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Archiv "Die aktuelle Situation der Krebsbekämpfung" (17.04.1980)

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Aufsätze •Notizen

Heft 16 vom 17. April 1980

Die aktuelle Situation der Krebsbekämpfung

Ein Erfahrungsbericht

Der Aufforderung der Bundes- regierung zur Mitarbeit am Gesamtprogramm für die Krebsbekämpfung nachkom- mend, wird in diesem Beitrag der Organisationsstatus nach Beendigung der Diskussionen auf der „Großen Krebskonfe- renz" und im Bundestag dar- gestellt. Es werden Vorschlä- ge für die Planung und Ent- wicklung der Fachkommissio- nen im Bereich der Präven- tion, Versorgung und Nach- sorge gemacht. Laufende und geplante Aktionen werden kri- tisch betrachtet, Alternativvor- schläge unterbreitet. Diese basieren auf eigenen Beob- achtungen und Erfahrungen und berücksichtigen die Grundprinzipien des gelten- den Gesellschaftssystems, in dem humane und ökonomi- sche Gesichtspunkte beson- deres Gewicht haben. Wichtig für die Koordination aller Un- ternehmungen ist die organi- satorische Zusammenfassung der zuständigen Gremien in jedem Land.

Alexander von Essen

Die Erarbeitung des „Gesamtpro- gramms für die Krebsbekämpfung"

und seine Durchführung sollen nach dem Willen der Bundesregierung,

„ein Angebot an alle sein, die über Möglichkeiten verfügen, einen Bei- trag zur Krebsbekämpfung zu lei- sten. Es soll ihnen kooperative Ar- beit ermöglichen, es soll Partner zu- sammenführen, aber keine sach- fremden Hierarchien schaffen." Die erste Sitzung der von der Bundesre- gierung einberufenen „Großen Krebskonferenz" am 28. September 1979 und die Diskussionen „Zur Krebsforschung und Krebsbekämp- fung in Deutschland" im Deutschen Bundestag ergaben in vielen Punk- ten Übereinstimmung bezüglich not- wendiger Maßnahmen. In der ent- scheidenden Frage, welche Institu- tion qualifiziert und in der Lage sei, die Koordinierung der Initiativen und Aktivitäten im wissenschaftli- chen Sektor und dem der prakti- schen Krebsbekämpfung vorzuneh- men, konnte keine Einigkeit erzielt werden.

Große Krebskonferenzen

beraten werden. Die Opposition be- zweifelt auch auf der Basis der Er- fahrungen mit der ersten „Großen Krebskonferenz" deren Effektivität und verweist zunächst auf eine vom Bundestag seinerzeit beschlossene institutionalisierte Kooperationsebe- ne zwischen Bund, Ländern und der Forschung.

Infolge der Zuständigkeit von fünf Bundesministerien sei eine Ge- schäftsstelle nicht in der Lage, eine gestraffte Koordination durchzufüh- ren und eine notwendige Zusam- menarbeit mit den Bundesländern sicherzustellen. CDU und CSU schlagen einen „Deutschen Rat zur Krebsbekämpfung" vor, einen Sach- verständigenrat von Männern und

Frauen, die nicht nur kundig und sachverständig sind, „sondern auch ihr Leben in den Dienst einer Sache gestellt haben und sich dadurch besser als andere, denen die Erfül- lung administrativer Aufgaben ob- liegt, legitimiert und verantwortlich gezeigt. haben." Die Mitarbeit sol- cher fachkompetenter Kreise ist aber auch von der Bundesregierung vorgesehen.

Die Bundesregierung beabsichtigt, eine Geschäftsstelle im Bundesmini- sterium für Jugend, Familie und Ge- sundheit einzurichten, die den für den Schwerpunktbereich einzuset- zenden Fachkommissionen zuarbei- ten soll. Auf den in mehrjährigem Abstand tagenden „Großen Krebs- konferenzen" soll dann über Inhalt und Fortführung des Programmes

Der Vertreter der Deutschen For- schungsgemeinschaft machte auf der „Großen Krebskonferenz" dar- auf aufmerksam, daß Krebsfor- schung nicht planbar sei wie prak- tisch orientierte Krebsbekämpfung im Bereich von Vorsorge, Behand- lung und Nachsorge. Der Delegierte der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. forderte die Errichtung eines

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tes und würdigte in diesem Zusam- menhang die beispielhafte unbüro- kratische Arbeit der Deutschen For- schungsgemeinschaft. Er wies als Instrument für Schwerpunktstudien im Bereich der praktischen Krebsbe- kämpfung auf die Gesellschaften für Krebsbekämpfung in den einzelnen Bundesländern hin, die auf be- stimmten Gebieten hervorragende Pionierarbeit geleistet hätten.

