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Abschätzung zur Verteilung der Typen in der Grundgesamtheit

7 „Member Check“ – Rückmeldung an das und aus dem Feld

Faktor 5: Systematisches Vorgehen – assoziiert mit „Systematiker“

8.3.5 Abschätzung zur Verteilung der Typen in der Grundgesamtheit

Zur Darstellung der quantitativen Verteilung der Typen in der Grundgesamtheit wur-den alle Betriebe eindeutig einem Faktor bzw. Typus zugeordnet. Entscheiwur-dendes Kriterium dafür war, für welchen Faktor/Typus der einzelne Betrieb die stärkste Aus-prägung besaß. Betriebe, die in zwei oder mehr Faktoren eine hohe AusAus-prägung be-sitzen, wurden zwar als Mischtypen betrachtet, aber dennoch einem einzigen

Typus zugeordnet, auch wenn andere Faktoren mit nur wenig geringeren Werten auf den jeweils ausgeprägtesten Faktor folgten.

Abb. 8.9 Abschätzung zur Verteilung der Typen in der Grundgesamtheit

7,6% 6,3% 7,6%

Insgesamt müssen 8,8 Prozent der befragten Betriebe als Mischtypen angesehen werden.

Das skizzierte Vorgehen erlaubt eine Abschätzung der Verteilung der Typen in der Grundgesamtheit. Auf Grund der geschichteten Stichprobe sind für die entsprechen-den Diagramme (Abb. 8.9) pro Quadrant und Betriebsgrößenklasse jeweils ca. 50 ungewichtete Fälle die Basis. Im Anschluss an die Diagramme wird die Vertei-lung auf Faktoren bzw. Typen detailliert erläutert.

Verteilung der Faktoren in den unterschiedlichen Größenklassen:

Betrachtet man die gesamte Stichprobe, zeigt sich der Typus „Mensch im Zentrum“

als der Häufigste mit 30,0 Prozent, gefolgt vom Typus „Selbstbezug“ mit ca. 20,9 Prozent. Die anderen drei Typen sind mit 16,9 bis 16,0 Prozent in etwa gleich häufig in der Stichprobe vertreten. Betrachtet man nur die Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten, zeigt sich ein ganz ähnliches Bild, da diese in der Grundge-samtheit und damit auch im gewichteten Datensatz die Mehrheit der Betriebe stellen.

Unter den größeren Betrieben mit mindestens 50 Beschäftigten ist der Anteil der Be-triebe des Typus „Mensch im Zentrum“ noch höher; er liegt bei 51,8 Prozent. Mit ei-nem deutlich geringeren Anteil folgen die Betriebe der Typen „Eigene Kultur“

(17,7 %) und „Kennzahlen“ (12,7 %). Betriebe der Typen „Selbstbezug“ und „Priorität Technik“ sind hier deutlich seltener vertreten, als unter den kleineren Betrieben. Dies bestätigt die Annahme, dass es sich beim Typus Selbstbezug eher um einen Klein-betriebs-Typus handelt, während die Typen „Eigene Kultur“ und „Kennzahlen“ stärker unter den größeren Betrieben vertreten sind. In den folgenden Absätzen wird immer wieder auf die eben beschriebenen Verteilungen zurückgegriffen, um sie als Refe-renz für die Interpretationen der Verteilungen in den einzelnen Quadranten heranzu-ziehen.

Verteilung der Faktoren unter Betrieben in Quadrant I:

Quadrant I, der durch eine geringe Offensichtlichkeit von Gefährdungen, aber ten-denziell hohe Compliance-Anforderungen geprägt ist, weist in der Zusammensetzung folgende Besonderheiten auf: Unter den kleineren Betrieben (bis 49 Beschäftigte) weist die Mehrzahl der Betriebe die höchste Übereinstimmung mit dem Typus „Eige-ne Kultur“ auf. Dies verweist mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf, dass die Mehrzahl der kleineren Betriebe dieses Quadranten im Faktor „Exzellenz“ ihr Ideal sehen bzw.

die Betonung der unternehmerischen Souveränität, die zum Teil in den Items des Faktors „Exzellenz“ zum Ausdruck kommt, befürworten (vgl. dazu Abschnitt 8.3.4).

Ob dies tatsächlich auch bedeutet, dass diese Betriebe eine so ausgeprägte Präven-tionskultur besitzen, wäre im Einzelfall vor Ort zu überprüfen. Zweifel sind ange-bracht, da kleinere Betriebe in der Regel nicht über die strukturellen Voraussetzun-gen verfüVoraussetzun-gen, die eine dynamische und stark proaktive Präventionskultur erst mög-lich machen. Da die entsprechenden Orientierungen bei kleineren Betrieben aus Quadrant I aber in so großer Zahl vorliegen, können externe Präventionsexperten damit rechnen, an deren Zielorientierung bzw. deren Ideal anknüpfen zu können.

