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Archiv "Konzept für reformwillige Politiker" (06.03.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

Die Gesundheitspolitische Gesellschaft (Kiel) verbreitet gegenwärtig ein 12-Punkte- Programm. Es enthält ausgewählte Vorschläge für Reformen im Gesundheitswesen.

Gesucht werden Politiker, die bereit sind, Konzepte in Handlungen umzusetzen.

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eformen im Gesundheitswe- sen haben nicht nur mit Selbstbeteiligung zu tun. Es wäre freilich verfehlt, diese gleich von vornherein auszuschließen, wie es jetzt wieder die Sozialaus- schüsse getan haben. Überlegun- gen für sinnvolle, das Verhalten steuernde Selbstbeteiligungen gehören zu jedem Reformkon- zept. Dazu kommen weitere, ebenso wichtige Punkte, zum Bei- spiel der, was mit den ins Gesund- heitssystem einströmenden Ärz- ten geschehen soll. Das ist viel- leicht das zentrale gesundheitspo- litische Problem der nächsten Jahre. Die Gesundheitspolitische Gesellschaft hat darauf soeben dankenswert deutlich hingewie- sen.

Bei der Gesundheitspolitischen Gesellschaft handelt es sich um eine Vereinigung, in der Personen und Organisationen vertreten sind, denen am Bestand eines frei- heitlichen Gesundheitswesens gelegen ist. Innerhalb dieser Ge- sellschaft gibt es einen Ge- sprächskreis, Gesundheitspoliti- sche Aktionsgemeinschaft ge- nannt, dem 18 Verbände angehö- ren, darunter die Bundesärzte- kammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Aus dieser Aktionsgemeinschaft kommt nun ein „Gesundheitspolitisches Handlungskonzept". Als 12-Punk- te-Programm wird darin aufgeli- stet, was getan werden sollte.

Nicht jeder der 18 Verbände wird jede Forderung gleich dick unter- streichen wollen, doch tendenziell dürfte das „Handlungskonzept"

von den Verbänden getragen wer- den können. Es trägt im übrigen

Konzept für reformwillige Politiker

deutlich die Handschrift des Vor- sitzenden der Gesundheitspoliti- schen Gesellschaft, Prof. Dr. med.

Fritz Beske, der in der Gesund- heitspolitik — vor allem der CDU — ja kein Unbekannter ist.

Die Verfasser des Handlungskon- zeptes gehen von zwei Prämissen aus.

Das Gesundheitssystem soll grundsätzlich erhalten bleiben und dem medizinischen Fort- schritt weiterhin angepaßt wer- den

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Einer im medizinischen Fort- schritt begründeten Leistungs- ausweitung muß eine Leistungs- einschränkung an anderer Stelle gegenüberstehen

Die Weiterentwicklung des Ge- sundheitswesens dürfe sich zwar nicht schlicht an der Entwicklung der Grundlohnsumme ausrichten, doch müßten Beitragserhöhun- gen auch unter dem Gesichts- punkt der Belastung für die Wirt- schaft und die Versicherten gese- hen werden, meinen die Verfas- ser. Sie glauben, mit ihren Vor- schlägen nicht nur die Beitrags-

sätze stabil halten, sondern lang- fristig sogar senken zu können.

Und solche Vorschläge enthalten die weiteren zehn Punkte des

„Handlungskonzeptes".

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Begrenzung der Zahl der Ärz- te, Zahnärzte und Apotheker auf den gesamtgesellschaftlichen Bedarf und Begrenzung des Zu- gangs zum Studium der Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie Die Verfasser sind der Auffassung, daß die Begrenzung der Zahl der Ärzte und Zahnärzte eine der ent- scheidendsten Voraussetzungen dafür ist, daß die Ausgaben der ge- setzlichen Krankenkassen ge- dämpft werden. Wörtlich: „Erfolgt eine solche Begrenzung nicht, dann sind nahezu alle anderen Maßnahmen wirkungslos."

