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Archiv "Die Gesetzesvorschriften" (17.03.2000)

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as zum 1. Juli 1994 in Kraft getretene „Gesetz zur Ver- einheitlichung und Flexibili- sierung des Arbeitszeit- rechts“ schreibt für Arbeitnehmer tägliche Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten vor (siehe Ka- sten). Ziel des Arbeitszeitgesetzes ist es, die Sicherheit und den Gesund- heitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährlei- sten. Seit dem 1. Januar 1996 gilt das Gesetz auch im Krankenhaus. Walter Riester (SPD), Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: „Der Schutz des Krankenhauspersonals vor Überbeanspruchung kommt auch dem Patienten zugute. Die Einhal- tung der rechtlichen Bestimmungen liegt deshalb letztlich auch im Interes- se der Krankenhausträger als Arbeit- geber.“

Die Realität sieht anders aus.

Vier Jahre nach In-Kraft-Treten gibt es immer noch massive Verstöße ge- gen das Arbeitszeitgesetz im Kran- kenhaus: Ruhezeiten werden nicht eingehalten, Überstunden nicht in Freizeit abgegolten, geschweige denn bezahlt. Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärzte- kammer, kritisierte am 17. Dezember in Düsseldorf die „paralegalen“ Be- schäftigungsformen von jungen Ärz- ten im Krankenhaus: „Oftmals teilen sich zwei bis drei Kolleginnen und Kollegen eine Planstelle, beziehen an- teilig das Gehalt, arbeiten tatsächlich aber Vollzeit.“ Die Ärztinnen und

Ärzte in den Kliniken leisteten jähr- lich mehr als 50 Millionen Überstun- den ohne Bezahlung oder entspre- chenden Freizeitausgleich.

In einer Umfrage des Deutschen Ärzteblattes variieren die Schätzun- gen darüber, wie viele Stunden Weiter- bildungs- und Assistenzärzte durch- schnittlich die Wo- che arbeiten, zwi- schen 40 bis 50 Stun- den (Verband der Krankenhausdirek- toren Deutschlands, VDK) und 70 bis 80 Stunden (Ärzte- kammer Hamburg).

„Tarif und Wirklich- keit klaffen weit auseinander, gesi- cherte statistische Aussagen fehlen“, urteilt Dr. jur.

Ulrich Kirchhoff, Hauptgeschäftsfüh- rer der Ärztekam- mer Niedersachsen.

Krankenhaus

Überstunden zum Wohle der Karriere!

Gerade junge Krankenhausärzte arbeiten oft mehr, als das Gesetz erlaubt. Aus Angst vor Sanktionen melden sie Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz jedoch nur selten.

Das ergab eine Umfrage des Deutschen Ärzteblattes.

D

❃ Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 3 ArbZG). Daraus ergibt sich – bei sechs Werk- tagen in der Woche – eine höchstzulässige wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden beziehungsweise, bei Verlänge- rung auf zehn Stunden und späterem Ausgleich, von 60 Stun- den.

❃ Die Arbeit ist durch im Voraus feststehende Ruhepau- sen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Ar- beitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbre- chen (§ 4 ArbZG).

❃ Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der tägli- chen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von minde- stens elf Stunden haben (§ 5 Abs. 1 ArbZG).

❃Die Dauer der Ruhezeit . . . kann in Krankenhäusern . . . um bis zu eine Stunde verkürzt werden, wenn jede Verkürzung der Ruhezeit innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens zwölf Stunden ausgeglichen wird (§ 5 Abs. 2 Arb ZG).

❃Abweichend . . . können in Krankenhäusern . . . Kür- zungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahme während des Bereitschaftdienstes oder der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten aus- geglichen werden (§ 5 Abs. 3 ArbZG).

❃Die Ordnungswidrigkeit kann . . . mit einer Geldbuße bis zu 30 000 DM . . . geahndet werden (§ 22 Abs. 2 ArbZG).

