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Archiv "Die aktuelle Influenza-Situation" (09.03.1978)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

NOTIZEN

Gegen Ende des Jahres 1977 traten in der Epidemiologie der Influenza A (Grippe A) starke Veränderungen in Erscheinung. Während noch im September 1977 allgemein ange- nommen wurde und angenommen werden durfte, daß sich die seit eini- gen Jahren bestehende Drift-Peri- ode auch im Winter 1977/78 fortset- zen würde und Influenza-A-Virus- stämme ähnlich dem Virus A/Victo- ria/3/75 (H3N2) wie beispielsweise A/Texas/I77 (H3N2) die Hauptmenge der Influenzainfektionen verursa- chen, wurden im November und De- zember 1977 in Rußland und in Hongkong Influenza-A-Infektionen beobachtet, die durch ein Virus her- vorgerufen waren, das sowohl im Hämagglutinin (H) als auch in der Neuraminidase (N) starke Verände- rungen gegenüber den in den letz- ten Jahren verbreiteten Viren auf- wies. Damit war es zu einem seit längerer Zeit erwarteten Shift ge- kommen. Die neuen Stämme gehö- ren dem Subtyp H1N1 an. Der Stamm A/USSR/90 (H1N1) gilt als Prototyp der neuen Influenza-A-Vi- russtämme.

Inzwischen sind Infektionen durch die neuen Influenza-A-Viren in Finn- land, England, Taiwan, der CSSR und anderen Ländern wie der DDR, Ungarn, Rumänien, Singapur und USA gemeldet worden. Weiter stellte sich heraus, daß schon im Mai 1977 Erkrankungen durch diese Viren in China vorkamen, ohne daß die übri- ge Welt zunächst davon erfuhr.

Auch in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West sind die neuen Influenza-A-Virusstämme isoliert worden. Es wird über eine Ausbreitung bei Kindern berichtet.

In einigen Schulklassen sind bis zu 50 Prozent der Kinder erkrankt.

Die jetzt aufgetretenen Influenza-Vi- russtämme sind nicht ganz unbe-

kannt. Influenza-A-Virusstämme mit einer sehr ähnlichen serologischen Spezifität (H1N1) waren 1947 bis 1957 sehr stark in der Welt verbrei- tet. Auf Grund der inzwischen vorlie- genden Untersuchungsergebnisse läßt sich jedoch feststellen, daß die damals verbreiteten Influenza-A-Vi- russtämme und die jetzt aufgetrete- nen Virusstämme nicht völlig iden- tisch sind.

Aus vielen Teilen der Welt liegen Be- obachtungen vor, wonach auch jene lnfluenza-A-Virusstämme weiter zir- kulieren und Infektionen verursa- chen, die in den letzten Jahren fast ausschließlich verbreitet waren und serologisch der Variante A/Victoria/

3/75 des Subtyps H3N2 entspra- chen. Das heißt konkret, daß wir ge- genwärtig das Nebeneinander der zwei immunologisch nicht verwand- ten Subtypen H3N2 und H1N1 auf der nördlichen Halbkugel und auch in der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnen haben.

Nach bisherigen Beobachtungen verlaufen die durch den neuerdings aufgetretenen Virus-Subtyp verur- sachten Erkrankungen im allgemei- nen nicht bedrohlich. Sie sind meist von kurzer Dauer. Vorwiegend sind bisher jüngere Personen betroffen.

Das mag darauf zurückzuführen sein, daß Influenza-A-Virusstämme des Subtyps H1N1 vor 20 bis 30 Jah- ren weit verbreitet waren und die Menschen, die heute älter als 24 Jahre sind, noch eine Restimmunität gegen Viren dieses Subtyps besitzen können. Mit den bis jetzt vorliegen- den Beobachtungen über die Alters- verteilung der durch die neuerdings aufgetretenen Influenza-A-Stämme verursachten Erkrankungen stim- men die Ergebnisse serologischer Untersuchungen überein. Sie besa- gen, daß ein Teil der Bevölkerung vor 20 bis 30 Jahren seine Erstinfek-

tion mit einem Influenza-A-Typ ähn- licher Spezifität durchgemacht hat.

Dadurch besitzt dieser heute noch Antikörper gegen das aufgetretene Influenza-Virus mit einem Titer 31 : 40), der im allgemeinen als protektiv gilt.

