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PILOTERPROBUNG EINES DIAGNOSTISCHEN INSTRUMENTS ZUM VORSPRACHLICHEN KOMMUNIKATIONSVERHALTEN BEI

7. Konstruktion des Komm!-Bogens

7.2 Übersicht über vorliegende Untersuchungsinstrumente

In wissenschaftlichen Untersuchungen und teilweise auch in der Praxis werden in erster Linie systematische, teilweise auch standardisierte Verhaltensbeobachtungen

sowie Elternfragebögen eingesetzt, um das (vorsprachliche) Kommunikationsverhalten eines Kindes zu erfassen. Testuntersuchungen bieten sich für die Erfassung kommuni-kativen Verhaltens nicht an, da Kommunikationsversuche vor allem dann zu beob-achten sind, wenn das Kind spontan und selbst-initiiert etwas mitteilen möchte; dies lässt sich in einer standardisierten Testsituation, die von einer Testleiterin / einem Test-leiter gelenkt wird, nur bedingt hervorrufen. Für die Zielgruppe der Kinder mit ASS kommt noch hinzu, dass viele von ihnen zu Beginn einer Intervention noch über-wiegend eigenen Impulsen folgen und in einer stark fremdbestimmten Situation oft nicht kooperieren. Ein Test zur Erfassung des vorsprachlichen Kommunikationsver-haltens kommt somit nicht in Frage.

Im Folgenden sollen zunächst systematische Verhaltensbeobachtungen und Eltern-fragebögen vorgestellt werden, die für eine Erfassung des frühen (vorsprachlichen) Kommunikationsverhaltens bereits vorliegen. Dabei soll auch berichtet werden, welche dieser Verfahren bei Kindern mit ASS bereits erprobt worden sind.

7.2.1 Systematische Verhaltensbeobachtungen

In Studien aus dem anglo-amerikanischen Raum zur Erfassung des frühen Kommuni-kationsverhaltens bei Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen sind insbesondere zwei standardisierte Verhaltensbeobachtungen gängig: die CSBS DP und die ESCS (vgl. auch Kapitel 2 und 3). Für den deutschsprachigen Raum liegt ein systematisches Beobachtungsverfahren zur Diagnose der Kommunikationsentwicklung vor, das für die Förderdiagnostik bei Kindern mit geistiger Behinderung entwickelt worden ist. Darüber hinaus soll auch ein international verwendetes standardisiertes Verfahren zur Autis-musabklärung, der ADOS, vorgestellt und im Hinblick auf seine Eignung als Instrument zur Erfassung des Kommunikationsverhaltens diskutiert werden. Schließlich ist in jüngster Zeit von einer U.S.-amerikanischen Forschergruppe ein Kodierschema zur Be-wertung des vorsprachlichen Kommunikationsverhaltens bei Menschen mit gravie-renden Behinderungen entwickelt worden (CCS), das ebenfalls skizziert werden soll.

Manche Förderprogramme enthalten auch spezielle Beobachtungsschemata, die der systematischen Überprüfung von Verhaltenskompetenzen und der anschließenden Ab-leitung der Förderziele dienen sollen. Häufig fehlt dabei jedoch eine eigene Subskala zur Erfassung des vorsprachlichen kommunikativen Verhaltens; dies gilt z. B. für die im Bereich der autismusspezifischen Verhaltenstherapie sehr gängigen ABLLS-R-Skalen von Partington (2006). Die ESDM-Curriculum Checklist, die zur Planung des in Kap.

4.2.1 vorgestellten Early Start Denver Model entwickelt worden ist, erfasst dagegen auch das vorsprachliche Kommunikationsverhalten recht detailliert und soll daher exemplarisch für Beobachtungsschemata, die die Grundlage für ein bestimmtes För-derprogramm bilden, vorgestellt werden.

Alle im Folgenden aufgeführten Beobachtungsverfahren ermöglichen eine systema-tische Elizitierung und Bewertung des vorsprachlichen Kommunikationsverhaltens. Sie unterscheiden sich jedoch im Ausmaß der Standardisierung, also im Hinblick darauf,

wie exakt die Beobachtungssituationen und Materialien festgelegt und die Auswer-tungskriterien definiert sind.