Die konkrete Forderung: Die Ka- pazitätsverordnung muß so geän- dert werden, daß eine ordnungs- gemäße Ausbildung, basierend auf der Zahl lehrfähiger Dozenten, der Bettenzahl im klinischen Be- reich und der zur Verfügung ste- henden Patientenzahl, gesichert ist.

Hinzu komme, daß die weit über den Bedarf hinausgehende Aus- bildung von Ärzten, Zahnärzten und Apothekern eine unvertretba- re volkswirtschaftliche Belastung bedeute.

Auch hier eine konkrete Forde- rung: Entsprechend dem ersten Numerus-clausus-Urteil des Bun- desverfassungsgerichts muß bei der Zulassung zum Studium der Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 10 vom 6. März 1985 (17) 629

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Reformkonzept

gesellschaftliche Bedarf bestimmt werden.

Angesprochen sind mit beiden Forderungen der Bundesgesetz- geber, vor allem aber auch die Länder (Kapazitätsverordnung).

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Neubestimmung des versi- cherungspflichtigen und versi- cherungsberechtigten Perso- nenkreises in der gesetzlichen Krankenversicherung

Das „Handlungskonzept" ent- hält, kurz gesagt, die Forderung, auch in der sozialen Kranken- versicherung das Versiche- rungsprinzip zur Geltung zu bringen. Sowohl die Kranken- versicherung der Rentner als auch die Familienversicherung werfe finanzielle Probleme auf.

Außerdem sei der Versiche- rungsschutz in den letzten Jah- ren auf Personen ausgedehnt worden, deren Beitragsbedin- gungen nicht versicherungsge- recht sind. Schließlich genössen Personen mit niedrigen Entgel- ten (zum Beispiel aufgrund von Teilzeitarbeit) und dementspre- chend geringen Beitragszahlun- gen vollen Versicherungs- schutz.

Die konkrete Forderung: Der Mitgliederkreis der gesetzlichen Krankenversicherung ist neu zu bestimmen. Es ist außerdem ein Mindestbeitrag für alle Mitglie- der einzuführen, der sich an dem Beitrag orientiert, den ein Arbeitnehmer mit durchschnitt- lich üblicher Arbeitszeit und ge- ringstem Arbeitsentgelt aufzu- bringen hat.

Angesprochen ist der Bundes- gesetzgeber.

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Festlegung von Leistungen, die nicht mehr von den gesetzli- chen Krankenkassen erstattet werden sollen

Die Verfasser sind der Meinung, daß die Krankenkassen bewußt Leistungen übernehmen müß- ten, die eigentlich nicht Sache

einer Krankenkasse sind. So et- wa könnten Zuschüsse für Heil- und Hilfsmittel beschränkt wer- den; das Sterbegeld könnte ent- fallen.

Die konkrete Forderung: Eine unabhängige Sachverständi- genkommission soll eingesetzt werden, um im Leistungskatalog solche Leistungen ausfindig zu machen, die nicht erstattet wer- den sollen.

Angesprochen ist hier neben der Bundesregierung die Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen.

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Neuordnung der Finanzie- rung von Fremdleistungen Die gesetzliche Krankenversi- cherung zahlt oft für Leistun- gen, die eigentlich anderen Be- reichen der sozialen Sicherung zuzurechnen sind, so Mutter- schaftsgeld oder Schwanger- schaftsabbruch und Sterilisation ohne medizinische Indikation.

Konkrete Forderung: Entweder Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung von die- sen Leistungen oder Finan- zierung der entsprechenden Aufwendungen außerhalb der Krankenversicherung. Fürs er- ste soll ein vollständiger Katalog solcher Leistungen, die nicht zu den originären Aufgaben einer Krankenversicherung gehören, erarbeitet werden.

Angesprochen sind hier neben dem Bundesgesetzgeber auch wieder die Selbstverwaltungen.

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Direkte Selbstbeteiligung und Transparenz im Sinne von Kostenkenntnis

Skeptisch äußern sich die Ver- fasser zu der auch jüngst wieder gestellten Forderung, dem Pa- tienten „Kostenkenntnis" zu verschaffen.

