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Archiv "Hämochromatose und Hämosiderosen" (17.09.1981)

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Unter dem Begriff Hämochromatose werden Erkrankungen zusammen- gefaßt, die mit einer progredienten Zunahme der Eisenspeicher und Ei- senablagerungen in den Paren- chymzellen von Leber, Myokard, Pankreas und anderen Organen ein- hergehen. Die Eisenablagerungen führen in den Parenchymzellen zu einer morphologischen und funktio- nellen Schädigung, während sie in den Zellen des RES (wie zum Bei- spiel nach parenteraler Verabrei- chung, insbesondere nach Transfu- sionen) kaum Funktionsstörungen verursachen. Die häufigsten Eisen- speichererkrankungen sind die idio- pathische Hämochromatose und die sekundären Hämochromatosen, die sich bei sideroblastischen Anämien und Thalassämie entwickeln. Die idiopathische Hämochromatose ist eine autosomal rezessiv vererbbare Erkrankung. Die Zahl der manifest Erkrankten in der Gesamtbevölke- rung beträgt nach verschiedenen Statistiken zwischen 1:4000 bis 1:10 000; in einer neueren Untersu-

chung wird die Zahl der Erkrankten sogar auf 1:500 und die der hetero- zygoten Merkmalsträger auf 1:20 ge- schätzt (3)**). Dabei ist das weibliche Geschlecht aufgrund physiologi- scher Eisenverluste durch Men- struation und Schwangerschaft fünfmal weniger betroffen als das männliche.

Physiologie des Eisenstoffwechsels

Wie aus Darstellung 1 ersichtlich, befindet sich der größte Teil des Körpereisens in den Erythrozyten.

Nach deren Abbau im retikuloendo- thelialen System der Milz werden täglich etwa 20 mg Eisen zur erneu- ten Hämsynthese ins rote Knochen- mark zurücktransportiert. Im Gegen- satz zu diesem inneren Eisenaus- tausch mit seiner hohen Umsatzrate ist die Menge des täglich aus der Nahrung aufgenommenen und im Stuhl und Urin ausgeschiedenen Ei- sens gering. Während die Exkretion durch Abschilferung intestinaler

Mukosazellen relativ konstant bei 1 mg in 24 h liegt, ist die Resorption aus dem oberen Gastrointestinal- trakt bedarfsorientiert. Bei ausgegli- chenem Eisenspiegel beträgt sie 0,5 bis 2 mg und kann im Eisenmangel- zustand auf 2 bis 4 mg pro Tag an- steigen.

Häm- und Nicht-Häm-Eisen wird ver- schieden (Darstellung 2) resorbiert.

Häm wird im Lumen des Gastrointe- stinaltraktes vom Globin abgespal- ten und in die Mukosaepithelzellen aufgenommen. Dort wird das Eisen durch die Hämoxigenase freigesetzt und geht dann denselben Weg wie das Nicht-Häm-Eisen. Das in ioni- sierter Form vorliegende (Nicht- Häm-)Eisen wird im Magen durch HCI in eine resorptionsgünstige Form gebracht und vorwiegend im Duodenum aktiv resorbiert. Am Transfersystem der Mukosazelle sind zwei zytoplasmatische Protei- ne, mukosales Transferrin und mu- kosales Ferritin, beteiligt (5). Das mukosale Transferrin wird als Be- standteil eines schnell zwischen Darmlumen und Blut austauschen- den Eisenpools angesehen. Mög- licherweise dient dieses Molekül schon außen an der Mukosazelle als Akzeptor für das in der Nahrung an- gebotene Eisen (5). Die Eisenauf- nahme wird bedarfsabhängig kon- trolliert. Die Regulationsmechanis-

*) Professor Dr. med. G. A. Martini, Marburg, zum 65. Geburtstag gewidmet.

**) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Hämochromatose und Hämosiderosen

Störungen im Stoffwechsel der Schwermetalle, Teil 1

Georg Strohmeyer und Wolfgang Stremmen Aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik D (Direktor: Professor Dr. med. Georg Strohmeyer) der Universität Düsseldorf

Die idiopathische Hämochromatose wurde wegen ihrer vermeintli- chen Seltenheit lange Zeit wenig beachtet. Neben der Bestimmung des Serumeisengehaltes und der freien Eisenbindungskapazität bie- ten die Bestimmung des Serumferritins und die HLA-Typisierung die Möglichkeit, die Erkrankung schon im asymptomatischen Stadium zu erkennen. Während früher die mittlere Überlebenszeit nach Diagnose- stellung nur 19 Monate betrug, muß ein Patient heute bei rechtzeitig begonnener und konsequenter Therapie nicht mehr mit einer Ein- schränkung seiner Lebenserwartung rechnen. Durch die Aderlaßbe- handlung wurde die Prognose der Erkrankung signifikant verbessert.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 38 vom 17. September 1981 1775

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RE-System der Milz Knochenmark Hämoglobin—

Eisen

isma

Duodenum

Nahrungseisen freies oder an niedermolekulare Verbindungen gebundenes Eisen Häm-Eisen

Hämoxi-

11K

gengase

Protein4 Fe

,

Eisentransferase Mukosazelle

langsam austauschbarer Eisenpool=Speicherpool mukosales Ferritin rasch austauschbarer

Eisenpool=Transportpool mukosales Transferrin

Blut

Darstellung 1: Schematische Darstellung der Kinetik des Eisenstoffwechsels

Darstellung 2: Schematische Darstellung des noch hypothetischen Eisenresorptions- mechanismus (modifiziert nach Forth und Rummel [61)

men zwischen den Speichern und der intestinalen Mukosazelle sind je- doch nicht völlig geklärt. Es er- scheint die Vorstellung begründet, daß die Resorption durch die Vertei- lung des Eisens an den zwei ver- schiedenen Bindungsstellen (A und B) des Serumtransferrinmoleküls re- guliert wird: Das intestinal resorbier- te Eisen wird an Position A des Transferrins gebunden und den ery- thropoetischen Zellen des Knochen- markes zur Hämoglobinsynthese zur Verfügung gestellt. Dagegen steht das in B-Position gebundene Eisen im Austausch mit Eisenspeicherge- weben. Die Rate der intestinalen Aufnahme würde somit von der Kon- zentration des in A-Position gebun- denen Eisens abhängen.

Ursache und Manifestation der Hämochromatose

Die Ätiologie der idiopathischen Hä- mochromatose ist bis heute unge- klärt. Es wird eine Störung des inte- stinalen Aufnahmemechanismus, ei- ne erhöhte Affinität der Leber für an Transferrin gebundenes Eisen oder ein Defekt im Stoffwechsel des reti- kuloendothelialen Eisens diskutiert.

Während homozygote Merkmalsträ- ger in jedem Falle manifest erkran- ken, werden die in bezug auf dieses Gen Heterozygoten erst bei übermä- ßigem Eisenangebot in der Nahrung und/oder Eisenresorptionsförderung z. B. bei chronischem Alkoholab- usus symptomatisch. Dabei wird die gesteigerte Verfügbarkeit nach Äthanolaufnahme möglicherweise durch die stimulierte gastrische HCI- Produktion und die dadurch bewirk- te Erhöhung der Löslichkeit 3werti- ger Eisensalze hervorgerufen. Um ein übermäßiges Eisenangebot zu vermeiden, ist — bei der relativen Häufigkeit heterozygoter Merkmals- träger in der Gesamtbevölkerung (3) — die von den Gesundheitsbehör- den einiger Entwicklungsländer er- wogene Eisenanreicherung be- stimmter Nahrungsmittel nicht zu empfehlen. Ebenso sollte zur Ver- hinderung der Manifestation dieser Erkrankung eine Substitutionsbe- handlung mit Eisenpräparaten nur bei nachgewiesenem Eisenmangel

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0 10 20 30 40 % Müdigkeit,Schwäche

Abdominalschmerz Belastungsdyspnoe Gewichtsabnahme Herzbeschwerden Gelenkschmerzen Starker Durst Potenzstörungen Übelkeit, Erbrechen Stenokardie Häufige Durchfälle Meteorismus Juckreiz

36 % (n=19) 32 % (n=17) 25 %(n=13) 25% (n=13) 23 % (n=12) 21 % (n=11) 19 % (n=10) 17 %(n= 9) 11 % (n= )

11

%(n= 6 ) 8 % (n= 4 ) 6 %(n= 3) 6 %In= 3)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90100 % Lebererkrankung

Leberinduration und-vergrößerung Dunkles Hautkolorit

Manifester Diabetes Pathologisches Ekg Arteriosklerose Leberhautzeichen Unterschenkelödeme Ösophagusvarizen Femininer Behaarungstyp Erhöhter Blutdruck Hodenatrophie Milzvergrößerung Subklinischer Diabetes Ascites

