• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Biersdorfer Krankenhausgespräche: Erneute Destabilisierung" (01.10.1999)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Biersdorfer Krankenhausgespräche: Erneute Destabilisierung" (01.10.1999)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

war beurteilen die AOK Rhein- land, Düsseldorf, und die Deut- sche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG), Düsseldorf, den gesund- heitspolitischen Ansatz, die Strategie und den Tiefgang der geplanten Ge- sundheitsreform unterschiedlich, einig sind sie sich jedoch in der Prognose, daß das Gesetz zu einer erneuten De- stabilisierung der Kassenfinanzen und einem kurzfristig wirksam werdenden Beitragssatzschub zwischen 0,3 und 0,6 Prozentpunkten führen wird.

Nach Einschätzung der Kran- kenhausgesellschaft kommen die weitreichenden system- transformierenden Wirkun- gen des Gesetzes der Kran- kenhausfinanzierungsreform von 1972 gleich. Auch für die AOK Rheinland wird die Reform die Versorgungsland- schaft grundsätzlich ändern.

Bei den 19. Biersdorfer Krankenhausgesprächen in Biersdorf (Eifel), an denen 280 Krankenhausmanager teilnahmen, konzedierte der

Vorstandsvorsitzende der AOK Rhein- land, Wilfried Jacobs, daß das Reform- gesetz der Bundesregierung grundsätz- lich richtig sei, zumindest einen roten Faden erkennen lasse. Viele der Re- formansätze seien aus der Sicht der Krankenkassen dringend notwendig und hätten schon früher angepackt werden müssen. Allerdings enthalte das Konglomerat von Paragraphen vie- le handwerkliche Mängel, die kurzfri- stig zu Nachbesserungen und erneuten Gesetzesrevisionen führen müßten.

Zudem seien zuviele Details in den Entwurf hineingepackt worden, so daß die Selbstverwaltung überfordert wer- de; die Erwartungshaltung der Politik könne so nicht erfüllt werden.

Noch sei es unklar, wie die Kran- kenkassen ebenso wie die Leistungser- bringer das auf die Landesebene her- untergebrochene Globalbudget um- setzen und mit Sanktionen bei einer Überschreitung des Budgetlimits be- wehren sollen. Die Krankenhäuser hätten den Fehler gemacht, viele im SGB V bereits seit sechs Jahren ver- ankerten Öffnungsklauseln zur besse- ren Abstimmung und Verzahnung des ambulanten mit dem stationären Sek- tor nicht mit Leben zu erfüllen und

vor allem das klinikambulante Ope- rieren zu forcieren. Jacobs räumte ein, daß das ambulante Operieren zusätz- liche Investitionen und ablauforgani- satorische Änderungen erforderlich mache und den Krankenhäusern an- fänglich Verluste einbringen werde.

Auf mittlere Sicht sei jedoch das am- bulante Operieren ein lohnendes Ge- schäft; die Ortskrankenkassen wür- den hier mitspielen, wenn über sek- torenübergreifende Maßnahmen ge- samtwirtschaftlich Ausgaben gedros- selt würden. Eine reine Abwehrhal- tung der Leistungsträger sei kein Mit- tel, um die krisenanfällige Finanzsi- tuation der Krankenkassen zu berei- nigen. Auch die geplanten Gesetzes-

änderungen lassen aus der Sicht von AOK-Chef Jacobs genügend Freiräu- me, um über weitere Strukturverträge und Modellvorhaben (gemäß § 63 ff.

SGB V) Lösungen zur Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung gemeinsam zu vereinbaren und ent- sprechende finanzielle und personelle Voraussetzungen zu schaffen. Ein von der Selbstverwaltung getragener Kostendämpfungspakt sei besser als ständige heckenschnittartige Inter- ventionen durch den Gesetzgeber.

Es sei falsch, den bisherigen Lei- stungsumfang bei ungebrochener An- spruchshaltung der Versicherten un- verändert zu lassen. Noch größer als die Finanzierungsprobleme auf der Ausgabenseite sei für die Kranken- kassen das Problem auf der Einnah- menseite – zumindest solange der Personenkreis der Pflichtversicherten unverändert und die Finanzierungs- basis der GKV lohnbezogen bleiben.

Die Erschließung neuer Finan- zierungsquellen seien aber nicht ge- eignet, strukturelle Fragen und Finan- zierungsprobleme zu lösen.

Mehr Wahlfreiheit

Aus der Sicht der AOK Rhein- land müßte der Leistungskatalog der Krankenkassen bei mehr Wahlfreihei- ten für die Versicherten aufgelockert werden. Allerdings müßten die medi- zinisch notwendigen und effizient er- brachten Leistungen innerhalb des GKV-Pflichtleistungskatalogs auch ohne gravierende Zuzahlungen wei- ter erbracht werden. Chronisch kran- ke und sozial schwache Versicherte müßten von Zuzahlungen grundsätz- lich ausgenommen bleiben.

