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it einem ungenießbaren Eintopf vergleicht Prof. Dr.Horst Bourmer, Vorsitzen- der des Verbandes Freier Berufe im Lande Nordrhein-Westfalen, die von der EG-Kommission geplante Richt- linie über die Haftung bei Dienstlei- stungen. Sämtliche Dienstleistungen, wie Reparaturen oder Reinigungen, wie die planerischen Leistungen ei- nes Ingenieurs, die Behandlungen einer Kosmetikerin oder der Eingriff eines Arztes würden in einen Topf geworfen, umgerührt und am Begriff der Haftung vereinheitlicht.
Eine solche Richtlinie, die zur Umkehr der Beweislast führe, sei rundweg abzulehnen. Das sagte Rechtsanwältin Dr. Susanne Tie- mann, Mitglied des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Europäischen Gemeinschaften und Präsidentin der Europäischen Vereinigung der Frei- en Berufe (SEPLIS), auf einer Infor- mationsveranstaltung in Neuss.
Eine ablehnende Haltung näh- men auch das Bundesjustizministeri- um sowie der Bundesrat ein. Das Eu- ropäische Parlament (EP) habe bis- her noch keine Stellungnahme abge- geben. Viele Europa-Parlamentarier stünden dem Entwurf allerdings äu- ßerst skeptisch gegenüber, sagte Su- sanne Tiemann. Sowohl der Ver- braucher-Ausschuß des EP als auch der Wirtschafts-Ausschuß hätten empfohlen, Heil- und Bauberufe so- wie Juristen auszuklammern. Der fe- derführende Rechtsausschuß habe noch nicht einmal einen Vorentwurf vorgelegt (dazu Deutsches Ärzte- blatt 47/1991).
Im Ministerrat, der letztlich über die Richtlinie zu entscheiden habe, zeichne sich Widerstand von Deutschland, Großbritannien, Ir- land, den Niederlanden und Däne- mark ab.
Die EG-Kommission habe zwi- schenzeitlich zwar offiziell verlaut- bart, daß die Heil-und Bauberufe in einem geänderten V arschlag ausgc:.- klammert werden sollten (dazu DA 27/1991). Doch da das Prinzip der Beweislastumkehr dadurch nicht be- seitigt werde, könne sich die SEPLIS mit diesem Vorschlag nicht einver- standen erklären.
Besonders im Bereich freiberuf- licher Leistungen mache der hohe
Die EG-Richtlinie über die Haftung bei Dienstleistungen
"Ein ungenießbarer Eintopr'
Individualisierungsgrad in aller Re- gel eine Haftung für den Erfolg un- möglich. Beweisschwierigkeiten wür- den aber dazu führen, daß der Frei- berufler trotz der Unmöglichkeit ei- ner Erfolgsgarantie für den Erfolg haften müßte. Das hätte folgende Konsequenzen:
~ Kein Freiberufler könne auch nur das geringste innovative Risiko für seinen Patienten, Klienten oder Auftraggeber mehr eingehen. Diese würden dagegen einen konsequen- ten Einsatz der freiberuflichen Kenntnisse und Fähigkeiten erwar- ten. Eine Beweislastumkehr müsse sich daher verbraucherfeindlich aus- wirken.
~ Innovation aus der Praxis würde unterbunden. Die Weiterent- wicklung vieler Dienstleistungsberei- che wäre daher gehemmt, wenn nicht in Frage gestellt.
~ Haftung mit Beweislastum- kehr sei nur schwer versicherbar, und wenn überhaupt, dann mit er- heblich erhöhten Prämien.
Neuordnung EG + EFTA
Anders als Produkte, die durch technische Normen standardisiert werden könnten, seien ärztliche Lei- stungen nicht europaweit verbindlich definitionsfähig, betonte Bourmer.
Der Fehler eines Produktes sei ein feststellbares Faktum, nicht jedoch der Fehler einer Dienstleistung.
Das veränderte Haftungsmo- ment werde zudem zwangsläufig zu einer weiteren Steigerung der Ko- sten im Gesundheitswesen führen, da die Mehrbelastungen bei den Pflegesatzverhandlungen für statio- näre Behandlung und auch bei der Festsetzung der Kassenarzthonorare zu berücksichtigen seien. Diese müß- ten letztlich über die Krankenkas- senbeiträge auf die Patienten verla- gert werden.
Eine weitere Folge werde die Verschlechterung des Arzt-Patien- tenverhältnisses sein. Der Arzt müsse befürchten, daß Patienten bereits bei Ausbleiben eines gewollten Heilerfol- ges gerichtliche Schritte gegen ihn
einleiten würden. Kli
"Europäischer Wirtschaftsraum" - und seine Bedeutung
aus EG und EFTA wird ab 1993 der EWR,
mit rd. 35·~.Mio. Einwohnern größter Wirtschaftsraum der Welt
•
Bevölkerung in MillionenEWRI
3581Bruttoinlandsprodukt in Mrd. US-Dollar 5.546
zum Vergleich:
USAI
24715.201
4.847
Mit der Unterzeichnung des EWR-Vertrages arn 22. Oktober 1991 sollen 19 Staaten ab 1993 einen europäischen Wirtschaftsraum bilden. Diesem gehören neben den zwölf EG-Staaten auch Schweden, die Schweiz, Finnland, Österreich, Island, Norwegen und Liechtenstein an.
Dt. Ärztebl. 89, Heft 15, 10. April 1992 (23) A.-1303