A 54 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 1–2|
10. Januar 2011BÖRSEBIUS
Seltene Erden
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ie Zeit zwischen den Jahren nutze ich für Entsorgungs - arbeiten von Papiermengen, deren Studium ansonsten zeitlich nicht immer möglich ist. Dabei wimmelt es gerade in diesen Tagen von Stu- dien, die mir alle erklären wollen, wie denn die Börsen nächstes Jahr so laufen werden. Bei der Sichtung der Prognosen auf Glaubwürdigkeit hilft ein Blick zwölf Monate zu- rück. Da sagte nämlich kaum je- mand voraus, dass sich im Jahr 2010 für die deutsche Wirtschaft ein Traumszenario entwickeln werde.Es kam dann auch viel besser als erwartet, weil die deutschen Unter- nehmen ihre Hausaufgaben ge- macht und ihre Kostenstrukturen verschlankt haben. So konnten sie auf die überraschende Nachfrage- belebung auch gut reagieren. Staat- liche Hilfen (großzügige Kurzar- beitsregelung) und Förderprogram- me unterstützten darüber hinaus die Wirtschaft hierzulande. Aber vor-
hergesehen hat es eben von den Au- guren keiner, und schon allein dar - aus speist sich mein Argwohn, dass viele Studienschreiber das nunmehr Erlebte einfach in den neuen Pro - gnosen fortschreiben, ohne es ver- nünftig begründen zu können.
Wahr ist, dass niemand weiß, was die Zukunft bringt. Es kann sein, dass die Chinesen die Welt- konjunktur bremsen (siehe deren jüngste Leitzinserhöhung), es ist aber ebenso möglich, dass trotzdem noch genügend Aufträge für die deutsche Wirtschaft aus China her - einkommen. Es kann ebenso sein, dass immer wieder böse Überra- schungen der unsicheren Schuld- nerkantonisten auf uns niederpras- seln, aber genauso gut könnte sich Europa in der Währungspolitik zu- sammenraufen.
Es lässt sich bei Aktien besten- falls ein Trend beschreiben, was möglicherweise favorisiert wird und was nicht. Für meinen Ge- schmack dürften Banken und Ener- gieversorger im nächsten Jahr Spaß machen, Automobile weniger, und bei Solarwerten sollte man höllisch aufpassen. Zu einer Einzelmeinung traue ich mich aber dann doch: Sel-
tene Erden. Seltene Erden sind Metalle, genauer 17 chemische Elemente, die der Normalbürger gar nicht kennt (unter anderen Neo- dym, Dysprosium, Terbium), die in der Industrie aber dringend für so- genannte saubere Technologien ge- braucht werden. In einem Kern- spintomographen etwa sind allein 185 kg seltene Erden verbaut. Das Problem: China kontrolliert 97 Pro- zent der Vorkommen und braucht das alles für den eigenen Bedarf.
So könnten Unternehmen, wie etwa
„Molycorp Mountain Pass“, die seltene Erden abbauen, für risiko- bereite Anleger eine Alternative sein.
Aber egal wie 2011 werden wird, Börse rauf, Börse runter, wer weiß das eben schon genau. Eines wird nach meiner Einschätzung mit Si- cherheit nicht passieren: Dass die Banken das Thema Kundeninteres- se zur Nummer eins erklären. Zu sehr wird auch fürderhin das Pro - fitdenken fürs eigene Haus dazu führen, den Kunden Produkte an - zudienen, bei denen vor allem das Geldinstitut fein raus ist. Ehrbares Verhalten, es ist einfach zu selten
auf Erden. ■