Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 40|
8. Oktober 2010 A 1885 Die Landesärztekammern sollenmit vollem Stimmrecht in die künf- tige sektorübergreifende Versor- gungsplanung eingebunden werden.
Das hat die Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen am 29. September gefordert. Eine sektor - übergreifende Bedarfsplanung kön- ne nur gelingen, wenn Entscheidun- gen vor Ort und damit unter Ein - beziehung des lokal vorhandenen Sachverstands getroffen würden, hieß es zur Begründung. Die Ärzte- kammern könnten als Vertreterin- nen der Gesamtinteressen der am- bulant und stationär tätigen Ärzte eine Moderatorenrolle bei der Ab- wägung von widerstreitenden In - teressen einnehmen.
VERSORGUNGSPLANUNG
Ärztekammer will eingebunden werden
Mit Blick auf den Ärztemangel hatte sich die Gesundheitsminister- konferenz der Länder für eine ver- besserte, sektorenübergreifenden Be- darfsplanung ausgesprochen. Zu- dem hatten die Länder verlangt, im Gemeinsamen Bundesausschuss bei Entscheidungen zur Bedarfsplanung beteiligt zu werden.
Auch Bundesgesundheitsminis- ter Philipp Rösler (FDP) hatte im Interview mit dem Deutschen Ärz- teblatt angekündigt, das Thema an- gehen zu wollen. „Wir wollen eine möglichst flächendeckende Versor- gung mit ärztlichen und pflegeri- schen Dienstleistungen sichern“, sagte er. Dazu gehöre eine Verbes- serung der Bedarfsplanung. HK
Zum zweiten Mal binnen weniger Monate haben am 30. September Hunderte Polizeibeamte Geschäfts- räume und Privatwohnungen durch- sucht, um neue Beweise im Abrech- nungsskandal an den medizinischen
Einrichtungen der DRK-Schwes- ternschaft Berlin zu sichern. Mehr als 300 Beamte waren an 152 Stand- orten im Einsatz.
Wie schon bei den ersten Razzien im Juni standen die drei Kliniken der Schwesternschaft im Visier. Weitere Durchsuchungsbefehle wurden in den fünf separat geführten Medi - zinischen Versorgungszentren voll- streckt. Ziel der Fahnder waren zu- dem 86 Privatwohnungen von 62 Personen. Festnahmen gab es nicht.
BERLINER DRK-KLINIKEN
Erneut Razzia wegen Abrechnungsskandal
Wie Kriminalhauptkommissar Karsten Fischer erklärte, haben die Hauptverantwortlichen des mutmaß- lichen Großbetrugs Ärzte zum Schein angestellt, um über deren Kassenzulassung massenhaft Be-
handlungen durch weniger qualifizierte Nachwuchsmedi- ziner abzurechnen. „Tatsäch- lich aber gab es zu diesen Ver- trägen jeweils eine Zusatzver- einbarung, die den betreffenden Kassenarzt von der Tätigkeit entband“, erklärte Fischer.
Oberstaatsanwalt Frank Thiel zufolge haben die Kassenärzte für die offenbar seit 2005 ge- schlossenen Verträge bis zu sechsstellige Summen erhalten.
Für die DRK-Kliniken könnte der Skandal teuer werden: Jede Leistung, die über eine illegal er- worbene KV-Lizenz abgerechnet worden sei, sei als Betrugsschaden zu bewerten, erläuterte Thiel. In diesem Zusammenhang werde nun auch gegen die DRK-Schwestern- schaft ermittelt. Das Klinikunter- nehmen nahm nicht zum Fall Stel- lung, äußerte in einer Erklärung aber Interesse an einer „schnellst- möglichen Aufklärung“. HN
RANDNOTIZ
Birgit Hibbeler
Eigentlich ist 17 Uhr ein guter Zeit- punkt, um die Klinik zu verlassen und in den Feierabend zu gehen.
Trotzdem ist sie schon wieder viel zu spät dran. Längst hätte sie den klei- nen Lennard von der Tagesmutter abholen müssen. Und so schwingt sie sich schnell auf das Fahrrad mit dem blauen Kindersitz und strampelt los. 17 Uhr wäre eine gute Zeit – aber eben nicht, wenn man eine 75-Prozent-Stelle hat.
Zurzeit ist sie allein auf der Station, die Kollegin ist im Urlaub. Jemanden,
der einspringen könnte, gibt es nicht. Deshalb lautet ihr Tagesziel:
Schadensbegrenzung. Die Stapel auf ihrem Schreibtisch sollen zumindest nicht höher werden. Wenn sie geht, will sie kein völliges Chaos hinterlas- sen. Doch genau dieses Pflichtbe- wusstsein verursacht Überstunden – und zwar fast täglich, auch wenn die Kollegin da ist. In diese Falle ist sie im Übrigen in ihrem Berufsleben von Anfang an getappt. Gestern lag eine Tafel Schokolade auf ihrer Compu- tertastatur – von der Pflege. „Mach mal ’ne Pause!“ stand auf dem Zet- tel. Aber wann denn?
„Hat mein Chef vielleicht ver- gessen, dass ich gar nicht Vollzeit arbeite?“ – das hat sie schon öfters gedacht. Zuletzt, als er ihr auch noch ein Referat aufs Auge drück- te. Beim Vorstellungsgespräch hieß es: Alles kein Problem. Selbstver- ständlich sei eine Anstellung in Teilzeit möglich. Familienfreundlich- keit sei ja schließlich heutzutage völlig normal.
Verlässt ein Arzt um 17 Uhr die Klinik, dann kann es gut sein, dass ihm ein Kollege scherzhaft hinterher- ruft: „Na, freier Nachmittag oder wie?“ Der Angesprochene kontert dann vielleicht: „Nein, Teilzeitstelle.“
Früher fand sie solche Witze mal lustig. Heute kann sie darüber nicht mehr so recht lachen.
Die Teilzeitfalle
Mehr als 300 Beamte durch- suchten Räume
der Berliner DRK-Kliniken und Privatwoh-
nungen.
Foto: dapd