für eine geringe Campylobacter-Prävalenz scheint es ebenfalls zu sein, nur eine Tierart auf einem Betrieb und in näherer Umgebung (bis 1 km) zu mästen (BOUWKNEGT et al. 2004). Der Einsatz von Fliegennetzen konnte in einer Studie von HALD et al. (2007) die Anzahl Campylobacter-positiver Broilerherden von 51,4% auf 15,4% senken. Laut GUERIN et al. (2007) scheint die Lage von Ventilatoren in Broilerställen ebenfalls von Bedeutung zu sein. Ein erhöhtes Risiko könnte durch vertikal eingebaute Ventilatoren verursacht werden, da Vektoren wie Fliegen so leichter in Broilerställe eindringen könnten. Außerdem sei die Reinigung und Desinfektion hier erschwert. So sollten in neu konstruierten Geflügelmastanlagen nur noch horizontal eingebaute Ventilatoren verwendet werden, um das Risiko einer horizontalen Campylobacter-Übertragung zu senken. Die Studie von STERN und ROBACH (2003) aus Georgia berichtete von einer erfolgreichen Intervention in der Geflügelindustrie durch den Einsatz von Antibiotika. Die Campylobacter-Belastung der Broiler, die einen Tag vor der Schlachtung durch Fäzesproben untersucht wurden, konnte in 2001 im Vergleich zu 1995 auf Log10 3,05 KbE/Karkasse von Log10 4,11 KbE/Karkasse signifikant

reduziert werden. Jedoch scheint dieser Interventionsansatz, in Hinblick auf die belastende Antibiotika-Resistenzentwicklung von Campylobacter spp., nicht mehr zeitgemäß zu sein (ALFREDSON u. KOROLIK 2007; LUANGTONGKUM et al.

2009).

2.4.4.2 Transport

Der Transport von Broilerherden zum Schlachthof in Transportkäfigen stellt eine weitere mögliche Kontaminationsquelle durch Campylobacter spp. dar. Selbst nach gründlicher Reinigung und Desinfektion, konnten Campylobacter spp. aus Käfigen isoliert werden (PEYRAT et al. 2008). Um die Reinigung und Desinfektion zu optimieren, wurde empfohlen, heißes Wasser zwischen 40°C und 80°C zu verwenden, da es wirksamer sei, als Wasser mit einer Temperatur von 30°C. Der Einsatz von Bürsten und ein hoher Wasserumsatz wären ebenfalls sinnvoll. Eine Intensivierung des Waschvorgangs und die Optimierung des Designs der Transportkäfige, wären für eine gänzliche Ausmerzung von Campylobacter spp.

nötig. Die Verwendung von Einwegeinlagen für Transportkäfige sollte dringlichst in Erwägung gezogen werden, wenn negative Karkassen von negativen Herden vermarktet werden sollen (NEWELL et al. 2001; SLADER et al. 2002).

2.4.4.3 Schlachthof

Am Schlachthof werden unterschiedliche Strategien verfolgt, um die Verbreitung und Kontamination von Campylobacter spp. einzudämmen. Laut HAVELAAR et al. (2007) sind die vielversprechendsten Interventionen während des Schlachtprozesses die Limitierung der Verbreitung von fäkaler Kontamination, mit einer erwarteten Risikoreduktion von 80% für den Konsumenten im Modellversuch und die Separation von kontaminierten und nicht kontaminierten Herden, gefolgt von Dekontaminationsmaßnahmen der kontaminierten Herden. Die Dekontamination von kontaminierten Karkassen nach der Kühlung mit 2,5%iger Milchsäurelösung ließen

die durchschnittliche Campylobacter-Belastung um den Faktor 6-300 (im Mittel 60) sinken. Das Risiko für den Konsumenten ließe sich somit im Modelversuch in etwa um 90% senken. Nicht alle Studien haben ähnliche Ergebnisse bei Verwendung von Milchsäure zur Reduktion von Campylobacter spp. festgestellt (LECOMPTE et al.

2009). Laut WAGENAAR et al. (2006) ist die beste Strategie die getrennte Schlachtung von kolonisierten und nicht kolonisierten Herden. Nicht belastetes Geflügelfleisch könnte frisch vermarktet werden, kontaminiertes Geflügelfleisch könnte durch Einfrieren behandelt werden, um die Campylobacter-Konzentration zu senken. Das oberflächliche Einfrieren von kontaminiertem Geflügelfleisch zeigten BOYSEN und ROSENQUIST (2009) in ihrer Studie als effektivste physikalische Dekontaminationsmaßnahme auf, gefolgt von dem Effekt der Luftkühlung und Ultraschallbehandlung. Die Studien von OOSTEROM et al. (1983a; 1983b) wiesen eine höhere Reduktion von Campylobacter spp. bei Brühwassertemperaturen von 58°C / 60°C im Vergleich zu Brühwassertemperaturen von 51,8°C / 52,0°C auf. In der Studie von LI et al. (2002) wurden Karkassen vor dem Kühlen in einem Innen- und Außenwäscher mit unterschiedlichen Wassertemperaturen besprüht. Es konnte festgestellt werden, dass Wassertemperaturen von 55°C und 60°C die Campylobacter-Belastung signifikant auf über Log10 0,78 KbE/Karkasse reduzierten im Vergleich zu Durchgängen mit einer Wassertemperatur von 20°C. Eine weitere Möglichkeit der Reduktion von Campylobacter spp. auf Geflügelfleisch stellt die chemische Dekontamination dar. RIEDEL et al. (2009) untersuchten in einer Studie chemische Substanzen mit einem beträchtlichen Reduktionseffekt von Campylobacter spp. auf Broilerhaut und Fleischproben. Die effektivsten Präparate stellten 0,5%iges Cetylpyridiniumchlorid und 1%iges Benzalkoniumchlorid dar. Die Reduktion von Campyobacter spp. lag bei mehr als Log10 4,2 Stufen. Auch ZHAO und DOYLE (2006) konnten in ihrer Studie durch Kombinationen verschiedener chemischer Substanzen in 4°C kalter Suspension erstrebenswerte Campylobacter-Reduktionen erzielen. Eine Kombination aus Acidic Calciumsulfat, Milchsäure, Ethanol, Sodium Dodecylsulfate und Polypropylenglycol (ACS-LA) reduzierte Campylobacter spp. in Suspension innerhalb von 1 min auf > Log10 5 KbE/ml und zeigte sich besonders erfolgreich als Zusatz von Kühlwasser. Während in den USA