Aussichtsreicher Anfang

Frau Antje Huber, Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, sieht in der „erstklassigen Beteili- gung" an der ersten „Großen Krebs- konferenz", an der mehr als hundert wissenschaftliche, ärztliche und nichtärztliche Organisationen teil- nahmen, einen aussichtsreichen An- fang. Sie bestritt den Vorwurf der Opposition, die Regierung habe kei- ne Konzeption. Es gehe nicht dar- um, neue Organisationen ins Leben zu rufen, sondern bestehende zu verstärktem Zusammenwirken zu bringen. Das federführende Ressort zur Koordinierung des Gesamtpro- gramms, bei dem nicht die Grundla- genforschung, sondern Maßnahmen der praktischen Krebsbekämpfung im Vordergrund stehen sollen, ist im Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit verankert. Es werde Maßnahmenansätze und Initiativen beschreiben. Diese beziehen sich neben der Forschung, dem Interna- tionalen Verbund auch auf die Ein- richtung von Tumorzentren, Krebs- registern, bis zur „Errichtung einer institutionellen Kooperationsebene für Krebsforschung und Krebsbe- kämpfung".

In Anbetracht dessen, daß die Koor- dinationsinstitution im Bundesge- sundheitsministerium bereits reali- siert wurde, geht es jetzt ausschließ- lich darum, zu versuchen, ihre Tätig- keit effektiv zu gestalten und zu ver- hindern, daß es eine sachfremde Hierarchie wird, die in Bürokratis- mus erlahmt. Zur Lösung der anste- henden Probleme sind Arbeitskreise folgender Fachbereiche geplant oder im Aufbau:

sorge,

> Grundlagen- und klinische For- schung,

> Ausbildung.

Krebsbekämpfung

ohne Ländergesellschaften?

Nach Auffassung des Bundes sollen an diesen Programmen eine große Reihe von „Aktivitäten des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Wissenschaft, der Ärzte und Betreu- ungspersonen, der Träger von Kran- ken- und Rentenversicherungen, der Deutschen Krebshilfe, sowie alle an- deren, die sich an diesem Programm beteiligen wollen", berücksichtigt werden. Bezüglich laufender Aktio-

nen zur Verbesserung der Krebsbe- kämpfung auf den Gebieten Präven- tion, optimale Krankenversorgung, Nachsorge, wurden auf den beiden Veranstaltungen ausschließlich die der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren sowie die der Deut- schen Krebshilfe namentlich er- wähnt. Der Stellenwert, den die Bun- desregierung dieser Organisation zuerkennt, wurde durch die Bemer- kung von Frau Huber unterstrichen, neue Einrichtungen dürften nicht in Konkurrenz zur Deutschen Krebshil- fe stehen; der Bund habe in dieser Richtung keine Absicht.

Diese Feststelllungen sowie der Um- stand, daß zur „Großen Krebskonfe- renz" zwar die Deutsche Krebsge- sellschaft und zwei ihrer Arbeitsge- meinschaften (eine radiologisch-on- kologische, eine internistisch-onko- logische), nicht aber die Länderge- sellschaften für Krebsbekämpfung, deren Haupttätigkeitsgebiet die praktische Krebsbekämpfung ist, geladen wurden, erscheinen bemer- kenswert. Offenbar ist es nicht allge- mein bekannt, daß diese regionalen Krebsgesellschaften gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft aus dem vor über 80 Jahren gegrün- deten „Deutschen Zentralausschuß Krebsbekämpfung — Krebsfor- schung" hervorgingen, dessen Auf- gaben sie gemeinsam fortführen.

sich mit dem Systematischen verbin- det, hat seine Bedeutung. Sie kann Zukunftsperspektiven eröffnen und sollte bei der Planung einer neuen Strategie der Krebsbekämpfung Be- rücksichtigung finden.

