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Archiv "Cap Anamur: Vor Kritik sollte Dank stehen" (14.10.1994)

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E K TRUM LESERBRIEFE

Politik

Zu dem Beitrag „SPD-Mehrheit im Bundesrat blockiert alle Gesetze"

von Josef Maus in Heft 25-26/

1994:

Umweg vermeiden

Ich bin Ihnen dankbar für den Leitartikel, in dem Sie zur Blockade der Gesetzes- vorhaben im Bundesrat Stel- lung nehmen. Als Referent für Basisdokumentation und Diagnostik der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Pychotherapie und Nerven- heilkunde (DGPPN) bin ich in den letzten Jahren mit meiner Arbeitsgruppe, aber auch multizentrisch mit zahl- reichen Kollegen aus allen Teilen der BRD sowie auch aus Österreich und der Schweiz intensiv mit der Vor- bereitung der Einführung der ICD-10 im psychiatri- schen Bereich beschäftigt.

Eine größere Anzahl von Kliniken diagnostiziert ge- genwärtig nicht nur nach ICD-9, sondern bereits nach ICD-10.

So ist es enttäuschend, wenn die Bundesregierung, jetzt offenbar durch den Bundesrat gezwungen, die Einführung der ICD-10 um weitere Jahre verschiebt. Ge- rade unter dem Gesichts- punkt der gegenwärtigen Ge- sundheitssparpolitik wäre es unsinnig, für kurze Zeit Mil- lionen von Diagnosen von den niedergelassenen Ärzten nach ICD-9 stellen zu lassen, um dann in wenigen Jahren neue Computerprogramme zu installieren und die nie- dergelassenen Kollegen auf das neue System umzuschu- len. Sinnvoller wäre es in je- dem Fall, die Einführung der Diagnosenverschlüsselung im ambulanten Bereich um ein Jahr zu verschieben, um dann gleich mit der ICD-10 zu beginnen. Der gegenwär- tige Stand bei DIMDI, das die offizielle ICD-10-Version erstellt, ist der, daß die syste- matische Fassung der Über- setzung vorliegt, es fehlt vor allem noch der alphabetische Teil, der aber auch von der

WHO noch nicht erstellt ist.

Da jedoch der systematische Teil vorhanden ist, ließe sich eine in den Praxen verwend- bare Kurzfassung herstellen, bis in einigen Jahren schließ- lich der offizielle alphabeti- sche ICD-10-Band der WHO vorliegt.

Es ist zu wünschen, daß der leider mögliche, aber gänzlich unsinnige Umweg vermieden wird und daß man die notwendige Diagnosen- verschlüsselung in einer Form beginnt, die für längere Jahre Bestand haben kann.

Prof. Dr. med. H. Dilling, Medizinische Universität Lübeck, Klinik für Psychia- trie, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck

GSG

Zu dem Leserbrief „Kritischer Rückblick" von Dr. Kurt Weidner in Heft 36/1994:

An eigener Effektivität beginnen

Sie haben ein bedauerns- wertes Leben hinter sich, an- geblich 60 prallgefüllte ärztli- che Arbeitsjahre, davon drei Viertel umsonst, denn laut Ihrer Erkenntnis sind drei Viertel aller Patienten in Ihrem Wartezimmer unnöti- gerweise gekommen und wären von alleine wieder ge- sund geworden. Da würde ich mir an Ihrer Stelle Ge- danken machen, mit wel- chem Recht Sie dann noch ärztliche Leistungen abge- rechnet oder liquidiert ha- ben.

Ich kann Ihnen versi- chern, daß meine Patienten nicht deshalb bei mir im Wartezimmer sitzen, weil sie von alleine gesund werden, sondern weil sie am Ende ei- ner langen Kette von negati- ven Erfahrungen endlich ei- ne Heilung erzielen möchten mit der von Ihnen zum Place- bo abqualifizierten Homöo- pathie. Ich frage mich all- mählich, wie lange können wir uns noch Schulmedizin leisten angesichts des Heeres von durch „wissenschaftlich

gesicherte Medizin" nicht Geheilten? Ihr kritischer Rückblick hätte verdient, an der eigenen Effektivität zu beginnen.

