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Abstoßungsreaktion (Graft-versus-host reaction)

2 Literaturübersicht

2.3 Abstoßungsreaktion (Graft-versus-host reaction)

Bei einer Graft-versus-Host-Disease (GvHD) kommt es zur Abstoßung von Empfänger-Zellen, Geweben und Organen (host) durch alloreaktive Spender-T-Lymphozyten (graft), die sich aus dem Transplantat des Spenders entwickeln und die Zellen des Empfängers aufgrund antigener Differenzen als „fremd“ erkennen.

Es gibt drei Voraussetzungen, die für das Entstehen einer GvHD erfüllt sein müssen (BILLINGHAM 1966). Dies sind die Übertragung immunkompetenter Zellen, eine Histoinkompatibilität zwischen Spender und Empfänger, und die Unfähigkeit des Empfängers, die transfundierten oder transplantierten Zellen zu inaktivieren oder zu zerstören.

Alle diese Voraussetzungen sind bei einer allogenen Blutstammzell-Transplantation mit nicht-monozygotem Spender erfüllt, wobei die klinisch relevante Inzidenz der GvHD in Abhängigkeit von der Spendersituation trotz immunsuppressiver medikamentöser Prophylaxe und der Auswahl eines in möglichst vielen HLA-Loci kompatiblen Spenders zwischen 30%

und 80% (BEATTY et al. 1985) beträgt. Die Rate höhergradiger akuter GvHD-Reaktionen steigt aufgrund der Tatsache, dass zunehmend ältere Patienten transplantiert werden, und sich der Anteil an Fremdspendern und Mismatch-Transplantationen (Nicht-Übersteinstimmung zwischen Spender und Empfänger auf einem HLA-Allel) erhöht. In welchem Ausmaß eine Abstoßung auftritt, hängt zum einem von der allelischen Variabilität im Bereich der verschiedenen Genloci des Haupthistokompatibilitätskomplexes (HLA A, B, C, DR, DP, DQ) sowie weiterer, heute noch unvollständig charakterisierter sog. „minor histocompatibility antigens“ ab. Auch das Alter des Patienten, Geschlechtsunterschiede zwischen Spender und Empfänger, die Art der vorbereitenden Konditionierung, der CMV (Cytomegalievirus)-Status, der klinische Zustand des Patienten vor der Transplantation und Art und Umfang der Immunsuppression bestimmen die Inzidenz einer GvHD (GALE et al. 1987, NASH et al.

1992).

Pathophysiologisch betrachtet ist die GvHD eine entzündliche Reaktion, welche durch immunkompetente Zellen aus dem Transplantat des Spenders ausgelöst wird, die sich gegen Empfängerzellen richten. Diese immunkompetenten Zellen erkennen Fremdstrukturen des Empfängers durch direkte oder indirekte Alloreaktivität und werden dadurch aktiviert. Die Antigene werden den Spender-T-Zellen durch Antigen-präsentierende Zellen wie dendritische Zellen oder Makrophagen präsentiert, wobei Interleukin 1, das hauptsächlich von Monozyten produziert wird, die Helfer-Zellen zusammen mit anderen Faktoren stimuliert. Die T-Helfer-Zellen wiederum exprimieren Interleukin 2, was zytotoxische CD8-positive T-Zellen aktiviert. Diese reagieren mit den Empfänger-Zielzellen, die den MHC-Klasse-I-Komplex auf ihrer Oberfläche besitzen. Die aktivierten T-Zellen sezernieren ein ganzes Spektrum proinflammatorischer Zytokine (z.B. IFN-γ, TNF-α), aktivieren andere Effektorzellen des Immunsystems (z.B. Makrophagen und NK-Zellen) und vermitteln direkte Zytotoxizität (z.B.

CD8+ T-Zell-vermittelt über Perforine und Granzym). Im murinen System konnte eine Dominanz von TH1-vermittelten Immunreaktionen, die wesentlich durch CD4+ -Zell-Aktivierung initiiert und unterhalten wird, gezeigt werden (FERRARA et al. 1996).

Zeichen einer GvHD treten bevorzugt an den Organsystemen Haut, Gastrointestinaltrakt und Leber auf. Am häufigsten betroffen ist die Haut. Bei einem Vergleich (MARTIN et al. 1990) von 740 an akuter GvHD erkrankter Menschen zeigten 81% einen Befall der Haut, 54%

Zeichen am Gastrointestinaltrakt und 50% an der Leber.

Die Hautmanifestationen zeigen ein breites Spektrum, welches vom typischen makulopapulösen Exanthem bis zur generalisierten bullösen Erythrodermie reichen kann.

Typische Prädilektionsstellen sind Handflächen, Fußsohlen, Schultern und Nacken. Eine Ausbreitung der häufig juckenden entzündlichen Hautreaktion über den gesamten Körper ist möglich. Nicht selten sind besonders bei chronischer GvHD neben der Haut auch die Schleimhäute betroffen. Das Ausmaß der GvHD wird anhand der befallenen Körper-oberfläche ermittelt und ist nicht zuletzt abhängig von der Schwere der Hautreaktion (Erythem, Blasenbildung, Nekrosen und weiteres).

