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Archiv "Komitee Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte: Kritik am Führungsstil des Vorsitzenden" (29.08.1994)

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POLITIK REPORTAGE

Komitee Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte

Kritik am Führungsstil des Vorsitzenden

Seit 15 Jahren sind Ärzte, Schwestern, Pfleger und Techniker für das „Komitee Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte" in Krisen- und Ka- tastrophengebieten weltweit im Einsatz. Daß dafür Opfer gebracht werden müssen, sehen die Beteiligten als selbstverständlich an. Auf weniger Verständnis dagegen stößt zum Teil die Arbeitsweise des

Vorsitzenden der humanitären Hilfsorganisation, Dr. phil. Rupert Neudeck. Ihm werfen ehemalige Mitarbeiter vor, er agiere selbst- herrlich und autoritär. Neudeck möchte sich zu den Vorwürfen aller- dings nicht äußern. Betroffene berichten, welche Auswirkungen der Führungsstil Neudecks auf die Arbeit in den Projekten hat.

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m Februar 1979 half eine Grup- pe engagierter Leute vietnamesi- schen Flüchtlingen bei ihrem Ex- odus über das südchinesische Meer. Der Name des ersten Flücht- lingsschiffes war Cap Anamur. Das Projekt, bei dem im Verlauf von drei Jahren knapp 10 000 boat people ge- rettet wurden, machte die Hilfsorga- nisation in der Öffentlichkeit so be- kannt, daß sie sich den Namen „Ko- mitee Cap Anamur" gab.

Chaotische und willkürliche Leitung

Der damalige und jetzige Leiter des Komitees ist Dr. phil. Rupert Neudeck. Der gelernte Journalist, der für den Deutschlandfunk arbei- tet, hat sich seit seinem ersten Ein- satz Ende der 70er Jahre fast aus- schließlich der Hilfe für Bedürftige verschrieben. Inzwischen mehren sich jedoch die Stimmen — auch aus den eigenen Reihen — , daß er es mit seinem missionarischen Eifer zuwei- len übertreibt. Enttäuscht und wü- tend reagieren ehemalige Mitarbei- ter des Komitees auf Neudecks an- geblich autoritären und selbstherrli- chen Führungsstil und werfen ihm unter anderem auch „Größenwahn- sinn" vor. Dr. med. Paul Krämer, All- gemeinarzt und Tropenmediziner aus Soest, der für „Cap Anamur" An- fang 1988 nach Mosambik gegangen ist, macht seinem Ärger in einem of- fenen Brief an Neudeck Luft. Er schreibt: „Im Komitee Notärzte herrscht [. . .] organisatorisches Cha- os und die Willkür des Vorsitzenden.

[. . .] Ein Entwicklungshilfeprojekt kann nur dann etwas bringen, wenn die ,Zielgruppe' einbezogen ist. Das Ohr am Volk hat aber, wenn man Glück hat, der Projektleiter bzw. das Team am Ort, nicht Rupert Neudeck im ,headquarter' an seinem Küchen- tisch in Troisdorf oder bei seinen hektisch ablaufenden Besuchen."

Unter Umständen würden die Beteiligten vor Ort glatt „vergessen", klagt auch Diplom-Kaufmann Bern- hard Krewett, der fünf Jahre als Pro- jektleiter im Tschad tätig war. Am Anfang mache Neudeck immer viel

„trara" um einen Einsatz, aber nach einer gewissen Zeit — wenn sich, ver- mutet Krewett, keine publicity mehr mit der Aktion machen lasse — säße das Einsatzteam dann da und warte

„Autoritär,selbstherrlich und grüßenwohnsinnig" la utet die Kritik am Führungsstil von Dr. Rupert Neudeck, Vor- sitzender der Hilfsorganisation „Cap Anamur".

auf Lieferungen von technischem und medizinischem Equipment, die ohne Angabe von Gründen nicht kä- men. Als problematisch bezeichnet es der ehemalige Projektleiter auch, daß Ärzte, Pflegekräfte und Techni- ker vom Komitee nicht ausreichend auf ihre Einsätze vorbereitet würden.

Mangel an Selbstkritik

Die „hemdsärmelige" Planung der Aktionen moniert auch Dr. med.