Communicative and Symbolic Behavior Scales Developmental Profile (CSBS DP):

Behavior Sample

Bei den CSBS DP (Wetherby & Prizant, 2002) handelt es sich um ein standardisiertes Instrument, mit dem die kommunikativen und symbolischen Kompetenzen von Kindern zwischen 6 und 24 Monaten erfasst werden; für diesen Altersbereich liegen Normen vor. Das Instrument kann jedoch auch bei Kindern mit Behinderungen eingesetzt werden, sofern ihr allgemeiner Entwicklungsstand nicht höher als 24 Monate ist. Die CSBS DP umfassen zwei Elternfragebögen und eine Interaktionsbeobachtung zwischen dem Kind und einem Elternteil sowie dem Beobachter / der Beobachterin; in vielen Studien (z. B. Sullivan et al., 2007; Shumway & Wetherby, 2009) ist nur die Ver-haltensbeobachtung (Behavior Sample) der CSBS DP verwendet worden. Die Beob-achtungssituation wird auf Video aufgezeichnet und beinhaltet

(1) die Anregung von spontanen Kommunikationsversuchen bei vier verschiedenen Kommunikationsanlässen

(2) eine Bilderbuchbetrachtung zwischen Kind und Elternteil (3) Sprachverständnisaufgaben sowie

(4) eine Spielsituation mit Rollenspielmaterial (Symbolspiel) und Bauklötzen (Konstruk-tionsspiel).

Die Kommunikationsversuche des Kindes werden u. a. im Hinblick auf ihre Häufigkeit, die Funktion der Versuche (instrumentell vs. sozial) und die Art der verwendeten Kom-munikationsmittel (Kontaktgesten, deiktische Gesten, symbolische Gesten, Vokalisa-tionen, Blickkontakt) ausgewertet. Es können drei Gesamtwerte ermittelt werden („Social“, „Speech“, „Symbolic“).

Zwischen den Ergebnissen der Verhaltensbeobachtung (Behavior Sample) und der Elternbefragung konnten hohe Übereinstimmungen festgestellt werden (Wetherby, Allen, Cleary, Kublin & Goldstein, 2002). Die CSBS DP ist auch bei Kindern mit ASS eingesetzt worden, u. a. in der in Abschnitt 3.2.1 vorgestellten Längsschnittstudie von Wetherby und Mitarbeiterinnen (Shumway & Wetherby, 2009; Wetherby et al., 2007).

Early Social Communication Scales (ESCS)

Die ESCS von Mundy, Delgado, Block, Venezia, Hogan und Seibert (2003) sind ein In-strument, das in Untersuchungen zur sozial-kognitiven und kommunikativen Entwick-lung von Kindern mit und ohne EntwickEntwick-lungsprobleme sehr häufig zum Einsatz kommt.

Sie wurden für das Altersspektrum von 8 bis 30 Monaten entwickelt und sind darüber hinaus auch für Kinder mit Entwicklungsverzögerung geeignet, deren allgemeiner Ent-wicklungsstand in dieses Altersspektrum fällt. Die ESCS umfassen 9 Aufgaben bzw.

Interaktionssituationen, die von einer Untersucherin / einem Untersucher in Anwesen-heit eines Elternteils mit dem Kind durchgeführt werden; die Reihenfolge der Aufgaben darf in Abhängigkeit von der Motivationslage des Kindes variiert werden. Die Unter-suchung wird auf Video aufgezeichnet, und die einzelnen Reaktionen des Kindes

werden im Hinblick auf joint attention-Verhalten im engeren Sinne („joint attention behavior“) vs. Forderungen („behavioral request“) vs. soziales Interaktionsverhalten („social interaction behavior“) klassifiziert. Ferner wird unterschieden, inwieweit das Kind diese Verhaltensweisen spontan initiiert oder auf eine Aufforderung reagiert („initiating“ vs. „responding to“) und ob es sich um einfachere oder fortgeschrittene kommunikative Verhaltensweisen handelt („lower“ vs. „higher level behaviors“). So wird z. B. für den Bereich des Initiierens von gemeinsamer Aufmerksamkeit zwischen den

„lower-level“-Verhaltensweisen „Blickkontakt“ und „pendelnder Blick“ und den „higher-level“-Verhaltensweisen „Zeigegeste“ und „Vorzeigen eines Objektes“ unterschieden.

Im Rahmen der Auswertung wird ermittelt, wie häufig die unterschiedlichen kommuni-kativen Verhaltensweisen im Verlauf der Beobachtung aufgetreten sind und welchen Anteil „lower-level“- und „higher level“-Verhaltensweisen am Kommunikationsverhalten insgesamt innerhalb der verschiedenen kommunikativen Funktionen ausmachen. Die Ermittlung eines Gesamtwertes zur Beschreibung des Kommunikationsniveaus ist nicht vorgesehen.

Auch die ESCS sind in vielen Studien bei Kindern mit ASS zu Einsatz gekommen (z. B.

Dawson et al., 2004; Toth et al., 2006; Parparella et al., 2011). Außerhalb des anglo-amerikanischen Raumes untersuchten Chiang et al. (2008) taiwanesische Kinder mit ASS mit den ESCS; Kirst (2011) setzte sie in Teilen bei einem deutschsprachigen Zwillingspaar mit ASS ein.

