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Archiv "Ärztinnen: Potenziale werden (noch) nicht genutzt" (04.04.2003)

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Ä

rztinnen haben einen besseren

„Draht“ zum Patienten als ihre männlichen Kollegen – so das Er- gebnis einer US-amerikanischen Studie (JAMA, 2002; 288: 756–64). Ärztinnen sind demnach die besseren Gesprächs- partner, sie wirken „patien-

tenzentrierter“, sie bezie- hen häufiger einen größe- ren Lebenskontext in ihre Gespräche ein, haben weni- ger Scheu vor psychosozia- len Themen und sind insge- samt emotionaler und posi- tiver. Es gibt allerdings kei- ne Daten darüber, ob da- durch die Prognose der Pa- tienten verbessert wird. Zu- mindest ist – nach einer an- deren US-Studie – schlech- te Kommunikation einer der häufigsten Gründe für den Arztwechsel (Journal of General Internal Medi- cine, 2002; 1: o. S.). Denn ei- ne befriedigende Kommu- nikation ist genau das, was Patienten sich am meisten

von ihren Ärzten wünschen, wie briti- sche Wissenschaftler herausgefunden haben (BMJ, 2001; 322: 468).Vor diesem Hintergrund scheint es aus Sicht der Patienten wünschenswert, dass mehr Frauen den Arztberuf ergreifen. In der Tat geht die Entwicklung in die Rich- tung, dass mehr Frauen den Weg in die ärztliche Patientenversorgung einschla- gen – die Zahlen belegen diesen Trend.

> Berufstätige Ärztinnen: Der An- teil der berufstätigen Ärztinnen in Deutschland ist seit 1991 um 4,3 Pro- zentpunkte (oder um 12,8 Prozent) auf 37,9 Prozent im Jahr 2002 gestiegen.

Ein Vergleich zwischen den alten und neuen Bundesländern lohnt, da der An- teil in den neuen Ländern mit 48,8 Pro- zent deutlich über dem Anteil in den al- ten Ländern liegt. Seit der Wiederver- einigung nähern sich beide Werte aus

gegensätzlicher Richtung an. Im Bei- trittsgebiet lag der Anteil der Frauen an den berufstätigen Ärzten vor der Wiedervereinigung noch bei 53,5 Pro- zent.

> Niedergelassene Ärztinnen: Der Anteil der Ärztinnen ist im ambulan- ten Bereich von 29,6 Prozent im Jahr 1991 auf 33,8 Prozent im Jahr 2002 ge- stiegen. Dieser Wert relativiert sich je- doch bei einem West-Ost-Vergleich:

Seit 1979 ist in den alten Ländern der entsprechende Anteil von 18,9 Prozent auf 30,3 Prozent (2002) zwar stetig ge- wachsen, der Bereich der ambulanten

Versorgung wird aber immer noch von Männern dominiert. Dagegen über- wiegt der Ärztinnen-Anteil in den neu- en Ländern deutlich mit 54,6 Prozent (57 Prozent in der hausärztlichen Ver- sorgung). Diese Quote hat seit der Wiedervereinigung merk- lich abgenommen. Er lag 1991 noch bei 59,7 Prozent, das heißt, die ambulante ärztliche Versorgung in der DDR war überwiegend „in Frauenhand“.

>Krankenhausärztinnen:

Bei den Krankenhausärz- ten zeigt sich eine ähnliche Entwicklung: Der Anteil der Ärztinnen stieg zwi- schen 1991 und 2002 von 33,8 Prozent auf 37,6 Pro- zent. In den alten Bundes- ländern ist die Quote von 23,4 Prozent im Jahr 1979 auf 36,9 Prozent im Jahr 2002 angewachsen, in den neuen Ländern liegt sie mit 41,9 Prozent sehr viel höher, wenngleich auch hier seit 1991 ein Rückgang um knapp drei Prozentpunkte zu verzeichnen ist.