Sie schlagen hingegen folgende Selbstbeteiligungen vor:

Direkte Selbstbeteiligung von 20 Prozent bei Arzneimitteln mit Festlegung eines Höchstbe- trages, gleichzeitig Aufgabe der bisherigen Rezeptblattgebühr.

Verbunden mit einer solchen Maßnahme könnte die Negativli- ste aufgehoben werden.

1> Direkte Beteiligung des Pa- tienten in Form eines Festbetra- ges an physikalisch-medizini- schen Leistungen und bei Psy- chotherapie.

> Festzuschüsse beim Zahner- satz, Direktbeteiligung in der Kieferorthopädie und in der Par- odontologie.

Angesprochen sind in erster Li- nie der Bundesgesetzgeber, aber auch wieder die Selbstver- waltungen.

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Überführung von Leistungen aus der gesetzlichen Kranken- versicherung in eine Spezial- versicherung; Unterstützung der Krankenversicherung über eine Erhöhung der Alkohol- und Tabaksteuer

Eindeutig abgrenzbare Risiken, die in erster Linie durch das Ver- halten des Betroffenen verur- sacht werden, zum Beispiel Sportunfälle, könnten einer Spezialversicherung übertragen werden.

Da durch die Folgen von Alko- hol- und Tabakmißbrauch letz- ten Endes die Versichertenge- meinschaft belastet wird, sollten die Steuern für Tabakwaren und Alkoholika erhöht werden; die Mittel sollten der Krankenversi- cherung zufließen.

Angesprochen ist hier wieder der Bundesgesetzgeber.

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Finanzierung des Kranken- hauswesens

Relativ vage bleibt das „Hand- lungskonzept" in Sachen Kran- kenhaus. Das ist angesichts der Bedeutung dieses Ausgaben- 630 (18) Heft 10 vom 6. März 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Reformkonzept KURZBERICHT

blocks ein Manko des Konzep- tes. Immerhin deuten die Verfas- ser an, daß die Neufassung des KHG möglicherweise nicht zu dem erhofften Rückgang der Ausgaben und zu einem Abbau von Überkapazitäten führen wird. Die Diskussion über die Krankenhausfinanzierung und die wissenschaftliche Untersu- chung dieses Sektors seien da- her fortzuführen.

(I) Erweiterung des Umfanges der Herstellung von Arzneimit- teln in Apotheken

Die Gesundheitspolitische Ge- sellschaft möchte die Einzelre- zeptur wieder aufleben lassen.

(1) Entgeltfortzahlung im Krank- heitsfall

Die Verfasser schlagen vor, die Entgeltfortzahlung auf 80 Pro- zent des vorherigen Bruttoar- beitsentgeltes zu begrenzen, die Arbeitsunfähigkeit auch in- nerhalb der Entgeltfortzah- lungsfrist angemessen zu über- prüfen und die Teil-Arbeitsunfä- higkeit einzuführen.

Angesprochen ist hier der Bun- desgesetzgeber.

Ø Ausbau der Prävention und Stärkung der Selbstverantwor- tung für die eigene Gesundheit Das ist der einzige Punkt des 12-Punkte-Programms, in dem das „Handlungskonzept" nicht konkret wird, sondern lediglich einige allgemeingültige Er- kenntnisse wiedergibt. Immer- hin — es sei zu prüfen, wie im Rahmen der gesetzlichen Kran- kenversicherung Anreize zu ei- ner gesundheitsbewußteren Le- bensführung geschaffen wer- den können.

Angesprochen ist diesmal nicht allein der Gesetzgeber; im „ge- sundheitspolitischen Hand- lungskonzept" steht der Ver- merk: Handlungsbedarf: alle Be- teiligten. NJ

Sozialausschüsse:

Ärzte kontrollieren!