Die zunächst im Vordergrund ste- hende Planung arbeitsfähiger Fach- bereichskommissionen erfordert ih- re organische Entwicklung aus klei- nen Zellsystemen. Dies bezieht sich sowohl auf den Forschungs- und Lehrsektor als auch auf die für die Durchführung der praktischen Krebsbekämpfung zuständigen ärzt- lichen und nichtärztlichen Organisa- tionen. Bei den letzteren muß ein Defizit an entsprechenden Kenntnis- sen und Erfahrungen zwangsläufig vorausgesetzt werden. Ihre Vorstel- lungen basieren zum Teil auf Aussa- gen onkologischer Institutionen, die sie bei ihrer Argumentation über- nehmen, ohne sie kritisch beurteilen zu können.

Ein Beispiel hierfür gab ein Abge- ordneter in der Bundestagsdebatte bezüglich der Effizienz der bisheri- gen Krebstherapie. Bezugnehmend auf die Feststellungen von H. Oeser, E. Krokowski und anderer, daß zwar durch Früherkennungsmaßnahmen mehr Krebserkrankungen entdeckt werden, eine Auswirkung der Thera- pie im Sinne einer Senkung der Sterblichkeitsziffer aber nicht zu be- legen sei, fährt er fort, „andererseits muß ich hier feststellen, daß ich auf meine Anfragen bei dem durch Bun- desmittel geförderten Deutschen Krebsforschungsinstitut keinerlei Unterlagen bekommen habe, aus denen die Effizienz der konventio- nellen Krebstherapie auch nur mit einem Minimum an Überzeugungs- kraft hervorginge . . . " Der Begriff

„Effizienz" ist hier entweder falsch gedeutet oder mißverstanden worden.

Fortschritt durch Perfektion?

Grundsätzlich ist davon auszuge- hen, daß die ärztlich-diagnostische und therapeutische Betreuung von

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Krebskranken nach schulmedizini- schen Methoden sich in der Bundes- republik nicht von der in anderen vergleichbaren Industrieländern un- terscheidet. Rudolf Gross betont, daß unsere Therapieschemata so gut wie überall in der Welt entwik- kelt werden konnten, ebenso unsere statistischen Auswertungsmetho- den. H. Schmidt-Matthiesen weist darauf hin, daß nach Annual Report 1979, der internationalen Leistungs- erfassung von 37 Ländern der Welt, die Fünfjahreheilungen beim Gebär- mutterkrebs in der Bundesrepublik die in den USA um ein erhebliches übertreffen.

Wir haben festzustellen, daß wir beim gegenwärtigen Stand der Krebstherapie, abhängig von der Tu- morlokalisation und vom Stadium der Erkrankung, zum einen Heilun- gen und jahrelange lebenswerte Re- missionen, zum anderen zeitlich be- grenzte, aber eindrucksvolle Pallia- tiverfolge erzielen können. Trotz- dem stimmt es höchst bedenklich, daß wir in den letzten drei Dezen- nien trotz weitgehender Perfektion aller medizinischer Verfahren keine signifikanten Fortschritte erreichen konnten. Das bestätigt der neue Re- port des amerikanischen National Cancer Institutes, der für den Zeit- raum 1950 bis 1959 eine Fünfjahre- überlebensrate aller Krebskranken von 39 Prozent und für den Zeitraum von 1967 bis 1973 eine solche von 41 Prozent angibt.

Die Erkenntnis des Krebses als eine Erkrankung des gesamten menschli- chen Organismus gewinnt immer mehr an Bedeutung. Ein verändertes Konzept der Krebsbehandlung ist in der Diskussion. Hierbei spielen un- ter anderem Vorstellungen von E.

Krokowski eine Rolle, nach denen unsere aggressive Krebstherapie zwar in der Lage ist, Frühkarzinome zu heilen, andererseits aber gleich- zeitig Metastasen zu provozieren.

Bei der Berufung von Wissenschaft- lern in die Fachbereichskommission Grundlagenforschung sollten auch Vertreter unkonventioneller Rich- tungen Berücksichtigung finden. In diesem Zusammenhang sind zwei-

fellos die Bemühungen von Bedeu- tung, bei der Deutschen For- schungsgemeinschaft eine Koordi- nierungsstelle einzurichten, deren vordringliches Ziel es sein soll, ein fortdauerndes Abstimmungsge- spräch mit den Institutionen zu füh- ren und so die Krebsforschung zu fördern.