>Ärztinnen bei Behörden und Kör- perschaften: Von den rund 10 300 Ärz- ten (2002) in diesem Bereich sind 49,4 Prozent Frauen. Dieser Anteil hat sich seit 1991 zwar nur leicht erhöht (um 2,9 Prozentpunkte), jedoch ausgehend von einem relativ hohen Niveau. Die Er- höhung des Frauenanteils erfolgte nicht stetig. Der höchste Wert wurde im Jahr 1994 mit 49,7 Prozent gemessen.

In den alten Bundesländern ist der Anteil der Ärztinnen in diesem Be- reich zwischen 1979 und 2002 von 32,1

Ärztinnen

Potenziale werden (noch) nicht genutzt

Weitaus mehr Frauen als Männer beginnen inzwischen ein Medizinstudium.

Im Verlauf der Weiterbildung ist dagegen ein Rückgang des Ärztinnenanteils zu verzeichnen, was auf die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie zurückzuführen ist.

Thomas Kopetsch

(2)

Prozent auf 48,1 Prozent gestiegen. Im Gegensatz zum Krankenhausbereich und dem ambulanten Sektor hat sich in den neuen Bundesländern der Frau- enanteil bei den Behörden und Kör- perschaften von 47,4 Prozent im Jahr 1991 auf 56,4 Prozent im Jahr 2001 er- höht. Die Erhöhung erfolgte auch hier nicht kontinuierlich; der höchste Wert wurde im Jahr 1997 mit 57,4 Prozent verzeichnet.

>Ärztinnen in sonstigen Bereichen:

Hier sind weitere 15 600 Ärzte (zum Beispiel als Betriebsärzte, Ärzte in der Pharmaindustrie) beschäftigt. Dies ent- spricht 5,2 Prozent aller berufstätigen Ärzte. Die Frauenquote liegt bei 49,3 Prozent (2002). Im Jahr 1991 betrug sie 42,1 Prozent. In den alten Ländern ist der Anteil von 33,4 Prozent im Jahr 1979 auf 48,3 Prozent im Jahr 2002 ge- stiegen. In den neuen Ländern zeigen sich hier Parallelen zu der Entwicklung bei Behörden und Körperschaften: Der Anteil der Ärztinnen ist um 6,8 Pro- zentpunkte auf 58 Prozent gestiegen (auch hier nicht stetig – der höchste Wert lag im Jahr 1999 bei 59,2 Prozent).

Betrachtet man die Situation in den neuen Bundesländern sektorenüber- greifend, zeigt sich, dass die Ärztinnen, die aus der kurativen Krankenbehand- lung „ausgestiegen“ sind, bei Behörden und Körperschaften sowie in sonstigen Bereichen neue Beschäftigungsmög- lichkeiten gefunden haben. Nur mit diesen Wanderungsbewegungen lässt sich die synchron verlaufende Entwick- lung der sinkenden Ärztinnenquoten im Krankenhaus und im ambulanten Sektor mit den steigenden Werten in den anderen Bereichen erklären.

Verlauf der Berufskarriere

Interessant erscheint nun – auch mit Blick auf die Nachwuchsentwicklung – die Frage, ob sich diese Trends fortset- zen werden. Hier ist ein Vergleich der Frauenanteile auf den verschiedenen Stufen der ärztlichen Berufskarriere sowie während der akademischen Aus- bildung allgemein und speziell im Fach Humanmedizin aufschlussreich.

Deutlich mehr Frauen als Männer erwerben einen Schulabschluss, der ein Hochschulstudium ermöglicht. Im Jahr

DÄ: Kaum vorhandene Möglichkei- ten, Familienarbeit und Arztberuf zu ver- einbaren – vor allem Ärztinnen sind von diesem Problem betroffen; oder ist bei den männlichen Kollegen inzwischen der Trend zu verzeichnen, „mehr Familie zu wagen“?

Bühren:An ihrem Arbeitsplatz in Kli- nik, Praxis und Wissenschaft finden Ärz- tinnen meistens Bedingungen vor, die an der traditionellen Rollenverteilung aus- gerichtet sind:Viele Überstunden und Dienste werden erwartet, da zu Hause jemand den Rücken frei- hält und die Kinder erzieht.