Künftig müßten sämtliche Zwei- ge der sozialen Sicherung auf den Prüfstand gehoben werden. Es könne nicht angehen, so Jacobs, daß eine im- mer kleiner werdende Gruppe von er- werbstätigen Versicherten einen im- mer größeren Anteil von nicht er- werbstätigen Versicherten finanzie- ren müsse. Dadurch verschärfe sich die Finanzierungskrise in allen Versi- cherungszweigen. Zudem würde die Reformhektik zunehmen. Dies sei aber Gift für das System, das auf mehr Verläßlichkeit und Dauerbefriedung

bauen müsse. !

A-2414 (26) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999

P O L I T I K AKTUELL

Biersdorfer Krankenhausgespräche

Erneute Destabilisierung

Sowohl die AOK Rheinland als auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft prophezeien, daß die

Kassenfinanzen infolge des „Gesundheitsreformgesetzes 2000“ erneut destabilisiert werden.

Z

Wilfried Jacobs Foto: Frank Pfennigs Jörg Robbers Foto: Archiv/DKG

(2)

A-2416

P O L I T I K AKTUELL

(28) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999 Die AOK Rheinland befürwor-

tet sektorenübergreifende Praxisnet- ze auch in Verbindung mit den Kran- kenhäusern. Derjenige Leistungsträ- ger müsse die Leistungen marktge- recht erbringen, der bedarfsnotwen- dig ist und zu marktgerechten Preisen bei angemessenem Qualitätsstandard zu leisten bereit ist. Auch bei einem Globalbudget seien mehr Wettbe- werb und Strukturgestaltung durch die Selbstverwaltung möglich.

Jacobs gibt der wohnortnahen Rehabilitation und Anschlußheilbe- handlung den Vorrang vor wohnort- fernen stationären Maßnahmen der Rehabilitation. Die bisherige Rehabi- litationspraxis und die Verschickung in den Kurlaub sei zwar für den Kur- patienten angenehm, für die Kran- kenkassen jedoch ein teures, nicht un- bedingt notwendiges Beiwerk.

Im Hinblick auf den geplanten Kapazitäts- und Bettenabbau postu- liert Jacobs: Es ist besser, ganze Kran- kenhäuser, die nicht mehr bedarfsnot- wendig sind oder unwirtschaftlich ar- beiten, zu schließen, als die Klinikbet- ten nur durchzulüften. Leerstehende Klinikbetten könnten auch für andere soziale Zwecke umgewidmet werden.

Reform aussetzen!

Jörg Robbers, Hauptgeschäftsfüh- rer der DKG, sprach sich dafür aus, die Gesundheitsreform auszusetzen oder um mindestens ein Jahr zu verschie- ben. Besser sei es, unter den engen Vorgaben des „GKV-Solidaritätsstär- kungsgesetzes“ zu arbeiten und recht- zeitig ein tragfähiges Konzept aus eige- ner Kraft dem Gesetzgeber zu unter- breiten. Die DKG prognostiziert, daß die Krankenkassen bei Wegfall des Be- standsschutzes ab dem Jahr 2003 dar- auf drängen werden, nur noch bedarfs- notwendige Krankenhäuser „einzu- kaufen“. Aus der Standortplanung, die vom Land beaufsichtigt wurde, würde dann eine reine Kapazitätsplanung, oh- ne Rücksicht auf die flächendeckende Versorgung. Bei der Investitions- und Personalkostenfinanzierung und bei einem Wegfall der Länderfinanzierung erlitten die Krankenhäuser bis zum Jahr 2008 Einbußen in Höhe von bis zu 10,5 Milliarden DM. Entlassungen sei- en die Folge. Dr. Harald Clade

ie im Internet-Forum des Deut- schen Ärzteblattes geäußerten Meinungen zur „Zwangspen- sionierung“ von Kassenärzten mit Voll- endung des 68. Lebensjahres sind ge- spalten: Für die Befürworter der noch von Horst Seehofer initiierten Rege- lung ist die „Solidarität mit unseren jüngeren Kollegen das entscheidende Argument für einen zeitigen Rückzug aus der Praxis“ (Dr. med. Hans D.

Menne). „Warum nicht aufhören, wenn’s am schönsten ist?“, fragt Dr.

med. R. Stolze. Zudem schütze das neue Gesetz „viele Patienten vor dem fehlerbeladenen Helfersyndrom von Ärzten mit Unabkömmlichkeitswahn“

(Dr. med. H. W. Pollack). Gegner wer- ten die neue Altersgrenze als „staatli- che Zwangskastration des Kreativen“

(Dr. med. Alexander Ruschitschka) und fürchten um die Berufsfreiheit der Ärzte. Nicht wenige Diskussionsteil- nehmer fragen, warum nicht auch die für die Gesetzgebung verantwortlichen Politiker mit 68 Jahren in Rente gehen müssen. Dr. med. Eberhard W. Grund- mann macht darauf aufmerksam, daß auch der neu gewählte Bundespräsi- dent Johannes Rau bereits die Pen- sionsgrenze überschritten hat.

