Kriminalroman
Leben in Britannien
Celia L. Grace: Die Heile- rin von Canterbury und der Becher des Todes. Histori- scher Kriminalroman, aus dem Englischen von Marion Balkenhol, Vito von Eich- born Verlag, Frankfurt am Main, 1996, 254 Seiten, ge- bunden, 34 DM
Die englische Autorin, mit einer Arbeit über angel- sächsische Medizinerinnen des 15. Jahrhunderts promo- viert, hat seit 1994 ein interes- santes Nebensujet gefunden:
den „historischen Kriminal- roman“, verankert im Britan- nien des von ihr erforschten Jahrhunderts, zentriert auf die weibliche Hauptperson der erdachten, wohl aber nachvollziehbaren „Ärzte- Detektivin“ Kathryn Swin- brooke. Um diese geht es auch in dem nun dritten Ro- man in Jahresfolge. Wieder ist sie mit einem vielschichti- gen und mörderischen Ge- schehen konfrontiert; sie lei- tet die Lösung des schwierig geschürzten Knotens ein und verblüfft die mithandelnden Per- sonen mit Logik und Menschenkenntnis.
Celia L. Grace ist wieder mehr gelun- gen als ein spannen- des Buch mit krimi- nalistischem Hinter- grund. Der Leser wird in eine Epoche geführt, in die er sonst nicht leicht finden würde, zumal nicht in einem so amüsanten Rahmen. Das Leben in Britannien im 15.
Jahrhundert, irgend- wie übertragbar auf ganz Europa, wird fast spielerisch vorge- stellt. Der nach- emanzipatorische Aspekt, daß für Frau- en dieses Säkulums eine medizinische Be- rufsausübung selbst- verständlich war (bis
dies mit Beginn des 16. Jahr- hunderts verboten wurde), und die Renaissance weibli- cher Ärzteschaft erst sehr viel später geben dem Buch einen zusätzlichen Reiz. Der reine Literaturfreund wird sich an ihm ebenso erfreuen wie der historisch Interessierte.
Rudolf Clade, Bad Neuenahr
Thailand
Zu den Buddhas
Wilfried Hahn: Thailand entdecken und erleben:
Abenteuer und Reisen. Rei- sen mit Insider-News, Mairs Geographischer Verlag, Ost- fildern (Kemat), 1996, 200 Seiten, kartoniert, 29,80 DM
Ulrich Quack: Mönche, Meer und Orchideen.Reise- handbuch Thailand, Reihe
„Die Reisegast-Reihe“, Iwa- nowski’s Reiseverlag, Dorma- gen, 5. Auflage 1995/96, 596 Seiten, kartoniert, 29,80 DM
Die beiden kompakten Thailand-Reiseführer sind un- terschiedlich konzipiert. Das
Handbuch von Wilfried Hahn stellt das „Land des Lächelns“
am Golf von Siam in 14 unter- haltsamen, sehr trefflichen Reisereportagen vor, bei de- nen auch die ethnologischen und historischen Bezüge nicht zu kurz kommen. Das Reise- Handbuch „Thailand“ von Ulrich Quack ist dagegen mehr als Nachschlagewerk und als zutreffender aktueller Ratgeber auch im Hinblick auf die Logistik der Ferntou- risten konzipiert. Wer sich als Westeuropäer rechtzeitig auch mit Hilfe der Reiseratge- ber informiert, wird Thailand auch außerhalb ausgetretener Pfade entdecken und liebge- winnen. Die von Wilfried Hahn vorgestellten Routen führen durch Bangkoks Groß- stadtdschungel, ein Gewirr von wuseligen Menschenmas- sen und einem smogfördern- den Autoverkehr. Aber auch Pfade zu den tropischen Re- genwäldern, zu den Bergstäm- men und zu den Langhalsfrau- en vom Stamm der Padaung werden zutreffend skizziert.
Ein Muß für jeden Touristen ist der Besuch des Königspa- lastes in Bangkok und der Kö- nigsstätte in Mittelthailand. In Sukhothai sind fast 200 Bud- dha-Tempel ausge- graben und restau- riert worden. Ayutt- haya, die frühere Kö- nigsstadt, beherberg- te einst 400 monu- mentale Tempelbau- ten, heute allerdings zum Teil nur noch als Rudimente und Rui- nen zu bewundern.
Auch für Badeurlau- ber enthalten die Rat- geber profunde Tips.
Pattaya, Hua Hin in der Bucht von Bang- kok, die Touristenba- bel, oder Phuket, die größte Insel im Sü- den, braucht man nicht unbedingt gese- hen zu haben. Dage- gen ist ein Geheimtip das Kokosnuß-Eiland Koh Samui, bequem in 70 Minuten von Bangkok per Flug- zeug zu erreichen.
Harald Clade, Köln
Essay
Beschwingter Humor
Stefanie Georg: Eulen nach Athen.Griechenland auf Nebenwegen, Jahn & Ernst Verlag, Hamburg, 1996, 253 Seiten, gebunden, 38,80 DM
Ein erstaunliches Buch, das in vielen Aspekten für den Leser ein erfreuliches Kompendium ist. Maßge- bend sind insbesondere: ein stupendes Hintergrundwis- sen der Autorin, ein überzeu- gender Nachweis persönli- cher Erfahrungen, der exzel- lente sprachliche Duktus mit einer wohlüberlegten Ge- samtkomposition, eine über- greifende Fachkompetenz und ein beschwingter Humor.
Die Autorin bringt das al- te Hellas ihrem Lesepubli- kum in einer frappanten Wei- se nahe. Sie erinnert an seine
„Allgemeinbildung“, sei sie aktuell oder erneuert, oder sie lädt zu einem kleinen Wagnis ein. Ihr Buch basiert auf einer hervorragenden Kenntnis der hellenischen Mythologie, der antiken und modernen Histo- riographie, der Archäologie und auf vielem anderen mehr.
Sie setzt das alles in ein eben- so wissenschaftlich fundiertes wie auch erzählerisch-spiele- risches Werk um; damit ver- eint sie die exakte Interpreta- tion des Sujets mit Momen- ten, die sich bewußt gelegent- lich einer akribischen „Beck- messerei“ entziehen wollen.
Für den Freund der anti- ken Welt ist das Buch allseits ein großer Gewinn. Für den nach Griechenland Reisen- den ist es ein wichtiges Ex- posé zur Vorbereitung und zur Begleitung. Die Leser werden Stefanie Georg be- stätigen, daß sie keine „Eulen nach Athen“ getragen und nicht nach „Griechenland auf Nebenwegen“ geführt hat;
Titel und Untertitel sind nämlich ziemliche „Under- statements“ angesichts des rundum gelungenen Essays.
Rudolf Clade, Bad Neuenahr
A-2593 Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 41, 11. Oktober 1996 (17)
S P E K T R U M BÜCHER
Ein Dorf mit Langhalsfrauen im Norden Thailands bei Mae Hong Song Foto: Erika Amann, München