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Archiv "Das Gespräch mit Lars Lindemann, FDP-Bundestagsabgeordneter: Kostenerstattung gegen den ländlichen Ärztemangel" (11.02.2011)

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A 250 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 6

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11. Februar 2011

Kostenerstattung gegen den ländlichen Ärztemangel

Wer Lösungen für unterversorgte Regionen finden wolle, müsse Anreize für Ärzte setzen, sagt der Gesundheitspolitiker. Das kann eine gelockerte Residenzpflicht sein, aber auch ein besseres Honorar als in gut versorgten Städten.

gen, die Mengenvorgaben und die Budgetierungen im Bereich der am- bulanten ärztlichen Versorgung in diesen Gebieten abzuschaffen. So setzt man wirtschaftliche Anreize, damit sich wieder Ärzte im länd - lichen Raum niederlassen.“ Die Auf- regung ist mittlerweile wieder ab- geflaut, was sicher damit zu tun hat, dass solche Anreize derzeit auch in der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dis- kutiert werden.

Ein Kostenerstattungssystem in seinem Sinn, sagt der Liberale Linde- mann, könne Patienten „wertvoller“

machen und diese wieder in den Mittelpunkt stellen: Statt pro Quar- tal ein stark pauschaliertes Honorar zu erhalten, könnten Ärztinnen und Ärzte dann gerade bei älteren und kränkeren Patienten jede einzelne Behandlung abrechnen. Darüber hinaus bekämen diese auf Basis der GOÄ eine nachvollziehbare Rech- nung – was nach Meinung von Lin- demann überfällig ist: „Ich traue den Menschen durchaus zu, dass sie eine Arztrechnung lesen können.

Das ist auch keine Zumutung, son- dern vernünftig.“

Mit „Vorkasse“, das ist ihm wich- tig, habe sein Vorschlag nichts zu tun. Man könne Ärztinnen und Ärz- ten eine Abrechnungssystematik vorgeben, die Patienten genug Zeit lasse, sich die Rechnungssumme von ihrer Krankenkasse überweisen zu lassen. Auch auf einem Teil der Kosten soll nach seinem Dafürhalten niemand sitzenbleiben: „Wir müss- ten die Krankenkassen verpflichten,

DAS GESPRÄCH

mit Lars Lindemann, FDP-Bundestagsabgeordneter

Lars Lindemann (39) befasst sich beruflich mit Gesundheits politik. Zudem ist der Jurist mit einer niedergelassenen Hals-Nasen-Ohren-Ärztin verheiratet.

Das Paar lebt mit seinen drei Kindern in Potsdam. Gehör hat sich Lindemann zuletzt durch Vorschläge zur Kostenerstattung verschafft.

Fotos: Georg J. Lopata

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ine Diskussion anstoßen, das habe er gewollt, sagt Lars Lindemann. Genau das ist dem FDP- Bundestagsabgeordneten, der Mit- glied im Gesundheitsausschuss ist, kürzlich gelungen. Sein Vorschlag, die Vergütung für die Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten in unterversorgten Gebieten auf ein Kostenerstattungssystem auf Basis der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) umzustellen, hat für lebhafte Reaktionen gesorgt.

Vor allem die SPD kritisierte ihn scharf: Die Sozialdemokraten war-

fen ihm vor, er wolle ausgerechnet die wenig wohlhabende Landbevöl- kerung um Vorkasse bitten.

Lindemann wehrt sich „gegen diesen Kampfbegriff“ und die da- mit verbundenen Unterstellungen:

„Wenn wir alle einen Mangel er- kennen – in der ärztlichen Versor- gung in bestimmten ländlichen Re- gionen –, dann sind wir alle aufge- fordert, nach wirksamen und zeit- nahen Lösungen zu suchen. Dabei müssen wir auch einmal in andere als die üblichen Richtungen bli- cken. Deshalb habe ich vorgeschla-

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Kosten in voller Höhe zu erstatten.“

Lindemann glaubt, dadurch werde die Behandlung der Patienten in un- terversorgten Regionen für Ärzte und Ärztinnen wieder attraktiv: „Ein wichtiger Grund für den Ärzteman- gel ist nicht nur die fehlende Infra- struktur, die junge Mediziner davon abhält, aufs Land zu ziehen, sondern auch die Vergütungssituation.“

Lindemann hat neben politischen auch persönliche Gründe, über sol- che Systemfragen nachzudenken.

Seine Eltern leben im Elbe-Elster- Kreis im Süden Brandenburgs, ei- nem Gebiet, in dem die Ärzte eben- falls knapp werden. Lange Debatten über ausgeklügelte theoretische Lö- sungsansätze interessierten die Be- völkerung nicht: „Wenn wir nicht in erlebbarer Zukunft dafür sorgen, dass sich in erreichbarer Nähe ein Haus- arzt niederlässt, dann halten die Men- schen nichts von dem, was wir tun.“

Der FDP-Politiker bestreitet al- lerdings auch nicht, dass man die Probleme durch Veränderungen in- nerhalb des bestehenden Sachleis- tungs- und Honorierungssystems lösen könnte. Nur habe es die Selbstverwaltung bisher nicht ver- mocht, den sich verschärfenden Versorgungsengpässen entgegenzu- wirken. Ebenso wenig ignoriert er den Haupteinwand: Wer soll das be- zahlen? „Das Geld werden wir alle miteinander aufbringen müssen. Ob durch Umverteilung im System, al- so entweder aus dem Gesamthono- rar einer Kassenärztlichen Vereini- gung, oder durch Umverteilungen aufseiten der Krankenkassen, oder über zusätzliche Beiträge, das müs- sen wir noch diskutieren.“

Wünschenswert sei, dass man über Qualitätsvorgaben indirekt auch Mengensteuerung betreibe.