Michael 011efs, der 1990 im Streit mit Neudeck aus dem Komitee ausgetre- ten ist. „Rupert hat einfach den Zeit- punkt verpaßt, so vor vier oder fünf Jahren, seine Autorität zugunsten ei- ner demokratischen Organisations- struktur aufzugeben", meint 011efs, der inzwischen von der Chirurgie zur Kinderheilkunde gewechselt ist.

Nach Ansicht des Mediziners kann eine humanitäre Hilfsorganisation wie das „Komitee Cap Anamur/

Deutsche Not-Ärzte" nur funktionie- ren, wenn wenigstens ein bis zwei

„vernünftig bezahlte Profis" dafür zuständig seien, eine effektive Pla- nung zu machen. Für solche Ideen sei der Leiter des Komitees jedoch nicht zu gewinnen, wie er überhaupt Schwierigkeiten habe, fremde Mei- nungen zu akzeptieren, kritisiert 01- lefs.

Wie Neudecks ad hoc-Verfahren aussehen, schildert er anhand eines Beispiels: Während eines Einsatzes in Kurdistan, bei dem 011efs und ein holländischer Kollege für die medizi- nische Versorgung zuständig waren,

A-2226 (26) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 34/35, 29. August 1994

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wurden dringend zusätzliche Pflege- kräfte gebraucht. Neudeck jedoch schickte statt der benötigten Kran- kenschwestern drei weitere Ärzte in das Krisengebiet. „Die Leute neh- men sich für solche Einsätze unbe- zahlten Urlaub oder kündigen sogar ihre Stelle und stehen dann da, ohne daß es für sie etwas zu tun gibt. Ru- pert meint immer, er könne frei über die Zeit und die Arbeitskraft hochbe- zahlter und engagierter Mitarbeiter verfügen; das geht einfach nicht", empört sich 011efs.

Moralischer Druck als Mittel zum Zweck

Unmut ganz anderer Art hat der Vorsitzende des „Komitee Cap Ana- mur/Deutsche Not-Ärzte" in Kroa- tien erregt. Prof. Dr. Adalbert Rebid, Regierungsbeauftragter für Vertrie- bene und Flüchtlinge, berichtet von einer „verpatzten" Rettungsaktion, bei der Neudeck eine Gruppe von Flüchtlingen über den Wasserweg von Kroatien nach Belgien bringen wollte. Das Schiff, das in Portugal ge- stoppt wurde, erklärten die dortigen Behörden für absolut fahruntauglich und vollkommen überbesetzt. Ei- lends mußte die kroatische Regie- rung einspringen, um die Aktion zu retten.

Bei einer anderen Angelegen- heit sei das Büro für Vertriebene und Flüchtlinge der kroatischen Regie- rung regelrecht von Neudeck erpreßt worden, merkt Rebid an. Der Cap Anamur-Vorsitzende habe in Vin- kovci eine Siedlung mit Notunter- künften errichtet und verlangt, daß dort Flüchtlinge untergebracht wer- den. Als der kroatische Regierungs- angestellte den Zustand der Unter- künfte kritisierte und die Betroffe- nen woanders unterbringen wollte, habe Neudeck den Vorfall gegenüber der deutschen Regierung so darge- stellt, als ob Rebid nicht für die Si- cherheit der Flüchtlinge sorgen will.

„Neudeck war ziemlich stur, er wollte seine Idee um jeden Preis verwirkli- chen", kritisiert Rebid. Er schätze zwar den guten Willen des Komitee- Vorsitzenden und erkenne auch an, daß „Cap Anamur" viel Positives ge- leistet habe; nicht gutheißen könne

REPORTAGE

er aber die Art, mit der Neudeck sei- ne Hilfe durchsetzt.

Daß die Zusammenarbeit zwi- schen der kroatischen Regierung und dem „Komitee Cap Anamur/Deut- sche Not-Ärzte" schließlich ganz auf- gekündigt wurde, lag daran, daß sich Neudeck im Hotel Interconti in Za- greb einquartierte und einer Runde von Journalisten Sekt auf Kosten der kroatischen Regierung spendierte.

Er habe dies angeblich damit begrün- det, er sei schließlich deren Gast.