Beobachtungsverfahren zur Diagnose der Kommunikationsentwicklung

Rotter, Kane und Gallé (1992; s. auch Kane, 2002) haben ein Beobachtungsverfahren zur Förderdiagnostik entwickelt, das der Planung einer Kommunikationsintervention bei Kindern mit Behinderung dienen soll. Ziel der Beobachtungen ist es, das Verhalten des Kindes in unterschiedlichen kommunikativen Situationen zu beobachten. Hierfür bietet die Beobachterin / der Beobachter dem Kind gezielt Kommunikationsanlässe, die auf drei Funktionen von Kommunikation ausgerichtet sind: das Fordern von Gegenständen oder Handlungen, das Kommentieren von Ereignissen und Protest. Die hierfür ver-wendeten Materialien und Situationen sind nicht standardisiert; wichtig ist, dass die Beobachterin / der Beobachter möglichst viele motivierende Anlässe zum Fordern, Kommentieren und Protestieren bietet.

Im Anschluss an die Beobachtung werden die – auf Video aufgezeichneten – Reak-tionen des Kindes auf diese KommunikationssituaReak-tionen einer vor fünf Entwicklungs-stufen zugeordnet. Dabei wird zwischen ungezieltem Verhalten, gezieltem Verhalten (z. B. Ergreifen des Spielgegenstandes), partnerbezogenen Äußerungen (z. B. Blick-kontakt und Lautieren), konventionellen Äußerungen (z. B. Zeigegeste, Kopfschütteln) und symbolischer Kommunikation (Wörter, symbolische Gesten) unterschieden. Ab-schließend wird das am häufigsten gezeigte Kommunikationsverhalten des Kindes identifiziert; dieses typische Kommunikationsverhalten des Kindes bildet – neben den Ergebnissen einer Diagnostik der intellektuellen Entwicklung des Kindes - die Grund-lage für die weitere Förderplanung.

Eine quantitative Auswertung der Beobachtungen und die Beschreibung eines kommu-nikativen Entwicklungsalters sind bei diesem Verfahren nicht vorgesehen. Auch machen die Autoren keine Angaben zur Anwendung des Beobachtungsverfahrens bei Kindern mit ASS.

Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen (ADOS)

Bei diesem Beobachtungsinstrument von Rühl, Bölte, Feineis-Matthews und Poustka (2004) handelt es sich um die deutschsprachige Fassung der Autism Diagnostic Observation Schedule (Lord, Rutter, DiLavore & Risi, 2001). Der ADOS zielt darauf ab, autismustypische Auffälligkeiten in den Symptombereichen „Kommunikatives Vhalten“, „Soziale Interaktion“, „Spielverhalten“ und „stereotype Verhaltensweisen“ zu er-fassen. Das Verfahren ist international als Standardverfahren zur Abklärung einer Störung aus dem Autismus-Spektrum anerkannt und zählt zusammen mit einem stan-dardisierten Elterninterview zum „Goldstandard“ in der Autismus-Diagnostik (Bölte, 2009d). Je nach Sprachentwicklungsstand des zu untersuchenden Kindes wird der ADOS in einer von vier Formen (sog. Module) durchgeführt; für Kinder, die noch non-verbal oder nur mit einzelnen Wörtern kommunizieren, kommt das Modul 1 zum Ein-satz. Im Anschluss an die Durchführung der Beobachtung wird das Verhalten des Kindes im Hinblick auf bestimmte, für eine Autismusdiagnose zentrale Merkmale quantitativ bewertet (z. B. Gebrauch des Blickkontaktes, gemeinsame Freude, Ausmaß sozialer Initiativen), und es werden neben einem Gesamtwert vier Subskalenwerte gebildet (s. Tabelle 29 in Abschnitt 13.4.1).

Da Modul 1 Aufgaben bzw. Interaktionssituationen enthält, mit denen kommunikatives Verhalten elizitiert werden soll, werden einige Items des ADOS in manchen Unter-suchungen zum Kommunikationsverhalten autistischer Kinder als Maße für soziale oder kommunikative Fähigkeiten verwendet. So nutzten z. B. Thurm et al. (2007) aus-gewählte Items aus dem ADOS (z. B. „initiiert gemeinsame Aufmerksamkeit“) als Prä-diktoren für den späteren Sprachentwicklungsstand der Kinder. Als diagnostisches Instrument zur Förderplanung ist der ADOS jedoch nicht geeignet, da die Auswertung in erster Linie auf die Erfassung von autismustypischen Symptomen abzielt und keine umfassende Bewertung der kommunikativen Kompetenzen des Kindes ermöglicht. Die im ADOS vorgesehenen Beobachtungssituationen eignen sich jedoch sehr gut, um spontanes kommunikatives Verhalten bei Kindern mit ASS auszulösen und zu beobachten.