Die Betriebe mit mehr als 49 Beschäftigten sind im Unterschied zu den kleineren zu fast 50 Prozent dem Typus „Mensch im Zentrum“ zuzuordnen. Dies entspricht in et-wa dem Gesamtdurchschnitt für Betriebe dieser Größe. Beachtenswert ist hier aller-dings der im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt doppelt so hohe Anteil an „Kennzah-len“-Betrieben. Zu erklären ist dies wohl dadurch, dass Betriebe dieses Quadranten

häufiger als Betriebe aus anderen Quadranten dazu verpflichtet sind, eines oder mehrere Managementsysteme (Qualität, Hygiene etc.) zu implementieren. Im qualita-tiven Sample ist zwar keiner der Betriebe aus Quadrant I dem Typus Kennzahlen zugeordnet worden. Dass Betriebe dieses Quadranten aber stark auf eine systemati-sche Vorgehensweise verwiesen sind, schlägt sich offenbar in der vergleichsweise hohen Zahl an „Kennzahlen-Betrieben“ in der quantitativen Auswertung nieder. Glei-ches gilt für den unterdurchschnittlichen Anteil an Selbstbezugs-Betrieben.

Verteilung der Faktoren unter Betrieben in Quadrant II:

In Quadrant II, der sowohl durch hohe Compliance-Anforderungen, als auch durch eine höhere Offensichtlichkeit der Gefährdungen gekennzeichnet ist, zeigen sich für die Betriebe mit maximal 49 Beschäftigten keine Besonderheiten. Allenfalls der, im Vergleich mit dem Durchschnitt dieser Größenklasse, leicht erhöhte Anteil an

„Selbstbezugs“-Betrieben und der leicht gesenkte Anteil an „Mensch im Zentrum“-Betrieben müssen erwähnt werden.

Für die Betriebe mit mehr als 49 Beschäftigten in diesem Quadranten sind deutliche Abweichungen vom Durchschnitt feststellbar. Insbesondere Betriebe des Typus

„Eigene Kultur“ sind stark überrepräsentiert. Dies ist insofern erwartungskonform, als Hochrisikobranchen wie Chemie- und Petro-Industrie usw., die in diesem Quadran-ten zusammengefasst sind, die ersQuadran-ten waren, die Programme zur Entwicklung von Präventionskultur erarbeitet haben. In etwas geringerer Zahl sind in diesem Quad-ranten auch Betriebe des Typus „Priorität Technik“ überrepräsentiert. Stark unterre-präsentiert sind Betriebe der Typen „Mensch im Zentrum“ und „Selbstbezug“. Dies entspricht den Erfahrungen aus dem qualitativen Sample, dort fand sich nur ein

„Mensch im Zentrum“-Betrieb unter den größeren Betrieben dieses Quadranten.

Auf Grund des qualitativen Samples wäre auch ein erhöhter Anteil an „Kennzahlen“-Betrieben zu erwarten gewesen. Der Unterschied ist im Vergleich zu den anderen Quadranten jedoch vernachlässigbar gering.

Verteilung der Faktoren unter Betrieben in Quadrant III:

Quadrant III wurde ebenfalls eine höhere Offensichtlichkeit der Gefährdungen zuge-schrieben bei allerdings geringeren Compliance-Anforderungen. Die kleineren Be-triebe dieses Quadranten weisen einen erhöhten Anteil von BeBe-trieben der Typen

„Eigene Kultur“ und „Selbstbezug“ und einen verringerten Anteil an „Mensch im Zent-rum“-Betriebe auf. Hier bestätigt sich offenbar eine bereits für Quadrant II getroffene Einschätzung, die davon ausgeht, dass dort, wo die Gefährdungen offensichtlicher sind, weniger „Mensch im Zentrum“-Betriebe anzutreffen sind. Im Vergleich zu Quad-rant II scheint das geringere Niveau an Compliance-Anforderungen dazu beizutra-gen, dass der Typus „Selbstbezug“ verstärkt auftritt.

Unter den größeren Betrieben dieses Quadranten finden sich ebenfalls ein – im Ver-gleich zum Durchschnitt aller größeren Betriebe- verringerter Anteil an „Mensch im Zentrum“-Betrieben, auch wenn diese immerhin 40 Prozent aller größeren Betriebe dieses Quadranten ausmachen. Erhöht ist hingegen der Anteil der Betriebe des Typus „Selbstbezug“. Dies bestätigt die Einschätzung für die kleineren Betriebe dieses Quadranten: Auch bei vergleichsweise offensichtlichen Gefährdungen verlässt sich – auch in Ermangelung von Alternativen – eine hohe Zahl kleiner Logis-tik-Betriebe ausschließlich auf sich selbst. Zum Vergleich: Im qualitativen Sample finden sich in diesem Quadranten ausschließlich „Priorität Technik“-Betriebe.

Verteilung der Faktoren unter Betrieben in Quadrant IV:

In Quadrant IV wurden Branchen eingeordnet, die sich durch eine geringe Offen-sichtlichkeit der Gefährdungen und geringe Compliance-Anforderungen auszeichnen.

Für kleinere Betriebe dieses Quadranten ergab sich sowohl ein erhöhter Anteil von

„Mensch im Zentrum“-Betrieben, als auch ein verringerter Anteil an „Eigene Kultur“-Betrieben. Die geringere Offensichtlichkeit der Gefährdungen lässt Betriebe offenbar häufiger fast ausschließlich auf die Arbeit am Verhalten der Beschäftigten setzen.