Dr. med. Heinrich Kuhn, Al- te Steige 3, 72213 Altensteig

Cap Anamur

Zu der Reportage „Kritik am Führungsstil des Vorsitzenden" von Petra Spielberg in Heft 34-35/

1994:

Vor Kritik sollte Dank stehen

Cap Anamur ist, angeregt durch das französische Vor- bild der Mddecins sans fron- tieres, als spontane und pri- vate Hilfsorganisation von einem enthusiastischen Jour- nalisten für enthusiastische medizinische Helfer gegrün- det worden. Das Prinzip war und ist: Soforthilfe, wo Not ausgebrochen ist, mit einem beschränkten Wirkungsradi- us, wie er im Fall des ersten Einsatzes durch das Schiff Cap Anamur gegeben war.

Ein Rettungsschiff in einem Ozean, dem es immerhin ge- lang, fast 10 000 boat people an Land zu bringen. Weil bei den Mitarbeitern Berufs- tüchtigkeit und einsatzberei- ter Enthusiasmus zusammen- fallen mußten, war eine Aus- dehnung über kleine Grup- pen hinaus nie vorgesehen.

Weil Neudeck nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch das deutsche Publikum in den Medien für seine Aktio- nen begeisterte, weil er seine

„Bettelbriefe" so packend schrieb und weil sein Einsatz zupackend war, kann das Ko- mitee Cap Anamur heute ei- ne erstaunlich vielseitige Er- folgsbilanz vorlegen.

Zu den Prinzipien Neu- decks gehörte und gehört es, daß ein Minimum an Organi- sationskosten entsteht, also:

die Wohnung als Büro, die Ehefrau als Sekretärin. Neu- deck erkundete unermüdlich vor Ort die aktuelle Situati- on, um die Hilfe sachgerech- ter zuzuschneiden. Das Cha-

os, von dem die Kritiker sprechen, war das Vorgege- bene der Lage. Frustration des einen oder anderen Hel- fers, die sich nach vielen Jah- ren jetzt nur in Kritiken ent- lädt, hat in der Diskrepanz zwischen den bescheidenen Hilfsmöglichkeiten und der immensen Not ihre wahre Ursache. Natürlich ist es schlechthin ausgeschlossen, daß ein „autoritärer, selbst- herrlicher und größenwahn- sinniger Führungsstil" bei den Hunderten von freiwilli- gen Mitarbeitern auch nur annähernd hätte funktionie- ren können. Das schließt sol- che Meinungsverschieden- heiten nicht aus, wie sie not- gedrungen über das Machba- re auftauchen, wenn vor Ort von A bis Z improvisiert werden muß. Bei uns Ärzten hat sich Neudeck nie in me- dizinische Belange einge- mischt. Grotesk ist hingegen, wenn in dem Brief von Dr.

Krämer berichtet wird, Neu- deck habe ihm einen Ar- beitsvertrag aufgedrängt, „in dem die zu verrichtende Tätigkeit im Einzelnen durch das Komitee vorgegeben"

wurde. Grotesk deshalb, weil beiden doch bekannt war, daß die ärztliche Tätigkeit in einem Kriegsgebiet in Mo- sambik (Marromeu) erfolgen sollte, das heißt in einem von der Renamo umzingelten Kessel mit verminten Land- wegen ohne Kontakt zur Außenwelt, geschweige denn zu den Headquarters in Köln-Troisdorf. Als Ablö- sung von Dr. Krämer habe ich mir damals mehr Gedan- ken um die ärztliche Versor- gung der Kriegsverletzten und der notleidenden Bevöl- kerung gemacht als um ir- gendwelche Formulierungen im Vertragstext.