Zur weiteren epidemiologischen Entwicklung in diesem Winter und den sich möglicherweise ergeben- den Konsequenzen für das Impfpro- gramm läßt sich zur Zeit nichts End- gültiges sagen. Wir wissen nicht, ob sich das inzwischen auch in der Bundesrepublik Deutschland aufge- tretene Influenzavirus (A/USSR/90/

77) noch im Laufe dieses Winters stärker ausbreitet. Da wie oben aus- reführt auf der nördlichen Halbku- gel wie auch in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin Influenza-A- Virusstämme mit der Spezifität H3N2 wie A/Victoria/3/75 bzw. A/Texas/1 / 77 zirkulieren, hat die WHO vorge- schlagen (Weekly Epidemiological Record 53 [1978] 16-20), das Pro- gramm mit Impfstoffen, die diese Stämme enthalten, unverändert fort- zusetzen.

Bei den Impfstoffherstellern ist aber inzwischen die Produktion von Impf- stoffen angelaufen, die das neue Vi- rus A/USSR/90/77 (H1N1) berück- sichtigen. Ob Impfstoffe mit diesem Virus noch in diesem Winter ange- wandt werden sollten und können, hängt von der weiteren epidemiolo- gischen Entwicklung, der Zahl, der Schwere der Erkrankungen sowie auch davon ab, ob ein entsprechen- der Impfstoff in der benötigten Men- ge zur Verfügung steht. Das ist bei der Dauer des Herstellungsprozes- ses von 8 bis 12 Wochen unwahr- scheinlich.

Da es nach dem Auftreten der neuen Stämme zu einer Shiftsituation ge- kommen ist, muß auch in Erwägung gezogen werden, diejenigen Perso- nengruppen neu zu bestimmen, für die zur Zeit die Grippeimpfung als besonders angezeigt gilt. Dies sind nach ärztlichen, zum Teil auch nichtärztlichen Gesichtspunkten de- finierte Risikogruppen (siehe Merk- blatt Nr. 11 des Bundesgesundheits- amtes).

Die aktuelle Influenza-Situation

Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e. V.,

des Bundesgesundheitsamtes und des Paul-Ehrlich-Instituts

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 10 vom 9. März 1978 563

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

FÜR SIE GELESEN

Häufige Ursache

von Dickdarmblutungen:

Angiodysplasie

Bei Patienten mit einer unklaren Blutung aus dem unteren Verdau- ungstrakt ist in erster Linie an eine Gefäßmißbildung im Bereich des Zö- kums und rechtsseitigen Kolons zu denken, die, von wenigen Aus- nahmen abgesehen, nur angiogra- phisch zu diagnostizieren ist.

Diagnostisch beweisend ist eine ab- norme Ansammlung kleiner Arterien an der antimesenterialen Seite des Zökums und des Colon ascendens in der arteriellen Phase der Gefäß- darstellung, eine flächige Anfärbung eines umschriebenen Areals in der kapillären Phase, eine frühe Darstel- lung einer abführenden Vene und eine länger anhaltende Kontrastmit- telretention in dieser Vene.

Bei 34 Patienten mit rezidivierenden Blutungen aus dem unteren Verdau- ungstrakt wurde angiographisch die Diagnose einer Angiodysplasie ge- stellt. Bei 17 von ihnen wurde als Therapie der Wahl eine rechtsseitige Hemikolektomie durchgeführt. Wäh- rend einer bis zu sieben Jahre dau- ernden Nachbeobachtung kam es bei vier Patienten zu einem Blu- tungsrezidiv, wobei sich angiogra- phisch bei zwei Patienten Angiodys- plasien in anderen Darmabschnitten nachweisen ließen.

Wahrscheinlich handelt es sich bei diesen Gefäßmißbildungen, die durch eine Ektasie submuköser Ar- terien und Venen charakterisiert sind und die häufig erst im Resek- tionspräparat nach einer Gefäßfül- lung mit Bariumgelatine aufgefun- den werden, um eine erworbene Lä- sion im Sinne eines arteriovenösen Shunts nach einer Schleimhaut- ischämie, da rund die Hälfte der Pa- tienten an kardiovaskulären Erkran- kungen (neun Aortenstenosen, drei kombinierte Klappenfehler, fünf Ko- ronarinsuffizienzen) litten.

Bei einem entsprechenden angio- graphischen Befund sollte bei einer Anamnese von rezidivierenden Blu-

tungen aus dem Dickdarm nach Ausschluß anderer Blutungsquellen auch bei negativem intraoperativen Befund eine rechtsseitige Hemikol- ektomie durchgeführt werden, da die meist nur wenige mm großen Gefäßbildungen auch histologisch nur schwer nachweisbar sind.