überwiegend mit chlorierter Immersionskühlung zufrieden stellende Campylobacter-Reduktionen erzielt werden, wird in europäischen Schlachtbetrieben mit Luftkühlung gearbeitet, da Dekontaminationszusätze für Kühlwasser in Europa z. Z. nicht zugelassen sind. Mögliche Vorschläge zum Einsatz bestimmter Dekontaminationszusätze werden derzeit geprüft (BFR 2006; BERRANG et al.

2008). Eine Bestrahlung von Geflügelfleisch vor Verpackung in Dosen zwischen 2-5 kGy führte zu einer effektive Elimination von Campylobacter spp. (KAMPELMACHER 1990). Eine ausreichende Hitzebehandlung von Geflügelfleisch führte ebenfalls zur sicheren Eliminierung von Campylobacter spp. (SAMPERS et al. 2009). Jedoch schienen Produkte nach Durchführung dieser Maßnahmen nur noch niedrigere Verkaufspreise erzielen zu können und wären somit in ihrem Kosten-Nutzen-Verhältnis ungünstig (HAVELAAR et al. 2007).

2.4.4.4 Vertrieb und Lagerung

Die Beförderung und der Umgang mit Lebensmitteln im Einzelhandel ist ein weiterer kritischer Abschnitt (WHITE et al. 1997). Laut einer Studie von SAMPERS et al.

(2009) reduzierte das Einfrieren von Hähnchenhackfleischproben und Hautproben bei -22°C die Campylobacter-Belastung innerhalb von 24 h um eine Log10-Stufe pro KbE/g. Eine durchschnittliche Reduzierung von zwei Log10-Stufen pro KbE/g der Hautproben wurde im Zeitraum von minimal 10 Tagen bis mehr als 28 Tagen festgestellt, bei den Hähnchenhackfleischproben konnte eine Reduzierung von zwei Log10-Stufen pro KbE/g nach über 10 Tagen festgestellt werden. Das Einfrieren von Hähnchenfleisch könnte als adäquate produktspezifische Maßnahme angesehen werden, die speziell die Möglichkeit bietet, Kontamination von Hähnchenfleisch verursacht durch den Produktionsablauf, zu reduzieren. Das Einfrieren von Geflügelfleisch kann jedoch nicht eine hygienische Produktion und einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Produkt ersetzen. Geflügelfleisch, das mit Campylobacter spp. belastet ist, kann zu einer Infektion des Verbrauchers führen, wenn es nicht gewissenhaft behandelt und vor Verzehr ausreichend erhitzt wird.

2.4.5.5 Information und Prävention des Verbrauchers

Der Verbraucher kann durch eigenverantwortliches Handeln und durch einfach umzusetzende Maßnahmen sein Risiko, an einer Campylobacteriose zu erkranken, reduzieren. Durch ausreichende Erhitzung des Fleisches und durch Berücksichtigung guter Hygienepraxis in der heimischen Küche, wie sorgfältiges Waschen der Hände und sichere Reinigung von Kücheninventar sowie das Vermeiden von Kreuzkontaminationen zwischen rohem Geflügelfleisch und anderen Lebensmitteln, kann der Konsument die Aufnahme von Campylobacter spp. durch Geflügelfleisch verhindern (NAUTA et al. 2005b). Allerdings muss sich der Verbraucher dafür der möglichen Gefahr einer Campylobacter-Infektion, basierend auf Geflügelfleisch, bewusst sein, um sicher handeln zu können. Dies scheint in Deutschland überwiegend nicht der Fall zu sein (LUBER u. BARTELT 2005). Die Reduktion des Risikos einer Kreuzkontamination in der heimischen Küche ist nur über eine Veränderung im Verhalten desjenigen, der die Mahlzeiten zubereitet, möglich. Eine Möglichkeit dies zu erreichen, ist die Aufklärung des Konsumenten; jedoch sind Informationskampagnen teuer und der Erfolg dieser wird nicht hoch eingeschätzt. Es wird vermutet, dass nach einer Informationskampagne im Mittel 3% der zuvor unhygienisch gearbeiteten Küchennutzer ihren Umgang mit Lebensmitteln verbessern. Das Risiko einer Infektion des Konsumenten würde sich um 3%

reduzieren. Das heimische Einfrieren frischer Geflügelprodukte kann das Risiko ebenfalls senken. Das Restrisiko einer Infektion würde in diesem Fall bei 1%

verbleiben (HAVELAAR et al. 2007). Eine Alternative des Verbrauchers zum Braten von Geflügelfleisch stellt das Erhitzen des Fleisches in der Mikrowelle dar. Bei 480 Watt konnte laut einer Studien von URADZINISKI und NYESVYETOWA (2009) eine totale Inaktivierung von Campylobacter spp. auf Hähnchenschenkeln nach 8-10 min ermittelt werden. Bei 760 Watt reichten 6-8 min aus.