Communication Complexity Scale (CCS)

Brady et al. (2012) haben das Bewertungssystem CCS mit dem Ziel entwickelt, das spontane kommunikative Verhalten von Menschen mit gravierenden Beeinträchti-gungen zu klassifizieren. Der Schwerpunkt der Analyse liegt dabei auf feinen Unter-schieden im Gebrauch vorsymbolischer Kommunikationsmittel; so werden sechs ver-schiedene Formen präintentionalen Verhaltens und sechs Formen intentionalen Ver-haltens unterschieden; bei letzteren wird noch einmal zwischen nicht-symbolischen und symbolischen Kommunikationsmitteln differenziert. Jede kommunikative Verhal-tensweise, die die Klientin / der Klient in der Beobachtungssituation zeigt, wird von

einer Fachperson anhand dieses 12stufigen Bewertungsrasters eingestuft. Auf der Grundlage der drei besten Kommunikationsversuche wird ein Gesamtwert für das Kommunikationsniveau der Klientin / des Klienten ermittelt. Kritisch ist, dass die Beob-achtungssituation, auf deren Grundlage die Bewertungen erfolgen, nicht standardisiert ist. Die Autorinnen empfehlen einen hoch strukturierten Beobachtungskontext, bei dem kommunikatives Verhalten gezielt ausgelöst wird. Die CCS wurden bislang in Beobach-tungskontexten erprobt, die mindestens 12 solcher Anlässe enthielten; dabei zielten die meisten Kommunikationssituation darauf ab, einen Gegenstand oder Hilfe zu fordern („behavior regulation“); ferner waren Situationen enthalten, die eher auf einen sozialen Zweck ausgerichtet waren (z. B. Unterbrechung einer Interaktionsroutine). Die CCS ist von den Autorinnen an unterschiedlichen Stichproben, darunter auch Vorschulkinder mit ASS, erprobt worden.

Early Start Denver Model Curriculum Checklist for young children with autism (ESDM Curriculum Checklist)

Für die Förderplanung im Rahmen eines ESDM-Förderprogramms wurde von Rogers und Dawson (2010) speziell für die Zielgruppe junger Kinder mit ASS ein Beobach-tungsschema entwickelt, das auf verschiedene Förderbereiche abzielt, u. a. auch auf die Bereiche „rezeptive Kommunikation“ und „expressive Kommunikation“. Jeder Ent-wicklungsbereich wird auf vier verschiedenen Entwicklungsstufen beschrieben, wobei jede Stufe für jeden Bereich über mehrere Verhaltensweisen mit aufsteigender Schwie-rigkeit operationalisiert ist. Die Items der Checkliste sind vier Entwicklungsstufen zuge-ordnet, die in etwa dem Entwicklungsstand 12 bis 18 Monate (level 1), 18 bis 24 Mo-nate (level 2), 24 bis 36 MoMo-nate (level 3) und 36 bis 48 MoMo-nate (level 4) alter, typisch entwickelter Kinder entsprechen. Vorsprachliches Kommunikationsverhalten wird dabei vor allem auf level 1 überprüft. Die Items wurden auf der Grundlage entwicklungs-psychologischer Erkenntnisse über die typische Entwicklung und klinischer Erfah-rungen in der Förderung junger Kinder mit ASS entwickelt.

Die im Fokus stehenden Items werden im Rahmen einer 1 bis 1½stündigen Spiel-beobachtung zwischen Kind und Untersucherin / Untersucher in Anwesenheit eines Elternteils erhoben. Mit fest gelegten Materialien werden verschiedene, nicht-standardi-sierte Spielinteraktionen gestaltet, die geeignet sind, das jeweilige Item zu überprüfen bzw. das Zielverhalten zu beobachten. Angaben der Eltern zum Verhalten des Kindes im Alltag können bei der Bewertung eines Items mit verwendet werden.

Bei der Auswertung geht es nicht darum, eine Gesamteinschätzung zu entwickeln, sondern für jedes einzelne Item zu überprüfen, ob das Verhalten vom jeweiligen Kind bereits konsistent, inkonsistent oder noch gar nicht gezeigt wird. Die Items, die ein Kind innerhalb eines Entwicklungsbereichs auf einem „level“ noch nicht oder noch nicht kon-sistent bewältigt, bilden die Zielverhaltensweisen für die Entwicklungsförderung eines Kindes. Wenn das Kind die Items eines levels nahezu vollständig bewältigt, können Förderziele aus dem nächsten level ausgewählt werden.