Baum, S., Athanasoulis, C. A., VValtman, A. C., Galdabini, J., Schapiro, R. H., Warshaw, A. L., Ottinger, L. W.: Angiodysplasia of the right colon: a cause of gastrointestinal bleeding;

Am. J. Roentgenol. 129 (1977) 789; Department of Radiology, Massachusetts General Hospital and Harvard Medical School, Boston, Mass.

02114; Lux, G., Frühmorgen, P., Rösch, W.:

Angiodysplasie des Darmes als Ursache massi- ver gastrointestinaler Blutungen; Dtsch. med.

Wschr. 103 (1978) im Druck

Rauchen: Auswirkungen auf die Schwangerschaft

Obwohl die nachteiligen Auswirkun- gen des Rauchens auf die Schwan- gerschaft bekannt sind (erhöhte pe- rinatale Mortalität, Unreife des Neu- geborenen,, niedriges Geburtsge- wicht, Atemnotsyndrom, später ge- häufte Infektanfälligkeit, verzögerte kindliche Entwicklung) raucht ein erschreckend hoher Prozentsatz von Frauen während der Schwan- gerschaft. Da sich hierunter beson- ders Frauen mit höherem Intelli- genzquotienten befinden, muß es an einer effektiven Aufklärung über die Schädlichkeit des Rauchens wäh- rend der Schwangerschaft fehlen.

Tatsächlich achtet auch der Arzt in der Schwangerenvorsorge mehr auf die Entwicklung einer EPH-Gestose

— die übrigens bei intelligenten Frauen seltener vorkommt — und be- rücksichtigt das Rauchen nicht, weil er von diesen Patientinnen eher ein

„vernünftiges" Verhalten erwartet.

Bei der Aufklärung sollte deshalb besonderes Gewicht darauf gelegt werden, die drohenden Gefahren für das Kind herauszustellen. Die For- mulierung der Information könn- te persönlichkeitspsychologische Aspekte und soziologische Aspekte berücksichtigen. Ein ausführliches Literaturverzeichnis ist der Arbeit angeschlossen. MS

Wenderlein, J. M.: Rauchen und Schwanger- schaft, Z. Geburtsh. u. Perinat. 181 (1977) 368-375

Influenza-Situation

Es kann zweckmäßig oder nötig werden, den Schwerpunkt der Imp- fung auf andere Personengruppen zu verlagern, die auf Grund serologi- scher Untersuchungsergebnisse und/oder epidemiologischer Beob- achtungen die protektive Wirkung der Influenzaimpfung besonders be- nötigen, wie zum Beispiel jüngere Jahrgänge.

Serologische Untersuchungen vor dem Jahr 1957 geborener Personen, die mit einem Influenza-Impfstoff, welcher das Influenza-A-Virus A/

New Jersey/76 (Hsw1N1) enthielt, geimpft wurden, haben in einem si- gnifikanten Prozentsatz einen An- stieg von Antikörpern gegen das Vi- rus A/USSR/90/77 (H1N1) ergeben.

Deswegen war angeregt worden, im Notfall die vorhandenen Bestände an A/New Jersey/76 (Hsw1N1-)Vak- zine zur Impfung gegen das Virus A/

USSR/90/77 (H1N1) zu verwenden.

Die WHO lehnt in ihrer Stellungnah- me (Weekly Epidemiological Record 53 [1978] 16-20) diese Anregung ab, weil mit dieser Vakzine gerade bei jungen (unter 24 Jahren) und alten (über 62 Jahren) Menschen als den beiden durch das Virus A/USSR/77 (H1N1) besonders bedrohten Alters- gruppen meist kein Schutz erzielt wird. Das entspricht auch unserer Erfahrung.

Für die nächste Zeit ist es besonders wichtig, die weitere Ausbreitung des Subtyps H1N1 auf nationaler und in- ternationaler Ebene sorgfältig zu überwachen. Da die Entwicklung in vollem Gang ist, sind langfristige Prognosen im Augenblick unmög- lich.

Professor Dr. Dr. h. c. Haas (Vorsitz), Professor Dr. Brede

Dr. Höpken Professor Dr. Koch Professor Dr. Kuwert Dr. Lange

Professor Dr. Maass Professor Dr. Pöhn

Deutsche Vereinigung zur Bekämp- fung der Viruskrankheiten e. V., Postfach 27 07

Bismarckstraße 87, 4000 Düsseldorf 1

564 Heft 10 vom 9. März 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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