Die Information:
Bericht und Meinung
Psychiatrie
einzugrenzen, was nachweislich oder mit guten Gründen vermutbar körperlich krank ist (K. Schneider), mag wissenschaftlich wegen seiner begrifflichen Trennschärfe befriedi- gen, praktisch brauchbar ist er nicht. Ärztliche Aufgaben und Pflichten gibt es auch und gerade jenseits körperlicher Krankheit.
Die Psychiatrie gründet wie jede ärztliche Disziplin in der Naturwis- senschaft, aber sie kann sich nicht auf Biologisches zurückziehen, ohne sich selbst aufzugeben. Medi- zin wird immer Naturwissenschaft sein müssen, so weit nur Naturwis- senschaft reicht, aber sie kann sich nicht darauf beschränken. Erst in ei- ner Medizin, in der das Psychische in Diagnostik und Therapie so selbstverständlich würde wie die Be- dienung des Technischen, hat die Psychiatrie einen gesicherten Platz : Nur so kann aber auch die Medizin den. im besten Sinne traditionsrei- chen Anspruch aufrechterhalten, den H.
E.
Bock vor einigen Jahren erneuert hat:„Daß jemand den diagnostischen Drang zur Überschau und den thera- peutischen Imperativ für die Heilung des ganzen Menschen persönlich verspürt, wenn ein Kranker zu ihm kommt, das ist das entscheidende Kriterium des Internisten." Ich möchte hinzufügen: Es ist die Idee des Arztes. In ihr stehen Psychiatrie und Medizin gemeinsam, auf sie sollten wir uns immer wieder be- sinnen.
Literatur beim Verfasser
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med.
Gustav W. Schimmelpenning Universitäts-Nervenklinik Niemannsweg 147 2300 Kiel
Zwar hat erst der 79. Deutsche Ärz- tetag im vergangenen Jahr in Düs- seldorf eine Berufsordnung für die deutschen Ärzte als Muster für die Berufsordnungen der Landesärzte- kammern erarbeitet und verabschie- det — doch der 80. Ärztetag hatte sich erneut mit diesem Thema zu befassen. Dr. med. Wilhelm Baldus, Präsident der Landesärztekammer Westfalen-Lippe und vom Vorstand der Bundesärztekammer erst kürz- lich als Nachfolger von Prof. Ed- mund Christiani zum Vorsitzenden der Ständigen Konferenz „Berufs- ordnung" bei der Bundesärztekam- mer gewählt, erläuterte den Dele- gierten, warum dies so sei.
Nach dem „Facharzturteil" des Bun- desverfassungsgerichtes sind bisher in drei Bundesländern neue Kam- mergesetze verabschiedet worden, nämlich in Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Baden-Württem- berg. In Nordrhein-Westfalen hat das aufsichtsführende Ministerium inzwischen auch Berufsordnungen der Landesärztekammern geneh- migt. Im Zuge all dieser damit zu- sammenhängenden Beratungen hat insbesondere die Arbeitsgemein- schaft der leitenden Ministerialbe- amten der Länder-Gesundheitsmini- sterien zu verschiedenen Bestim- mungen der Musterberufsordnung von Düsseldorf Stellung genommen, und man kann — auch an Hand der in Nordrhein-Westfalen gemachten Er- fahrungen — einigermaßen absehen, ob und gegebenenfalls welche Be- stimmungen der Musterberufsord- nung auf Widerstand bei den Auf- sichtsbehörden stoßen könnten. Im Interesse der Einheitlichkeit des Be- rufsrechts müßte die Berufsordnung deshalb an solchen kritischen Stel- ien entsprechend geändert werden.
Allerdings lagen auch außerhalb
dieses Bereichs verschiedene Anre- gungen vor.
Einige der von der Konferenz vorge- schlagenen Änderungen sind ledig- lich juristisch-redaktioneller Art.
Von außen kam die Anregung, bei der Darstellung der Aufgaben des Arztes in Paragraph 1 der Berufsord- nung auch einen Hinweis darüber einzufügen, daß der Arzt bei der Prü- fung neuer Untersuchungs- und Heilmethoden am Menschen an die
„Deklaration von Helsinki" des Welt- ärztebundes gebunden sei. Die Grundsätze dieser Deklaration sind in den Paragraphen 40 und 41 des Arzneimittelgesetzes kodifiziert. Die Konferenz hatte die Einfügung eines entsprechenden Hinweises vorge- schlagen. Dieser Vorschlag verfiel allerdings der Ablehnung — die Mehrheit der Delegierten meinte, daß die Bindung an gesetzliche Be- stimmungen so selbstverständlich sei, daß man sie nicht noch extra in der Berufsordnung aufführen müsse.
Die leitenden Ministerialbeamten, zu denen ja auch Juristen gehören, hat- ten einige Unstimmigkeiten gefun- den. Zum Beispiel: Hauptamtliche Krankenhausärzte sollen sich laut Berufsordnung außerhalb des Kran- kenhauses im allgemeinen auf Sprechstunden und konsultative Tä- tigkeit beschränken. Auf Vorschlag der Juristen wurde ergänzt, daß wis- senschaftliche und gutachterliche Tätigkeit natürlich von der Ein- schränkung nicht betroffen ist. An einer Stelle war zwar von „Behan- deln" die Rede, das „Untersuchen"
aber war vergessen worden. Präzi- siert wurden die Weiterbildungs- Verpflichtung und die Bestimmung über die Schweigepflicht bei der Mitteilung von Befunden zum
80. DEUTSCHER ÄRZTETAG
„Feinputz 1977" an der
Muster-Berufsordnung 1976
Bericht zu Tagesordnungspunkt 4
„Berufsordnung für die deutschen Ärzte"
1436 Heft 21 vom 26. Mai 1977
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Die Information:
Bericht und Meinung Dr. Baldus: Berufsordnung
Zwecke der wissenschaftlichen For- schung und Lehre.