Natürlich wird dies den mo- dernen Paarkonzepten, die zunehmend partnerschaftlich ausgerichtet sind, nicht mehr gerecht. Aktuelle Befragun- gen von jungen Medizine- rinnen und Medizinern haben ergeben, dass in- zwischen auch die Män- ner an einer stärkeren Vereinbarkeit der bei- den Lebenswelten in- teressiert sind. Sie wol- len ihre Familienpflich- ten wahrnehmen, selbst intensiv das Vatersein erleben und dadurch

auch der Partnerin die Berufstätigkeit er- möglichen. Die beruflichen Zukunftsaus- sichten und Wertvorstellungen haben sich ganz drastisch gewandelt. Viele der heute circa 40 Prozent kinderlosen berufs- tätigen Ärztinnen hätten auch gerne wie ihre männlichen Kollegen alle Lebensfa- cetten wählen wollen.

DÄ:Die ambulante medizinische Ver- sorgung in den Ländern der ehemaligen DDR war überwiegend „in Frauen- hand“. Wie interpretieren Sie diesen Sachverhalt?

Bühren:Die Situation in der DDR hat gezeigt, dass die Medizin ein Frauenfach sein kann und dass das mit den Rahmen- bedingungen zusammenhängt.Zum Zeit- punkt der Wende waren in der DDR 54 Prozent der berufstätigen Ärzte weiblich, in der BRD 29 Prozent. In der DDR war

die volle Berufstätigkeit von Frauen staatlicherseits gewollt und wurde geför- dert. Entsprechend war eine flächen- deckende ganztägige Kinderbetreuung vorhanden. Die berufstätige Mutter war selbstverständlich und nicht dem Vorur- teil ausgesetzt, eine Rabenmutter zu sein.

Ärztinnen waren auch in zeit- und dienst- intensiven operativen Fächern keine Ausnahme. Durch die Wende ist vieles in die Brüche gegangen.

DÄ:Teilzeitarbeit von Ärztinnen und Ärzten ist hierzulande eher die Ausnahme. Gibt es dazu genauere

Zahlen?

Bühren: Leider gibt es in Deutschland keine statistischen Zahlen über die ärztliche Tätig- keit in Teilzeit, da von den Kammern diese Daten bis- her nicht erhoben werden.

Aber dies wird sich än- dern, da beim Deutschen Ärztetag 2002 ein entspre- chender Beschluss gefasst wurde. Wahrscheinlich ist der Rückgang des Ärztin- nenanteils während der Weiterbildungsphase viel gravierender, als in der von Kopetsch nach Ärztinnen und Ärzten aufgeschlüsselten Analyse dargestellt, da die in Teilzeit tätigen Ärz- tinnen gleichrangig bei den voll berufs- tätigen Ärztinnen mitgezählt werden mussten. Wir brauchen dringend detail- lierte Zahlen, damit überprüft werden kann, ob und welche Arbeitszeitmodelle vom Schichtdienst über rollierende Wo- chenarbeit bis zum Job-Sharing nachge- fragt werden und sich bewähren.

DÄ:Krankenhäuser haben inzwischen Probleme, ausreichendes ärztliches Per- sonal zu rekrutieren. Lässt sich anhand der Stellenangebote bereits ein Trend verzeichnen, die Arbeitsmöglichkeiten für Ärztinnen am Krankenhaus attrakti- ver zu gestalten?

Bühren: Die Krankenhäuser versu- chen es zunehmend mit konstruktiven Angeboten. So werben sie zum Beispiel

Interview

Vereinbarkeit der Lebenswelten

Fragen zu den Ergebnissen der statistischen Auswertung an Astrid Bühren, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes

Dr. med. Astrid Bühren:

Vorstandsmitglied der Bundes- ärztekammer

Foto:privat

(3)

2000 betrug der Anteil der weiblichen Schulabgänger mit allgemeiner Hoch- schulreife 55,2 Prozent. Wesentlich mehr Frauen als Männer könnten mit einem Hochschulstudium beginnen.

