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Archiv "Regresse: Unwürdig" (03.06.2011)

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A 1232 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 22

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3. Juni 2011 Regressforderungen bis in den weit

sechsstelligen Bereich hinein be- drängt. Jedes Jahr pünktlich zur Weihnachtszeit sitze ich dann tage- und wochenlang an ausführli- chen Rechtfertigungsschrei- ben an das entsprechende Prüfgre- mium, um danach nochmals wo- chenlang, meist über das freudige Weihnachtsfest hinweg, bangen zu dürfen, ob nun ein Regress aus- gesprochen wird oder nicht.

Bis jetzt ist es mir immer gelun- gen, Regresszahlungen abzuweh- ren. Aber jeder normale Kolle- ge kann sich die Angst und die Panik vorstellen, die das ganze Team und deren Familien ergreift in dieser Zeit. Nicht die existenzver- nichtende Regresszahlung, son- dern auch schon die Panik, eventu- ell seine Existenz vernichtet zu be- kommen, reicht aus, um die Freude an einer Niederlassung zu verlie- ren. Ich verstehe gut die Kollegen, die sich lange vor Erreichen des Rentenalters aus der Arbeit als Kas- senarzt zurückziehen, und ich ver- stehe auch gut die jungen Ärzte, die angesichts dieser Angst ma- chenden Praktiken erst gar nicht in eine Niederlassung gehen wollen.

Von dem bürokratischen Bestiarium der täglichen Arbeit als Abschre- ckungswaffe hier mal ganz abgese- hen. All die schönen Erörterungen der Verantwortlichen zur Bekämp- fung des Ärztemangels sind ein Hohn vor diesen Tatsachen . . .

Dr. med. Jörg Gloyer, 71634 Ludwigsburg

Helden, wo seid ihr?

Die Helden der Nation haften für veranlasste Arzneimittel- und Thera- piekosten. Kein Bankvorstand wäre je so vermessen mit seinem Privat- vermögen für die Bankbilanz gerade- zustehen, kein Politiker würde ein Amt antreten, in dem er für ein Defi- zit eines öffentlichen Haushalts bür- gen müsste. Ein dank AMNOG ver- abschiedeter Höchstbetrag von 25 000 Euro nebst Anwalts- und EDV-Kosten in gleicher Höhe, 100 Stunden unentgeltlicher Dokumenta- tionsarbeit und ein halbes Jahr durch- wachter Nächte werden doch wohl niemanden mehr von der Niederlas- sung abhalten! Helden, wo seid ihr?

Wir finden wohl keine Deppen mehr und müssen die Haftung da- her abschaffen.

Dr. med. Stefan Scheffczyk, 71634 Ludwigsburg

In der Praxis

. . . Die Rechtslage – wie in dem Arti- kel beschrieben – lässt die KV mit ihren Prüfgremien unangreifbar in bestem Licht erscheinen. Die Praxis jedoch sieht völlig anders aus. Es be- ginnt mit der Verweigerung der KV, für die Beweisführung und damit den Vergleich mit der Fachgruppe Statis- tiken zur Verfügung zu stellen mit dem Hinweis, diese gebe es nicht.

Eine Beratung findet nicht statt. In der Verhandlung winkt der Prüfarzt alle Argumente ab. Schwere Fälle als Praxisbesonderheit, wie zum Bei- spiel vermehrt Parkinsonpatienten (die ich wegen meiner Zusammenar- beit mit der hiesigen Selbsthilfegrup- pe hatte), wurden grundsätzlich nicht anerkannt mit dem pauschalen Hin- weis, solche Klientel hätten er und andere Kollegen auch. Es wurden Einzelverordnungen, die noch nicht für eine bestimmte Indikation zuge- lassen waren, herausgepickt und auf die Scheinzahl hochgerechnet, als würde ich systematisch solche Ver- ordnungen regelmäßig durchführen.