Vorsorgeuntersuchungen als Programm

Die Erkenntnis, daß die Früherken- nung für die ärztlichen Maßnahmen den wichtigsten Teil der Krebsbe- kämpfung darstellen, führte bereits Mitte der zwanziger Jahre zur Ent- wicklung eines Vorsorgeprogram- mes im gynäkologischen Bereich.

Im Mittelpunkt zahlreicher Vortrags- veranstaltungen und Publikationen wurde jahrzehntelang dieses Thema neben anderen Problemen der prak- tischen Krebsbekämpfung immer wieder behandelt. Ebenso wurde die Bevölkerung zunehmend auf die Wichtigkeit der frühzeitigen Erfas- sung hingewiesen, allerdings nicht in dem Maße, wie die Krebshilfe die- ses in den fünf Jahren ihres Beste- hens über alle Medien durchführen konnte.

Gemeinsame Bestrebungen der Krebsgesellschaften und der Ärzte- schaft führten dann am 1. Juli 1971 zur Einführung der „kostenlosen"

Krebsvorsorgeuntersuchung im Rahmen der gesetzlichen Kranken- versicherung. Diese beziehen sich bei Frauen auf drei Lokalisationen (Gebärmutterhals, Brust, Darm), die etwa 35 Prozent aller weiblichen Krebserkrankungen ausmachen, bei Männern auf den Mastdarm und die Vorsteherdrüse (etwa 14 Prozent al- ler Krebserkrankungen bei Män- nern). Dazu kommen seit 1976 Un- tersuchungen auf Krebs der Nieren, der ableitenden Harnwege und der Haut. Die Möglichkeit, mittels der üblichen Vorsorgemethoden begin- nende Krebse zu entdecken, ist groß, hat aber auch deutliche Gren- zen. Die Programme, zu denen auch eine Urinuntersuchung, eine Blut- druckmessung, seit 1977 die Stuhl- untersuchung auf okkultes Blut ge-

hören, geben dem untersuchenden Arzt aber weitere Möglichkeiten, durch Zusatzuntersuchungen unkla- re oder verdächtige Befunde abzu- klären.

Beängstigender Rückgang

Trotz vielfacher Bemühungen der Ärzte, der Krankenkassen und insbe- sondere der Deutschen Krebshilfe, ist ein beängstigender Rückgang der Inanspruchnahme, die bisher 10 bis 15 Prozent bei Männern und et- wa 35 Prozent bei Frauen betrug, festzustellen. Das ergab eine Ver- gleichsanalyse der Beteiligungszif- fern in den Jahren 1978 bis 1979 in Niedersachsen. Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen for- dern alle Kassenärzte nachdrücklich auf, die Möglichkeiten eines persön- lichen Kontaktes mit den Patienten mehr als bisher zu nutzen.

Diese und eigene Beobachtungen waren Anlaß für einen Versuch zur Motivforschung für diese negative Verhaltensweise.

Im letzten Quartal 1979 veranstaltete die Krebsgesellschaft Rheinland- Pfalz gemeinsam mit der AOK Rhein-Lahn eine sehr gut vorbereite- te Serie von Vortragsveranstaltun- gen mit dem Thema „Über die Be- deutung von Krebsvorsorgeuntersu- chungen". Der Kostenträger hatte große Anstrengungen gemacht, sei- ne fast 30 000 Mitglieder für die Ver- anstaltungen zu interessieren durch Hinweise in der Mitgliederzeitschrift, Anzeigen in den örtlichen Zeitun- gen, durch Aushängen von 300 Großplakaten in Betrieben durch den DGB, Verteilung von Handzet- teln an Arztpraxen. Das nieder- schmetternde Ergebnis: Zu den fünf Vortragsveranstaltungen im gesam- ten Einzugsgebiet der Kasse waren 24 Personen erschienen.

Wir führten dann anschließend mit einer größeren Zahl von Krebskran- ken, die ohne vorherige Inanspruch- nahme der Vorsorgeuntersuchun- gen .zur Behandlung kamen oder ei- ne unserer Nachsorgeinstitutionen besuchten, Gespräche. Die Analysen

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erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der derzeitigen Aufklärungsme- thoden.

