Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 14|
6. April 2012 A 681 Ein Arzt, der in einem frei zugäng -lichen Internetportal bewertet wird, hat keinen Anspruch gegen den Portalbetreiber, dass sein Eintrag gelöscht wird. Mit seinem Urteil (Az.: 16 U 125/11) hat das Oberlan- desgericht (OLG) Frankfurt am Main wie schon zuvor das Landge- richt Wiesbaden die Klage einer niedergelassenen Ärztin gegen das Arztempfehlungsportal Jameda ab- gewiesen. Bei der Abwägung zwi- schen dem allgemeinen Persönlich- keitsrecht der Klägerin und dem Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit sah es kein
„schutzwürdiges Interesse“ der Klägerin an dem Ausschluss der Datenverarbeitung.
ARZTBEWERTUNGSPORTALE
Kein Anspruch auf Löschen von Einträgen
In seiner Urteilsbegründung geht das OLG davon aus, dass niederge- lassene Ärzte sich dem Wettbewerb und damit auch den herrschenden Marktmechanismen stellen müssen.
Dazu gehören heute nach Meinung der Richter auch Bewertungsmög- lichkeiten in öffentlich zugängli- chen Quellen. Dieser Wettbewerb sei insbesondere vor dem Hinter- grund des Patientenrechts auf freie Arztwahl bedeutend. Dabei umfas- se das Recht auf freie Meinungsäu- ßerung ausdrücklich auch anonyme Bewertungen.
Wegen der grundsätzlichen Be- deutung des Urteils hat das OLG Frankfurt/Main die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. KBr Mit Kritik am Betreiber des Univer-
sitätsklinikums Gießen und Mar- burg (UKGM), der Rhön-Klini- kum AG, haben sich die Klinikdi- rektoren der beiden Standorte in die Diskussion um einen möglichen Abbau ärztlicher Stellen einge- schaltet.
„Es stellt sich die Frage, ob das Projekt der Privatisierung ei- ner Universitätsklinik durch ein börsen notiertes Unternehmen nach guten Anfangserfolgen nunmehr als gescheitert anzusehen ist“, heißt es in ihren „22 Thesen zur Krise des UKGM“, „oder ob eine Verände- rung des Geschäftsmodells der Rhön-Klinikum AG, zum Beispiel im Sinne eines Ansatzes erreichba- rer Renditevorgaben, das gesamte Projekt doch noch auf den Erfolgs- weg zurückbringen kann“.
Die seit Jahresbeginn andauern- de Krise des UKGM zeige sich als ein offener Interessen konflikt zwischen den Renditeerwartungen der Rhön-Klinikum AG und dem Bestreben der dort tätigen Medi - ziner und Pflegenden zu einer qua- litätsorientierten Hochleistungs - medizin.
GIESSEN UND MARBURG
Klinikdirektoren kritisieren Rhön
Die Entwicklung am UKGM werde von den Klinikdirektoren bei- der Standorte mit großer Sorge gese- hen, weil schon jetzt eine zunehmen- de Verunsicherung bei den Patienten erkennbar sei. Auch potenzielle Be-
werber aus den Reihen der umwor- benen jungen Ärztinnen und Ärzte wendeten sich vom UKGM ab. Ab- schließend heißt es: „Da ein Schei- tern des Projektes im Raum steht, sollte eine Alternative, zum Beispiel die Rückführung der Privatisierung, sehr rechtzeitig geprüft werden, be- vor durch Rufschädigung und Weg- gang von Kompetenzträgern ein schwer wiedergutzumachender Scha- den entstanden ist.“ fos
Breite Kritik am Konzern Rhön:
Viele Mitarbeiter finden die Privati- sierung des Uni - klinikums Gießen- Marburg falsch.
Foto: dapd
RANDNOTIZ
Johanna Protschka
„Für mich nur Wasser.“ Wer sich traut, diesen Satz auf einer feucht- fröhlichen Abendveranstaltung zu sagen, muss mit schiefen Blicken rechnen. Eine Magenverstimmung oder – im Fall einer Frau im gebär- fähigem Alter – eine vermutete Schwangerschaft muss dann als Vorwand herhalten, warum der Gast den „guten Tropfen“ verschmäht.
Keine Frage, der Alkoholgenuss gehört in unseren Breiten zur „Kul- tur“. Er macht „locker“, und es heißt:
Wir treffen uns auf ein „Feierabend-
bier“ und nicht auf ein „Feierabend- fruchtsaftgetränk“. Außerdem beleg- ten Wissenschaftler aus Grenoble unlängst in ihrer Studie: „Die Schön- heit liegt im Auge des Biertrinkers“, dass Testpersonen sich umso attrak- tiver und humorvoller finden, je mehr Alkohol sie trinken.
Das überrascht nicht wirklich.
Doch – und das gibt wiederum zu denken – habe dieser Effekt gar nichts mit dem Alkohol zu tun, son- dern gehe vielmehr auf die Vorstel- lungen zurück, die die Menschen mit dem Alkoholkonsum verbinden.
Denn die Testpersonen der Studie, die glaubten, sie trinken Alkohol, ob- wohl ihr zu testendes Getränk gar keinen enthielt, hielten sich ebenfalls für besonders verführerisch. Proban- den aber, die, ohne es zu wissen, ein Getränk bekamen, das Alkohol ent- hielt, fanden sich nicht attraktiver als sonst. „Unsere Studie zeigt, dass die schlichte Tatsache, zu glauben, dass man Alkohol getrunken hat, dazu führt, sich attraktiver zu finden“, be- merkt dazu Laurent Bègue, Profes- sor für Sozialpsychologie, Universität Pierre-Mendès-France.
Doch was heißt das nun für die- jenigen, die einfach keine Lust auf Alkohol haben? Die bestellen sich weiterhin Wasser – am besten gleich mit einem Schuss Einbildung.