Nach meinen Erfahrungen ist es Ziel jedes Regressantrags, vom verordnenden Arzt Schadensersatz – so die juristische Bezeichnung – einzutreiben, das Drumherum ist reine demokratische Spiegelfechte- rei. Bereits der Regressantrag kommt einer Vorverurteilung gleich . . . Ich habe wegen jahrelanger Re- gressverfolgungen meine Vertrags- arzttätigkeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgegeben, obgleich ich die Sorge um meine Patienten im- mer als eine echte Berufung emp- funden habe, sieaber unter den ge- gebenen Bedingungen nicht mehr optimal erfüllen konnte.

Dr. med. Anton Osmialowski, 65207 Wiesbaden

Die Betroffenen

Dieser Artikel verharmlost die Re- gressproblematik in unzumutbarer Weise: Es bleiben ja „nur“ ein bis zwei Prozent Betroffene! Aber wer sind die?

Es sind – wie ich – Landärzte, die für die Fachärzte die Medikamente rezeptieren, statt die Patienten quar- talsmäßig in weit entfernte Fach- arztpraxen zu schicken . . . Praxis- besonderheit Landarzt.

Es sind – wie ich – psychothera- peutisch tätige Ärzte, die in einer Hand Krisen abfangen, keine Ter- minnöte entstehen lassen, integrativ arbeiten, Gruppen bilden, keine Halbjahreswartezeiten für Erstkon- takte anbieten, sondern eine

„Sprechstunde“ als Erstkontakt.

Und natürlich auch Psychopharma- ka verschreiben. Praxisbesonderheit Psychotherapie anerkannt als QZV – aber nicht für zusätzliche Medi- kamente.

Es sind alte Hausärzte, . . . die ihre Patientenfamilie betreuen, vor Ort, ansprechbar. Mit Zehn- bis Zwölf- stundentagen.

Diese müssen – wie ich – für fünf Jahre ihre Patienten nachdokumen- tieren, um fünfmal 100 000 Euro Regress zu entkommen. Das ist existenziell nach 30 Jahren Freibe- ruflichkeit. Da die Sozialgerichts- klage keine aufschiebende Wirkung hat, muss ich zahlen! Für 2002 er- folgt, 2003 beschlossen vom Be- schwerdeausschuss, die anderen Jahre noch offen.

Aber: In keiner Regressverhand- lung ist auch nur ein Patient in sei- ner speziellen Dokumentation ver- handelt worden. Nur Statistik – kei- ne einzige Patientenakte . . . So kommt kein einziger neuer Arzt in eine Landarztpraxis.

Dr. Wolfgang Baur, 38690 Vienenburg

Unwürdig

Als angehende Allgemeinärztin, noch dazu eine, die auf dem Land wohnt, stellt sich für mich schon die Frage, ob ich mich irgendwann niederlassen möchte, der Landärz- temangel wird ja so beschrien.

Aber solange es Regresse gibt, werde ich das gewiss nicht tun.

Und dabei ist für mich völlig gleichgültig, ob mich die KV vor- warnt, dass ich mein Budget über- schreite.

Oder wie unwahrscheinlich ein Re- gress ist. Ich finde das Instrument an sich eine Unverschämtheit und

B R I E F E

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Deutsches Ärzteblatt

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3. Juni 2011 A 1233 meines Berufs unwürdig! Die

Krankenkassen sollen ihre Finanz- defizite bitte schön mit ihren Versi- cherten abmachen und nicht mit mir! Und solange die KV den Arzt dafür haftbar macht, dass manche Patienten den Hals nicht voll krie- gen, so lange kann sie mich gern - haben!

Dr. Sigrid Lochmann, 88147 Achberg

Enttäuscht

Seit 1997 bin ich niedergelassen, seit vielen Jahren muss ich mich praktisch jedes Quartal mit drei Richtprüfungen in den Bereichen Krankengymnastik, Ergotherapie und Medikamenten auseinanderset- zen. Die Prüfungen zu Medikamen- ten werden mit viel Schreibaufwand

abgewendet. Krankengymnastik und Ergotherapie werden jedes Quartal auf Durchschnitt geprüft.

Meine Rezepte werden zu 95 Pro- zent bei schweren neurologischen Erkrankungen verordnet.