Zusammenfassende Bewertung

Inhaltlich scheinen die hier genannten Verhaltensbeobachtungen gut geeignet zu sein, um das vorsprachliche Kommunikationsverhalten eines Kindes mit ASS einschätzen zu können und umfassende Informationen zu erhalten, die für die Planung einer Inter-vention benötigt werden. Dabei sind auch die im anglo-amerikanischen Sprachraum entwickelten Verfahren für deutschsprachige Kinder geeignet, da diese Verfahren primär auf die nonverbale Kommunikation abzielen und sich somit unabhängig von der Muttersprache des Kindes anwenden lassen.

Die CSBS: DP und die ESCS sind Instrumente, bei denen Durchführung und Aus-wertung in hohem Maße standardisiert sind; die AusAus-wertung scheint jedoch recht auf-wändig zu sein. Der ADOS ist ebenfalls standardisiert und – zumindest für geschulte Anwenderinnen und Anwender - leichter auszuwerten als die anderen beiden ge-nannten Verfahren; eine Videoaufzeichnung ist nicht zwingend notwendig. Allerdings ist die vorgesehene quantitative Auswertung des ADOS als Grundlage für die Planung einer Intervention – wie oben geschildert - nicht geeignet.

Das Beobachtungsverfahren zur Diagnose der Kommunikationsentwicklung, das Be-wertungssystem CCS sowie die ESDM Curriculum Checklist weisen einen sehr diffe-renzierten und entwicklungspsychologisch abgeleiteten Aufbau auf, der für eine indivi-dualisierte Förderplanung gut geeignet zu sein scheint. Die Beobachtungssituationen selber sind zwar nicht standardisiert, die Verfahren enthalten jedoch Vorgaben zur Ge-staltung der Beobachtungssituation. Bei Kindern mit ASS, die oft nur für sehr ausge-wählte Aktivitäten und Materialien zu interessieren sind, ist eine größere Freiheit bei der Gestaltung der Beobachtungssituation durchaus von Vorteil, wenn es darum geht, eigenmotiviertes Kommunikationsverhalten zu beobachten. Allerdings hängen die Er-gebnisse bei einem geringeren Standardisierungsgrad auch stärker von der Geschick-lichkeit der Untersucherin / des Untersuchers ab, für das Kind motivierende Situationen zu entwickeln, was die Objektivität dieser Verfahren einschränkt.

Altersnormen liegen nur für die CSBS DP vor; bei allen anderen, hier vorgestellten Ver-fahren ist kein quantitativer Vergleich mit typisch entwickelten Kindern möglich. Die CSBS DP und die CCS erlauben neben einer qualitativen Beurteilung des Kommunika-tionsverhaltens, die alle beschriebenen Verfahren ermöglichen, zudem die Ermittlung von Gesamtwerten zur Darstellung eines generellen Kommunikationsniveaus. Bei der Auswertung des ADOS wird ein Gesamtwert für autismustypische Auffälligkeiten im Bereich des Kommunikationsverhaltens ermittelt.

Zur praktischen Anwendung der hier genannten Beobachtungsverfahren im Rahmen der Förderplanung bei sprachlich beeinträchtigten Kindern mit ASS gibt es bislang noch keine Veröffentlichungen. Es ist jedoch mehr als plausibel anzunehmen, dass die Ergebnisse einer systematischen Verhaltensbeobachtung zum Kommunikationsvhalten die zügige Entwicklung eines passgenauen Förderplans in hohem Maße er-leichtern. Der routinemäßige Einsatz einer systematischen Verhaltensbeobachtung im Rahmen der Förderplanung bei minimal verbalen Kindern mit ASS wäre daher wün-schenswert. Allerdings lässt der hohe Aufwand, der mit der Durchführung und -

mög-lichst videogestützten – Auswertung der Verfahren verbunden ist, vermuten, dass sich ein solches Vorgehen in vielen Autismusförderzentren nicht realisieren lassen wird.

Zudem sind für die Anwendung der Verfahren Grundkenntnisse in der Durchführung und Auswertung standardisierter Beobachtungsverfahren notwendig, über die nicht alle Autismustherapeutinnen und –therapeuten verfügen. Eine systematische Verhaltens-beobachtung wird daher in den meisten Fällen in deutschen Autismusförderzentren nicht routinemäßig zur Förderplanung eingesetzt werden können.

7.2.2 Elternfragebögen

Neben systematischen Verhaltensbeobachtungen liegen auch Elternfragebögen vor, um das frühe Kommunikationsverhalten bei Kindern mit und ohne Entwicklungs-probleme zu erfassen.