Krebsangst distanziert von der Vorsorge

Das Ziel insbesondere der Deut- schen Krebshilfe, über Krebs müsse gesprochen werden, hat zweifellos mit dazu beigetragen, daß dieses nicht nur von kompetenter Seite sachlich geschieht, sondern viele, insbesondere die bunten Medien sich dieses Problems in unangemes- sener Weise angenommen haben, was sich als ein negativer Multiplika- tionsfaktor auswirkte. Insbesondere aber auch Verlautbarungen wissen- schaftlicher Gremien mit Andeutun- gen über bevorstehende positive Er- gebnisse auf dem Gebiet der Krebs- behandlung haben falsche Hoffnun- gen geweckt und dazu beigetragen, eine globale Angst zu erzeugen, die dem Konzept der Früherfassung durch organisatorische Maßnahmen entgegensteht. In alten Lexika wird

„Angst" als eine Form von Gemüts- bewegungen formuliert „die mit der Furcht die Gruppe der depressiven (mit Unlustgefühlen einhergehen- den) Erwartungseffekte bildet".

Neue philosophische und psycholo- gische Formulierungen stimmten im Grundprinzip mit diesen Vorstellun- gen überein. Angst und Furcht sind schlechte Ratgeber.

Allgemeine Gesundheitserziehung kann helfen

Will man auf den Gebieten der Krebsprophylaxe, der Krebsfrüher- kennung und -behandlung mit psy- chologischen Maßnahmen weiter- kommen, so ist dieses in erster Linie im Rahmen einer allgemeinen Ge- sundheitserziehung möglich, die von Jugend än und später in geeig- neter Form von dafür zuständigen Personen oder Institutionen durch- geführt wird. In besonderer Weise sind dabei die Bemühungen darauf zu richten, die eigene Einstellung und die der Mitmenschen zum Le-

unterziehen. Anknüpfen kann man da an die Prinzipien und Kernsätze der antiken und mittelalterlichen Medizin, die unter anderem die Le- benskunst lehrte, „nicht nur üppig zu vegetieren, sondern in Fülle zu leben und schöpferisch zu schaffen, weniger als eine Kunst, das Leben zu verlängern, als vielmehr die Kunst, die befristete Lebenszeit möglichst zu bereichern, zu vertie- fen und zu verschönern und damit sinnvoll zu machen" (Heinrich Schipperges).

Bis ein solcher Erkenntnisstand er- reicht ist, wird es hilfreich sein, die Empfehlungen Gisela Krokowskis in diese Richtung weiter zu entwickeln, die Krebsvorsorge nicht an eine As- soziation mit negativer Vormotiva- tion „Angst vor dem Tod" zu kop- peln, sondern mit einer solchen po- sitiven Charakters.

Gute kollegiale Zusammenarbeit nötig

Örtlich wird es sehr wesentlich von der Initiative einzelner und vom Ein- fallsreichtum der Ärzte abhängen, die Voraussetzungen zu schaffen, durch enge Zusammenarbeit aller Zuständigen in Krankenhaus und reier ärztlicher Praxis eine dynami- sche onkologische Krankenversor- gung im Sinne eines onkologischen Arbeitskreises zu ermöglichen.

Man muß sich darüber klar sein, daß die viel zitierte „interdisziplinäre Kooperation" nichts anderes bedeu- tet als gute kollegiale Kooperation zwischen den Ärzten der einzelnen Fachgebiete in Krankenhaus und Praxis. Eine solche besteht in den einzelnen Regionen des Bundesge- bietes speziell im onkologischen Be- reich seit Jahrzehnten. Sie einzubin- den in das System der onkologi- schen Arbeitskreise und Tumorzen- tren ist in relativ kurzer Zeit möglich.

Dieses Versorgungssystem darf aber keineswegs dadurch charakterisiert sein, worauf Gauwerky hinweist,

„daß es einen staatlichen Träger hat, entscheidend ist, daß sowohl der

sikalische Sachverstand im vollen Umfang zur Verfügung steht, die Ge- räteausstattung den Anforderungen eines hohen Tätigkeitsniveaus ent- spricht und so auch die regionale Bedeutung zur Versorgung vieler einschlägiger Patienten erlangt wer- den kann. Letzteres schon darum, weil gerade Krebspatienten doch einen besonderen Anspruch dar- auf haben, auf Ärzte zu treffen, die über zahlreiche Erinnerungsbilder verfügen und insofern einen rei- chen Erfahrungsschatz sammeln konnten".