Eine umfangreiche Diskussion er- gab sich über die Berufsordnungs- bestimmung zur Sterilisation. Kurz nach dem vorjährigen Ärztetag hatte der Bundesgerichtshof in einem Ur- teil Leitsätze über die Zulässigkeit von Sterilisationen herausgegeben.
Die Ständige Konferenz schlug vor, den wesentlichen Inhalt dieser Leit- sätze an die bisherige Bestimmung über die Sterilisation anzuhängen, um damit den Ärzten eine Anleitung zur Beurteilung der sozialen Indika- tion zur Sterilisation zu geben. Zahl- reiche Delegierte hielten jedoch diese Erläuterungen für Selbstver- ständlichkeiten — Erwägungen näm- lich, die der Arzt bei jeder Behand- lung und jedem Eingriff, nicht nur bei der Sterilisation, anzustellen habe. Andererseits wurde auch ein Antrag gestellt, den Sterilisationspa- ragraphen ganz zu streichen. Die Mehrheit einigte sich aber schließ- lich auf Anträge von Prof. Kreien- berg und Dr. Hagedorn, in die bishe- rige Fassung das Wort „grundsätz- lich" einzufügen und das Wort
„schwerwiegend" zu streichen. Der Paragraph 6 der Berufsordnung heißt nun: „Sterilisationen sind grundsätzlich zulässig, wenn sie aus medizinischen, genetischen oder sozialen Gründen indiziert sind."
Richtlinien über den Umgang mit Journalisten
Eingeführt wurde in die Berufsord- nung ein neuer Paragraph 21 a, der das Verhältnis des Arztes zur Öffent- lichkeit behandelt: „Die Unterrich- tung anderer Ärzte über die Mög- lichkeit, spezielle diagnostische und therapeutische Maßnahmen durch den informierenden Arzt durchfüh- ren zu lassen, ist zulässig. Die Mit- wirkung des Arztes an aufklärenden Veröffentlichungen medizinischen Inhalts in Presse, Funk und Fernse- hen ist zulässig, wenn und soweit die Mitwirkung des Arztes auf sach- liche Informationen begrenzt und die Person des Arztes nicht werbend herausgestellt wird." Die Delegier-
ten waren sich einig darüber, daß eine solche Abgrenzung ärztlicher Mitwirkung in den öffentlichen Me- dien vom Werbeverbot zweckmäßig und notwendig sei; zu diskutieren war lediglich die Frage, ob der ge- wünschte Zweck ohne oder mit dem Wort „werbend" in der letzten Zeile erreicht werden würde. Die Medizin- Journalistin Dr. med. Hedda Schrei- ber-Heuser gab den Ausschlag: ,
Journalisten — die ohnehin nicht an die ärztliche Berufsordnung gebun- den sind — müssen Nachrichten durch die Zitierung von Personen interessant machen; die „Heraus- stellung" der Person des Arztes ist insofern gar nicht zu vermeiden, der Arzt muß dafür sorgen, daß diese Herausstellung eben nicht „wer- bend" geschieht.
Erwähnenswert ist eine Neueinfü- gung, die auf den Erfahrungen bei der Genehmigung der Berufsord- nungen in Nordrhein-Westfalen be- ruht. Die dortige Landesregierung hatte aus rechtlichen Gründen in der ihr vorgelegten neuen Weiterbil- dungsordnung die Vorschrift bean- standet, daß die Anzeige von Weiter- bildungen auf dem Praxisschild nur dann zulässig sei, wenn der Arzt auf dem Gebiet auch tatsächlich tätig ist. Auf Vorschlag von Prof. Kanzow ist die entsprechende Vorschrift
nunmehr in den Paragraphen 21 der Berufsordnung übertragen worden, nicht jedoch als Verbot, sondern, wie es in der Berufsordnung mög- lich ist, als Feststellung standesun- würdigen Verhaltens.
Auf Grund eines an den Vorstand überwiesenen Antrages wird der Vorstand der Bundesärztekammer sich mit der Frage zu beschäftigen haben, ob die Berufsordnung einen neuen Namen bekommen soll.
Denn, so meinte Dr. Wrede, die „Be- rufsordnung für die deutschen Ärzte" gilt ja auch für die immer zahlreicher werdenden ausländi- schen Ärzte in Deutschland. Aller- dings hat diese Frage mehr akade- mischen Charakter, denn im Einzel- fall verbindlich ist schließlich die je- weilige Berufsordnung „der Landesärztekammer. . ."
In seinem Schlußwort sprach Dr.
Baldus dem nordrhein-westfäli- schen Arbeits- und Sozialminister
Farthmann ausdrücklich seinen Dank dafür aus, daß in diesem Lande die Genehmigung der neuen Berufsordnung durch die Aufsichts- behörde sehr rasch und zügig erfol- gen konnte. Es sei zu hoffen, so sagte Dr. Baldus, daß dies beispiel- haft sein werde für die noch ausste- henden Kammergesetze, Berufs- und Weiterbildungsordnungen. bt
Die Akten der Bundesärztekammer, die sich seit der Verabschiedung der Muster- Berufsordnung 1976 angesammelt haben, füllen bereits wieder eine lange Reihe von Ordnern; Dr. Brauer (siehe Bild), Geschäftsführender Arzt der Bundesärzte- kammer, hat sie „im Griff"