Die Information:
Bericht und Meinung Versichertenausweis
nenbezogen, für jeden Versicher- ten und Mitversicherten der gesetz- lichen Krankenversicherung in rie- sigen, noch zu errichtenden Re- chenanlagen gespeichert werden.
Darin liegt der technische Zweck der mit bislang über 6,1 Millionen DM Steuergeldern geförderten Ent- wicklung des maschinenlesbaren
„Versichertenausweises".
Dieser Zweck ist sicherlich beein- druckend, allerdings auch nicht ganz billig: Bereits 1973 hat ein Kenner der Materie die dafür notwendigen Investitio- nen und die Betriebskosten für die kommenden 10 Jahre auf 10 Milliarden DM geschätzt! Nun, das ist (für die Planer) natürlich nicht zu viel Geld, wenn man den enor- men Nutzen bedenkt, den das Ar- beitsministerium sich davon ver- spricht: mehr Kostentransparenz.
Jetzt „endlich" wird also die Grund- lage geschaffen, jedem Versi- cherten und Mitversicherten, vom Rentner-Urgroßvater bis zum Ur- enkelkind, jährlich zum Jahresende einen Computerausdruck auf den Tisch zu legen, aus dem jeder zu entnehmen vermag, wieviel er von seinen zugegebenermaßen nicht niedrigen Beiträgen verbraucht hat ...
Nur einen kleinen Haken hat die Sache: Bei dem gesundheitspoliti- schen Gespräch, das die FDP kürz- lich in Bad Nauheim unter Herrn Mischnick veranstaltete, wurde zu diesem Thema schon festgestellt, daß über 80 Prozent der Versicher- ten dann entdecken werden, daß sie viel zu wenig an Leistungen für ihr teures Beitragsgeld verbraucht haben. Und sollte es unter der Min- derheit, die mehr verbraucht hat als den eigenen Beitrag, einige we- nige geben, die sich von der von ihnen erzeugten „Ausgabenflut"
dennoch beeindrucken lassen, so würde deren Sparwille allein durch die zusätzlichen Porti und Verwal- tungskosten der Krankenkassen von jährlich weit über 100 Millionen DM ad absurdum geführt werden.
„Kostentransparenz" ist eben nicht dasselbe wie Kosten der „Transpa- renz". fws
Rauchen
bleibt Rauchen
Nun ist sie da, die Zigarette für den ängstlichen Raucher, der gern ge- sund bleiben will — trotz seiner immer noch so geliebten Qualme- rei. Welch ein Widersinn! Raucher sind anfälliger für Bronchialasth- ma, Lungenkrebs, Herzinfarkt und manches andere mehr.
Das „gesunde Raucherlebnis" ist also ein schlimmes Märchen.
Die neue Zigarette sei die leich- teste der Welt, sagt der Herstel- ler, denn dank zweieinhalbjähri- ger Forschung unter Einsatz eini- ger Zigtausender sei es nun gelun- gen, aus speziellen naturgewach- senen Tabaken und einem beson- ders gewickelten Filter einen Glimmstengel anzubieten, der die Natur überlistet. Die freien Nerven- enden im Rachenraum des Rau- chers sprechen nämlich ganz deut- lich auf Nikotin an. Eine Zigarette ohne Nikotin ist daher für den Rau- cher so etwas wie eine Suppe ohne Salz.
Das große Raucherlebnis soll nun die neue Zigarette mit dem garan- tierten Bestand von 0,1 mg Nikotin und 1 mg Kondensat sein. Die frei- en Nervenenden sollen also in die- ser allerneuesten Kreation aus Ta- bak, Papier und Filter Nikotin auch da schmecken, wo ganz we- nig nur ist.
Der Hersteller geht gar so weit, zu sagen, daß ein normaler Raucher mit seiner neuen Zigarette 530 Jah- re lang qualmen könne, bis er den gesundheitlichen Schaden habe, den ihm eine normale Zigarette bei 7 bis 14 mg Kondensat bereits nach 40 Jahren zufügen würde.
