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Archiv "Erstes Kinderschutzforum 1996: Mehr Hilfe bei Vernachlässigung" (04.10.1996)

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in Baby weint auf dem Rück- sitz eines überhitzten Autos, während der Vater sich auf ei- nem Musikfest amüsiert. Eine Passantin hört das Gewimmer und alarmiert die Polizei, die das Kind aus dem Wagen befreit und das Jugend- amt benachrichtigt. Die Sozialarbei- ter des Jugendamtes bringen das hilfs- bedürftige Kind in ein Kinderheim, wo der Säugling erst einmal versorgt wird. Dem Vater hinterlassen sie eine Nachricht, wo er seinen Sprößling ab- holen kann.

„Ein alltäglicher Fall und ein ty- pisches Beispiel unserer Arbeit“, sag- te Lisa Cerny, Sozialarbeiterin beim Jugendamt Köln, anläßlich des Er- sten Kinderschutzforums. In einem intensiven Gespräch habe man dem Vater verdeutlichen können, in wel- che Situation er sein Kind gebracht habe. In der Regel seien Vernachläs- sigung oder körperliche Gewalt ge- gen Kinder keine einmaligen Vor- kommnisse, sondern Ausdruck von Problemen und Belastungen in der Familie, meint Cerny. „Wenn wir Kindern helfen wollen, müssen wir zunächst versuchen, die Hintergrün- de zu verstehen, warum Eltern ihre Kinder vernachlässigen oder körper- lich mißhandeln. Daher lautet die Maxime der Jugendämter ,Hilfe statt Strafe‘.“

Doch daß es mit den Hilfsange- boten nicht zum besten bestellt ist, darin waren sich die meisten Teilneh- mer der Konferenz einig. Gründe

dafür gibt es genug. Bundesfamilien- ministerin Claudia Nolte (CDU) ver- trat die Ansicht, daß die Politik durch eine allgemeine Bewußtseinsverän- derung die Weichen für eine wirksa- mere Prävention schaffen müsse. Die Ministerin forderte außerdem, daß die Gesetze zum Schutz der Kinder konsequenter angewandt werden müßten: „Wer Kinder schändet und durch Mißbrauch seelisch schädigt, muß für seine Taten zur Rechen- schaft gezogen werden.“ Die Bundes- regierung bereite zur Zeit einen Mul- timedia-Gesetzentwurf vor. „In ihm soll klargestellt werden: Jugendge- fährdende Angebote haben im Inter- net nichts zu suchen.“ Das Bundesfa- milienministerium habe in den Jah- ren 1992 bis 1994 unter dem Leitge- danken „Keine Gewalt gegen Kin- der“ eine Aufklärungs- und Informa- tionskampagne organisiert. Das ent- sprechende Material sei von Oktober 1996 an in aktualisierter Form erhält- lich.

Konflikte für die Therapeuten

An die Helfer appellierte Nolte, ebenfalls Hilfe in Anspruch zu neh- men. Niemand könne von sich be- haupten, daß er stets den „Königs- weg“ finde, stets die richtige Ent- scheidung treffe. Diese Ansicht ver- trat auch Prof. Dr. phil. Gottfried Fi- scher vom Psychologischen Institut

der Universität zu Köln. Die thera- peutische Arbeit in diesen schwieri- gen Konfliktbereichen bringe natur- gemäß Konflikte auch für die Thera- peuten mit sich. Die Fachleute seien aufgerufen, angemessene Verfahren der Erfolgskontrolle zu entwerfen und einzusetzen, um Qualitätsstan- dards sicherzustellen und Behand- lungsfehler, Mißbrauch und therapeu- tische Rückschläge allmählich zu re- duzieren.

Eine kritischere Auseinanderset- zung mit den bestehenden Hilfsange- boten forderte Renate Blum-Maurice vom Kinderschutzzentrum Köln.

„Viel häufiger müssen wir uns fragen, ob wir unsere Klienten nicht auch von den Hilfen abhängig machen oder durch die Hilfen sekundär traumati- sieren.“

Wichtig sei ein gezieltes und rechtzeitiges Eingreifen zum Wohl des Kindes und der Familie, forderte Prof. Dr. med. Peter Riedesser. Da die Pioniere der Kinder- und Jugend- psychiatrie in der Nazizeit gezwungen waren auszuwandern, habe gerade Deutschland im Bereich der Präven- tion einen großen Nachholbedarf.

Riedesser, Leiter der Kinder- und Ju- gendpsychiatrie der Universitätskli- nik Hamburg-Eppendorf, beschäftigt sich besonders mit der Situation der Kinder kranker Eltern. Häufig führe die Erkrankung der Eltern zu einer psychischen Störung der Kinder. Ge- rade Säuglinge alkoholkranker Eltern würden oft mißhandelt, und die Ver- nachlässigung durch depressive El- tern habe in der Regel eine zu frühe Autonomie des Kindes zur Folge.

Auch körperliche Erkrankungen der Eltern hätten durchaus negative Aus- wirkungen auf die Kinder.

Bereits während der Schwanger- schaftsbetreuung sollten Gynäkolo- gen fragen, in welche Situation die Kinder hineingeboren werden, for- derte Riedesser. Hilfestellung für die Kinder kranker Eltern müßten nicht nur Kindergärtnerinnen und Lehrer leisten, sondern auch Pädiater, Kin- der- und Jugendpsychiater sowie nicht zuletzt die Ärzte, bei denen der erkrankte Elternteil in Behandlung ist. „Viel zu selten fragen beispiels- weise Onkologen nach der Befind- lichkeit der Kinder“, kritisierte Ried- esser. Gisela Klinkhammer A-2520

P O L I T I K AKTUELL

(16) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 40, 4. Oktober 1996

Erstes Kinderschutzforum 1996

Mehr Hilfe

bei Vernachlässigung

In Stockholm fand Ende August ein Weltkongreß gegen den sexuellen Mißbrauch an Kin- dern statt (dazu Deutsches Ärzteblatt, Heft 37/1996). Etwa zur gleichen Zeit wurden die Machenschaften des belgischen Kinderschänders Marc Dutroux aufgedeckt. Dabei traten die Fälle von Vernachlässigung sowie psychischer und physischer Mißhandlung von Kindern in den Hintergrund. Anläßlich des Ersten Kinderschutzforums 1996 in Köln, das gemeinsam von der Universität Köln und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutzzentren Mitte September veranstaltet wurde, beschäftigten sich die Teilnehmer mit dem Thema

„Gewalt gegen Kinder – Möglichkeiten der Früherkennung, Prävention und Therapie“.

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