Die CDU-Sozialausschüsse wollen die „Anbieter von Gesundheitslei- stungen" — wie Ärzte und die Pharmaindustrie — stärker in die

„dringend notwendige Kosten- dämpfung im Gesundheitswesen"

einbinden. Dagegen lehnt die Ar- beitnehmergruppierung der Union (Christlich-Demokratische Arbeit- nehmerschaft — CDA) weitere Di- rektbeteiligungen der Patienten an den Rechnungen der Ärzte, Zahnärzte oder Krankenhäuser ri- goros ab.

In einem Neuaufguß des bereits vor mehr als zwei Jahren veröf- fentlichten CDA-Programms „Ge- sundheitspolitik — am Menschen orientiert" hat die CDU-Gliede- rung den Sparkatalog auf die ak- tuelle Situation zugespitzt. Der stellvertretende Vorsitzende der CDA, Peter Kudella, Bremen, um- riß vor der Presse in Bonn das Po- sitionspapier, das zum Teil Par- allelen zu Schubladenentwürfen aufweist, die seit geraumer Zeit im Bundesarbeitsministerium lagern:

So soll nach Auffassung der CDA die Zahl der Arzneimittel von heu- te 70 000 Spezialitäten (dazu kom- men unterschiedliche Packungs- größen) auf 2000 beschränkt wer- den. Als erster Schritt soll eine Preisvergleichsliste eingeführt werden. Die Selbstverwaltungsor- gane der gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) sollen als Ver- tragspartner der Pharmaindustrie auftreten (ein Projekt, das aller- dings nicht zuletzt wegen kartell- rechtlicher Barrieren von den Di- rekt-Kontrahenten bereits ad acta gelegt worden ist). Ferner sollten die Packungsgrößen verringert, die Preisgestaltung der Hersteller kontrolliert, die Werbung für ver- schreibungspflichtige Arzneimit- tel auf Produktinformationen be- schränkt, die Zahl der Arzneimit- telmuster um die Hälfte reduziert und „fragwürdigen Kombinations- präparaten" durch gesetzliche Maßnahmen sowie durch Zulas-

sungsvereinbarungen der Kassen entgegengewirkt werden. Spe- ziell für Ärzte soll ein Arzneimittel- Informationssystem geschaffen werden, aus dem „jederzeit ohne großen Aufwand Informationen über Preise, Bio-Verfügbarkeit und therapiegerechte Verord- nungsweisen" abzurufen sind.

Die Abrechnungen der Ärzte sol- len stärker durch den Patienten kontrolliert werden. Wie zuvor schon die IG Metall fordert auch die CDA, daß der Patient jede ärzt- liche Behandlung quittieren solle.

Darüber hinaus soll ihm eine all- gemeinverständliche Aufstellung der ärztlichen Leistungen nach Beendigung der ärztlichen Ver- sorgung ausgehändigt werden, die an den Kostenträger weiterge- leitet werden soll. Ferner sollen die Ärzte verpflichtet werden, auf die Verschreibung teurer „Mar- kenartikel" zu verzichten, statt dessen sollen kostengünstigere und vergleichbare Medikamente zum Zuge kommen.

Die „kostentreibende Wirkung der Ärzteschwemme" soll unter- bunden werden, indem die Zahl der zugelassenen Kassenärzte drastisch begrenzt wird. Über ge- änderte Kapazitätsverordnungen müsse versucht werden, den Zu- gang zum Medizinstudium zu be- grenzen. Der Selbstverwaltung der Krankenkassen soll zugestan- den werden, überversorgte Ge- biete für die kassenärztliche Zu- lassung zu sperren. Die Kassen sollen ferner ermächtigt werden, Medikamente in der kassen- und vertragsärztlichen sowie in der stationären Versorgung zuzu- lassen.

Freizeitrisiken und Risiken der per- sönlichen Fehlverhalten sollen ausgegrenzt werden. Unverändert beibehalten werden soll das in der GKV seit 100 Jahren geltende Natu- ralleistungs- bzw. Sachleistungs- prinzip. Ohne dies zu konkretisie- ren, sieht die CDA in einer Auflok- kerung dieses starren Leistungs- prinzips eine Inkarnation eines

„Zweiklassenrechts". HC Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 10 vom 6. März 1985 (19) 631

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