Der chaotische und im „Stile Ludwigs XIV." ausgeübte Vorsitz Neudecks berge große Gefahr, das Komitee allgemein in Mißkredit zu bringen, bedauert Krämer. "Aller- dings wäre es absolut falsch, die ge- samte Hilfsorganisation und ihre Mitarbeiter zu verurteilen", betont 011efs. Neudecks Glück sei es, daß er immer wieder engagierte Ärzte, Pfle- gekräfte und Techniker finden wür- de, die seinen Projekten „Seele ver- leihen". Einem Informationsschrei- ben der Hilfsorganisation ist zu ent- nehmen, daß auch zur Zeit wieder rund 30 Ärzte, Schwestern, Pfleger und Techniker in Vietnam, Alba- nien, Angola, Somalia, Eritrea und Ruanda sind, um das Elend der Op- fer von Verfolgung, Hungersnot und Krankheit zu lindern. Zugute hält der Pädiater 011efs dem Komitee- Vorsitzenden, daß er ausschließlich erfahrene Ärzte für seine Projekte aussucht. Voraussetzung für die Teil- nahme an einem Einsatz sind minde- stens drei Jahre Berufserfahrung, heißt es dazu in einem Mitteilungs- blatt des Komitees. Für die Einsätze, die in der Regel sechs Monate dauer- ten, zahle die Organisation 2 000 DM brutto.

Rücktritt angekündigt

Neudeck habe nie versucht, ihm in medizinische Belange reinzure- den, räumt 011efs außerdem ein. Das war bei Paul Krämer anders. Sein Zerwürfnis mit Neudeck geht auf eine vom Komitee-Vorsitzenden schriftlich verlangte Einmischung in die medizinischen Entscheidungsbe- fugnisse Krämers zurück. Für den zweijährigen Projektaufenthalt in

Mosambik legte Neudeck dem Allge- meinarzt einen Vertrag vor, in dem es unter anderem hieß, daß der Arzt nur „auf Anweisung" tätig werden solle und daß „die zu verrichtenden Tätigkeiten im Einzelnen durch das Komitee vorgegeben" würden. Sol- che Formulierungen in ärztlichen Ar- beitsverträgen widersprächen aller- dings den geltenden ärztlichen Be- rufsordnungen, merkt Krämer an.

Neudeck habe sich jedoch standhaft geweigert, den Arbeitsvertrag ent- sprechend zu ändern. „Aber es kommt noch schlimmer", schreibt Krämer in seinem Brief weiter. „Du hast Dich nicht entblödet, die 2. Vor- sitzende des Komitees, Dr. Bärbel Krumme, als Büttel einzusetzen, um mir durch moralischen Druck ein von Dir vorformuliertes, schriftliches Schuldbekenntnis wegen Vertrags- bruch abzupressen. Die Drohung lautete, daß andernfalls die Hilfe des Komitees in Mosambik zu Ende sei."

Neudeck: „Alles

hanebüchener Unsinn"

Zu den Vorwürfen seiner ehe- maligen Mitarbeiter will sich Neu- deck gegenüber dem „Deutschen Ärzteblatt" nicht äußern. Er sehe we- der eine Veranlassung dazu, die An- gaben zu dementieren noch zu korri- gieren, bekräftigt er.

Für Ende des Jahres hat Neu- deck seinen Rücktritt angekündigt.

15 Jahre seien genug, sagt der 55jäh- rige und erklärt: „Das heißt nicht, daß ich die Nase voll habe. Aber nach einer gewissen Zeit sollte der Bestimmer einer Organisation wech- seln." Er werde aber sicherlich wei- terhin für „Cap Anamur" einsatzbe- reit sein. Mit seiner Frau Christel, die sich bereits Anfang dieses Jahres aus der Organisation zurückgezogen hat, plane er zudem, vielleicht für zwei Jahre in ein Entwicklungsland zu gehen — wohin, sei noch ungewiß.

Ein Nachfolger für den Vorsitz sei noch nicht gefunden. Es müsse je- mand sein, der keine Berührungsäng- ste mit den Medien habe und vor al- lem auch Politikverständnis mitbrin- ge, da humanitäre Hilfe heutzutage immer politischer werde, erklärt Neudeck. Petra Spielberg A-2228 (28) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 34/35, 29. August 1994

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