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Archiv "3 Fragen an… Prof. Dr. med. Heribert Kentenich, Chefarzt an den Berliner DRK-Westend-Kliniken" (08.01.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 1–2⏐⏐8. Januar 2007 A17

P O L I T I K

ter hygienischen Bedingungen statt. Doch an der Genitalverstüm- melung als Menschenrechtsverlet- zung ändert sich nichts. Die WHO lehnt die Medikalisierung daher seit Jahren strikt ab und zeigt auch ansonsten keine Toleranz für diese Praktik.

Bundesärztekammer legte Empfehlungen vor

Aufgrund der Migration wird Geni- talverstümmelung zunehmend auch ein Thema für deutsche Ärzte. Im- merhin haben einer Umfrage zufol- ge von 493 befragten Gynäkologen 43 Prozent bereits eine beschnittene Frau behandelt, 9,7 Prozent wussten von einer in Deutschland vorge- nommenen Beschneidung, und 7,1 Prozent waren darüber informiert, dass Patientinnen ihre Tochter zur Beschneidung in die Heimat zu- rückschicken wollten. Die überwäl-

tigende Mehrheit (87,4 Prozent) wünschte sich vor allem eins: mehr Information in Form von Aus- und Fortbildungen.3

Doch bislang sieht es damit eher schlecht aus. Christoph Zern von der AG Frauengesundheit in der Entwicklungszusammenarbeit emp- fahl daher in Berlin: „Wenn sich der Kenntnisstand nachhaltig verbes- sern soll, muss das Thema in den verpflichtenden Studien- und Wei- terbildungskatalog aufgenommen werden.“ Die Organisation Terre des Femmes hat zudem Informati- onsmaterial in sechs Sprachen pro- duziert, das angefordert und in Pra- xen ausgelegt werden kann.

Immerhin, die Bundesärztekam- mer hat im Frühjahr dieses Jahres Empfehlungen4 zum Umgang mit beschnittenen Patientinnen heraus- gegeben. Darin wird klargestellt, dass Genitalverstümmelung eine

Körperverletzung ist, die straf- rechtlich verfolgt und darüber hin- aus berufsrechtlich geahndet wird.

Das Wiederzunähen der Vagina nach einer Entbindung, die so ge- nannte Reinfibulation, wird verur- teilt.

Mehr Sensibilität, weniger Mitleid gegenüber Betroffenen

Wie das Beispiel von Kadija zeigt, ist auch im Umgang mit Patientin- nen noch viel zu tun. So wollen be- schnittene Frauen nicht als „ver- stümmelt“ bezeichnet werden, da sie sich nicht so fühlen. In ihrer Kul- tur ist das Ritual positiv besetzt. Sie bevorzugen daher das Wort „Be- schneidung“. Dass viele heute den- noch FGM ablehnen, hat viele Gründe, auch gesundheitliche.

Afrikanische Aktivistinnen plä- dierten auf der Berliner Konferenz mehrfach dafür, dass Ärzte achtsa- mer mit beschnittenen Frauen um- gehen. Weder möchten sie als Opfer angesehen noch im Kreißsaal unge- fragt als exotisches Studierobjekt von einem ganzen Medizinertross begutachtet werden. „Ich bin ein ganzheitlicher Mensch und will nicht auf meine Genitalien redu- ziert werden“, so Fadumo Korn, Autorin und Vorstandsmitglied der Frankfurter Hilfsorganisation „For- ward“. Beschnittene Frauen wün- schen sich mehr Sensibilität, aber weniger Mitleid und Entrüstung.

Eine der Aktivistinnen brachte es so auf den Punkt: „Wenn tiefe Em- pörung auf uralte Traditionen trifft, ist Dialog meist unmöglich.“ Bes- ser wäre ein sachliches, wertfreies Gespräch. Das hätte auch Kadija

gutgetan. I

Petra Meyer DÄ: In vielen Ländern be-

schneiden zunehmend Ärzte die Frauen. Was halten Sie davon?

A

Annttwwoorrtt::Die Beteiligung von Ärzten an der weiblichen Geni- talverstümmelung ist grausam und unverständlich. Jeder Arzt weiß, dass dieser Eingriff an ei- nem gesunden Körper vorge- nommen wird und sowohl psy- chisch als auch körperlich nur Schaden anrichten kann.

Ein erschreckendes Beispiel zeigt sich in Ägypten: Dort ist die Rate an weiblicher Genital- verstümmelung zwar von 95 auf 50 Prozent gesunken. Aller- dings werden nunmehr drei Viertel aller weiblichen Be- schneidungen von Ärzten durchgeführt. Die Ärzte recht- fertigen dies damit, dass die hygienischen Bedingungen besser wären als auf dem Lan- de, wo der Eingriff von „erfahre-

nen Frauen“ durchgeführt wird.

Diese Rechtfertigung ist ethisch völlig inakzeptabel, da junge Mädchen geschädigt werden.

Ebenfalls unethisch erscheint mir, dass die Ärzte dann auch noch daran verdienen.

DÄ: Welchen Stellenwert hat das Thema in der medizini- schen Aus- und Weiterbil- dung in Deutschland?

A

Annttwwoorrtt::Die weibliche Genital- verstümmelung ist im Rahmen der Fortbildung schon Thema auf Kongressen gewesen, zum Beispiel beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für psychosomatische Frauenheil- kunde und Geburtshilfe.

Zugleich wird es in die Aus- bildung zur „psychosomati- schen Grundversorgung“ hin- eingenommen. Alle Frauenärzte in Deutschland haben die Aus- bildung zur psychosomatischen Grundversorgung als Teil ihrer

Weiterbildung. Dort wird Ge- sprächsführung, aber auch Theorie der psychosomatischen Frauenheilkunde, vermittelt. Ein Teil dessen betrifft den Umgang mit Patientinnen mit Genitalver- stümmelung in Deutschland.

DÄ: Warum hat die Bundes- ärztekammer Empfehlungen veröffentlicht?

A

Annttwwoorrtt::Die Leitlinie soll dazu dienen, dass die in Deutschland betroffenen 20 000 bis 30 000 Frauen unter Respektierung ih- res Körpers, ihrer psychischen Verfassung, aber auch ihres kul- turellen Hintergrundes gut be- handelt werden, wenn sie eine Gynäkologin oder einen Gynä- kologen aufsuchen. Weiterhin muss vermieden werden, dass die Töchter der Migrantinnen im Urlaub in den Heimatländern beschnitten werden.

3 FRAGEN AN…

Prof. Dr. med. Heribert Kentenich, Chefarzt an den Berliner DRK-Westend-Kliniken

1Umfangreiche Hintergrundinformationen zur Genital- verstümmelung finden Sie unter: www.bmz.de, www.gtz.de, www.unicef.de, www.terre-des-femmes.

de

2Female genital mutilation and obstetric outcome:

WHO collaborative prospective study in six African countries. The Lancet, vol 367, June 3, 2006

3Schnitte in Körper und Seele. Eine Umfrage zur Situa- tion beschnittener Mädchen und Frauen in Deutsch- land. Berufsverband der Frauenärzte, Terre des Femmes, UNICEF, Köln 2005.

4Empfehlungen zum Umgang mit Patientinnen nach weiblicher Genitalverstümmelung (female genital muti- lation). BÄK, April 2006 (www.bundesaerztekammer.de)

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