MacArthur Communicative Development Inventories (CDI)

Ein gut etabliertes Verfahren zur Erfassung von Kommunikation und Sprache sind die CDI von Fenson, Dale, Reznick, Thal, Bates, Hartung, Pethick und Reilly (1993). Die CDI liegen in 2 Versionen vor, in der CDI Infant Form – Words and Gestures und in der CDI Toddler Form - Words and Sentences. Die CDI Infant Form ist für Kinder zwischen 8 und 16 Monaten normiert; sie ist darüber hinaus auch bei älteren Kindern mit Behin-derung anwendbar, deren Sprachentwicklungsstand in dieses Altersspektrum fällt. Mit der CDI Infant Form werden u. a. der Gebrauch unterschiedlicher Gestenarten, Sym-bolspielfähigkeiten, das Sprachverständnis und die Produktion erster Wörter abgefragt.

Sowohl die CDI Infant Form als auch die CDI Toddler Form (für Kinder von 16 bis 30 Monaten) sind inzwischen auch bei Kindern mit ASS für unterschiedliche Frage-stellungen angewendet worden (z. B. Toth et al., 2006; Bopp & Mirenda, 2011; Luyster, Lopez & Lord, 2007). Luyster und Lord (2009) fassen zusammen:

The MacArthur-Bates Communicative Development Inventory… has been shown to have …. good validity when used with children with autism.

(Luyster & Lord, 2009, S. 1777).

Es liegen Übersetzungen des CDI aus verschiedenen Ländern vor (s. z. B. Berglund &

Eriksson, 2001, für eine schwedische Fassung des CDI oder Maital, Dromi, Sagi &

Bornstein, 2000, für eine hebräische Version).

Elternfragebögen für die Früherkennung von Risikokindern (ELFRA)

In Deutschland haben Grimm und Doil (2000/2006) auf der Grundlage der CDI zwei Elternfragebögen für die Früherkennung von Risikokindern entwickelt, den ELFRA-1 für Kinder im Alter von 12 Monaten und den ELFRA-2 für Kinder mit 24 Monaten.

Analog zum CDI Infant Form erfasst der ELFRA-1 den rezeptiven und produktiven Wortschatz eines Kindes, den Gebrauch von Gesten, Symbolspielverhalten sowie fein-motorische Fertigkeiten. Die beiden ELFRA-Bögen sind ursprünglich entwickelt worden, um Risikokinder für Entwicklungsstörungen im Rahmen der kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen U6 (12 Monate) und U7 (24 Monate) identifizieren zu

können. Sie eignen sich jedoch auch, um kommunikative und sprachliche Kompe-tenzen bei älteren Kindern mit Sprachentwicklungsdefiziten einschätzen zu können.

Altersnormen im engeren Sinne liegen nicht vor. Stattdessen sind im Handbuch kri-tische Werte für das Alter von 12 und von 24 Monaten angegeben, mit deren Hilfe sich beurteilen lässt, ob die Leistungen eines Kindes zu den unteren 20% der Vergleichs-gruppe gehören oder nicht. Ferner liegen Daten einer Längsschnittstudie mit 108 typisch entwickelten Kindern vor, die im Alter von 12, 18 und 24 Monaten mit den ELFRA-Bögen untersucht worden sind; diese Daten können als Vergleichsdaten herangezogen werden (Doil, 2002) und ermöglichen so eine grobe Einschätzung des kommunikativ-sprachlichen Entwicklungsalters eines Kindes. Darüber hinaus erlaubt die qualitative Auswertung der Elternangaben Aussagen darüber, welche Kommunika-tionsmittel es bereits verwendet und auf welchem Repräsentationsniveau das Kind kommuniziert (vgl. Sarimski & Steinhausen, 2007). Dass die ELFRA-Bögen auch bei älteren Kindern mit einer geistigen Behinderung wertvolle Informationen zur Ein-schätzung ihrer kommunikativ-sprachlichen Kompetenzen liefern, konnte in Unter-suchungen von Kießig (2002) und Aktas (2004) aufgezeigt werden. Auf dieser Grund-lage haben die ELFRA-Bögen auch Eingang in den diagnostischen Leitfaden von Aktas (s. Abschnitt 5.3.3) gefunden.

Als Grundlage für die Planung einer Intervention bei nonverbalen Kindern mit geistiger Behinderung reicht der ELFRA-1 jedoch vermutlich nicht aus: Zwar enthält der Bogen 11 Items zum Gebrauch vorsprachlicher Kommunikationsmittel (instrumenteller Ge-brauch des Erwachsenen, deiktische Gesten, repräsentationale Gesten); es wird je-doch lediglich nach dem Vorhandensein vs. Fehlen dieser Mittel gefragt. Eine systema-tische Differenzierung zwischen verschiedenen Kommunikationsanlässen ist aufgrund der ELFRA-Angaben nicht möglich; auch erlaubt der Bogen keine Einschätzung der Häufigkeit des Gebrauchs dieser Mittel, da nur die Antwortoptionen „ja“ und „nein“ zur Verfügung stehen.