Wer eine der . . . bezeichneten Handlungen 1. vorsätzlich be- geht und dadurch Gesundheit oder Arbeitskraft eines Arbeit- nehmers gefährdet oder 2. beharrlich wiederholt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft

(§ 23 Abs. 1 ArbZG). ✮

Die Gesetzesvorschriften

(2)

Auch der VDK räumt ein, dass es

„Ausnahmen“ gebe, in denen Kran- kenhausärzte mehr als gesetzlich zulässig arbeiteten.

Weiterbildung nur

außerhalb der Arbeitszeit

„Sie verlassen die Station nicht, wenn eine OP ansteht oder wenn Sie Menschen in Not sehen“, nennt Dr.

med. Hannelore Machnik, Ärztin an der Klinik für Innere Medizin der Me- dizinischen Universität zu Lübeck, Vorsitzende des Marburger Bundes Schleswig-Holstein, einen der Gründe für die vielen Überstunden der Kran- kenhausärzte: die Sorgfaltspflicht ge- genüber den Patienten. Aber auch um die in der Weiterbildungsordnung ge- forderten Leistungen zu erfüllen, bleibt vielen Jungärzten nichts anderes übrig, als „freiwillig“ mehr zu arbeiten. „Häu- fig findet eine Qualifizierung wie zum Beispiel Sonographie oder Endoskopie nur außerhalb der regulären Arbeits- zeiten statt, da die Patientenversorgung Vorrang hat und eine Weiterqualifizie- rung nur durch zusätzliches Engage- ment erfolgen kann“, heißt es in einer Stellungnahme der Landesärztekam- mer Hessen.

Zudem ist der Konkurrenzkampf unter den jungen Ärzten groß. War die Weiterbildungszeit im Krankenhaus früher nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu einer eigenen Praxis, ha- ben sich die Rahmenbedingungen mit Einführung der verschärften Bedarfs- planung in der ambulanten Versorgung (1993) grundlegend verändert. Die Be- darfsplanung bedeutet faktisch vielfach eine Niederlassungssperre. Der Ar- beitsplatz Krankenhaus ist damit zum Dauerarbeitsplatz auch für Assistenz- ärzte geworden; den „ideellen Gegen- wert“ für Überstunden und Nachtdien- ste gibt es nicht mehr. „Leitende Ärzte, die selbst mit einer hohen Zahl von Überstunden groß geworden sind, set- zen unbegrenzt einsetzbare Mitarbei- ter voraus. Bedauerlicherweise hat die Gruppe der Chefärzte das wenigste Verständnis für die Belange ihres eige- nen Berufsstandes“, ergänzt Dr. med Günther Jonitz, selbst Klinikarzt und Präsident der Ärztekammer Berlin.

Ärzten, die sich nicht fügen, droht die Arbeitslosigkeit: 11 449 Ärz-

te meldeten sich im Dezember 1999 bei der Bundesanstalt für Arbeit.

Wer bei seinen Vorgesetzten in Un- gnade fällt, muss befürchten, dass ihm Karrierechancen verbaut werden oder dass sein Arbeitsvertrag nicht

verlängert wird. „Befristete Arbeits- verträge, Erfüllung der in der Weiter- bildungsordnung geforderten Lei- stungen, Reduzierung der Arztstellen wegen Steigerung des Kostendrucks durch Budgetierung und längst über-

Mehrarbeit kann nicht mehr vertuscht werden

Am Unfallkrankenhaus Berlin-Marzahn haben sich Gewerkschaften und Ar- beitgeber auf einen Haustarifvertrag zur Arbeitszeitgestaltung für die Beschäftigten geeinigt. Nach der Einigung über die Arbeitszeitgestaltung finden jetzt Verhandlun- gen über einen Haustarifvertrag zur Vergütung statt. Bislang wird nach BAT be- zahlt. Thema der Vergütungsverhandlungen sind unter anderen leistungsabhängige Vergütung und eine „Verschlankung“ des BAT-Systems der Lebensaltersstufen.