Diese Option wird von den Frauen al- lerdings nicht vollständig genutzt – der Anteil der Frauen an allen Studienan- fängern beträgt nur 49,2 Prozent. Das Medizinstudium erfreut sich bei den Abiturientinnen hingegen größter Be- liebtheit: 2001 stellten Frauen rund 61 Prozent der Studienanfänger; es ent- scheiden sich also überproportional viele Abiturientinnen für ein Medizin- studium. Dies resultiert nicht zuletzt daraus, dass Abiturientinnen bessere Notendurchschnitte als ihre männli- chen Kollegen erreichen und damit den Anforderungen des Numerus clausus eher gerecht werden.

Bei einer Einjahresbetrachtung des Studiumverlaufs in allen Fächern sinkt der Frauenanteil. Waren noch mehr als 49 Prozent der Studienanfänger Frau- en, reduziert sich dieser Wert auf 46,2 Prozent bei den Studierenden und auf 44,8 Prozent bei den Absolventen. Im Fach Humanmedizin sind die Werte durchgängig höher: sowohl mit 61,2 Prozent bei den Studienanfängern als auch mit 53,3 Prozent bei den Studie-

renden und mit 51,3 Prozent bei den Absolventen (Grafik 1).Dieser Rück- gang des Anteils der Studentinnen im Verlauf des Medizinstudiums lässt sich deutlich bei den Medizinerprüfungen des Jahres 2001 verfolgen: von noch 57,6 Prozent bei der ärztlichen Vorprü- fung, über 52,3 Prozent beim ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung, bis zu im Stellenmarkt des Deutschen Ärzte-

blattes mit „Schnuppertagen mit Erstat- tung der Anreisekosten“ oder mit der

„Möglichkeit der ganztägigen Kinderbe- treuung sowie für Schulkinder Nachmit- tagsbetreuung mit Hausaufgabenüber- wachung“. Andere Prioritäten bei der Arbeitsplatzwahl sind für Ärztinnen:

gleichberechtigter und einforderbarer Zugang zur wissenschaftlichen Arbeit und zur Einteilung für operative Eingrif- fe, karrierefördernde Anerkennung von Managementerfahrungen aus familiären und anderen sozialen Bereichen, eine qualifizierte Weiterbildung, die auch in Arbeitszeitmodellen und in Teilzeit ab- solviert werden kann und familien- freundliche Bedingungen im ambulanten vertragsärztlichen Bereich.Die Arbeitge- ber sollten sich aber auch für eine praxis- gerechtere Handhabung der Mutter- schutzrichtlinienverordnungen engagie- ren. Mutterschutz ist sinnvoll und erfor- derlich, schießt aber in der pauschal ge- forderten Umsetzung in vielen Fällen über das Ziel hinaus und gerät quasi zum

„Berufsverbot“ in der klinischen Patien- tenversorgung.

DÄ:Nun könnte man solche attrakti- ven Angebote als „aus der Not geboren“

bezeichnen, die ohne Not zukünftig wie- der fallengelassen werden.Wie kann man ein grundsätzliches Umdenken errei- chen? Welche konkreten Maßnahmen sind hier zielführend?

Bühren: Natürlich sind Um-Denken und Neu-Handeln oft aus der Notwen- digkeit geboren. Die zu entwickelnden lebenszyklusgerechteren Arbeitsmodelle werden aber so attraktiv und dem Zeit- geist entgegenkommend sein, dass ich ein Zurückdrehen dieser Weichenstellung nicht befürchte. Ärztinnen gehören zur Krankenversorgung wie Patientinnen.

Beispiele aus der freien Wirtschaft zei- gen, dass familienorientierte Modelle im Sinne von Gender Mainstreaming eine gute Investition in die Zukunft sind. In Kliniken wird jedoch trotz sich rechnen- der Vorteile wie geringerer Fluktuation und größerer Effizienz bei gleichzeitig höherer Arbeitszufriedenheit bisher nur selten arbeitsplatznahe und dienstzeit- kompatible Kinderbetreuung an 365 Ta- gen angeboten. Es darf nicht mehr länger gelten: Wenn Sie als Ärztin berufstätig sein wollen,dann sehen Sie zu,wie Sie das in bestehenden Strukturen bewerkstelli- gen. Sondern:Wir wollen Ihre hoch quali- fizierte Arbeitsleistung – was müssen wir bieten, damit Sie in unsere Klinik kom- men beziehungsweise sich in unserer Re- gion niederlassen?