Systemkonforme pluralistische Organisation erforderlich

Bei der Erstellung einer Liste onko- logischer Institutionen des Gesund- heitswesens in Klinik, Krankenhaus und freier ärztlicher Praxis, ist das zuständige Landesministerium in besonderer Weise auf die Mitarbeit der Universitäten, der Krebsgesell- schaften und der Tumorzentren an- gewiesen. Um zentralistischen und dirigistischen Bestrebungen, die ei- ne organische Entwicklung auf die- sem Gebiete hemmen können, ent- gegenzuwirken, ist besonderes Au- genmerk darauf zu richten, alle dies- bezüglibhen Unternehmungen in weitmöglicher Anlehnung an die Prinzipien unserer freien Gesell- schaftsordnung zu planen, in denen humane und ökonomische Ge- sichtspunkte in besonderer Weise Berücksichtigung finden.

Der Behauptung, im Diskussionspa- pier „Zum Gesamtprogramm zur Krebsbekämpfung", daß lediglich in wenigen großen Spezialeinrichtun- gen die Behandlungsmöglichkeiten als zufriedenstellend anzusehen sei- en, muß widersprochen werden. Die- ses dürfte sich auf selten vorkom- mende Tumorlokalisationen und we- nige spezielle onkologische Be- handlungsmethoden beziehen. Im Prinzip ist dem Plan der Arbeitsge- meinschaft Deutscher Turmorzen- tren (ADT) zuzustimmen, die heute bereits bestehenden medizinischen Versorgungseinheiten in ein Ver- bundsystem einzubeziehen.

1050 Heft 16 vom 17. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Wichtigkeit von übergeordneten Tumorzentren (ÜTZ), die schwer- punktmäßig Grundlagen- und klini- sche Forschung im internationalen Verbund betreiben, sowie Behand- lungsrichtlinien schaffen, wird nie- mand bezweifeln. Einige wenige ma- teriell und personell optimal ausge- stattete Institutionen dieser „Ersten (Versorgungs-)Ebene" dürften in be- sonderer Weise geeignet sein, ein- mal kreative Impulse aufzunehmen, zum anderen sind sie als Basisin- strument der folgenden Versor- gungsebenen unabdingbar. Neben diesen Großzentren soll es nach dem Memorandum der Arbeitsge- meinschaft Deutscher Tumorzen- tren eine bedarfsorientierte Zahl so- genannter regionaler Tumorzentren (RTZ) in Universitäts- und Schwer- punktkrankenhäusern geben, in de- nen die Therapie nach den von den ÜTZ empfohlenen Rezepten durch- geführt wird. Sie soll eng mit der

„Dritten (Versorgungs-)Ebene", wel- cher die kleineren Krankenhäuser und die niedergelassenen Ärzte an- gehören, zusammenarbeiten. Weite- re Aufgaben sollen sein: Einrichtung eines Krebsregisters, Ausbildung von Fachkräften, Durchführung von Fortbildungskursen und kooperati- ven Studien.

Die Vorstellung der Arbeitsgemein- schaft Deutscher Tumorzentren geht zunächst dahin, in der Bundes- republik 15 bis 20 Tumorzentren ein- zurichten, bei einem zusätzlichen geschätzten Finanzbedarf von 50 (66) Millionen DM pro Jahr und einer zusätzlichen Summe von 24 (32) Mil- lionen DM für die Erstausstattung.

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren hat das Memorandum veröffentlicht, in der Erwartung, daß es von den zuständigen Stellen in Bund und Ländern fördernd aufge- griffen und diskutiert wird.

Meine Bedenken gegen das von ei- ner Reihe bekannter Wissenschaft- ler und Kliniker ausgearbeitete Kon- zept beziehen sich einmal auf die Monopolisierung von Behandlungs- einheiten, zum anderen auf das Pro- blem der Koordination in den einzel- nen Gruppen und im Gesamtsystem.

So fehlen bisher Vorschläge für eine Kooperation mit der „Dritten Ebene".

Es ist bekannt, daß selbst in den vorbildlichen Tumorzentren der USA (Comprehensive Cancer Center) der Wirkungsgrad abhängig ist von der Kooperationsbereitschaft der ver- schiedenen Disziplinen, die jeweils einer zentralen Leitung unterstehen.

„Doch diese interdisziplinäre Zu- sammenarbeit hat der Medizin schon immer große Schwierigkeiten bereitet". So schlußfolgert Rainer Flöhl in einem Artikel der „Frankfur- ter Allgemeinen Zeitung" vom 12.

Januar 1980 in dem Artikel „Wie steht es um die Krebsbekämpfung?"