Erst wenn beide Vertragsteile unterzeichnet sind, tritt der Haustarifvertrag in Kraft.

Wichtige Bestimmungen des Haustarifvertrages zur Arbeitszeitgestaltung:

❃ Arbeitszeit: Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ohne Pausen durchschnittlich 40 Wochenstunden (Berechnungszeitraum ein Jahr). Die tägliche dienstplanmäßige Arbeitszeit darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 26 Wochen der Acht-Stunden-Durchschnitt nicht überschritten wird. Innerhalb von 26 Wochen dürfen die tägliche dienstplan- mäßige Arbeitszeit und die Überstunden den Acht-Stunden-Durchschnitt nicht übersteigen. Wird der Beschäftigte im Anschluss an die werktägliche Arbeitszeit zu einem Bereitschaftsdienst der Stufe C oder D herangezogen, ist ihm unmittelbar da- nach eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren.

❃ Zeiterfassung erfolgt durch ein elektronisches System auf Chipkartenbasis.

Der Angestellte hat Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit mitzuteilen. Die Differenz zum Soll der dienstplanmäßigen Arbeitszeit entspricht den Mehr- oder Minderstunden.

❃ Arbeitzeitkonto: Ein Arbeitszeitkonto wird jeweils für ein Jahr vom Arbeit- geber eingerichtet und geführt. Mehr- oder Minderstunden am Jahresende werden auf das nächste Jahr übertragen. 400 Mehr- oder 100 Minderstunden dürfen nicht überschritten werden. In der Regel sollen Mehrstunden 240, Minderstunden 50 Stunden nicht überschreiten (grüne Zone). Zwischen 240 und 320 Mehrstunden be- ziehungsweise 50 und 70 Minderstunden (gelbe Zone) ist der Angestellte gehalten, wieder in die grüne Zone zu gelangen. Bei mehr als 320 Mehr- und 70 Minderstun- den (rote Zone) muss der Angestellte in Abstimmung mit dem Arbeitgeber zurück in die gelbe Zone kommen. Ergreift er innerhalb einer Woche keine Initiative, darf der Arbeitgeber Zeitausgleich anordnen. Die Soll-Zeit wird mit dem Faktor 1,0 er- fasst. Diese Ist-Zeit wird zur Berücksichtigung von Nachtarbeit, Wochenend- und Feiertagsarbeit, Überstunden, Bereitschafts- und Hintergrunddienst mit einem jeweiligen Faktor multipliziert (Faktorisierung).

❃ Mehrarbeit erreichen die Angestellten durch Faktorisierung, aufgrund eige- ner Entscheidung, durch angeordnete Überstunden und Nachtarbeit oder durch Ableistung von Bereitschafts- und Hintergrunddienst, soweit diese als Arbeitszeit gewertet werden. Als angeordnete Überstunden gilt auch Arbeitszeit, die nicht dienstplanmäßig beendet werden kann, weil die entsprechende Tätigkeit nicht unterbrochen werden darf.

❃ Minderstunden entstehen durch kürzere dienstplanmäßige Arbeit aufgrund eigener Entscheidung.

❃ Ausgleich für Mehrstunden:

– Bei Mehrstunden aufgrund von Faktorisierung oder durch angeordnete Überstunden entscheidet der Angestellte zwischen Bezahlung und Freizeit.

– Bei Mehrstunden aufgrund eigener Entscheidung und Nachtarbeit gibt es nur Freizeitausgleich; kommt der aus betrieblichen Gründen innerhalb von 90 Ta- gen nicht zustande, hat der Angestellte Anspruch auf Bezahlung.

– Bei Mehrstunden aufgrund von Bereitschafts- und Hintergrunddienst ist Freizeit zu nehmen, insofern sie durch die Arbeitszeitregelung zwingend vorge- schrieben ist. Für verbleibende Mehrstunden kann zwischen Freizeit und Bezah-

lung gewählt werden. ✮

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holte (hierarchische) Organisations- strukturen führen bei den Weiter- bildungsassistenten zu zahllosen (un- bezahlten) Überstunden“, umschreibt Dr. med. Jörg-Peter Vandrey, Ge- schäftsführer des Marburger Bundes Mecklenburg-Vorpommern, die Mi- sere.

Aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, nur noch minderwertige Arbeiten verrichten zu dürfen und schlechte Zeugnisse zu erhalten, gibt es kaum Ärzte, die sich gegen die herrschenden Zustände zur Wehr set- zen. „Die stummen Schreie der Assi- stenten sind bedenklich“, bemerkt Oberarzt Hans-Jürgen Jesberger, Vizepräsident der Ärztekammer des Saarlandes. Die „Frankfurter Rund- schau“ kommentiert: „Hier wächst ei- ne Generation von Kriechern heran.“

Ihr Rat an die Bürger: „Werden Sie bloß nicht krank.“

Falsche Buchführungen

Verstöße gegen das Arbeitszeit- gesetz im Krankenhaus werden nur in Einzelfällen gemeldet, weil die Assis- tenzärzte Angst vor Sanktionen ha- ben. Wo kein Kläger, da kein Richter.

Beschwerden gehen, wenn über- haupt, anonym ein. Dies ist für die Aufsichtsbehörden allerdings kein Problem: „Wenn wir den Namen des betreffenden Krankenhauses haben, so reicht das“, erläutert Dieter Han- ke, Leiter des Staatlichen Amtes für Arbeitsschutz in Köln. Das Amt sei verpflichtet, jedem Hinweis nachzu- gehen und vor Ort in den Personal- Buchführungen die Arbeitszeiten zu kontrollieren. „Fraglich ist natürlich, ob diese richtig sind“, räumt Hanke ein. Theoretisch hat seine Behörde die Möglichkeit, Geldbußen bis zu 30 000 DM und sogar Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr für die verantwortli- chen Arbeitgeber zu verhängen – in der Praxis ist das noch nicht vorge- kommen. Tatsächlich wird in den we- nigsten Krankenhäusern ordnungs- gemäß Buch geführt über die geleiste- ten Überstunden der Weiterbildungs- und Assistenzärzte.

Der Marburger Bund (Verband der angestellten und beamteten Ärz- tinnen und Ärzte Deutschlands) for- dert seit Jahren die Einführung von

elektronischen Zeiterfassungssyste- men, damit die Mehrarbeit von Kran- kenhausärzten nicht mehr vertuscht werden kann. Am Unfallkrankenhaus Berlin-Marzahn haben sich die Tarif- partner bereits auf die Einführung ei- nes Chipkartensystems zur Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeiten geei- nigt (siehe Kasten). Verhandlungen über das dazugehörige Vergütungssy- stem stehen allerdings noch aus. „Der Tarifvertrag über die Arbeitszeitge- staltung am Unfallkrankenhaus Ber- lin-Marzahn könnte Modell ste- hen für eine BAT-Reform“, meint Lutz Hammerschlag, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Tarifexper- te des Marburger Bundes. MB-Haupt- geschäftsführer Dr. jur. Dieter Boeck spricht sich für

ein Verbands- klagerecht aus.

Anders sei es schwer, gravie- rende Verstöße gegen das Ar- beitszeitgesetz vor Gericht zu bringen. „Es ist unmöglich, ei- nen spektaku- lären Prozess zu führen, da wir dazu einen persönlich be- troffenen Klä- ger brauchen.

Aus Angst um den Job und

vor Konsequenzen für die berufliche Zukunft ist aber kaum jemand bereit, gegen sein Krankenhaus zu klagen“, argumentiert Boeck.

Deutlicher Mehrbedarf an Planstellen

Sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgebervertreter sind sich einig, dass zusätzliche Stellen im Kranken- haussektor geschaffen werden müs- sen, um das Arbeitszeitgesetz in den Krankenhäusern konsequent umset- zen zu können. Hammerschlag schätzt den Mehrbedarf an Planstel- len im krankenhausärztlichen Dienst auf 20 000. Jonitz macht folgende Rechnung auf: „Ein Arzt arbeitet bei circa 230 Arbeitstagen und einer ver-

traglich festgeschriebenen 38,5-Stun- den-Woche 1 771 Stunden pro Jahr.