Dupuytren'sche Kontraktur Diabetische Retinopathie Sichtbarer Ikterus Leberdruckschmerz Insulinresistenz

Diabetische Polyneuropathie

100 % (n=53) 89%(n=47) 77 %(n= 41) 71 %(n=38) 57 % (n=30) 36 % (n=19) 36 % (n=19)

23% (n=12) 23% (n= 12) 23%(n=12) 23 % (n= 12) 21%(n=11) 15%(n= 8) 11%(n= 6) 9%(n= 5) 9% (n= 5) 9% (n= 5) 9% (n= 5) 4% (n= 2) 4% (n= 2) 2% (n= 1)

MIM

IBM

■ ■

■ ■

oder bei Frauen während der Schwangerschaft verordnet werden.

Unter den sekundären Hämochro- matosen sind die im Verlauf der si- deroblastischen Anämie und Tha- lassämie entstandenen Eisenspei- chererkrankungen weitaus am häu- figsten. Auch die Porphyria cutanea tarda kann mit einer zum Teil erheb- lichen Hämosiderose der Leber ein- hergehen. Bisweilen wird im Spät- stadium einer alkoholischen Leber- zirrhose die Entstehung einer Hämo- siderose beobachtet. Dabei wird durch die herabgesetzte Transferrin- synthese und portosystemische Shunts die Aufnahmekapazität von Plasmaeisen durch die Leber ver- mindert. Auch andere parenchyma- töse Organe können dabei in die Eisenablagerungen einbezogen werden.

Organbeteiligung

Das in den Parenchymzellen im Überschuß abgelagerte Eisen führt zu Gewebsschädigungen. Betroffen sind unter anderem die Leber, das endokrine und exokrine Pankreas- gewebe, das Endokrinium, Myokard und Gelenke. Entsprechend der be- einträchtigten Funktion dieser Orga- ne konnte durch Verlaufsbeobach- tung bei 53 Hämochromatosepatien- ten das in Darstellung 3 wiedergege- bene Beschwerdeprofil nachgewie- sen werden. Leberzellkarzinome tre- ten bei der Hämochromatose mit 14 Prozent häufiger auf als bei Leber- zirrhosen anderer Genese. Das kann möglicherweise auf die höhere Überlebensrate nach Aderlaßthera- pie zurückgeführt werden.

Lebererkrankung

Bei den meisten Patienten bestimmt die sich entwickelnde Leberfibrose oder Leberzirrhose mit ihren Kom- plikationen den klinischen Verlauf der Erkrankung. Wie aus Darstel- lung 4 zu entnehmen ist, war in un- serem Patientenkollektiv bei 89 Pro- zent die Leber tastbar vergrößert und in ihrer Konsistenz deutlich ver- mehrt. Im Spätstadium der Hämo- chromatose treten zusammen mit der Leberzirrhose Leberhautzeichen

Darstellung 3: Beschwerden von 53 Hämochromatosekranken bei Erkrankungs- beginn

Darstellung 4: Symptome und klinische Befunde bei 53 Patienten mit Hämochro- matose

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 38 vom 17. September 1981 1777

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wie Palmarerythem, Spinnenangio- me, Weißfleckung der Haut und Weißnägel auf. Diese Zeichen waren bei 19 (36 Prozent) der beobachte- ten Patienten vorhanden. 47 Prozent wiesen die Zeichen einer portalen Hypertension mit Ösophagusvari- zen, Aszites und Splenomegalie auf.

Histologisch finden sich in den Le- berzellen und im RHS besonders in der Läppchenperipherie stärkste Ei- seneinlagerungen. Hinzu kommt je nach Schweregrad der Erkrankung eine Fibrose oder Zirrhose, die meist vom kleinknotigen Typ ist (Tabelle 1).

Pathogenese: Das überschüssige Ei- sen wird in Lysosomen als Ferritin und Hämosiderin gespeichert. Bei Hämochromatosepatienten sind die- se Zellorganellen besonders labil.