In diesem weist er auf die Erfahrun- gen in der Schweiz hin, wo eine Iük- kenlose Versorgung der Krebskran- ken mit kleineren regionalen Krebs- zentren, die flächendeckend das ganze Land überziehen, erreicht wird.

Siegenthaler, Neuchätel, berichtet über die Fünfjahreerfahrungen ei- nes solchen regionalen nicht univer- sitätsgebundenen Krebszentrums.

Es konnte weitgehend auf die Mitar- beit theoretischer Zentren verzichtet werden, da sich die Studien in ver- stärktem Maße auf die Erfahrungen der niedergelassenen Ärzte be- ziehen.

Voraussetzungen für jede erfolgs- versprechende Zusammenarbeit sind dabei eine gut funktionierende einheitliche Dokumentation, ein Krebsnachsorgeregister, das einen systematischen Datenaustausch zwischen der primär behandelnden stationären oder ambulanten Institu- tion, den mitbehandelnden Ärzten und dem Tumorzentrum garantiert, Organisation eines Informations- und Erfahrungsaustausches, lei- stungsfähige Methoden für die Nachsorge. Ein regionales Tu- morzentrum (RTZ) im Lande ist dann Verbindungsglied zwischen dem überörtlichen Tumorzentrum (ÜTZ) und den Arbeitskreisen, woraus sich seine speziellen Aufgaben, die ins- besondere die Koordination betref- fen, ergeben.

Keine aufwendigen Finanzierungen Die Einrichtung flächendeckender onkologischer Institutionen in den Ländern braucht finanziell nicht auf- wendig zu sein. Wichtigstes Kapital ist der gute Wille zur Mitarbeit, der auch Motiv für eine anfängliche Mit- finanzierung sein kann. Weitere Mit- tel sollten über gemeinnützige Orga- nisationen auf Bundesebene, etwa über die Deutsche Krebshilfe, die hier eine besondere Aufgabe sieht, oder auf Landesebene mit Hilfe von Wohlfahrtsverbänden und durch Spenden eingebracht werden. Das Defizit abzudecken, ist dann Angele- genheit der öffentlichen Hand.

Wenn man berücksichtigt, daß nur bei 20% aller Verstorbenen ein Krebsleiden die Todesursache ist und 80% an anderen Erkrankungen sterben, so könnte mit gleichem Recht für andere gesundheitspoli- tisch besonders wichtige Erkran- kungen, beispielsweise „Rheumatis- mus", eine gleiche Bekämpfungs- struktur gefordert werden. Auch aus diesen Überlegungen heraus sollte zunächst vorrangig die Entwicklung weniger Institutionen der „Ersten Ebene" betrieben, bevor auf breiter Front 15-20 Tumorzentren mit sich zum Teil überschneidenden Aufga- ben finanziert werden.

Bezüglich der Koordinierung aller Aktivitäten erscheint mir das Vorge- hen in Nordrhein-Westfalen vorbild- lich. Dort haben sich unter der Lei- tung von E. Grundmann, dem ersten Vorsitzenden der Nordrhein-Westfä- lischen Gesellschaft zur Bekämp- fung der Krebskrankheiten, alle über das Land verteilte Onkologische Ar- beitskreise und Tumorzentren zur

„Aktionsgemeinschaft Krebs" zu- sammengeschlossen. Eine solche Institution in jedem Bundesland ist kompetenter Ansprechpartner für die zuständigen Behörden im Land und als Gesamtgruppe auch im Bund.

In der Krebsnachsorge geht es zu- nächst darum, die sich seit dem Jah- re 1930 zunächst in Hamburg und dann in fast allen Bundesländern unterschiedlich entwickelten ambu-

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Die Intensivierung der ärztlichen Ausbildung bei gleichzeitiger Ver- stärkung des Praxisbezuges war das Hauptanliegen der Approbations- ordnung für Ärzte aus dem Jahr 1970. Durch die Einführung des so- genannten Praktischen Jahres (PJ) als dritter und letzter Abschnitt des Medizinstudiums sollte die Praxis- orientierung ein größeres Gewicht bekommen und dem Studenten Ge- legenheit gegeben werden, sein bis zu diesem Zeitpunkt erworbenes Wissen patientennah zu vertiefen bzw. durch intensive aktive Mitarbeit am Krankenbett zu untermauern.