Die besonderen Probleme der ostdeutschen Vertragsärzte liegen Dr.

med. Hartmut Franke aus Berlin am Herzen. Er schreibt: „Wenn sie mit 50, 51 Jahren 1990 bis 1993 in die ,Zwangsniederlassung‘ mußten, Kre- dite mit zwölfjähriger Laufzeit abzah- len und kein Versorgungswerk haben, sieht die Situation ganz anders aus – 40 bis 50 Prozent der Kollegen im Osten sind in der Lage, bis zum bitte- ren Ende durcharbeiten zu müssen.“

Die gegenwärtige Honorierung – er selbst verzeichne einen Umsatzrück- gang von über 30 Prozent – sorge für noch trübere Aussichten.

Qualitätsprüfungen statt Altersgrenze

Regelmäßige Überprüfungen der Leistungsfähigkeit von Vertragsärzten anstelle einer Zwangspensionierung fordert Dr. med. Regina Ströbele. Ein Abfragen aktueller medizinischer Standards (zum Beispiel die adäquate Diagnostik, Behandlung und Überwa- chung bei Diabetes mellitus) sowie die Überprüfung der Einhaltung von Be- stimmungen des Vertragsarztrechts (von „Abrechnungszifferlegenden“ bis zur „Zwangsverpflichtung von unter- bezahlten Weiterbildungsassistenten zur Übernahme des Notdienstes“) sei- en sinnvoller als eine vorgeschriebene Altersgrenze. Darüber hinaus könne mit Einführung einer solchen Prüfung auch manch andere aufwendigere Maßnahme zur Qualitätssicherung im ambulanten Bereich entfallen. Auf nur geringe Resonanz stieß die Idee von Dr. med. Wolfgang Albath, Betroffene gegen die „Eingriffe in die berufliche Betätigungsfreiheit der Ärzteschaft“

zu mobilisieren. An seiner Umfrage, die sich an Ärzte der Jahrgänge 1929 bis 1931 richtete, beteiligten sich ledig- lich 140 von 6 000 Angeschriebenen.

„Im Ergebnis kann man nicht hoffen, eine schlagkräftige Initiative auf die Beine stellen zu können, die tatkräf- tig die fehlerhaften Entscheidungen des Gesetzgebers angreift“, resümiert

Albath. Jens Flintrop

Zwangspensionierung/Kassenärzte

Aufhören, wenn es am schönsten ist?

Etwa 2 200 Kassenärzte verlieren 1999 aus Altersgründen ihre Zulassung. Es greift eine neue Regelung vom

1. Januar, die in der Ärzteschaft weiterhin umstritten ist, wie die Beiträge im DÄ-Internet-Forum belegen.

D

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Um den „Nutzen“ einer Methode in der vertragsärztlichen Versorgung bewerten zu können, muss vor al- lem die Frage be- antwortet werden, ob sich diese Me- thode

Die Bremer Krankenkassen beteiligen sich seit einigen Jahren auch an der gesundheitsbezogenen Selbsthilfeförderung der öffentlichen Hand, die durch die Gesundheitsämter in Bremen

Die Erkenntnis, dass Gebärmutterhals- krebs durch Viren ausgelöst wird, brachte die Wissenschaftler schnell auf die Idee, der Erkrankung mit einer Impfung gegen den Erreger

Die Bremer Krankenkassen beteiligen sich seit einigen Jahren auch an der gesundheitsbezogenen Selbsthilfeförderung der öffentlichen Hand, die durch die Gesundheitsämter in Bremen

Der Solidaritätsbeitrag (Soli) wird beibehalten, soll aber zukünftig nicht mehr für die Finan zierung der deutschen Einheit verwendet werden, son­. dern an junge Apotheker bis

faktoren einer Krankenkasse spielen bei den Versicherten offenbar eine eher un- tergeordnete Rolle: 57,3 Prozent der Be- fragten meinen, es sei wichtig, dass es sich bei der von

Statt sich an die Spitze der laufenden Bundestagsinitiative zu setzen, die die seit Jahren bekannten Qualitäts- mängel bei der Früherkennung von Brustkrebs und der Versorgung

Danach sollen die Ausgaben der Kassen für die qualifi- zierte ehrenamtliche Sterbebegleitung im Rahmen ambulanter Hospizdienste im Jahr 2002 für jeden Versicherten 0,15