DÄ:Mehr als 20 000 Ärztinnen sind bei den Ärztekammern ohne ärztliche Tätigkeit (ohne Ruheständler und Be- rufsunfähige) gemeldet. Wie kann die- ses brachliegende Potenzial für die ärzt- liche Versorgung wieder nutzbar ge- macht werden?

Bühren: Wir können davon ausge- hen, dass auch Ärztinnen mit Kindern nach aufwendiger Aus- und Weiterbil- dung lebenslang ärztlich tätig sein wol- len. Dafür müssen sie aber vorurteilsfrei Chancen und praktikable Modelle an- geboten bekommen: So könnten Ärz- tinnen und Ärzte in der Elternzeit am gewohnten Arbeitsplatz auf Wunsch eingebunden bleiben durch zum Bei- spiel Fortbildungsteilnahme, Gutachten- tätigkeit, Urlaubsvertretungen. Nach längerer Familienphase können Wie- dereinstiegskurse – inzwischen wieder erfolgreich zum Beispiel von der Kam- mer Westfalen-Lippe angeboten – und Praxis- und Klinikpraktika die Kollegin für die Patientenversorgung zurückge- winnen.

DÄ: Welchen Vorteil sehen Sie für Patientinnen und Patienten, wenn mehr Ärztinnen für die medizinische Versor- gung zur Verfügung stehen?

Bühren:Frauen forschen und fördern anders, bringen geschlechtersensible Aspekte ein, wählen im Durchschnitt gesehen andere Fachgebiete, zum Bei- spiel in der Niederlas-

sung. Sie bringen frau- enspezifische biogra- fische Lebenserfah- rungen mit und the- matisieren zum Bei- spiel in der Frauen- heilkunde unter- schiedliche salutoge- netische und thera- peutische Aspekte.

Frauen haben auch besondere Qualifika- tionen im Bereich der Kommunikation und Empathie. Zur Förde- rung dieses Potenzials ist es notwendig, dass mehr Ärztinnen in

Entscheidungspositionen gelangen. Den Patientinnen und Patienten wird es am meisten nutzen, wenn sie auch in Zukunft ambulant und stationär überhaupt noch genügend Ärztinnen und Ärzte finden, die sich um sie kümmern, ihre Bedürfnisse verstehen und darauf eingehen und sie individu- ell und qualitativ gut behandeln kön-

nen. DÄ-Fragen: Thomas Gerst

Grafik 1

Anteil der Frauen während der akademischen Ausbildung insgesamt und im Fach Humanmedizin im Jahr 2000

60 %–

50 %–

40 %–

30 %–

20 %–

10 %–

0 %–Studienanfänger Studierende Absolventen Promotionen

Insgesamt Humanmedizin

Habilitationen 49,2

61,2 46,2

53,3 44,8

51,3

34,3 44,2

18,413,7

Quelle: Statistisches Bundesamt Anteile in Prozent

(4)

51,3 Prozent an den bestandenen Ex- amina. Nach dieser Ein-Zeitpunkt-Be- trachtung scheint der Anteil der Frauen während des Medizinstudiums abzu- nehmen; gleichwohl stellen Frauen bei den Absolventen eines Medizinstudi- ums weiterhin die Überzahl. Erst bei den höheren akademischen Graden schwindet die Frauenmajorität. So be- trägt der Frauenanteil bei Promotionen im Fach Humanmedizin nur noch 44,5 Prozent, liegt damit aber immer noch über dem Niveau der Promotionen ins-

gesamt (34,3 Prozent). Dieses Zahlen- verhältnis wandelt sich erst bei den Ha- bilitationen. Hier liegt der Anteil der Frauen mit 13,7 Prozent im Fach Hu- manmedizin unter dem Wert aller Fächer, der 18,4 Prozent beträgt.