Ein Arzt empfiehlt seinen rauch- tabakgeschädigten Patienten stets:
Hören Sie auf mit dem Rauchen, und er rät niemals: Steigen Sie mal auf Leichte um. Denn Rauch ist Rauch. Da nützen auch die al- lerleichtesten Sargnägel im Ange- bot der mehr als 200 Zigaretten- marken nichts. Dieter Schmidt
NACHRICHTEN
Honorare für
Musterungen werden angehoben
Der Bundesminister der Verteidi- gung hat auf Antrag der ärztlichen Organisationen und Verbände ver- fügt, daß die Tagespauschalsätze für Musterungsvertragsärzte und für Vertragsärzte im Rahmen des Annahmeverfahrens mit Wirkung vom 1. Oktober 1976 an angehoben werden. Nach einem Erlaß vom 2.
August 1976 erhalten von Oktober an Musterungsvertragsärzte als Tagespauschalsatz 210 DM, Ärzten, die ausschließlich als Hauptmuste- rungsärzte Verwendung finden, wer- den 230 DM vergütet. Für den Un- kosten-Ersatz, der nur niedergelas- senen Ärzten zugestanden wird, wurde die Tagespauschale auf 80 DM festgesetzt. ver/BÄK
KKH: Mehr als 600 000 Mitglieder
Der Kaufmännischen Krankenkas- se (KKH) sind im ersten Halbjahr 1976 über 30 000 neue Mitglieder beigetreten. Damit hat sich die Mit- gliederzahl der KKH auf mehr als 600 000 erhöht. Einschließlich der mitversicherten Familienangehöri- gen werden von den über 1700 KKH-Niederlassungen im Bundes- gebiet einschließlich West-Berlin jetzt fast eine Million Versicherte betreut. Nach der Zahl der Mitglie- der steht die KKH derzeit an fünf- ter Stelle der über 1400 Kranken- kassen der gesetzlichen Kranken- versicherung. DÄ
Zweijährige
Umschulungsdauer
Die Beschränkung der Dauer der Umschulung im Rehabilitationsver- fahren auf zwei Jahre ist nach Auf- fassung der Bundesregierung grundsätzlich vertretbar, wie aus dem amtlichen Bericht über die Auswirkungen des Rehabilitations- angleichungsgesetzes hervorgeht.
2290 Heft 37 vom 9. September 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Wir essen zuviel
0 Durchschnittlicher Kalorienbedarf und - verbrauch pro Tag
Männer
Bedarf Verbrauch
Frauen
Bedarf 2 200 Verbrauch 2609
0
3107 2 600
2111
Die Bundesbürger essen weitaus mehr, als nach dem durchschnitt- lichen Kalorienbedarf pro Tag erforderlich. Aus der Über- und Fehlernährung der Bevölkerung resultieren in nicht unbeträcht- lichem Maße Krankheiten und Schädigungen der Gesundheit.
Der „Ernährungsbericht 1976"
der Bundesregierung veran- schlagt die Kosten der Krank- heiten, die durch falsche und Überernährung bedingt sind, auf jährlich über 17 Milliarden DM;
das ist ein Viertel der Gesamt- ausgaben der gesetzlichen Kran- kenversicherung 1975. Globus/DÄ
Die Information:
Bericht und Meinung AUS DEN BUNDESLÄNDERN
Nach vorliegenden Erfahrungen werde in der Regel für eine erfolg- reiche berufliche Umschulung nicht mehr Zeit benötigt.
Die Einbeziehung der Kranken- kassen in die Rehabilitation hat nach Auskunft der Bundesregie- rung keine schwerwiegenden Pro- bleme, wohl aber vorübergehende Schwierigkeiten (auch hinsichtlich der Abgrenzung der Finanzierung) gebracht. Deshalb soll von mini- sterieller Seite aus Kontakt mit den Spitzenverbänden der Krankenkas- sen aufgenommen werden. Der Rehabilitationsbericht spricht sich darüber hinaus für eine intensive Schulung des Personals der Reha- bilitationsträger aus. DÄ
HESSEN
Ärzte- und
Apothekertag 1976
Der Hessische Ärzte- und Apothe- kertag fand in diesem Jahr Ende August in Limburg (Lahn) statt; An- laß für die Wahl des Tagungsortes war das 125jährige Bestehen des Vereins Nassauischer Ärzte.