Dennoch entstehen jedes Quartal zwei Durchschnittsprüfungen, in der Regel arbeite ich mit acht bis zehn laufenden Verfahren, es ist schwierig, den Überblick zu behal- ten. Die Arbeitsweise des Be- schlussausschusses stellt sich wie folgt dar:

Die Prüfungsstelle in Regensburg nimmt sich das Recht heraus, „von Amts wegen zu ermitteln“, Tatsa- chen, die nicht innerhalb von vier Wochen vorgebracht wurden, beste- hen nicht und können auch nicht nachträglich eingebracht werden.

Trotz anerkannter Praxisbesonder- heit wird immer die gleiche Durch- schnittsprüfung durchgezogen.

Der Schriftverkehr füllt mittlerwei- le viele Ordner.

Vom Artikel war ich sehr ent- täuscht, er hat mit meiner Realität nichts zu tun, für die Prüfungsstelle spielen nur juristische oder verwal- tungstechnische Dinge eine Rolle, medizinische Maßstäbe gelten hier nicht, solche Argumente finden hier kein Gehör . . .

Meines Erachtens ist die Lage in anderen Staaten völlig anders. Die Idee, einen Arzt für die Verordnun- gen/Behandlung von schwer kran- ken Patienten selbst zur Kasse zu bitten, gibt es meines Wissens in keinem anderen Land . . .

Dr. med. Alfred Spitzer, 91054 Erlangen

HYPERTONIE

Nach wie vor wer- den bei der Mehr- zahl der Patienten die Therapieziele nicht erreicht (DÄ 11/2011: „Hyperto- niemanagement:

Trotz Fortschritt bestehen Defizite“ von Christine Vetter).

Mangelhafte Compliance

. . . Natürlich senken zwei Antihy- pertensiva – hier Aliskiren plus Amlodipin – innerhalb von 16 Wo- chen den Blutdruck intensiver als die jeweilige Monotherapie. Das sollte aber kein Grund sein, nun schon von „wankenden Leitlinien“

zu fabulieren. Die Blutdrucksen- kung ist ein guter Surrogatparame- ter – mehr aber nicht.

Wir wissen aus vielen früheren Studien, dass auch eine massive Blutdrucksenkung die klinisch re- levanten Endpunkte nicht immer beeinflussen muss. Erinnert sei hier an ACCORD (Action to Con- trol Cardiovascular Risk in Diabe- tes). Unter einer intensiven Thera- pie (etwa drei Antihypertensiva) wurde der systolische Blutdruck im Mittel von 139 auf 119 mmHg ge- senkt. Unter der Standardtherapie

(etwa zwei Antihypertensiva) wur- den nur 133 mmHg erzielt. Der kombinierte primäre Endpunkt (nichttödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall oder kardiovaskulärer Tod) betrug nach 4,7 Jahren 8,8 Prozent beziehungsweise 10,0 Pro- zent. Durch die intensivierte Thera- pie wurde das absolute Risiko also statistisch nicht signifikant (p = 0,20) nur um 1,2 Prozent reduziert (NNT = 83).

In der kürzlich publizierten SCAST(Scandinavian Candesar- tan Acute Stroke Trial)-Studie wurde bei Patienten mit akutem Schlaganfall der Blutdruck durch Candesartan etwas stärker gesenkt (171/90 → 147/82 mmHg) als unter Placebo (172/91 → 152/84 mmHg). Nach sechs Monaten gab es keine Unterschiede hin-

sichtlich aller geprüften End - punkte.

Wenn es sich auch bei ACCORD und SCAST um spezielle Popula- tionen handelte (Diabetiker bezie- hungsweise Schlaganfallpatienten), so sollten doch auch bei allen „an- deren“ Patienten (in ACCELERATE eine nichtselektierte Klientel frei- praktizierender Ärzte) langfristige Studien mit klinisch relevanten Endpunkten durchgeführt werden, bevor schon wieder an zu ändernde Leitlinien gedacht wird.

Das eigentliche Problem bei Hyper- tonikern ist doch die häufig man- gelhafte Compliance. Die lässt sich auch mit einer Kombination kaum verbessern.

Literatur bei dem Verfasser Prof. Dr. med. Frank P. Meyer, 39164 Wanzleben-Börde

O

N d z d n 1 n Trotz Fortschrittbest

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