Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 12|
25. März 2011 A 613 KBV-VORSTANDSWAHLNach den Glückwünschen
Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) wurde mit komfortabler Mehrheit wiedergewählt. Jetzt melden sich die Kritiker. Sie fordern eine
Wende in der Honorarpolitik und mehr Entscheidungsfreiheit für die Regionen.
D
er Riss, der sich quer durch die KBV-Vertreterversamm- lung zieht, zeigte sich bereits bei deren konstituierender Sitzung am 11. März in Berlin. Sämtliche Grund- satzentscheidungen, wie die vorge- zogene Wahl des Vorstands oder der Verzicht auf ein drittes Vorstands- mitglied, fielen nahezu gleichblei- bend mit 40 zu 20 Stimmen. Dabei gehören dem oppositionellen Drit- tel ausgewiesene Systemkritiker an, darunter die Vorsitzenden der bei- den großen Süd-KVen: Dr. med.Norbert Metke aus Baden-Würt- temberg und Dr. med. Wolfgang Krombholz aus Bayern.
Beide hatten gemeinsam mit der KV Hessen und der KV Mecklen- burg-Vorpommern unmittelbar nach der Wiederwahl von Dr. med. An- dreas Köhler und Dr. med. Carl- Heinz Müller in den KBV-Vorstand den „Köhler-Getreuen“ ein abgekar- tetes Spiel vorgeworfen (siehe Seite eins, Heft 11/2011). Zugleich forder- ten sie den neuen Vorstand auf, den Dialog auch mit kritischen Stimmen zu suchen. Andernfalls drohe eine Spaltung des KV-Systems.
Seither haben sich auch andere KVen und Verbände zu Wort gemel- det. Die KV Hamburg, die sich zwar ebenso wie Köhler und Müller zum Kollektivvertrag bekennt, spart nicht mit Kritik. Deren Vorstands- vorsitzender, Dieter Bollmann, will, dass die Honorare für die Ver - tragsärzte künftig wieder regional verhandelt und verteilt werden.
Außerdem fordert er ein Ende der
„asymmetrischen Verteilung der Finanzmittel“. Sie sei rechtlich problematisch und sachlich nicht begründet. Zum Hintergrund: 2011 sollen die KVen, die von der Hono- rarreform 2009 am wenigsten pro - fitiert haben, mehr Geld erhalten als die anderen. Dem hatte im vergan- genen Jahr auch die KBV-Vertreter- versammlung zugestimmt.
Vorstand muss das Vertrauen der Basis zurückgewinnen
Mehr regionale Spielräume in der Honorarpolitik und eine Gebühren- ordnung mit festen Preisen fordert auch der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI). „Der neu gewähl- te Vorstand der KBV steht vor einergewaltigen Herausforderung“, sagte BDI-Präsident Dr. med. Wolfgang Wesiack. „Er muss das in den letz- ten Jahren immer schwächer gewor- dene Vertrauen an der Basis wieder zurückgewinnen und sich mehr auf seine Rolle als Interessenvertreter der Basis besinnen.“ Darüber hinaus forderte Wesiack den neuen alten Vorstand auf, sich für ein geordne- tes Nebeneinander von Kollektiv- und Selektivverträgen sowie den Abbau überbordender Bürokratie in den Arztpraxen einzusetzen.
„Angesichts des Grabens, der sich auch und gerade nach dieser Wahl durch die Selbstverwaltungs- gremien zieht, ist nun die Zeit der fachübergreifenden Verbände ge- kommen“, meint der Bundesvorsit- zende des NAV-Virchow-Bundes, Dr. med. Dirk Heinrich. Sie müss- ten vereint für eine bessere Versor- gung kämpfen. Heinrich war bei der KBV-Vorstandswahl Köhler un- terlegen. Jetzt fordert er diesen auf, die Probleme in der ambulanten Versorgung schnellstens anzuge- hen, darunter die Budgetierungs- vorgaben, die Unterversorgung auf dem Land und ein Übermaß an Bürokratie in den Praxen. Heinrichs Fazit angesichts des Wahlergebnis- ses: „Wir brauchen jetzt ein starkes ,außerparlamentarisches Engage- ment‘ einer kritischen Ärzteschaft.“
Gräben zuzuschütten, sieht der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. med. Kuno Winn, als größte Herausforderung der neuen Legis- laturperiode. Er forderte die Ärzte- schaft auf, wieder zur Geschlossen- heit zurückzufinden. Den KBV- Vorstand warnte er, nicht aus dem Elfenbeinturm zu regieren: „Da er- warte ich eine deutlich andere Form des Umgangs mit den KVen, aber auch mit den freien Verbänden.“ ■
Heike Korzilius
Foto: Svea Pietschmann
Händedruck für den neuen alten Vorsitzenden: Die Mitglieder der KBV-
Vertretersammlung haben sich einge- reiht, um Andreas Köhler (l.) zur Wiederwahl zu gra- tulieren.