Eine systematische Untersuchung der Anwendung der Bögen bei Kindern mit ASS ist bisher noch nicht veröffentlicht worden. Im empirischen Teil B dieser Arbeit wird der ELFRA-1 im Rahmen der diagnostischen Untersuchungen bei minimal verbalen Kin-dern mit ASS eingesetzt werden.

Elternfragebogen zur Erfassung des Kommunikationsniveaus

Eine für die Fragestellung dieser Arbeit sehr interessante Alternative stellte eine italie-nische Arbeitsgruppe vor: Camaioni, Castelli, Longobardi und Volterra (1991) ent-wickelten einen Elternfragebogen zur Erfassung des Kommunikationsniveaus und er-probten diesen bei typisch entwickelten Kindern im Alter von 12, 16 und 20 Monaten.

Das Abfrageformat unterschied sich insofern vom CDI und vom ELFRA-1, als verschie-dene kommunikative Verhaltensweisen (Zeigegeste, referentielle Geste, Vokalisa-tionen etc.) kontextbezogen abgefragt wurden. D. h. die Eltern wurden nicht generell gefragt, ob sie diese Verhaltensweisen schon einmal bei ihrem Kind beobachtet haben;

stattdessen wurden ihnen sechs verschiedene Alltagssituationen mit dem Frageformat

„Was macht Ihr Kind, wenn …?“ („….. es Hunger hat“ oder „…. wenn es ein Spielzeug

haben möchte?“) vorgegeben, und sie wurden aufgefordert, die kommunikativen Ver-haltensweisen anzukreuzen, die ihr Kind in der jeweiligen Situation zeigt. Mit diesem Abfrageformat wollten die Autorinnen der Beobachtung Rechnung tragen, dass die frühe kommunikativ-linguistische Entwicklung in hohem Maße vom Kontext abhängt, in dem die Kommunikation stattfindet.

Der italienische Fragebogen ist von Hoppe-Graff und Uhl (o. A.) ins Deutsche über-tragen worden, wurde dann jedoch leider nicht mehr systematisch weiter entwickelt.

Auch zu der italienischen Originalfassung lassen sich in der Fachliteratur keine weiteren Veröffentlichungen finden.

Pre-verbal communication schedule (PVCS)

Sarimski (1996, publiziert in Sarimski & Steinhausen, 2007) hat eine deutsche Bearbei-tung der PVCS von Kiernan und Reid (1987) vorgelegt, mit der Eltern und andere Be-zugspersonen von minimal verbalen Kindern zu den vorsprachlichen Kommunikations-fähigkeiten des Kindes befragt werden können, indem eine Vielzahl von rezeptiven und produktiven kommunikativen und sprachlichen Verhaltensweisen abgefragt werden (87 Items). Die Bezugspersonen sollen die Items auf der Grundlage ihrer Alltags-erfahrungen mit dem Kind beantworten; ergänzend werden die Imitationsfähigkeit und das Sprachverständnis des Kindes anhand von Testaufgaben direkt erhoben. Die Er-gebnisse in den unterschiedlichen Items werden schließlich sechs verschiedenen kom-munikativen Funktionen (Aufmerksamkeitssuche, Mitteilung von Bedürfnissen, ein-fache Ablehnung, positive Interaktion, negative Interaktion und gemeinsame Aufmerk-samkeit) sowie vier weiteren Subskalen (Motorische Imitation, Lautimitation, Verständ-nis für non-verbale Kommunikation und VerständVerständ-nis für Sprache) zugeordnet.

Auf einem Auswertungsbogen kann dann ein graphisches Fähigkeitsprofil erstellt werden, das erkennen lässt, bei welchen kommunikativen Funktionen das Kind bereits flexibel kommuniziert und bei welchen es erst einfache kommunikative Mittel nutzt.

Eine zusammenfassende Beschreibung des Kommunikationsniveaus oder die Zuord-nung des Verhaltens zu einer Entwicklungsstufe der Kommunikationsentwicklung ist nicht vorgesehen. Auch kann kein Entwicklungsalter ermittelt werden.