Gemessen an der angestrebten Ziel- setzung scheint das gegenwärtig er- reichte Ausbildungsniveau hinter den Erwartungen zurückzubleiben.

Der Realisierung des postulierten Ziels eines qualitativ hochwertigen praktischen Unterrichts stellten sich in den letzten Jahren in zunehmen- dem Maße Schwierigkeiten entge- gen, die ihre Ursache primär in der starken Expansion der Studenten- zahlen haben.

Bedingt durch geburtenstarke Jahr- gänge, höhere Abiturientenquoten, zunehmende Attraktivität des Medi- zinstudiums bei gleichzeitig einge- schränkten Entwicklungschancen anderer akademischer Berufe stieg

die Zahl der Studienanfänger von 1970 bis 1978/79 um mehr als das Doppelte auf rund 11 000 an. Zwi- schenzeitlich haben die Neuzulas- sungen die Hürde 11 000 überschrit- ten und zeigen eher noch weiter steigende Tendenz.

Engpässe

bei den Ausbildungskapazitäten unvermeidbar

Trotz erheblicher Stellenvermeh- rung, baulicher Erweiterung und ge- stiegener Investitionen in den rele- vanten Komplementärbereichen konnte das Angebot an Ausbil- dungskapazitäten mit dem Zuwachs auf der „Nachfrageseite" nicht Schritt halten. Verschärft wurde das Problem noch durch eine Reduzie- rung des zur Lehre geeigneten „Pa- tientenpotentials", welche eine ten- denzielle Verringerung der Relation

„Student zu Patienten" bewirkte.

Aus den vorhandenen bzw. abseh- baren quantitativen Engpässen re- sultieren letztlich unvermeidbar auch qualitative Mängel.

Die zwischenzeitlich an den medizi- nischen Fakultäten der Bundesrepu- blik Deutschland erreichten Jahr- gangsstärken haben zum Teil be- reits zu einer Verschlechterung des lanten Fürsorgedienste darzustel-

len, auf Wirksamkeit zu prüfen und Kriterien zu formulieren. Das gleiche gilt für die Einrichtung stationärer Einheiten: Nachsorgekliniken, Re- habilitationshäuser, „Krebsklini- ken", für die es auch bisher noch keine festliegenden Unterschei- dungsmerkmale gibt.

So wichtig es ist, die gewonnenen Ergebnisse der Arbeitsgruppen zu einem frühen Zeitpunkt allen Betei- ligten, den Ärzten, den beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitenden, zu vermitteln, so sollten Fortbildungs- kurse über spezielle Themen der praktischen Krebsbekämpfung in Übereinstimmung mit der feder- führenden „Aktionsgemeinschaft Krebs" erst dann folgen, wenn die vorbereitenden Arbeiten des zustän- digen Arbeitskreises einen gewissen Abschluß erreicht haben. Schriftli- che Informationen für Ärzte und Mit- arbeiter sind primär besonders wir- kungsvoll.

Die Krebsgesellschaft Rheinland Pfalz hat bezüglich der „Hilfe für Krebskranke" im ambulanten Be- reich solche formuliert und sie über die Kassenärztliche Vereinigung al- len Ärzten zugestellt. Sie hat im De- zember 1978 eine Informations- und Beratungszentrale für Tumorkranke in Koblenz eingerichtet, die inzwi- schen einen hohen Wirkungsgrad erreichte.

Auf der Basis der gesammelten Er- fahrungen sind inzwischen in Ge- meinschaft mit dem Deutschen Ro- ten Kreuz und den Allgemeinen Ortskrankenkassen landesweit Be- ratungsstellen im Aufbau.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dr. med.

Alexander von Essen Vorsitzender

der Krebsgesellschaft Rheinland Pfalz Emil-Schüller-Straße 29 5400 Koblenz

Ausbildungskapazitäten im Praktischen Jahr

— wo liegen die Grenzen?

Bernd Liebert

Die an den medizinischen Fakultäten erreichten Jahrgangsstärken lassen eine Verschlechterung des praktischen Ausbildungsniveaus befürchten. Soweit es das Praktische Jahr betrifft, wird von bestehen- den oder drohenden Ausbildungsdefiziten gesprochen. Vor diesem Hintergrund verdeutlicht der folgende Artikel den Bedarf an einer detaillierten Bestandsaufnahme der bestehenden Ausbildungskapazi- täten sowie der realisierten Kapazitätsreserven.

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