Die Freisetzung lysosomaler Enzy- me kann Leberzellnekrosen hervor- rufen und Veränderungen induzie- ren, die schließlich zur Leberfibrose führen. Als Ursache kann eine me- chanische Zerreißung der exzessiv überladenen Lysosomen angenom- men werden (13). Eine andere Erklä- rungsmöglichkeit geht davon aus, daß ein gestörter Eisenstoffwechsel mit der Anreicherung freier Radikale innerhalb der Zelle im Zusammen- hang steht (1). Diese sehr aggressi- ven Moleküle können über eine Li- pidperoxidation zur Zerstörung lyso- somaler Membranen und zum Zell- tod führen. Dadurch wird die Kolla- gensynthese stimuliert und die Ent- wicklung einer Leberfibrose bzw.

Leberzirrhose (Leberzellkarzinom?) eingeleitet.

Diabetes mellitus

60 bis 80 Prozent der Patienten mit Hämochromatose haben einen Dia- betes mellitus. Dieser wurde bei 38 Prozent unserer Patienten 1 bis 13 Jahre vor Feststellung der Pigment- zirrhose und bei 18 Prozent 1 bis 14 Jahre nach Erkennung der Hämo- chromatose diagnostiziert; in 44 Prozent der Fälle wurden beide Stö- rungen gleichzeitig erkannt (17). Der mit der Hämochromatose assoziier- te Diabetes ist sowohl durch Insulin- resistenz als auch durch gestörte B- Zell-Funktion gekennzeichnet. Die

Insulinresistenz ist zum größten Teil auf die begleitende Lebererkran- kung zurückzuführen und deshalb bei den meisten dieser Kranken vor- handen. Zusätzlich besteht bei etwa 50 Prozent aller Hämochromatose- patienten eine schwere Schädigung der B-Zell-Funktion, die zum insulin- bedürftigen Diabetes mellitus führt.

Bis heute ist noch ungeklärt, ob die- se Störung durch die Eisenablage- rungen in den B-Zellen oder als Fol- ge eines genetischen Defektes her- vorgerufen wird. Eine Störung der A- Zell-Funktion des endokrinen Pan- kreas ist unwahrscheinlich, da eine normale Glukagonsekretion gemes- sen wurde (12).

Ebenso wie beim genuinen Diabetes mellitus finden sich auch bei dem mit der Hämochromatose assoziier- ten Diabetes die typischen Spätkom- plikationen: Gefäßerkrankung, Reti- nopathie, Nephropathie und Neuro- pathie.

Endokrine Störungen

Genitale Atrophie, Ausfall der Se- kundärbehaarung und Gynäkoma- stie, verbunden mit Libido- und Po- tenzverlust, sind eine frühe und häu- fig zu beobachtende Begleiterschei- nung der idiopathischen Hämochro- matose. Die Häufigkeit dieser Sym- ptome schwankt zwischen 20 und 70 Prozent; im eigenen Krankengut fanden sich bei insgesamt 38 Pro- zent aller Patienten Hinweise für ei- ne endokrine Dysfunktion. Die deut- lich verminderte Testosteronsekre- tion spricht für eine Leydigzellinsuf- fizienz (11), die durch Eisenablage- rungen in den übergeordneten Or- ganen, Hypophyse und Hypothala- mus, bedingt ist. Die Gonadotropin- spiegel im Plasma und Urin sind oft erniedrigt und korrelieren gut mit der Schwere der testikulären Atro- phie (15). Daneben tragen auch Ei- senablagerungen im Hodengewebe selbst und eine Störung des Gleich- gewichtes zwischen Östrogenen und Androgenen im Stadium der Le- berzirrhose zur Ausbildung des Hy- pogonadismus bei. Andere hypo- physäre Hormone können ebenfalls erniedrigt sein.

Kardiologische Störungen

Finch und Finch sahen in ihrem Be- richt über 787 Fälle von Hämochro- matosepatienten Herzkomplikatio- nen als dritthäufigste Todesursache (4). Im eigenen Krankengut zeigten 35 Patienten pathologische Verän- derungen im EKG und Zeichen der Herzinsuffizienz (Darstellungen 3 und 4). In 31 Fällen (58 Prozent) wur- den von den Patienten Belastungs- dyspnoe, Stenokardie und Herzbe- schwerden angegeben. Die häufig- sten EKG-Veränderungen waren Kammerendteilveränderungen und Rhythmusstörungen in Form von su- praventrikulären Extrasystolen, ab- soluter Arrhythmie, AV-Überlei- tungsstörungen und ventrikulären Extrasystolen. Herzrhythmusstörun- gen scheinen bei jüngeren Patienten häufiger zu sein und werden als pro- gnostisch ungünstiges Zeichen ge- wertet. Die kardialen Komplikatio- nen werden durch Eiseneinlagerun- gen in den Herzmuskel verursacht.