Weitere Verfahren

Darüber hinaus liegen im anglo-amerikanischen Sprachraum noch weitere Eltern-befragungsinstrumente vor, die zwar nicht in erster Linie auf die Erfassung der vor-sprachlichen Kommunikation ausgerichtet sind, jedoch einzelne Subskalen zu diesem Entwicklungsbereich enthalten: So wird z. B. das Elterninterview Vineland Adaptive Behavior Scales - VABS (Sparrow, Balla & Cicchetti, 1984) in vielen Untersuchungen für eine Erfassung des Funktionsniveaus eines Kindes eingesetzt; eine Subskala be-fasst sich dabei mit dem kommunikativen Verhalten. Ein noch recht neues Instrument, das in Kanada entwickelte Language Use Inventory for Young Children – LUI (O’Neill, 2007), erfasst die pragmatische Entwicklung bei Kindern im Alter von 18 bis 47 Mo-naten; zwei Subskalen betreffen den Gebrauch von Gesten. Diese (und andere) Instru-mente sind jedoch bislang noch nicht ins Deutsche übertragen und in Deutschland

normiert worden. Sie sind somit für die Befragung deutschsprachiger Eltern nur bedingt brauchbar.

Zusammenfassende Bewertung

Die Ausführungen zeigen, dass einige Befragungsinstrumente vorliegen, die es ermög-lichen, vorsprachliche und sprachliche kommunikative Verhaltensweisen bei jungen Kindern sowie bei Kindern mit Behinderung – zum Teil sehr detailliert – zu erfassen.

Die Instrumente scheinen aufgrund des Befragungsformates ökonomisch in der An-wendung zu sein; die Bearbeitung der Fragebögen liegt bei den Eltern bzw. weiteren Bezugspersonen, die Therapeutin / der Therapeut übernimmt nur die Auswertung.

Auch die Durchführungsobjektivität ist aufgrund der schriftlichen Instruktionen, die alle Befragten in derselben Form erhalten, hoch. Ferner bieten Elternfragebögen den Vor-teil, dass sie das Verhalten des Kindes im natürlichen Alltag erfassen. Dieser Fokus ist wichtig, wenn das Instrument – wie im vorliegenden Fall – Kompetenzen und Fort-schritte im alltäglichen Verhalten des Kindes aufzeigen soll.

Zudem scheinen Eltern in der Lage zu sein, recht zuverlässig über das kommunikative und sprachliche Verhalten ihres Kindes Auskunft zu geben. Dies wurde in einer Viel-zahl an Studien bei Kindern mit und ohne Beeinträchtigung belegt. Meistens wurde in diesen Studien der CDI verwendet. Sowohl bei typisch entwickelten Kindern als auch bei Kindern mit Entwicklungsrisiken oder Beeinträchtigungen konnten recht gute Über-einstimmungen zwischen den Angaben der Eltern im CDI und direkt erhobenen Daten nachgewiesen werden (z. B. Cunningham & Sloper, 1984; Dale, Bates, Reznick &

Morisset, 1989; Dale, 1991; Miller, Sedey & Miolo, 1995). Für Kinder mit ASS fanden Luyster et al. (2008) und Weismer et al. (2010) ebenfalls mittlere bis hohe Überein-stimmungen zwischen direkt erhobenen Daten und den Angaben der Eltern im CDI und/oder in den VABS; diese Übereinstimmungen waren – zumindest in der Studie von Luyster et al. – für den Bereich der Sprachproduktion (also für unmittelbar zu beob-achtendes Verhalten) etwas höher als für den Bereich des Sprachverständnisses. Die Autorinnen schlussfolgern, dass Eltern von Kindern mit ASS valide und reliable An-gaben zu den sprachlichen Fähigkeiten ihrer Kinder machen können, insbesondere im produktiven Bereich.

Fragebögen, die sich an Eltern und andere Bezugspersonen eines beeinträchtigten Kindes richten, scheinen somit grundsätzlich eine geeignete Methode zu sein, um das kommunikative Verhalten des Kindes im alltäglichen Lebenskontext ökonomisch, reliabel und valide zu erfassen.

Allerdings erfüllt keines der hier besprochenen Instrumente alle inhaltlichen An-forderungen, die eingangs formuliert worden sind. So fragt der ELFRA z. B. viele Ver-haltensweisen ab, die für eine Einordnung des kindlichen Verhaltens in das Entwick-lungsmodell relevant sind, er differenziert jedoch nicht zwischen unterschiedlichen kommunikativen Funktionen und erlaubt keine Einschätzung der Häufigkeit des abge-fragten Verhaltens. Die PVCS erfragt viele Verhaltensweisen, die Grundlage der För-derplanung sein sollten, und differenziert zudem zwischen verschiedenen Kommunika-tionsfunktionen; eine systematische Einordnung des Entwicklungsniveaus ist jedoch

auf der Grundlage dieses Bogens schwierig. Andere Bögen liegen nicht in einer deutschsprachigen Version vor.