DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT DISKUSSION
Das Sneddon-Syndrom
Lupusantikoagulans bei Sneddon-Syndrom
Den interessanten Sneddon- Syndrom-Bericht von Große Alden- hövel, Gallenkamp und Pfeiff möch- ten wir durch eigene Erfahrungen an insgesamt zehn Patienten ergänzen.Es handelt sich um zehn Frauen im Al- ter von 39 bis 64 Jahren, die sich 1991 in unserer Ambulanz vorstellten. Alle zeigten zum Untersuchungszeitpunkt ausgeprägte zirkumskripte oder gene- ralisierte Hautveränderungen im Sin- ne einer Livido racemosa und neuro- logische Ausfälle als Folge früher ab- gelaufener Hirninfarkte mit im kra- niellen CT nachgewiesenen Infarkt- zonen (1). Als Begleiterkrankungen fanden sich: Psoriasis vulgaris (n = 1), Nephrolithiasis (n = 1), arterielle Hy- pertonie (n = 3) und Gelenkbe- schwerden (n = 2). Drei Patientinnen gaben an, früher die Pille eingenom-
men, sechs längere Zeit geraucht zu haben. Venöse Thrombosen wurden von allen Patientinnen verneint.
Zum Untersuchungszeitpunkt nahmen sieben Patientinnen zwi- schen 100 und 600 mg Acetylsalicyl- säure täglich ein. Eine Patientin wur- de zusätzlich niedrig dosiert mit He- parin behandelt. Alle Patientinnen wiesen normale Blutbilder (ein- schließlich Differentialblutbild und
Retikulozyten) und Normalwerte für Elektrolyte, Kreatinin und CRP auf.
Die BSG war nur bei einer Patientin mit 42/65 mm n. W. deutlich erhöht.
Bei allen Patientinnen wurden folgende Hämostasetests durchge- führt: Koagulometrische Tests: Akti- vierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT/Behring und Organon Tekni- ka), Kaolin Clotting Time (KCT, nach Exner/Kaolin Sigma) (2) und Mischversuch 1:1 von Patientenplas- ma und Normalplasma, sofort nach
Mischung und eine Stunde nach In- kubation bei 37°C, Plättchenneutra- lisationstest (PNT, nach Triplett) (3) und Thromboplastininhibitionstest (TTI, nach Schleider) (4).
Plättchenaggregation: mit den Induktoren Kollagen (0,5 und 2,0 I,tg/
ml), Thrombin (0,25 und 1,0 IU/ml) und Ristocetin (1,0 mg/ml). Euglo-
Zu der Übersicht von
Dr. med. Ulrich Gallenkamp in Heft 8/1992
bulinlysezeit: Globaltest zur Erfas- sung der fibrinolytischen Plasmaakti- vität (5).
Pathologische Werte wurden an- genommen, wenn sie im Vergleich zu einem Normalkollektiv (n = 20) au- ßerhalb des doppelten Standardbe- reiches lagen. Der Nachweis eines Lupusantikoagulans galt als gesi- chert, wenn die Kaolin Clotting Time verlängert war, der Mischtest mit Normalplasma den Nachweis eines Hemmkörpers erbrachte, und der PNT positiv war, womit die Phospho- lipid-Spezifität des Hemmkörpers bestätigt wurde.
Bei insgesamt vier Patientinnen fanden wir ein Lupusantikoagulans.
Von diesen wiederum war der TTI- Test nur bei einer Patientin positiv.
Die aPTT ergab für alle zehn Patien- tinnen Normalwerte. Alle Patientin- nen mit herabgesetzter Plättchen- aggregation nahmen Acetylsalicyl- säure ein. Die Euglobulinlysezeit war bei den Patientinnen mit nach- gewiesenem Lupusantikoagulans mit im Mittel 314 min verlängert. Im Vergleich dazu wiesen die übrigen sechs Patientinnen mit 190 min ei- nen dem Mittelwert eines Normal- kollektivs (n = 20: 227 min) ver- gleichbaren Wert auf.
Nach unseren gerinnungsphysio- logischen Untersuchungen fanden wir in einem überraschend hohen Prozentsatz (40 Prozent) bei Patien- ten mit Sneddon-Syndrom ein Lu- pusantikoagulans, dem somit durch- aus Bedeutung in der Ätiopathoge- nese dieses Krankheitsbildes zukom- men dürfte. Für die Bedeutung von Hämostasestörungen beim Zustan- dekommen des Syndroms spricht auch die Tatsache, daß sich bei allen Patientinnen mit nachgewiesenem Lupusantikoagulans eine verlängerte Fibrinolysezeit nachweisen ließ. Spe- zifischere Tests zur Charakterisie- rung des Fibrinolysedefektes dürften weitere Aufklärung bringen. Da die Mehrzahl der Patienten Thrombozy-
tenaggregationshemmer einnahm, war eine Überprüfung thrombozytä- rer Funktionen mit Hilfe der Plätt- chenaggregation wenig hilfreich. Bei den drei Patientinnen unserer Grup- pe, die keine Thrombozytenaggrega- tionshemmer einnahmen, fanden wir keine pathologische Plättchenaggre- gation mit den genannten Indukto- ren. Wie ferner diese Fälle zeigen, ist die aPTT als Screeningmethode zum Nachweis eines Lupusantikoagulans weniger sensitiv als die auf der Ka- olin Clotting Time aufbauenden Ge- rinnungstests.
Literatur
1. Sneddon, I. B.: Br. J. Dermatol 77 (1965) 180-185
2. Exner, T.; Rickard, K.; Kronenberg, H.: Br. J.
Haematol. 40 (1978) 143-151
3. Triplett, D. A.; Brandt, J. T.; Kaczor, D.;
Schaefer, J.: Am. J. Clin. Pathol. 79 (1983) 678-682
4. Schleider, M. A.; Nachman, R. L.; Jaffe, E.
A.; Coleman, M.: Blood 48 (1976) 499-509 5. Nilsson, I. M.; Hedner, U.; Pandolfi, M.: In:
Markwardt, F.: Vol. 46. Springer Verlag, Ber- lin, Heidelberg, New York (1978) 107-134.
Dr. med. Dietmar Söhngen l Prof. Dr. med. P. Kind 3 PD. Dr. med. A. Wehmeierl Prof. Dr. med. W. Schneiders Dr. med. C. Specker 2
Medizinische Kliniken A l und C2 und Universitäts-Hautklinik 3
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Moorenstraße 5 W-4000 Düsseldorf 1
Schlußwort
Die Zuschrift der Düsseldorfer Kollegen haben wir mit viel Interesse gelesen. Die dort aufgeführten labor- chemischen Tests sind sicherlich dien- lich für eine weitere ätiologische Ab- klärung des Sneddon-Syndroms, doch wird eine routinemäßige Anwendung kaum möglich sein. Vielleicht erlaubt eine genauere Analyse der aufgezeig- ten Fälle mit gerinnungsphysiologi- schen Methoden auch neue therapeu- tische Ansatzpunkte.
Für die Verfasser:
Dr. med. Ulrich Gallenkamp Chefarzt der Neurologischen Abteilung
Kreiskrankenhaus Lüdenscheid Paulmannshöherstraße 14 W-5880 Lüdenscheid
Dt. Ärztebl. 90, Heft 16, 23. April 1993 (73) A1-1209