Aufschlussreich ist die Analyse des Frauenanteils im weiteren Verlauf der ärztlichen Berufskarriere. Der Frau- enanteil bei den Absolventen, die mit dem ärztlichen Praktikum beginnen, liegt bei 51,9 Prozent. Mit dem Ende der Weiterbildung erfolgt ein großer Einschnitt: Die im Jahr 2002 erteilten Gebietsanerkennungen gingen nur zu 38,9 Prozent an Ärztinnen. Unter den leitenden Krankenhausärzten betrug der Anteil der Frauen 9,6 Prozent. Im Mittelbau der medizinischen Hoch- schulen sind Dozentinnen und Assi- stentinnen zu 27,8 Prozent vertreten, wohingegen der Professorinnenanteil bei lediglich 6,2 Prozent liegt. Aller- dings ist der Rückgang der Frauen- quote nicht so dramatisch, wie Grafik 2 nahe legt, da Zeitverzögerungseffekte unberücksichtigt bleiben.

Eine Analyse, die die Frauenquoten in verschiedenen Stadien der Berufs- karriere zu einem bestimmten Zeit- punkt betrachtet, ist nicht geeignet, die Entwicklung korrekt darzustellen. Not- wendig ist vielmehr eine Lebenszyklus- analyse, bei der die Frauenquote im Verlauf der Berufskarriere einer Ko- horte analysiert wird. Anderenfalls werden Zeitverzögerungseffekte nicht berücksichtigt. Der vermeintliche gro- ße Rückgang während des Studiums lässt sich durch den Zeitverzögerungs-

effekt erklären. So ist der Frauenanteil unter den Studienanfängern nur lang- sam auf den heutigen hohen Wert ge- stiegen. Er lag 1993 bei 48,9 Prozent und vier Jahre später bei 51,2 Prozent.

In den alten Bundesländern lag der Wert 1985 erst bei 45,1 Prozent. Der Anstieg der Frauenquote bei den Stu- dienanfängern zwischen 1993 und 2001 beträgt 25 Prozent. Es muss eine be- stimmte Zeit vergehen, bis der Frau-

enanteil bei den Absolventen dem ho- hen Anteil bei den Anfängern ent- spricht.

Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn der Anteil der Frauen im Zeitver- lauf der medizinischen Ausbildung be- trachtet und sozusagen eine Berufskar- rierenanalyse einer Kohorte durchge- führt wird (Grafik 3).Demnach hat der Anteil der Frauen im Verlauf des Studi- ums zugenommen. Der entsprechende Wert lag bei den Studienanfängern (er- stes Fachsemester) im Jahr 1990 bei 42,1 Prozent, stieg bei der ärztlichen Vorprü- fung 1992 auf 44,4 Prozent und gipfelte bei 45,4 Prozent bei den bestandenen Examina des Jahres 1996. Diese Ent- wicklung erklärt sich nur dadurch: Mehr Männer als Frauen haben das Studium abgebrochen oder das Studienfach ge- wechselt. (Dieses Phänomen ist auch da- durch erklärbar, dass männliche Studen- ten länger für die Absolvierung des Stu- diums benötigen.) Allerdings kann auch bei dieser Berufskarrierenanalyse ein Rückgang des Frauenanteils während der Weiterbildung festgestellt werden.

Zwischen Examen und Gebietsaner- kennung sinkt bei der Lebenszyklus- betrachtung die Frauenquote hingegen weniger drastisch (um knapp neun Prozent) als bei der Analyse aller Aus- bildungsstufen zu einem Zeitpunkt, wie sie in Grafik 2 dargelegt ist. Jene Betrachtung über- schätzt somit den Rückgang der Ärz- tinnenquote. Den- noch ist ein „Frau- enschwund“ zu ver- zeichnen. Dies kann als Anzeichen ge- wertet werden, dass viele Ärztinnen aufgrund struktureller und gesellschaftlicher Hindernisse, zum Beispiel mangelnde Teilzeitstellen und zu wenig Kinderbetreuungsangebote, dem Arztberuf den Rücken kehren (müssen).Will man verhindern, dass die Ressourcen von jungen und hoch qua- lifizierten Akademikerinnen brachlie- gen, so muss man an dieser Stelle anset- zen und entsprechende Gegenmaßnah- men ergreifen.