Fibrotische Veränderungen der Myokardfasern führen zu Ventrikel- funktionsstörung und nachfolgen- der Herzinsuffizienz.

Gelenkerkrankungen

Eine spezifische Arthropathie mit Kalziumpyrophosphatkristallen im Gelenkknorpel ist eine weitere, bei 20 bis 50 Prozent der Patienten be- obachtete Komplikation. Betroffen sind das 2. und 3. Metakarpopha- langealgelenk und die großen ge- wichtstragenden Gelenke wie Knie und Hüfte. Obwohl das Lokalisa- tionsmuster an der Hand dem der rheumatoiden Arthritis entspricht, finden sich nicht die dafür typischen Deformitäten und Röntgenverände- rungen. Unabhängig vom Stadium der Hämochromatose kann die Ar- throse auch noch nach Aderlaßbe- handlung entstehen, so wie sie auch lange vor der manifesten Eisenüber- ladung auftreten kann. Die Pathoge- nese dieser Komplikation ist noch unbekannt. Die Gewebszerstörung scheint jedoch nicht unmittelbar durch Eisenablagerungen im Gelenk hervorgerufen zu werden. Es ist möglich, daß eine hohe lokale Eisen- konzentration das lonengleich- gewicht des Kalziums beeinflußt.

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Tabelle 3: Therapie der Hämochromatose

Aderlässe: Mit 500 ml Blut werden 250 mg Eisen entzogen Beginn: 2 x 500 ml pro Woche etwa 1 Jahr lang

= 50 1 Blut pro Jahr

= 20-25 g Eisen pro Jahr Ziel: Leichte Anämie: 12-13 g/dl

Gesamteiweiß nicht unter 6 g/dl

Abhängig vom Lebereisengehalt, Hämoglobin u. Gesamteiweiß 3 x 500 ml pro Monat

bis 3 x 500 ml pro Jahr

Aderlaßtherapie nie vollständig abbrechen!

1x 2x 3x

Zirrhose und Siderose Siderose ohne Umbau Fibrose und Siderose Fettleber Chronische Hepatitis

n=2

Tabelle 1: Leberbiopsiebefunde von 42 Hämochromatose-Patienten Häufigkeit der durchgeführten

Leberbiopsien Befund

nges 9 nges =2 nges =42 (100%) n=7

n=1 n=1 n=22

n= 4 n= 3 n= 1 n= 1

nges =31 (74%) nges = 5 (12%) n ges = 4 (10%) nges = 1 ( 2%) nges = 1 ( 2%) n =31 ges

Tabelle 2: Laborbefunde zur Früherkennung von Hämochromatosen

• Lebereisenbestimmung

a) histochemisch (halbquantitativ) Grad 0-4

b) chemisch: normal: < 40 mg/100 g Leber-Naßgewicht normal: < 100 mg/100 g Leber-Trockengewicht

• Freie (ungesättigte) Eisenbindungskapazität (Transferrin) normal: 140-250 1,t,g-%

bzw. Sättigung normal: 30-50 ilg-%

• Serumeisen normal: 60-160 p,g-%

• Desferrioxamin-

test 500 mg i. m. normal: < 2 mg/6 Std. Urin

• Serumferritin normal: bis 350 ng/ml Blut

• Gewebsantigene bei Hämochromatose HLA — A 3

(HLA-typing) HLA — B 14 oder B 7

Diagnose

Die Kardinalsymptome der idiopathi- schen Hämochromatose sind:

Leberfunktionsstörung, 49 Diabetes mellitus,

(;) dunkle Hautpigmentierung (durch Melanin).

Eine ätiologisch unklare Kardiomyo- pathie, Hypogonadismus und nicht geklärte Gelenkschmerzen müssen Anlaß geben, eine Eisenspeicherer- krankung auszuschließen.

Als Suchtests im Labor eignen sich die Bestimmung des Serumeisen- spiegels, der freien und gesättigten Eisenbindungskapazität und des Serumferritins (Tabelle 2). Die Dia- gnose wird durch die histologische Untersuchung eines Leberpunk- tatzylinders gesichert. Eine mög- lichst quantitative Bestimmung des Eisengehaltes im Gewebe gibt zu- sätzlich einen Hinweis über die Schwere der Erkrankung.