Etwa 100 000 Assistenzärzte bundes- weit leisten durchschnittlich eine Überstunde pro Tag, wovon nur etwa 20 Prozent bezahlt oder in Freizeit abgegolten werden. Bei 230 Arbeits- tagen entspricht dies 18 400 000 un- bezahlten und nicht in Freizeit abge- goltenen Überstunden. Die Zahl der unbezahlten Überstunden, verteilt auf dadurch notwendige Arztstellen zum Abbau der derzeit geleisteten und nicht abgegoltenen Überstun- den, entspricht somit 10 390 Stellen.“

Der VDK geht – „bei konsequenter, aber unrealistischer Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes“ – von einem Mehrbedarf an Planstellen im kran-

kenhausärztlichen Dienst in einer Größenordnung von zehn Prozent aus. Für eine Umsetzung des Ar- beitszeitgesetzes fehle allerdings die Finanzierung durch die Kranken- kassen.

Auch Machnik hat das zu gering bemessene Krankenhausbudget als Hauptproblem ausgemacht: „Die jet- zige Situation mit Personaldefizit und Kostenbegrenzung ist nicht kosten- neutral zu ändern: Für neue Planstel- len ist kein Geld da, und die Kranken- häuser können ihre Leistungen we- gen des Wettbewerbdrucks nicht ein- grenzen. Da dreht man sich im Kreis.“ Hoppe schätzt, dass die Kli- nikversorgung in Deutschland zehn Milliarden DM teurer wäre, wenn die Stellenpläne entsprechend auf- gestockt würden, um die tatsächlich Der Dienstplan ist voll: Junge Ärzte sind gezwungen, „freiwillig“ mehr zu arbeiten, um die in der Weiterbildungsordnung geforderten Leistungen zu erfüllen. Foto: Peter Wirtz

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geleistete Arbeit angemessen zu ver- güten.

Aber ist das Problem wirklich nur durch eine Budget-Aufstockung zu lösen? Nach Auffassung von Horst Kammal, Geschäftsführer des Mar- burger Bundes Saarland, scheitert die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes im Krankenhaus zurzeit nicht an den Finanzen, „sondern an dem Wider- stand von Verwaltungen und einzel- nen Chefärzten“. „Viele Chefärzte und Verwaltungen übergehen das Thema arrogant“, meint Jesberger.

Hammerschlag schlägt vor, die Ar- beitsämter in die Finanzierung neuer Stellen im Krankenhausbereich ein- zubinden: „Wenn die Krankenhäuser ihre Ärzte nach jeder Tagesschicht heimschickten, könnten sie für die be- zahlten Bereitschaftsdienste 80 000 DM je Arzt im Jahr sparen. Eine neue Stelle würde die Krankenhausträger 120 000 DM kosten. Die Differenz von 40 000 DM könnte das Arbeits- amt bezahlen, das ja sonst das Ar- beitslosengeld für den arbeitslosen Arzt tragen müsste. Ärgerlich, die können einfach nicht rechnen.“ Jonitz ist der Meinung, dass eine interne Krankenhausreform – „die wesentlich die Bedürfnisse der Patienten und derjenigen Mitarbeiter einbezieht, die diese Patienten unmittelbar betreu- en“ – unumgänglich ist. Insbesondere die Arbeitszeiten der Kranken- hausärzte müssten besser strukturiert, organisiert und mitarbeiterorientier- ter gestaltet werden.

❃Derweil sind die Tarifverhand- lungen zu den Arbeitszeitregelungen für die Beschäftigten in Krankenhäu- sern, die am 14. und 15. Februar in Bad Oeynhausen stattfanden, ergeb- nislos auf den 23. März vertagt wor- den (zum siebten Mal!). Streitpunkte für den Krankenhausbereich sind die Dauer der täglichen Arbeitszeit und die Einhaltung von Ruhezeiten nach arbeitsintensiven Bereitschaftsdien- sten – Punkte, die das Arbeitszeitge- setz eigentlich genau festschreibt.

