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Archiv "Privatisierte Hochschulmedizin: Kampf der Kulturen" (01.02.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 5

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1. Februar 2013 A 153

E

s sind zwei Welten, die seit der Privatisierung im Jahr 2006 im Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) aufeinanderprallen: Auf der einen Seite stehen mit den Klinikchefs Hochschullehrer, die in langen Zyklen denken, sich sehr intensiv mit einer Krankheit, deren Diagnostik und Therapie auseinander- setzen und dementsprechend über viele Jahre hinaus ihre Forschungsprojekte verfolgen; meist in derselben Klinik. Auf der anderen Seite gibt es die Geschäftsfüh- rer der Rhön-Klinikum AG, die ihren Aktionären quar- talsweise positive Nachrichten liefern müssen, stets den aktuellen Börsenkurs im Blick haben und für die es normal ist, sich alle ein, zwei Jahre einen neuen Arbeit- geber zu suchen. Forschung und auch Lehre sind ihnen vor allem lästig. Zwar ist Rhön nur für die Krankenver- sorgung im UKGM zuständig, im Alltag lässt sich dies aber kaum trennen.

„Der Kampf der Kulturen in den Kliniken ist für mich der tiefste Grund, warum die Privatisierung von Universitätsklinika nicht funktionieren kann“, sagte Prof. Dr. med. Matthias Rothmund, Dekan des Fachbe- reichs Medizin der Philipps-Universität Marburg, am 23. Januar beim Forum der Emeritierten der Frankfur- ter Medizinischen Gesellschaft in Frankfurt am Main.

Wie unterschiedlich ein privater und ein öffentlicher Betreiber eines Universitätsklinikums ticken, lässt sich gut anhand der in Marburg nicht in Betrieb genomme- nen Partikeltherapieanlage ablesen. Im Zuge der Über- nahme des UKGM hatte sich Rhön verpflichtet, in Marburg eine solche Anlage zur Krebsbekämpfung zu etablieren. Die Tumoren von 2 000 Patienten sollten hier jährlich millimetergenau mit Protonen und Koh- lenstoffionen beschossen werden, was für Rhön ein gu- tes Geschäft gewesen wäre. Als der Hersteller Siemens jedoch ermittelte, dass aus technischen Gründen bis auf weiteres höchstens 400 Patienten pro Jahr in der Anlage behandelt werden könnten, stoppte Rhön das Projekt.

Es sei nicht rentabel. Anders die Situation in Heidel- berg: Wohl wissend, dass sie zunächst Verluste pro - duzieren werde, nahm das Universitätsklinikum seine Partikeltherapieanlage 2009 in Betrieb – weil man

langfristig an den Erfolg der Technologie glaubte und sie den Patienten nicht vorenthalten wollte. Heute schreibt die Anlage eine „schwarze Null“.

Das Aus für die Marburger Partikeltherapie könnte für Rhön übrigens nicht nur wegen der bereits inves- tierten rund 120 Millionen Euro ein teures Ende haben.

Schließlich hatte sich der börsennotierte Konzern beim Kauf des UKGM vertraglich gegenüber dem Land Hes- sen verpflichtet, die Anlage bis Ende 2012 in Betrieb zu nehmen. Anderenfalls hat das Land Anspruch auf die Zahlung einer weiteren Kaufpreistranche in Höhe von 107 Millionen Euro. Ob das Land das Geld jetzt ein- klagt, ist offen. Und auch eine weitere für den Zuschlag wichtige Zusage von Rhön ist nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurde: So hat der Kon- zern 2006 freiwillig auf jegliche Investitionszuschüsse des Landes verzichtet. Dem Vernehmen nach sollen in diesem Jahr aber doch 13 Millionen Euro aus Steuer- mitteln an das UKGM fließen.

Stand Januar 2013 ist die Privatisierung der zuvor fusionierten Universitätsklinika Gießen und Marburg mithin kein Erfolgsmodell. Die Vorgänge am UKGM liefern vielmehr Argumente dafür, dass Hochschul - medizin eine öffentliche Aufgabe sein muss. Um neue Therapien wie die Partikeltherapie zu etablieren, bedarf es mehr Geduld, als es die Geschäftsmodelle der priva- ten Betreiber zulassen.

PRIVATISIERTE HOCHSCHULMEDIZIN

Kampf der Kulturen

Jens Flintrop

Jens Flintrop Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik

S E I T E E I N S

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