Das Serumeisen ist bei 80 Prozent der Patienten mit idiopathischer Hä- mochromatose über den Normwert von 140 ± 40 lig Prozent erhöht. Ein plötzlicher Abfall des Serumeisens bei Hämochromatose ist immer ver- dächtig auf ein primäres Leberkar- zinom.

Der Desferaltest gilt als besonders zuverlässig zur Erkennung der pri- mären Hämochromatose. Er ist auch zur Abgrenzung gegen sekundäre Hämosiderosen sehr gut geeignet, da bei der idiopathischen Form der Erkrankung in der Regel höhere Werte im Urin gemessen werden als bei den sekundären Hämosiderosen.

Ferritin ist ein hochmolekulares Ei- senspeicherprotein, das in der Leber und zahlreichen anderen Organen in Form spezifischer lsoferritine vor- kommt. Der Ursprung des Serumfer- ritins ist nicht geklärt. Es gibt An- haltspunkte dafür, daß es aktiv von den Zellen des retikuloendothelialen Systems sezerniert und nicht aus untergegangenem Gewebe freige- setzt wird. Seine Konzentration im Serum ist ein gutes Maß für die Ei-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 38 vom 17. September 1981 1779

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senspeicher des Körpers und so- wohl beim Eisenmangel als auch bei Eisenspeichererkrankungen von be- sonderem diagnostischen Wert (9, 10). Die Serumferritinkonzentration steigt schon relativ früh im Verlauf der Erkrankung an und ist deshalb zur Diagnose des präzirrhotischen Stadiums der Hämochromatose sehr geeignet. Da jedoch die Ferritinkon- zentration in diesem Stadium nicht immer erhöht sein muß, war der Wert dieser Bestimmung eine Zeit- lang umstritten (8). In einer breitan- gelegten Untersuchung von 42 Hä- mochromatosefam ien wurde je- doch sowohl die diagnostische Be- deutung der Messung des Serumfer- ritinspiegels in der Frühphase der Erkrankung als auch die geringe Zahl der falsch positiven Ergebnisse gegenüber der Serumeisenkonzen- tration und der freien Eisenbin- dungskapazität herausgestellt (7).

Außer bei der Hämochromatose kann jedoch ein erhöhter Ferritin- spiegel auch bei hepatozellulärer Nekrose, Malignomen, Leukämien und Entzündungen vorkommen.

HLA-Antigene: Der Nachweis, daß die genetische Codierung der auto- somal rezessiv vererbten idiopathi- schen Hämochromatose mit dem HLA-Genkomplex verbunden ist, war eine der bedeutendsten Entdek- kungen in den letzten Jahren (14).

Dieses Krankheitsbild ist mit den Merkmalen HLA A3 und je nach geo- graphischer Lage B7 oder B 14 asso- ziiert. Aufgrund dieser Korrelation wird angenommen, daß das Hämo- chromatosegen an einem Sublocus des Chromosom 6 lokalisiert ist.

Durch die HLA-Typisierung können sekundäre Formen der Eisenspei- chererkrankung weitgehend ausge- schlossen sowie der Erbgang und die Gefährdung innerhalb einer Hä- mochromatosefamilie bestimmt werden. Zusammen mit der Serum- ferritinbestimmung können so mani- fest erkrankte noch im asymptomati- schen Stadium erkannt und von he- terozygoten Merkmalsträgern unter- schieden werden (2). Natürlich kön- nen auch Menschen mit einem an- deren Haplotyp als A3 und B 7/B 114 4 an -- Hämochromatose erkranken. Zur Familienuntersuchung, d. h. zur

Identifizierung von Familienmitglie- dern 1. Grades mit einem homozy- goten oder heterozygoten Haplotyp in bezug zum Merkmalsträger, hat die HLA-Typisierung aber eine hohe praktische Bedeutung erlangt.

Therapie

In den letzten Jahren wurden große Fortschritte bei der Behandlung der idiopathischen Hämochromatose er- zielt. Während nach einer Statistik aus dem Jahre 1935 die mittlere Le- benserwartung eines an Hämochro- matose erkrankten Patienten 19 Mo- nate betrug, ist die Prognose bei den heute bestehenden Möglichkeiten der Früherkennung und wirksamen Therapie sehr viel günstiger ge- worden.