Neudecks besondere Be- gabung besteht darin, daß er die Großaktionen der mäch- tigen Hilfsorganisationen durch Klein-Einsätze der spontan Hilfsbereiten er- gänzt und daß er mit einer Nase für besondere Notfälle ausgestattet ist. Mit den

„vernünftig bezahlten Pro- fis" hätte er sich auf den Weg A-2710 (6) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 41,14. Oktober 1994

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PEK T R U M LESERBRIEFE

zu einer jedes Jahr um ein paar Planstellen wachsenden Organisation begeben oder zu einem Care, das den Cap- Anamur-Typus ins Großarti- ge übersetzen wollte, nach dem Motto: „Jeder deutsche Arzt einmal (wenn auch nur 14 Tage lang) an der afrikani- schen Front." Mag sein, daß der ausgeprägt persönliche Stil von Rupert Neudeck sich von dem Stil der übrigen Hilfsorganisationen abhebt.

In unzähligen Fällen hat er aber doch mit seiner „Stur- heit" bei hiesigen Politikern und Politikern vor Ort Un- mögliches möglich gemacht.

Vor der Kritik sollte aber der Dank stehen, daß er aus freiem Antrieb den zahllosen spendenwilligen, hilflosen Hilfswilligen Ziele und den Bedrängten der Dritten Welt ein Zeichen gegeben hat.

Der Mitbegründer der M6- decins sans frontires (Ru- pert Neudecks Vorbild) ist übrigens in Frankreich Ge- sundheitsminister geworden.

Dr. med. Luitgard Wiest, Residenzstraße 7, 80333 München

Polemisch

Rupert Neudeck, ein (auf Kosten anderer) Sekt saufen- der Sonnenkönig, das ist eine ganz neue, amüsante Varian- te. Vorschlag für eine Dok- torarbeit: Wie kann ein sol- cher Mensch die 55-kg-Ge- wichtsmarke nicht über- schreiten?

Ernsthaft aber möchte ich mit Ihnen um die Finanzie- rung eines Mediziners wet- ten, daß Sie keine Ärztin und keinen Arzt finden, der be- stätigt, daß Neudeck sich konkret in die ärztliche Tätigkeit eingemischt hat.

Außerdem riefen viele Mitarbeiter und Mitarbeite- rinnen hier an, die sich wun- derten, daß Sie polemisieren, statt mein Angebot anzuneh- men, Ärzte und Ärztinnen zu Wort kommen zu lassen, die in Sarajewo, Ruanda etc. ge- arbeitet haben.. .

Christel Neudeck, Kupfer- straße 7, 53842 Troisdorf

Nachlässig recherchiert

Mit Erstaunen und Ärger las ich Ihren „kritischen" Ar- tikel über den Führungsstil von Dr. Rupert Neudeck als Vorsitzendem des Komitees Cap Anamur/Deutsche Not- Ärzte. Die recherchierende Journalistin stützte sich of- fensichtlich auf Aussagen dreier ehemaliger und in höchstem Maße unzufriede- ner Mitarbeiter. Hierbei sind ihr wesentliche Informatio- nen entgangen.

Zur Zeit der teilweise mehr als fünf Jahre zurück- liegenden Vorfälle wurden wesentliche Projekt-Ent- scheidungen des Komitees Cap Anamur durch den so- genannten „Kernkreis", be- stehend aus acht langjähri- gen Komitee-Mitgliedern, getroffen. Dr. Neudeck hat meines Wissens nach nie in medizinische Entscheidun- gen oder ärztliche Tätigkei- ten eingegriffen oder diesel- ben inhaltlich kritisiert. Dies wurde, insbesondere im vor- liegenden Fall, von Dr. Krä- mer durch die Ärzte des Kernkreises und nicht durch Dr. Neudeck vorgenommen.

Hintergründe für damali- ge Entscheidungen werden in ihrem Artikel nicht erfragt und die übrigen Vorwürfe unkritisch zitiert. Langjähri- gen Komitee-Mitgliedern sind die angeführten Sektge- lage von Dr. Neudeck ebenso unbekannt wie unvorstellbar.

Bei aller vielleicht in man- chen Punkten gerechtfertig- ten Kritik am Führungsstil von Dr. Rupert Neudeck sollten derart nachlässig re- cherchierte und polemische Artikel in Ihrer Zeitschrift keinen Platz finden.