Aber „irgendwann sind wir doch beim Thema einer unmittelbaren Selbstbeteiligung“, erklärt er. Diese dürfe wirtschaftlich Schwache nicht so treffen, dass notwendige Arztbe- suche unterblieben. Aber man könne Diskussionen auch nicht von vorn- herein wegen dieser Gruppe unter- lassen: „Man kann auf der Suche nach politischen Lösungen nicht nur diejenigen in den Blick nehmen, die eine Belastung nicht tragen können,

sondern muss in die Breite schauen.

Und große Teile der Gesellschaft könnten sich eine höhere Selbst - beteiligung sehr wohl leisten.“

Lindemann begrüßt es, dass in diesem Jahr das Versorgungsge- schehen im Vordergrund der politi- schen Diskussion stehen soll. Dabei werde man nicht umhinkommen, an vielen verschiedenen Stellschrau- ben zu drehen, großen wie kleinen.

Als Beispiel nennt der FDP-Politi- ker Lockerungen bei der Residenz-

pflicht von Vertragsärzten. Die Vor- gabe, relativ nahe bei der Praxis zu wohnen, hält seiner Ansicht nach Ärzte zum Beispiel aus Berlin ab, in Brandenburg zu praktizieren.

Spricht man mit ihm über Medi- zinische Versorgungszentren (MVZ) und die im Koalitionsvertrag ange- kündigten, aber nach wie vor nicht umgesetzten Zulassungsverschär- fungen, fordert Lindemann, dieses Thema differenziert zu sehen:

„Man braucht die Kliniken in die- sem Bereich. Ich bin da ein Stück weit Überzeugungstäter.“ Dass er bei diesem Thema nicht ganz ob- jektiv ist, gibt er zu: Von 2004 bis 2008 war der Jurist Geschäftsfüh- rer im Unternehmensverbund des Berliner St.-Joseph-Krankenhauses und hat in dieser Zeit auch MVZ- Gründungen vorangetrieben. Noch heute ist er für seinen alten Arbeit- geber tätig.

Gleichwohl hält er es für wich- tig, die ärztlichen Freiheiten in

MVZ-Strukturen zu schützen. Not- wendig sei es auch, die Stellung des Ärztlichen Leiters eines MVZ zu stärken. „Man muss aber nicht gleich an Änderungen der Träger- struktur ansetzen“, meint Linde- mann. Wenn einem Klinikträger zum Beispiel allenfalls eine Min- derheitsbeteiligung von maximal 49 Prozent an einem MVZ erlaubt sei, bekämen freigemeinnützige Träger steuerrechtliche Probleme.

Dies könne man nicht wollen.

Und wie bewertet er die Diskussi- on um eine zukunftsfeste Pflegever- sicherung? Lindemann erachtet es als hinderlich, dass auch bei diesem Thema vor allem über Finanzie- rungsaspekte diskutiert wird. „Die eigene Gesundheitsvorsorge ist mir da zu wenig ein Thema“, sagt er.

„Und wir müssen uns doch umfas- sender damit auseinandersetzen, was sich in den nächsten Jahren ändern wird, wenn wir mehr Kinder lose und weniger pflegende Ange hörige ha- ben werden.“ Für welche Lösungen

man sich am Ende auch entscheiden wird, eines ist für ihn sicher: „Ein Rundum-sorglos-Paket aus der Hand des Staates wird es nicht geben können.“

Jeder müsse mehr als heute für sein Alter und seine Absicherung im Pflegefall vorsorgen. Kapital - gedeckte Systeme seien natürlich bestimmten Risiken ausgesetzt, stimmt er zu. Aber auch Umlage- systeme würden durch Wirtschafts- krisen in Mitleidenschaft gezogen, nämlich durch steigende Arbeitslo- sigkeit und sinkende Einkommen.

Der Liberale – zu diesem Schluss kommt man am Ende des Ge- sprächs – sieht eine Vielzahl von Problemen, um die es in den nächs- ten Monaten bei der Konzeption eines Versorgungsgesetzes gehen wird. Dass man gute Lösungen fin- den wird, davon ist er gleichwohl überzeugt: „Wir haben ein sehr leis- tungsfähiges System.“ ■ Dr. rer. nat. Marc Meißner, Sabine Rieser

Wenn wir nicht in erlebbarer Zukunft dafür sorgen, dass sich in erreichbarer Nähe ein Hausarzt niederlässt, dann halten die Menschen nichts von dem, was wir tun.

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