Grafik 3

Anteil der Frauen im Verlauf der medizinischen Ausbildung (alte Bundesländer) (Lebenszyklusbetrachtung)

50 %–

40 %–

30 %–

20 %–

10 %–

0 %– Studienanfänger 1990 (1. Fachsemester)

Ärztliche Vorprüfung

1992

Examen 1996

Gebiets- anerkennungen

2001

Aus- bildungs- abschnitt

42,1 44,4 45,4

41,4

Quelle: IMPP, Bundesärztekammer, Statistisches Bundesamt Anteile in Prozent

Grafik 2

Anteil der Frauen auf den verschiedenen Stufen der medizinischen Berufskarriere (Ein-Zeitpunkt-Betrachtung)

60 %–

50 %–

40 %–

30 %–

20 %–

10 %–

0 %– Studien- anfänger

ärztliche Vorprüfung

Examen Beginn als AiP

Gebiets- anerken- nungen

berufstä- tige Ärzte insgesamt

2002 2001 2000

Kranken haus- ärzte

nieder- gelassene

Ärzte Dozenten und Assi- stenten

leitende Kranken- hausärzte

Profes- soren Anteile in Prozent

61,2 57,6

51,3 51,9

38,9 37,9 37,6 33,8

27,8

9,6 6,2

Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesärztekammer, IMPP

(5)

Weiterhin fällt auf, dass unter denje- nigen, die ohne ärztliche Tätigkeit bei den Ärztekammern gemeldet sind (oh- ne Berücksichtigung von Ruheständ- lern und Berufsunfähigen), der Ärztin- nenanteil 71 Prozent (absolut: 20 400) beträgt. Der Anteil der Ärztinnen an al- len Ärztinnen und Ärzten, die aus- schließlich im Haushalt tätig sind, liegt bei 93 Prozent (4 900). Bei der Eltern- zeit liegt der Anteil bei 96 Prozent (4 800). Ein weiterer aufschlussreicher Wert ist der Frauenanteil unter den Ärztinnen und Ärzten, die ihrer Ärzte- kammer gegenüber angegeben haben, sie seien arbeitslos: Er liegt bei knapp zwei Dritteln (absolut: 6 800). Dieser Wert ist überproportional hoch. Es ist anzunehmen, dass diese Frauen auf- grund von Kindererziehung dem Ar- beitsmarkt zeitweise nicht zur Verfü- gung stehen – wohl nicht zuletzt als Fol- ge des Mangels an Teilzeitstellen.

Entscheidende Barriere

Die Daten sprechen eine eindeutige Sprache: Die medizinische Profession scheint immer mehr von Frauen ergrif- fen zu werden. Bald werden zwei Drit- tel der Studienanfänger im Fach Hu- manmedizin Frauen sein. Auf den zwei- ten Blick aber offenbart sich, dass die Humanmedizin – sollte sich der bisheri- ge Trend fortsetzen – kein „Frauen- fach“ wird. Der Grund: Der Trend wird in der Phase der Weiterbildung ge- bremst. Hier ist ein Rückgang an Ärz- tinnen festzustellen. Es ist anzunehmen, dass dies vor allem wegen der mangeln- den Vereinbarkeit von Beruf und Fami- lie geschieht. Wenn diese Barriere, an der viele Ärztinnen scheitern, beseitigt werden würde, wäre auch die Zahl der berufstätigen Ärztinnen deutlich höher.

Das Verbleiben von hoch qualifizierten Ärztinnen im System könnte den im- mer deutlicher zutage tretenden Ärzte- mangel mildern und zu einer besseren Patientenversorgung führen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 891–895 [Heft 14]

Anschrift des Verfassers:

Dr. Thomas Kopetsch Bundesärztekammer Herbert-Lewin-Straße 1 50931 Köln

KOMMENTAR

m das Schicksal und die Integrati- on von Menschen mit Behinde- rungen und von Schwerbehinder- ten kümmern sich nationale und supra- nationale Organisationen und Einrich- tungen. Auch der Gesetzgeber hat mit der Neukodifizierung des Rehabilitati- ons- und Schwerbehindertenrechtes im neu gefassten Sozialgesetzbuch IX An- strengungen unternommen, um die so- ziale Absicherung des Behindertenrisi- kos, die Versorgung, Integration der Betroffenen und die Transparenz über das Leistungsspektrum zu verbessern.