Dr. med. Frank Ulrich Mont- gomery, Vorsitzender des Marburger Bundes: „Das Arbeitszeitgesetz gilt seit mehr als drei Jahren, und für vie- le Kliniken ist es immer noch ein Fremdwort. Der ununterbrochene 32-Stunden-Dienst ist immer noch Realität.“Jens Flintrop

it differenzialdiagnostischen Methoden ergänzt die am- bulante Gastroenterologie die Basisdiagnostik und -therapie, die in Praxen von Allgemeinärzten und Ärzten der Inneren Medizin durchge- führt wird.

Klare Ausrichtung der Infrastruktur

Durch die fortschrittliche Technik und ein im Umgang mit dieser Technik erfahrenes Personal können gastro- enterologische Krankheiten weitge- hend ohne Krankenhauseinweisung ambulant diagnostiziert und thera- piert werden. Krankenhauseinweisun- gen werden nur dann erforderlich, wenn der Status des Patienten zwin- gend eine pflegerische Krankenhaus- leistung erfordert oder ein ergänzen- der operativer Eingriff notwendig ist.

Charakteristisch für das ZI-Refe- renzmodell für die gastroenterologi- sche Schwerpunktpraxis sind folgen- de Besonderheiten:

❃Die konkret aufgelistete und kalkulierte Infrastruktur erfüllt appa- rativ und personell die geforderten hohen Qualitätsanforderungen. Dies gilt insbesondere auch für den Hygie- nestandard.

❃Der große Leistungsumfang garantiert eine hohe Kapazitätsaus- lastung.

Auf der Grundlage vorliegen- der Investitionskalkulationen ver- schiedener Firmen und Schätzungen des Zentralinstituts auf der Basis von Kostenstrukturanalysen in Arzt- praxen wird für die Ausstattung ei- ner gastroenterologischen Praxis mit der notwendigen Medizintechnik, den Büro- und Funktionsmöbeln so- wie den Bürogeräten in den Kern- bereichen mit einer Investitions- summe von 802 000 DM gerechnet (zur Investitionsstruktur vergleiche Tabelle).

Die laufenden jährlichen Be- triebskosten einer gastroenterologi- schen Praxis errechnen sich mit 551 644 DM ohne Arzthonorar. Die Kosten der Praxen entstehen in den verschiedenen Funktionskostenstel- len und Gemeinkostenstellen.

Verursachungsgerechte Kostenstellenrechnung

Die Gesamtkosten der Modell- praxis müssen deshalb nach einzelnen Kostenarten verursachungsgerecht den einzelnen Funktions-/Gemein- kostenstellen zugeordnet werden.

Einzelne Kostenarten, wie zum Bei- spiel Medizintechnik und die daraus resultierenden Abschreibungen, sind aufgrund der Standorte zu den Kostenstellen eindeutig zuordenbar.

Andere Kostenarten werden über Verrechnungsschlüssel den Kosten- stellen zugeordnet. Hierzu gehören beispielsweise Raumkosten, die sich relativ leicht nach den benutzten Quadratmetern in den Kostenstellen zuschlüsseln lassen. Für Kostenarten

Qualitätsmanagement

Gastroenterologische Modellpraxis

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung entwickelt ein Referenzmodell für eine gastroenterologische Schwer- punktpraxis, das die Qualitätsanforderungen erfüllt und bei hoher Kapazitätsauslastung kostendeckend kalkuliert wird.