Histopathologisch lässt sich neben der Zerstörung des Epithelgewebes und Zellnekrosen bei schweren Formen eine komplette Ablösung des oberen Teils der Epidermis von darunter liegenden Hautschichten nachweisen. Die GvHD des Gastrointestinaltraktes ist eine der häufigsten Todesursachen nach allogener Blutstammzell-Transplantation. Sie äußert sich meist in sehr starken, teils blutigen, hochfrequenten wässrigen Diarrhöen und krampfartigen

Bauchschmerzen. Die pro Tag ausgeschiedene Stuhlmenge ist für die Beurteilung des Schweregrades entscheidend. Bei schweren Verläufen kann sie mehrere Liter betragen und führt somit zu einem massiven Verlust an Elektrolyten und Körperflüssigkeit.

Differentialdiagnostisch müssen dabei vor allem virale (z.B. CMV, Rotavirus, HSV, Adenovirus) oder bakterielle Enteritiden sowie die Clostridium difficile-assoziierte Enterokolitis abgegrenzt werden. Zur Beurteilung des histologischen Schweregrades wird in der Regel eine endoskopische Untersuchung des Gastrointestinaltraktes mit Gewinnung von Stufenbiopsien vorgenommen. Typischerweise ist das Kolon des Patienten betroffen, GvHD-Zeichen können aber auch in allen anderen Bereichen des Gastrointestinaltraktes, wie beispielsweise Magen, Ösophagus oder Duodenum auftreten.

Die Leber-GvHD ist eine entzündliche Erkrankung des Epithels der kleinen Gallengänge, wobei es zu einem cholestatischen Ikterus mit direkter Hyperbilirubinämie, Anstieg der Cholestaseparameter (AP, γGT) und weniger ausgeprägt auch der Transaminasen kommt.

Differentialdiagnostisch kommen z.B. virale Hepatitis, medikamententoxische Leberschäden oder Venenverschlusskrankheit in Frage.

Je nach Ausmaß der Organbeteiligung und histologischer Analyse des betroffenen Areals wird die GvHD in vier histologische Schweregrade unterteilt (GLUCKSBERG et al. 1974).

Aus dem Zusammenspiel aller beteiligten Organsysteme ergibt sich ein klinisches Gesamtstadium, das von einer milden GvHD im Grad I bis zu einer lebensbedrohlichen Symptomatik im Grad IV reichen kann.

Man unterscheidet zwischen einer akuten und einer chronischen GvHD, wobei die akute GvHD innerhalb der ersten 100 Tage und die chronische GvHD typischerweise nach mehr als 100 Tagen nach allogener Transplantation auftritt. Zur Unterscheidung zwischen diesen beiden Formen ist jedoch nicht primär der Zeitpunkt des Auftretens relevant, sondern das klinische Erscheinungsbild.

So zeigt die akute GvHD meist ein sich rasch entwickelndes und - falls medikamentös nicht beherrschbar – schnell progredientes Krankheitsbild, während die chronische GvHD, die schätzungsweise 40%-60% der Langzeitüberlebenden entwickeln (VOGELSANG et al.

2003), eher schleichend verläuft. Während in den letzten drei Jahrzehnten bei transplantierten Patienten die Mortalität nach akuter GvHD durch Entdeckung neuer Immunsuppressiva deutlich gesenkt werden konnte, so ist es bis heute kaum möglich, die Häufigkeit des

Auftretens der chronischen GvHD sowie deren Mortalitätsrate zu senken (GÖRNER et al.

2002).

Die akute GvHD, die mit zunehmendem Alter der Patienten eine höhere Inzidenz zu haben scheint, ist häufig mit Fieber, Verschlechterung des Allgemeinzustandes und Gewichtsverlust verbunden. Neben den genannten Organen können auch lymphatische Organe, die Konjunktiven oder die Bronchien betroffen sein. Bei der chronischen Form der GvHD, die Ähnlichkeiten zu bestimmten schweren Autoimmunerkrankungen aufweist, sind oft auch Schleimhäute, Augen, Ösophagus, Lunge oder Muskeln betroffen.

Therapiebedürftigkeit bezüglich einer GvHD besteht in der Regel ab einem klinischen Gesamtschweregrad II, insbesondere bei viszeraler Beteiligung. Die Primärtherapie besteht in der Gabe von Steroiden wie beispielsweise Prednison, welches die zellvermittelte Immunität durch eine Reduktion der Zahl an Lymphozyten und eosinophilen Granulozyten supprimiert.

Das rasche Ansprechen der GvHD auf diese Therapie ist von großer Bedeutung für die weitere Prognose des Patienten. Bei Therapierefraktärität können sich, ähnlich zu Darmerkrankungen anderer Genese, Komplikationen wie Ileusbildung, Perforation, Megakolon, schwere Blutungen oder exsudative Enteropathiesyndrome entwickeln. Die Mortalität der schweren, steroidrefraktären GvHD liegt bei etwa 70% (MARTIN et al. 1990).