Auch die Europäische Union (EU) will

dabei und mit solchen Aktionen nicht nachstehen: Sie hat das Jahr 2003 zum

„Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen“ ausgerufen – eine Ak- tion, die in der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt ist und noch nicht mit Taten und Unterstützung begleitet wird. Aktionen und Kampagnen, ent- sprechende Öffentlichkeitsauftritte von Politikern und Verbandsfunktionären nützen aber wenig, wenn sie nicht red- lich gemeint sind und tatkräftig umge- setzt werden. Mit der EU-Kampagne für dieses Jahr soll unter anderem die Bereitschaft der Unternehmen geför- dert werden, Behinderte vermehrt zu beschäftigen. In Deutschland leben mehr als 6,6 Millionen Schwerbehin- derte, die zumeist körperlich gehandi- capt sind. Sie leiden beispielsweise an Erkrankungen der inneren Organe, des Skeletts oder anderen chronischen Er- krankungen (etwa multiple Sklerose oder Morbus Bechterew). Jeder siebte Schwerbehinderte hat wegen einer gei- stigen oder seelischen Erkrankung ei- nen „Behindertenausweis“, der ihn zwar nicht stigmatisiert, ihm aber steu- erliche und andere finanzielle und vor allem praktische Vorteile verschaffen soll.

Tatsache ist: In Zeiten hoher und lang anhaltender Arbeitslosigkeit ha- ben es Behinderte doppelt schwer, ihren Arbeitsplatz zu behalten oder be- ruflich reintegriert zu werden. Oftmals

sind die Arbeitsplätze zu starr auf Voll- erwerbsfähige ausgerichtet und zu un- flexibel, um auch Behinderte in Arbeit und Brot zu halten und zu bringen.

Noch immer werden Behinderte oft- mals bemitleidet, ihre Fähigkeiten da- gegen übersehen. Dabei ist es längst er- wiesen, dass Behinderte besondere Fähigkeiten entwickeln, um selbstbe- wusst und durch professionelle Hilfen gefördert ihr Handicap in den Griff zu bekommen und dieses mit Arbeit zu überwinden.

In Wirtschaft und Gesellschaft ist ei- ne Gesinnungsänderung notwendig, um

den Behinderten als Mitbürger anzuer- kennen und zu fördern. Mit Hilfen könnte eine Vielzahl von Behinderten beschäftigt werden und ihren Intentio- nen und Fähigkeiten entsprechend ein Arbeitsplatz ausgefüllt werden. Unter- nehmen mit mehr als 20 Beschäftigten sind verpflichtet, einen Teil der Arbeits- plätze mit Schwerbehinderten zu beset- zen. Dabei steht der Staat den Betrie- ben helfend zur Seite – etwa mit Be- ratungsangeboten, Entgeltzuschüssen oder Beihilfen zu behindertengerech- ten Arbeitsplätzen. Die Sozialleistungs- träger übernehmen die Kosten von be- hindertengerechten Einrichtungen in den Privatwohnungen und geben Zu- schüsse zu Fortbewegungsmitteln. Fi- nanziert werden die betrieblichen Maß- nahmen aus der Ausgleichsabgabe, die diejenigen Firmen zahlen müssen, die zu wenig Behinderte eingestellt haben.

Die Abgabe beträgt – je nachdem, wie weit die erforderliche Quote verfehlt wurde – 105 bis 160 Euro je Monat und nicht besetztem Pflichtarbeitsplatz. Der Aufwand der Sozialleistungsträger ist enorm und expandiert Jahr für Jahr. Al- lein die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gibt in diesem Jahr für Maß- nahmen der medizinischen Rehabilita- tion mehr als zwei Milliarden Euro aus, oftmals eine lohnende Investition in das Humankapital und gewiss ein wichtiger Beitrag zur Humanisierung der Gesell- schaft. Dr. rer. pol. Harald Clade

Behinderte

Kampagnen erfordern Taten

U

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