Dies wird für größere Betriebe dieses Quadranten noch deutlicher: über drei Viertel der Betriebe sind dem Typus „die Fehlervermeider“ („Mensch im Zentrum“) zuzuord-nen. Betriebe des Typus „die Standardsetzer“ („Eigene Kultur“) oder „die Techniker“

(„Priorität Technik“) sind so gut wie nicht zu finden. Zum Vergleich: Auch das qualita-tive Sample hatte in diesem Quadranten schon eine Häufung von „Mensch im Zent-rum“ und „Selbstbezug“-Betrieben ergeben.

Zwischenfazit

Insgesamt konnten durch die statistische Validierung fünf Faktoren bestätigt werden, die Punktwolken, d.h. statistisch ähnliche Fallgruppen hervorrufen. Mit welchen Items diese Gruppen ähnlicher Fälle assoziiert sind, wurde dargelegt. Bei den ermittelten Faktoren handelt sich um:

• „Laissez faire“, assoziiert mit den „Do-it-yourselfern“ (Selbstbezug),

• „Überforderung durch Gesetze“, assoziiert mit den „Technikern“

(Priorität Technik),

• „Aktivierung der Beschäftigten“, assoziiert mit den „Fehlervermeidern“

(Mensch im Zentrum),

• „Exzellenz“, assoziiert mit den „Standardsetzern“ (Eigene Kultur) sowie

• „Systematisches Vorgehen“, assoziiert mit den „Systematikern“ (Kennzahlen).

Wie dargelegt, lässt sich davon ausgehen, dass mit der Identifizierung dieser fünf Faktoren eine inhaltliche Validierung der fünf qualitativ herausgearbeiteten Typen geglückt ist.

Betrachtet man hingegen die Häufigkeitsverteilung der fünf Typen stellt diese sich in der quantitativen Stichprobe von 375 Betrieben erwartungsgemäß anders dar als im qualitativen Sample, das nur 50 Betriebe umfasste. Während im qualitativen Sample 20 Betriebe oder die deutlich größte Gruppe von 40 Prozent der Fälle dem Typus

„Techniker“ („Priorität Technik“) anzugehören schienen, legt die quantitative Stich-probe nahe, dass nicht dieser Typus, sondern der Typus „Fehlervermeider“ („Mensch im Zentrum“) mit 30 Prozent den häufigsten Präventionskultur-Typus in deutschen Betrieben ausmacht. Im Überblick stellen sich die Unterschiede in den Häufigkeits-verteilungen der quantitativen und der qualitativen Stichprobe wie folgt dar:

• Mensch im Zentrum (30 % quantitativ; 16 % qualitativ)

• Selbstbezug (21 % quantitativ; 24 % qualitativ)

• Priorität Technik (17 % quantitativ; 40 % qualitativ)

• Kennzahlen (16,3 % quantitativ; 12 % qualitativ) und

• Eigene Kultur ( 16,0 % quantitativ; 8 % qualitativ).

Die Häufigkeitsverteilung der quantitativen Stichprobe wird als valider angenommen, obwohl auch sie nicht repräsentativ ist und nur als explorativ gewertet werden kann.

Dennoch ist näherungsweise davon auszugehen, dass der verhaltenspräventiv orien-tierte Typus „Fehlervermeider“ („Mensch im Zentrum“) am häufigsten vorkommt und zusammen mit dem Typus „Do-it-yourselfer“ („Selbstbezug“) für ungefähr die Hälfte aller Betriebe die beiden möglichen Formen gelebter Präventionskultur ausmacht.

Die andere Hälfte der Betriebe verteilt sich nahezu zu gleichen Teilen auf die verblei-benden Typen „Techniker“ („Priorität Technik“), „Systematiker“ („Kennzahlen“) und

„Standardsetzer“ („Eigene Kultur“). Nur die beiden zuletzt genannten Typen können als fortgeschritten bzw. umfassend betrachtet werden.

Die quantitative Validierung hat die Gewichte der Häufigkeitsverteilung insgesamt verschoben. Dies war auch nicht anders zu erwarten, da eine qualitative Stichprobe i.d.R. zu klein ist, um zuverlässig auf Häufigkeiten in der Grundgesamtheit zu schlie-ßen. Da die hier vorliegende quantitative Stichprobe nicht repräsentativ ist, kann auch sie dies zwar nicht leisten. Die Qualität der Schätzung auf Basis der quantitati-ven Befunde dürfte aber dennoch größer sein als für Schätzungen auf Basis des qualitativen Samples. Die quantitativen Auswertungen haben insofern die Validität der getroffenen Aussagen zur Häufigkeitsverteilung gesteigert. Mit deutlich verringer-ter Ungenauigkeit kann davon ausgegangen werden, dass Formen umfassender Präventionskultur, d.h. „Systematiker“ („Kennzahlen“) und „Standardsetzer“ („Eigene Kultur“) nur in bis zu einem Drittel aller Betriebe in Deutschland vorkommen.