Projektbericht: Dr. rer. pol. Gerhard Brenner und Dipl.-Kfm. Wolfgang Bogumil, Köln; Dr.

med. Erik von Fritsch, Erlangen: Standardkal- kulation in der ambulanten gastroenterologi- schen Schwerpunktpraxis – Basis für eine transparente Finanz- und Versorgungsstruktur

M

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wie Personalkosten, wo das Personal nicht eindeutig nur in einer Kosten- stelle arbeitet, müssen ebenfalls Ver- rechnungsschlüssel entwickelt wer- den, um die Personalkosten in Ab- hängigkeit von der Inanspruchnahme auf die einzelnen Kostenstellen umzu- legen.

In der Kalkulation ergeben sich für die Koloskopie je Leistung (1 200 Koloskopien je Jahr) Kosten von 252,03 DM, für die Gastroskopie (1 200 Gastroskopien je Jahr) sind dies 154,02 DM.

Leistungsverlagerung in die ambulante Versorgung

Die kalkulatorischen Berech- nungen des Zentralinstituts für die gastroenterologische Schwerpunkt- praxis stehen nicht im Gegensatz zu den Honorarberechnungen der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung im EBM, dessen Grundlage die gegen- wärtige Form endoskopischer Lei- stungserbringung in unterschiedlich organisierten Arztpraxen ist. Die höheren Kosten einer gastroentero- logischen Schwerpunktpraxis sind dann zu begründen, wenn eine Kon- zentration der gastroenterologischen Leistungen mit daraus resultierender Verlagerung von Krankenhauslei- stungen in den ambulanten Bereich erfolgt.

Zurzeit werden im Kranken- haus (1997) jährlich rund 1,3 Mil- lionen gastroenterologisch relevan- te Krankheitsfälle der Verdauungs- organe behandelt und verursachen rund 15 Millionen Krankenhausta- ge.

Schätzungsweise 29,5 Prozent dieser Krankenhausfälle könnten bei entsprechender Einbettung der Ga- stroenterologie als Schwerpunktfunk- tion eines neuen Versorgungsmodells im ambulanten Bereich behandelt werden. Ein Verlagerungspotenzial von 2,4 Milliarden DM steht damit zur Diskussion.

Dr. rer. pol. Gerhard Brenner Dipl.-Kfm. Wolfgang Bogumil Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung Höninger Weg 115

50969 Köln Gastroenterologische Modellpraxis – Funktionsbereiche, Raumbedarf, Investitionsvolumen

Funktionsbereiche Raumbedarf Investitions-

in m2 volumen DM inkl. MwSt.

Kernbereiche

1. Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, 3 flexible 15 164 000 Endoskope mit Videoausstattung einschließlich

Photodokumentation + fahrbare Liegen

2. Koloskopie, 3 flexible Endoskope mit Video- 30 164 000 ausstattung einschließlich Photodokumentation

+ fahrbare Liegen

3. Proktologie 15 29 000

4. Ultraschall für Abdominaldiagnostik (in 8) 80 000 Basisausstattung

5. Röntgendurchleuchtung (C-Bogen, fahrbar) (in 2) 130 000 zur Lagekontrolle

6. Notfall-Labor 10 10 000

7. Sprechzimmer/Untersuchungseinheit 30 25 000

8. Rezeption/Wartebereich/Büromöbel ohne 50 39 000

EDV-Anlage

EDV-Anlage 21 000

9. Ruhe-/Überwachungsbereich (4 Liegeplätze) 20 10 000

10. Hygiene/Sterilisation 10 50 000

11. Sozialbereich/Archiv/Entsorgung/Toiletten 45 30 000 20% Zuschlag auf Raumbedarf für allgemeine 45

Verkehrsflächen

12. Kleingeräte im gastroenterologischen Bereich 50 000

Summe Kernbereiche 270 802 000

Zusatzbereiche

13. Endoskopisch-retrograde Pankreasdiagnostik 30 142 000 (ERCP)

14. Ultraschall für abdominale Duplexsono- 15 170 000 graphie Ausbau zur Basisausstattung (4)

flexible Endosonographie 200 000

interventionelle Sonographie (Zusatzgeräte) 18 000

Funktionsdiagnostik 10 15 000

Summe Zusatzbereiche 55 545 000

Tabelle

Referenzen

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