Dr. med. Benno Ure, Teuto- burger Straße 7, 50678 Köln

Persönliche Fehde

Bis 1987 war ich im Kern- kreis des Komitees, war 1980 auf der „Cap Anamur", im selben Jahr in den Flücht- lingslagern in Somalia, 1981/82 für ein halbes Jahr in Somalia im Krankenhaus

von Hargeisa und in den fol- genden Jahren wiederholt im Komiteeauftrag in Somalia und als Projektbeauftragter für Somalia zuständig.

Es gab damals und es gab später und sicher auch heute viel zu kritisieren an dem, was man den Führungsstil von Rupert Neudeck nennt.

Ich selbst habe nicht wenige Briefe nach Troisdorf ge- schrieben.

Was aber als Folge dieses Artikels als Eindruck vom Komitee und von Rupert Neudeck bleibt, entstellt schlichtweg die Realität.

Es kommt mir vor wie die Argumentation der Impfkri- tiker: Sie halten die Neben- wirkungen der Impfung für die Krankheit, weil sie die Krankheiten, die durch die Impfungen bekämpft wer- den, nicht mehr kennen.

Tatsache ist doch, daß durch das Komitee, durch die Initiative von Rupert Neudeck, 10 000 Vietname- sen gerettet wurden, unzähli-

Glückwunsch

Glückwunsch an die Re- dakteurin Petra Spielberg, deren Einschätzung des Führungsstils von Neudeck ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen kann.

Oh, daß man doch vorher gewußt hätte, daß sich das DÄ mal mit dieser, von ei- nem Journalisten geleiteten, Ärzteorganisation auseinan- dersetzt! Wieviele andere, frühere Mitarbeiter hätten dann das Erfahrungsbild noch anreichern können.

Schließlich bilden junge, en- gagierte Berufskollegen den Pool, aus dem sich diese Or- ganisation immer wieder re- krutiert, und wieviele haben den unmfessionellen Ein- satzstil (im Gegensatz zu M6- decins sans frontieres), den unzumutbar hohen Improvi- sationsgrad vor Ort und das mediengerechte Kalkül der Projektstrukturen teuer be- zahlt.

Aus meiner Froschper- spektive als „Ehemaliger"

kenne ich nur ein von Kugeln

gen verhungernden und tot- kranken Menschen in Thai- land, in Somalia, in Uganda, im Tschad, im Libanon, in Mosambik und zuletzt auch in Jugoslawien das Leben ge- rettet wurde.

Ich weiß, daß es Paul Krä- mer nicht nur um seinen Ar- beitsvertrag bei seiner Arbeit für das Komitee ging. Aber was er hier austrägt, ist ein persönlicher Rachefeldzug.

Es ist beschämend für einen Menschen, der so lange Zeit im Dienst am Menschen in der sogenannten Dritten Welt zugebracht hat, eine in der Bilanz immer noch her- vorragend dastehende Orga- nisation wie das Komitee so entstellt darzustellen.

Und es ist noch beschä- mender, eine persönliche Fehde so darzustellen, als sei dies das Wesentliche, was den Menschen Rupert Neu- deck ausmacht.

Dr. med. Reinhold Jäger, Al- ter Schützenweg 30, 33154 Salzkotten

durchsiebtes Auto, eine ver- gewaltigte Kollegin, eine

„beinlose" nach Minenexplo- sion, meinen eigenen unfrei- willigen Gefängnisaufenthalt durch „die andere Seite" gar nicht mitgerechnet.

Improvisationsgrad hört sich so schön neutral an. Er kostet aber zweierlei: unter Umständen das Blut der ei- genen Leute und unter Um- ständen jeden bleibenden Nutzen im Krisengebiet selbst. Man kann eben nicht jeden geretteten „Boat Peo- ple" positiv in seiner Bilanz verbuchen, wenn durch die Ausstrahlung der Schiffsposi- tion ein Exodus von Boot- flüchtlingen induziert wird, von denen die meisten ihr Ziel nicht erreichen. Man kann auch nicht gut im

„Zeit"-Magazin losgekaufte Kriegsgefangene aus Eritrea vorführen, wenn diese an- schließend an ihre „Ret- tung", mangels logistischer Planung, von Djibuti aus ge- rade wieder nach Äthiopien zurückgekarrt werden.

Schlimm ist auch, daß diese A-2712 (8) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 41, 14. Oktober 1994

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