Aderlaßtherapie: Der Eisenentzug wird am wirksamsten durch eine Aderlaßtherapie erreicht (Tabelle 3) (16). Bei einer Entnahme von 2 x 500 ml Blut pro Woche können pro Jahr 20 bis 25 g aus dem Körper entfernt werden. Wenn das erste Ziel der Aderlaßtherapie nach 30 bis 50 I Blutentzug erreicht ist, sollte der Le- bereisengehalt durch Biopsie erneut geprüft und die Gesamteisenmen- ge durch Serumferritinbestimmung kontrolliert werden. Ist der Rück- gang der Eisenspeicherung deutlich sichtbar, kann die Zahl der Aderläs- se je nach Grad der Siderose auf 1 bis 3 pro Monat reduziert werden.

Bei zunehmender Anämie wird die Behandlung solange unterbrochen, bis wieder ein Hb-Wert von > 12 g-%

erreicht ist. Auch nach vollständiger Entfernung des Eisens aus der Le- ber, darf die Aderlaßbehandlung je- doch aufgrund der genetisch be- dingten weiterhin erhöhten Eisenre- sorption nicht vollständig abgebro- chen werden. Um eine ausgegliche- ne Eisenbilanz beizubehalten, genü- gen dann in der Regel 4 bis 8 Ader- lässe pro Jahr. Die einfachste und gleichzeitig beste Therapiekontrolle besteht in der Serumferritinbestim- mung. Sie eignet sich am besten und zuverlässigsten für die Überwa- chung von Therapie, Stand der Spei- chermobilisation und Effektivität der Aderlaßtherapie. Das Serumeisen und die freie Eisenbindungskapazi-

tät unterliegen dagegen großen indi- viduellen Schwankungen und sind daher weniger gut geeignet. Bei schwerer Myokardiopathie muß die Aderlaßtherapie vorsichtig und lang- samer als oben angegeben erfolgen.

Die sekundären Hämochromatosen können wegen der Grunderkran- kung, zum Beispiel einer Anämie, in der Regel nicht mit Aderlässen be- handelt werden. Daher muß bei An- ämieformen mit gestörter Regenera- tionsfähigkeit des roten Knochen- markes und erhöhten Eisendepots eine Therapie mit Eisenchelatbild- nern durchgeführt werden (16). Das handelsüblichste Medikament ist Desferrioxamin (Desferal®). Es bin- det Eisen zu etwa 10 Prozent seines Gewichtes und induziert die Aus- scheidung im Urin. Es passiert die Zellmembranen und wirkt haupt- sächlich auf den Ferritinpool der Le- berparenchymzelle. Darüber hinaus soll Desferrioxamin durch Eisenent- zug eine Hemmung der Kollagen- synthese und Verhinderung der fort- schreitenden Leberfibrose bewirken können. Eine Kombination der Ader- laßbehandlung mit der weniger ef- fektiven Desferrioxamintherapie ist bei primären Hämochromatose zu- meist nicht erforderlich. Eine zusätz- liche eisenarme Diät ist schwer durchführbar und auch eiweißarm, was in Anbetracht der Lebererkran- kung unerwünscht ist. Von Alkohol wird abgeraten.

Literatur

Forth, W.: Der epitheliale Transport von Eisen, Hämatol. Bluttransfus. 21 (1979) 1-11 - Hein- rich, H. C.: Serum-Ferritin ungeeignet als Kon- trollparameter der oralen Eisentherapie, Dtsch. med. Wschr. 102 (1977) 1788 - Kaltwas- ser, J. P.; Werner, E. und Becker, H.: Serum- ferritin als Kontrollparameter bei oraler Eisen- therapie, Dtsch. med. Wschr. 102 (1977) 1150-1155 - Powell, L. W.: Basset, M. L. und Halliday, J. W.: Hemochromatosis: 1980 Upda- te. Gastroenterology 78 (1980) 374-381 - Si- mon, M.; Bourel, M.; Genetet, B. und Fauchet, R.: Idiopathic hemochromatosis: demonstra- tion of recessive transmission and early detec- tion by family HLA typing, N. Engl. J. Med. 297 (1977) 1017-1021 - Strohmeyer, G.: Behand- lung der Hämochromatose, Verh. Dtsch. Ges.

Inn. Med. 84 (1978) 89-95

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Georg Strohmeyer Direktor der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik D Moorenstraße 15,4000 Düsseldorf

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