In seiner Ansprache zur öffentli- chen Kundgebung hob der Präsi- dent der Landesärztekammer Hes- sen, Dr. Wolfgang Bechtoldt, beson- ders die Bemühungen der hessi- schen Ärzteschaft um die ärztliche Fortbildung hervor sowie die „pro- gressive und beispielhafte" Weise, in der die Kassenärztliche Vereini- gung Hessen durch den Bau von Ärztezentren und die Förderung von Gemeinschaftseinrichtungen aus eigenen finanziellen Mitteln zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauf- trages beiträgt. Mit diesem letzteren Thema befaßte sich auch ein 25 Minuten langer Farbtonfilm von Dr.
Pierre Kandorfer, Köln, der in Lim- burg unter starkem Beifall uraufge- führt wurde. Der Film gibt eine all- gemeinverständliche Darstellung der bisher neun fertiggestellten Ärztehäuser in Hessen und unter- streicht besonders die Tatsache, daß in diesen Gemeinschaftsein- richtungen Eigeninitiative und frei- berufliches Risiko des Arztes sowie das persönliche Verhältnis Patient/
Arzt voll erhalten bleiben.
In seinem Festvortrag stellte der Hauptgeschäftsführer der Bundes- ärztekammer, Professor J. F. Vol- rad Deneke, in Form von sieben Thesen „unveräußerliche Rechte des Bürgers in unserem Gesund- heitssystem" zusammen und for- derte, daß diese „ideologischen Prämissen unseres Gesundheitssy- stems" auch in der zukünftigen Ge- sundheitspolitik Zielvorstellungen einer sozialen Gemeinschaft freier Menschen zu sein haben:
0 Wer einen Arzt zu brauchen glaubt, kann ihn unverzüglich in Anspruch nehmen;
o wer nach ärztlichem Urteil me- dizinischer Versorgung bedarf, er- hält sie ungeachtet seiner sozialen oder finanziellen Situation;
o wer nach ärztlichem Urteil krank ist, hat trotzdem Anspruch auf seine individuelle und soziale Entfaltung;
o wer einen Arzt braucht, hat in zumutbarer Entfernung die Wahl zwischen mehreren Ärzten;
• wer einen Arzt in Anspruch nimmt, hat das Recht auf ausrei- chende .und zweckmäßige Versor- gung;
O wer einen Arzt in Anspruch nimmt, hat das Recht auf Aufklä- rung über Diagnose und Prognose;
O wer einen Arzt in Anspruch nimmt, hat das Recht auf Ver- schwiegenheit.
Deneke erläuterte diese (hier zum Teil verkürzt wiedergegebenen Thesen) in ihren Auswirkungen für Patient, Arzt und Gesellschaft und untersuchte an ihnen auch die ge- sellschaftspolitischen Forderungen und Zielsetzungen der politischen Kräfte unseres Landes.
Als Vertreter der wichtigsten dieser politischen Kräfte nahmen dann beim Podiumsgespräch mit den Präsidenten beziehungsweise Vor- sitzenden der Kammern sowie der KV und der KZV teil: der hessische Sozialminister Dr. Horst Schmidt (SPD), der schleswig-holsteinische Staatssekretär Professor Dr. Fritz Beske (CDU) sowie der hessische Wirtschaftsminister Heinz Herbert Karry (FDP).
Unter der sachverständigen Lei- tung des Bonner sozialpolitischen Redakteurs der „Frankfurter Allge- meinen", Walter Kannengießer, gaben sich die Politiker erfreuli- cherweise Mühe, die teilweise boh- renden Fragen der Vertreter der Heilberufe zu beantworten. Das Er- gebnis: eine — zweifellos auch für das Publikum fruchtbare — Tour d'Horizon zur Gesundheitspolitik, die klare (und auch vage) Zielvor- stellungen der politischen Parteien darlegte (und auch bloßstellte). gb
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 37 vom 9. September 1976 2291