Bericht und Meinung NACHRICHTEN
Rentenversicherer warnen vor
„Maschinensteuer"
Neue Nivellierungstendenzen ma- chen sich in der Diskussion um die künftige Bemessung der Sozial- versicherungsabgaben bemerk- bar. Die Sozialdemokraten wollen die Arbeitgeberbeiträge zur Ren- tenversicherung nicht mehr an die Löhne koppeln, vielmehr an den wirtschaftlichen Ertrag der Betrie- be. Das Projekt „Maschinensteu- er" stößt indessen auf Ablehnung der Kranken- und Rentenversiche- rung sowie auf verfassungsrechtli- che Bedenken.
Die Rentenversicherung benötigt konjunkturunabhängige Beitrags- einnahmen. Die Wertschöpfung der Betriebe aber unterliegt weit stärkeren Schwankungen als die Gehaltssumme. Die Einnahmen sind dann nicht mehr kalkulierbar;
Bundeszuschüsse in einer wirt- schaftlichen Rezession machen noch mehr vom Staat abhängig.
Zusätzliche Probleme sehen die Sozialversicherungsträger im zu- sätzlichen Verwaltungsaufwand:
Die „Maschinensteuer" bremse die Rationalisierung und bestrafe somit den technischen Fortschritt.
Die beabsichtigte Umbasierung des Arbeitgeberanteils zur Sozial- versicherung in Richtung einer Zusatzgewinnsteuer ist nach Auf- fassung des Bonner Staatswissen- schaftlers Prof. lsensee mit dem Grundgesetz unvereinbar. Außer- dem würde sie den durch das Bun- desverfassungsgericht bestätigten Eigentumsschutz der Rente rück- gängig machen. Das Gericht hatte im Urteil vom 28. Februar 1980 zum Versorgungsausgleich Ren- ten und Rentenanwartschaften als Eigentum im Sinne von Artikel 14 des Grundgesetzes gewertet. Der Arbeitgeberbeitrag habe die Quali- tät des individuellen Arbeitsent- gelts und wahre die „Distanz zur Steuer", betonte Isensee. Ein um- satzorientierter Pauschalbeitrag in Form einer „Maschinensteuer", der — losgelöst vom Arbeitnehmer
— die gesamte Wirtschaft erfasse, ändere dagegen die Rechtsgrund- lage der Rente. Die individuelle Fürsorge des Arbeitgebers werde durch Kollektivsorge des Staates abgelöst. Das Renten-„Eigen- tum", das nach Ansicht Isensees Lebenssicherheit und Selbstbe- wußtsein wie das Privateigentum im Zeitalter des Liberalismus schaffe, werde damit zum Teil wie- der sozialisiert. gi
Krankenhausforschung:
Vier Projekte ausgeschrieben
Im Rahmen der krankenhauspoliti- schen Forschungen hat das Bun- desministerium für Arbeit und So- zialordnung vier Forschungsauf- träge ausgeschrieben: „Arzneimit- telpackungen für Krankenhäu- ser"; „Einsatz der Kosten- und Leistungsrechnung nach § 8 der
Krankenhausbuchführungsver- ordnung für Analysen und Ent- scheidungen im Krankenhaus";
„Qualitätssicherung und -kontrol- le pflegerischer Arbeit im Kran- kenhaus"; „Bestimmungsgründe der Krankenhauswahl".
Dem Deutschen Krankenhausin- stitut (DKI), Düsseldorf, ist bereits im Frühjahr dieses Jahres ein Auf- trag erteilt worden, eine „Bestands- aufnahme vorhandener Konzepte über die Erfassung, Messung, Be- wertung und Kontrolle von Effek- tivität im Gesundheitswesen"
durchzuführen.
Die Analyse soll dazu beitragen, Schwerpunkte bei der weiteren forschungsmäßigen Durchdrin- gung dieses Bereiches zu schaf- fen.
Die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt e. V., Bereich für Pro- jektträgerschaften „Strukturfor- schung im Gesundheitswesen"
(Linder Höhe, 5000 Köln 90) ist vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung mit der Pro- jektbegleitung betraut worden. HC
Appell an
Gesundheitsminister- konferenz
Die Deutsche Angestellten-Ge- werkschaft und der Marburger Bund haben in einem Schreiben an die Gesundheitsminister der Länder eine Sondersitzung der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) — noch vor dem für den 15.
November anberaumten Termin — gefordert.
Diese sei notwendig geworden, nachdem durch Zeitungsberichte über eine zunehmende Unruhe unter den Beschäftigten in den Krankenhäusern aufgrund einer unzureichenden Personalsituation berichtet wurde.
Die Gesundheitsministerkonfe- renz wird aufgefordert, unverzüg- lich Maßnahmen zu beschließen, die dem „besorgniserregenden Personalmangel in den Kranken- häusern in geeigneter Form" be- gegnen.
Nach Ansicht der DAG und des Marburger Bundes sollten unver- züglich die Personalbemessungs- werte der Deutschen Kranken- haus-Gesellschaft von 1974 bei der Erstellung der Stellenpläne zu:
grunde gelegt werden. Mehrheit- lich werden immer noch die Zah- len des Jahres 1969 angewandt.
Ergänzend dazu schlagen DAG und Marburger Bund vor, daß die Krankenhausträger ihren Perso- nalfehlbestand an die Arbeitsäm- ter melden, damit der derzeitige Fehlbestand an Fachkräften im Pflegebereich durch die vermehr- te Einstellung von Teilzeitkräften abgebaut werden könne.
Weiterhin sei es notwendig, die derzeitigen Ausbildungskapazitä- ten zu erweitern.
Dies setze aber voraus, daß Auszu- bildende in der Krankenpflege nicht mehr auf die Stellenpläne für das Krankenpflegepersonal ange- rechnet werden. EM
2218 Heft 38 vom 18. September 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT