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Österreichische Historiker

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Österreichische Historiker

Lebensläufe und Karrieren 1900–1945 Band 3

Böhl au Ver l ag Wien · Köln · Weim ar

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2019 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien, Kölblgasse 8–10, A-1030 Wien Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildungen : Ludo Moritz Hartmann, Richard Wolfram, Balduin Saria, Otto Brunner, Hugo Hassin- ger, Taras Borodajkewycz, Lucie Varga, Oswald Redlich, Camillo Praschniker, Adolf Helbok, Hermann Wopfner, s. Abbildungsnachweis, S. 610

Korrektorat : Chris Zintzen, Wien Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien Satz : Michael Rauscher, Wien

Druck und Bindung : Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-20801-3

PUB 543-G28

Open Access: Wo nicht anders festgehalten, ist diese Publikation lizenziert unter der Creative- Commons-Lizenz Namensnennung 4.0; siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Die Publikation wurde einem anonymen, internationalen Peer-Review-Verfahren unterzogen

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Vorwort des Herausgebers . . . 7 Karel Hruza

Österreichische Historiker 1900–1945.

Einleitung und Kommentar zum dritten Band . . . 9 Johannes Holeschofsky

Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? . . . . 29 Celine Wawruschka

Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs . . . 67 Wolfgang Meixner und Gerhard Siegl

Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ . . . 97 Petra Svatek

Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker . . . 123 Marija Wakounig

Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen . . . 157 Martina Pesditschek

Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ . . . 185 Gudrun Wlach

Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung . . . 313 Janez Mlinar

Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ . . 379

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Anne-Katrin Kunde und Julia Richter

Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen

Kontinuität und Diskontinuität . . . 405

Reinhard Blänkner Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ . . . 439

Alfred Werner Höck Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ . . 479

Jiří Němec Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden . . . 527

Abkürzungsverzeichnis . . . 607

Abbildungsnachweis . . . 610

Personenregister . . . 611

Autorinnen und Autoren . . . 625

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Am 9. Juni 2015 fand in einem Festsaal der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien eine denk- würdige Veranstaltung statt. Ihr Titel lautete : „Die WU stellt sich ihrer Vergangenheit.

50 Jahre Affäre Borodajkewycz – Eine Gesprächsrunde gegen das Vergessen.“ Zu einer Diskussionsrunde waren unter anderem der damalige amtierende österreichische Bundes- präsident Heinz Fischer und der Bundesminister a. D. Ferdinand Lacina eingeladen. Sie erinnerten sich an die „Affäre Borodajkewycz“, die sie beide mit ihren Initiativen gegen den Universitätsprofessor Borodajkewycz, der in seinen Vorlesungen an der Hochschule für Welthandel rechtes Gedankengut verbreitet hatte, ins Rollen gebracht hatten. Den traurigen Höhepunkt dieser „Affäre“ brachte das Jahr 1965, als ein gegen das Wirken Bo- rodajkewycz’ protestierender „linker“ Demonstrant von einem „rechten“ Gegendemons- tranten erschlagen wurde. Die politischen Auseinandersetzungen um Borodajkewycz er- reichten dadurch eine andere Dimension und rüttelten kräftig an den Grundfesten der damals jungen österreichischen Demokratie. Die Ereignisse der 1960er-Jahre standen be- reits mehrfach im Mittelpunkt wissenschaftlicher und journalistischer Untersuchungen, nicht aber Leben und Wirken des Mannes, an dem sich die „Affäre“ entzündet hatte.

Im vorliegenden dritten Band der „Österreichischen Historiker 1900–1945“ wird dem Publikum das erste wissenschaftsgeschichtliche, aus zahlreichen Archivquellen gezogene umfangreiche biografische Porträt des Taras Borodajkewycz geboten und damit ein For- schungsdesiderat beseitigt. Zu diesem Porträt gesellen sich 12 weitere kritische Lebens- bilder österreichischer Historikerinnen und Historiker. Unter ihnen haben bekannte Per- sonen wie Oswald Redlich, Ludo Moritz Hartmann, Hermann Wopfner, Adolf Helbok, Otto Brunner und Lucie Varga einen Platz eingenommen. Mit dem dritten Band, dessen Erscheinen sich leider aus mancherlei Gründen verzögert hat, endet das Vorhaben „Öster- reichische Historiker 1900–1945“. Dessen Anfänge gehen in das Jahr 2004 zurück, und damals hatte ich nicht an eine Reihe von mehreren Bänden gedacht. Dass das Vorhaben es zu drei stattlichen Bänden bringt, an denen Autorinnen und Autoren aus mehreren eu- ropäischen Staaten – einige sogar mit zwei Beiträgen – mitgewirkt haben, erfüllt mich als Herausgeber mit großer Freude. 2019, das Erscheinungsjahr des dritten Bandes, mag dem Buch hoffentlich viele Leserinnen und Leser bescheren, schließlich wurde in Österreich und Deutschland der historischen Zäsuren von 1918 und 1938 gedacht.

Zum Gelingen des dritten Bandes haben wieder etliche Personen und Institutionen bei- getragen. An erster Stelle müssen die Autorinnen und Autoren angeführt werden, sodann die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Böhlau Verlags Wien, nament lich

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Herr Johannes van Ooyen und Herr Michael Rauscher, die Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter verschiedener Bibliotheken und Archive, die bei der Suche nach Abbildungen behilflich waren, das Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien und der Wissenschaftsfonds FWF. Ihnen allen bin ich gerne zu großem Dank verpflichtet. Besonderen Dank für jahrelange Unterstützung schulde ich aber Frau Eva Hruza (Bad Waldsee) und Frau Brigitte Slepicka (Wien).

Karel Hruza, Wien im Januar 2019

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Österreichische Historiker 1900–1945

einleitung und kommenta r zum dr it ten Ba nd

Im vorliegenden dritten Band der „Österreichischen Historiker 1900–1945“ werden zwei Historikerinnen und 11 Historiker von 14 Autorinnen und Autoren in ausführlichen wis- senschaftsgeschichtlichen Porträts vorgestellt. Wie bereits in den vorangegangenen zwei Bänden galt als Aufnahmekriterium1, dass die zu porträtierende Person als Historikerin oder Historiker ausgebildet worden sein sollte, in Österreich, das heißt in der Habsbur- germonarchie geboren wurde, und/oder nach 1918 die österreichische Staatsbürgerschaft besaß oder erwarb und ihre entscheidende Wirkungsphase zwischen 1900 und 1945 durchlebt oder danach nicht wesentlich übertroffen hat. Zudem sollte die Person solche bleibenden Spuren in der Wissenschaft oder in anderen Bereichen hinterlassen haben, dass die Auseinandersetzung mit ihrem Werk und ihrer Vita lohnende wissenschaftsge- schichtliche Ergebnisse erwarten lässt. Wie bei den ersten zwei Bänden wurde dieses Kri- terienbündel jedoch nicht strikt eingefordert. Waren in diesen Bänden dann auch einige als Archivar, Bibliothekar, Geograf, Althistoriker, Kunsthistoriker oder Orientalist tätige Personen enthalten, so finden sich im dritten Band auch Vertreter der Klassischen Archäo- logie, Volkskunde und Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Mit Freude darf konstatiert werden, dass im vorliegenden Buch zwei Historikerinnen biografisch behandelt werden und somit der Tatsache Rechnung getragen wird, dass im Zeitraum zwischen 1900 und 1945 Frauen in der Geschichtsforschung ihren Platz gefunden haben. Zu bedauern sind wieder „Ausfälle“ von Manuskripten ; gerne hätte der Herausgeber beispielsweise Porträts von Franz Borkenau, August Fournier, Gunther Ipsen, August Loehr, Reinhold Lorenz, Oswald Menghin, Alfred Francis Přibram, Samuel Steinherz, Otto H. Stowasser, Max Vancsa, Hans Voltelini und Ignaz Zibermayr in einem der drei Bände eingereiht. Auf das Problem einer „Auswahl“ der zu proträtierenden Historikerinnen und Historiker komme ich unten nochmals kurz zurück.

Zunächst sei die Frage beantwortet, wie der 2012 erschienene zweite Band der „Öster- reichischen Historiker 1900–1945“ von der Fachwelt aufgenommen wurde. Obwohl das

1 Österreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tsche- choslowakei in wissenschaftsgeschichtlichen Portraits [1], hg. v. Karel Hruza (Wien/Köln/Weimar 2008) ; Österreichische Historiker. Lebensläufe und Karrieren 1900–1945 2, hg. v. Dems. (Wien/Köln/Weimar 2012).

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Buch allein von seinem Titel her auf ein österreichisches Thema hinweist, sind nur zwei der mir bekannten Rezensionen in österreichischen Organen publiziert worden, dagegen fünf Rezensionen in bundesdeutschen und zwei in tschechischen Organen. Frank-Rutger Hausmann schrieb in seiner Rezension2 : „Zunächst ist […] auf die hohe Qualität der einzelnen Beiträge hinzuweisen, die im Schnitt wiederum etwa 40 Seiten umfassen. Sie sind vorzüglich recherchiert, dokumentiert und disponiert und ragen damit weit über das ansonsten bei bio-bibliographischen Handbüchern Übliche hinaus. Ein zuverlässiges Namensverzeichnis […] erleichtert das Nachschlagen und die Aufdeckung von Querver- bindungen. Jedem Porträt ist ein Photo beigegeben. […] Daß es auch in Fällen, wo einer der Porträtierten bereits mehrfach gewürdigt worden war, möglich ist, neue Akzente zu setzen, zeigt z.B. Martina Pesditschek in ihrem Beitrag über Heinrich (Ritter von) Srbik, einem Muster an Präzision, Fairness und kritischer Distanz, der die umfangreiche vorlie- gende Literatur synthetisiert […] und differenzierter wertet, als dies bisher der Fall war.

Dies gilt auch für andere Porträts wie die von Michael Tangl oder Anton Chroust. […]

Die in diesen Band aufgenommenen Persönlichkeiten haben wissenschaftlich durchaus ein unterschiedliches Gewicht, das sicherlich ausgewogener wäre, wenn wie ursprüng- lich geplant, Lebensbeschreibungen von Otto Brunner, Alfred Helbok, Erna Patzelt, Al- fred Francis Přibram, Oswald Redlich, Balduin Saria, Samuel Steinherz, Lucie Varga und Hermann Wopfner fertiggestellt worden wären. Dennoch, das Ziel, daß die Biographien

‚historisch zu denken geben sollte[n]‘ […], wurde erreicht. Zwar war es nicht die Ab- sicht, das Wirken der österreichischen Historiker während des NS-Regimes bzw. für das NS-Regime ins Zentrum zu rücken, doch waren, zeitbedingt, unter den Porträtierten ge- schichtspolitische Akteure, bzw. waren mehrere nicht frei von Antisemitismus. […] Auch der hier vorgestellte Band 2 ist nicht nur eine österreichische Angelegenheit, sondern geht auch die deutsche wie die tschechische Geschichte der Geisteswissenschaften etwas an.“

Gerhard Köbler meinte3, die „Sammlung von Lebensläufen und Karrieren“ sei „sehr verdienstlich“ und „der gewichtige, durch Fotos veranschaulichte und durch ein Perso- nenregister aufgeschlossene Band“ habe „seinen besonderen Wert und was immer noch nicht geworden ist [= nicht realisierte Beiträge für den 2. Band], kann vielleicht ja auch noch werden“.

Gerhard Oberkofler postulierte4, dass „in einem zweiten, sehr dicken Buch über Ab- richtung (‚Schule‘, ‚Institut für österreichische Geschichtsforschung‘) und Berufsleben

2 In : Informationsmittel (IFB). Digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft Jg. 20 (2012), http://www.informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/hefte.phpid=i, (letzter Zugriff 13.07.2017).

3 Rezension in : Zier 2 (2012) [Digitale Zeitschrift europäischer Rechtsgeschichte] August 2012, http://www.

koeblergerhard.de/ZIER-HP/ZIER-HP-02-2012/OesterreichischeHistoriker1900-1945-2.htm (letzter Zu- griff 13.07.2017).

4 Rezension in : Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft 19. Jg. Nr. 4, (2012) 26f.

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österreichischer Historiker zu blättern und dabei die eine oder andere Passage etwas intensiver aufzugreifen“ den Leser „zum Nachdenken über Konjunkturen in der Ge- schichtswissenschaft oder über das Karrieremachen und die gesellschaftliche Funktion von kleinbürgerlichen Intellektuellen, wie sie Historiker nun einmal in der Regel sind [sic]“ anregen mag. „Wie das Allgemeine einer solchen Überlegung sich im Individuellen und mit durch Rassismus und Antisemitismus zeitbedingten Besonderheiten widerspie- gelt, zeigt der wieder von Karel Hruza zusammengestellte Rundgang zu diesmal fünfzehn Grabstellen österreichischer Historiker des vorigen Jahrhunderts.“ Überraschenderweise gibt es für Oberkofler Historiker, die nur mit besonderer wissenschaftlicher und nationa- ler Voraussetzung kritisch porträtiert werden sollten. Während etwa der Beitrag Martina Pesditscheks zu Srbik das uneingeschränkte Lob des Rezensenten erhielt („gelingt ein sehr lesenswertes, ungekünsteltes Porträt eines Großhistorikers, der als unterwürfiger Apologet in der Pose eines Herrenmenschen aufgetreten ist“), wurde das von Michael Wedekind verfasste Porträt Franz Huters als „Inquisitionsprozess mit Exekution in effigie“ unter- griffig abqualifiziert : „Wie überheblich ist das alles !“ meinte Oberkofler, Verfasser einer Biografie Huters, zur Bewertung Huters durch Wedekind und fügte an : „Aber nicht nur das, es ist der vom Herausgeber tolerierte, vielleicht sogar gewünschte Stiefelschritt eines Oberseminaristen aus dem ideologisch und militärisch Krieg führenden Deutschland, der abstoßend wirkt.“ Da diese Aussage für sich selbst spricht, erübrigt sich ein Kommentar.

Milada Sekyrková schrieb5, die einzelnen Beiträge würden auf der Basis von gründlichen Quellenanalysen neue Schlaglichter auf das Leben der Porträtierten werfen und oftmals die Problematik ihres Wirkens in der Zeit vom Ende der 1930er-Jahre bis zum Ende des Zwei- ten Weltkriegs berühren. Leider gab die Rezensentin in ihrer weitgehend deskriptiven Be- sprechung keine weiteren Angaben zu ihrer Aussage : „Auch wenn wir einigen der im Buch angeführten Ansichten nicht immer zustimmen müssen, stellt es als Ganzes einen wertvol- len Beitrag zur Kenntnis der deutschsprachigen Historiografie des 20. Jahrhunderts dar.“

Matthias Berg vertrat in seiner Rezension die Ansicht6, dass man sich dem „seinerzeit ge- äußerten, umfassenden Lob [betreffend Band 1] für den zweiten Band mit seinen weiteren vierzehn Historikerbiographien“ anschließen kann, „vor allem da es sich in der Tat um eine Fortsetzung, teils auch um eine Nachlieferung von ursprünglich für den ersten Band bereits eingeplanten Beiträgen handelt“. Er weist aber auch darauf hin, dass es der zeitliche Schnitt- punkt 1945 in vielen Fällen verhindert habe, eine „etwaige weitere Wirkungsgeschichte“

der proträtierten Historiker in den Geschichtswissenschaften Österreichs, Deutschlands und der Tschechoslowakei aufzuzeigen : „Kurzum, inwieweit ist der vorgenommene Kurz-

5 Rezension in : Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis 51,1 (2012) 117–120.

6 In : H-Soz-u-Kult, 31.05.2013, www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-19643 (letzter Zugriff 13.07.2017).

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schluss von politischem Bruch und innerwissenschaftlichem, paradigmatischem Wandel gerechtfertigt ? Die Frage mag nicht für alle dargestellten Protagonisten von unmittelbarem Belang sein, auch enden die Beiträge in den gegebenen Fällen durchaus nicht strikt mit dem Kriegsende. Aber […] ein historiographiegeschichtlich begründetes Ende des Untersu- chungszeitraumes hätte zusätzliche Erkenntnisperspektiven eröffnen können. Dies jedoch sei weniger als Kritik denn als Überlegung und Anregung verstanden, insgesamt erfährt die […] essentielle Verbindung von biographischer Darstellung und historiographiegeschichtli- cher Forschung in diesem zweiten Teil […] eine eindrückliche Bestätigung.“

Rudolf Schieffer schrieb7, dass „durchweg gründlich aus Quellen recherchierte Lebens- bilder geboten werden, die neben der wissenschaftlichen Leistung auch die öffentliche Wirksamkeit und die politische Haltung der Porträtierten zur Sprache bringen“. Stefan Jordan stellte fest8, dass „der Weg der österreichischen Geschichtswissenschaft in die Zeit des Nationalsozialismus doch den roten Faden“ im Buch darstelle „an dem die Biographien dieses Bandes und seines Vorgängers aufgezogen sind. Alle Artikel nehmen ausführlich darauf Bezug, und sie tun dies in einer wohltuend differenzierten, kritischen und quellen- basierten Weise, die die unlösbare Mischung aus politischer Ideologie, Karrieremustern, wissenschaftlicher Orientierung und sozialem Umfeld als entscheidend für die Lebenswege herausstellt. Für die meisten Persönlichkeiten in Hruzas Band stehen umfassendere Mono- graphien noch aus ; die Artikel leisten daher häufig Grundlagenarbeit und dürfen als ein- schlägig für die jeweiligen Persönlichkeiten bezeichnet werden. Bei allen Qualitäten und Vorteilen, die man Hruzas Werk zusprechen muss, sollte doch ein Kritikpunkt wiederholt werden, der schon mit Bezug auf den ersten Band erhoben worden war : Unter den […]

porträtierten Historikern vermisst man die Namen führender Vertreter der österreichi- schen Geschichtswissenschaft wie Franz Borkenau, Otto Brunner, Adolf Helbok, Oswald Redlich, Lucie Varga und Hermann Wopfner.“ Schließlich kritisiert Jordan, dass die port- rätierten Personen wissenschaftlich nicht „exemplarisch für etwas stehen“ und „sie in ihrer Zusammenschau“ nicht „ein Spektrum gängiger Methoden, Wissenschaftsauffassungen oder politischer Ausrichtungen repräsentieren“. „Das Werk folgt keiner großen Program- matik wie [Hans-Ulrich] Wehlers ‚Deutsche Historiker‘. Insofern sollte eine ‚kleine‘ Pro- grammatik wie ein repräsentativer Aufriss der österreichischen Geschichtswissenschaft auf dem Weg in die NS-Zeit konsequent weiter ausgearbeitet werden.“

Jiří Němec, Autor einer tschechischen Rezension, bemerkte9, dass der zweite Band

„über zeugende Analysen mit einem reichhaltigen Anmerkungsapparat und häufigen Quel lenzitaten“ enthält. „Der Herausgeber und das Autorenteam haben für den zweiten

7 Rezension in : DA 69 (2013) 179f.

8 Rezension in : ZfG 62 (2014) 469f.

9 In : Časopis matice Moravské 133 (2014) 447–450.

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Band wiederum herausragendes Material für das Verständnis der Entwicklung nicht nur des historiographischen, sondern mit Blick auf die damalige Exklusivität der Geschichte unter den Humanwissenschaften auch des intellektuellen Feldes überhaupt im damaligen deutsch-österreichischen Teil Mitteleuropas zubereitet […]. Die Studien der beiden bis- her veröffentlichten Bände zeigen anhand konkreter Schicksale von Intellektuellen den komplizierten Weg, den die österreichische (deutsch-österreichische ?) Historiografie im Zuge des Zerfalls der Habsburgermonarchie einschlug. Das Buch versammelt (mit der Ausnahme Max Dvořáks) deutschsprachige Historiker, die im Österreich der Zwischen- kriegszeit und fallweise auch in der Tschechoslowakei […] wirkten und die versuchten, sich auf den Ruinen der Donaumonarchie mit ihrer überwiegend deutschen nationalen Identität in Staatsgebilden, die außerhalb Deutschlands lagen, zurechtzufinden. Viele der analysierten Historiker empfanden [dieses Leben außerhalb Deutschlands] als Unrecht, da Deutschland als einziger oder zumindest als der ‚wichtigste‘ Staat der deutschen Nation aufgefasst wurde. Das spielte sich freilich zu einer Zeit ab, in der die nationalsozialistische Idee der Vereinigung von [deutscher] Nation und Staat in einem Nationalstaat als die beste und zugleich die bestimmende Idee für die gegenwärtige und zukünftige politische Ordnung erschien. […] Ziel des Herausgebers und der Autoren war es, gleichzeitig wis- senschaftliche Karrieren und wissenschaftliche bzw. publizistische Texte von Historikern in ihrer breiten Verwurzelung in der sozialen und politischen Realität zu verfolgen und zu analysieren, also Historiker als öffentlich wirkende Intellektuelle zu betrachten.“

Wolfgang E. J. Weber schrieb in seiner Rezension10 : „Betrachtet man die Sammlung als zumindest impressionistisch aussageträchtige Grundgesamtheit, lassen sich u. a. folgende Feststellungen treffen. Auch im Österreich der wechselvollen ersten Hälfte des zwanzigs- ten Jahrhunderts standen dezidiert patriotisch-national-politisch engagierten Historikern, deren Anzahl und Entschiedenheit im Engagement nach 1918 zunahmen, subjektiv apoli- tische bis positivistische Quellenforscher gegenüber. Der unübersehbar massive Einbruch des Nationalsozialismus setzte bei den politischen Historikern an. Er war vor allem mit methodisch-konzeptionellen Präzisionsverlusten, d. h. Deprofessionalisierungstendenzen, verbunden. Karriereentscheidend und damit entscheidend für die ‚zünftige‘ Wirksamkeit blieben aber auch die Aneignung und Einhaltung bestimmter fachkultureller Auffassungs- und Verhaltensstandards (der ‚Comment‘) und insbesondere Protektionsverhältnisse. Wie diese Protektionsstrukturen über Lehre und Betreuung zustande kamen und sich verfestig- ten, bedarf insbesondere mangels von Befunden darüber, was in den Seminaren geschah, noch weiterer Analyse. Schließlich sind auch die Parallelen, Spannungslagen und Wider- sprüche von bzw. zwischen fachwissenschaftlicher Reputation und öffentlicher Prominenz

10 In : MIÖG 123 (2015) 550–552.

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in ihrer Epochenspezifik und ihrem Strukturmuster genauer unter die Lupe zu nehmen.

Aber auch dazu bieten die vorliegenden Porträts eine Fülle wertvoller Anregungen.“

Der Tenor der Besprechungen ist bis auf eine Ausnahme grundsätzlich positiv, wenn nicht sogar sehr positiv und rechtfertigt auch die Herausgabe des vorliegenden dritten Ban- des. Zu einigen der in den Rezensionen angeführten Kritikpunkten sei bemerkt : Die von Matthias Berg postulierte Kritik am „Schnittpunkt 1945“ hat sicher eine gewisse Berechti- gung im Bereich der Wirkungsbeschichte der von den Porträtierten veröffentlichten Werke.

Allerdings bedeutete „1945“ für alle Porträtierten, die diesen Umbruch erleben konnten, einen wesentlichen Einschnitt in ihrer Biografie. Danach war vieles nicht mehr so wie zuvor.

Für die zu erstellenden Historikerbiografien galt gemäß Konzept, dass die Zeit nach 1945 nur mehr summarisch zu behandeln sei. Das Verfassen „kompletter“ Biografien, das heißt, die ausführliche Behandlung der Zeit nach 1945, hätte den Umfang etlicher Beiträge je nach Fall sogar unverhältnismäßig vergrößert, es sei hier nur an den im vorliegenden Band porträtierten Otto Brunner erinnert, dessen Wirken nach 1945 ein eigenes großes Kapitel seiner Vita bildet. Zudem wird in vielen Beiträgen durchaus auf die wissenschaftliche Wir- kungsgeschichte der Porträtierten nach 1945 eingegangen, oftmals stellt die „späte“ Wir- kungsgeschichte ja den Ausgangspunkt für die biografische Skizze überhaupt dar.

Stefan Jordans Postulat, dass die nunmehr drei Bände der „Österreichischen Histori- ker 1900–1945“ „keiner großen Programmatik“ folgen, sich also nicht mit Historikern und einer bestimmten Forschungsrichtung, Paradigma oder Methodik beschäftigen, mag je nach persönlicher Meinung zutreffen. Es war aber gerade die Offenheit in diesem Be- reich, die für mich als Herausgeber von großem Wert war, um die Bandbreite damaliger Forschungen aufzuzeigen. Es darf letztlich auch festgestellt werden, dass es den Autorin- nen und Autoren in ihren Beiträgen in summa gut gelungen ist, die jeweilige historische Forschungsrichtung herauszuarbeiten und hierbei Veränderungen anzuzeigen. So ist bei- spielsweise deutlich geworden, bei wem damals Historismus oder Quellenpositivismus von anderen Richtungen wie etwa Kulturgeschichte, Soziologie, „Volksgeschichte“ oder poli- tisch determinierter „Geschichte“ beeinflusst, ergänzt oder sogar verdrängt wurde. Wären die drei Bände a priori auf ein Forschungsparadigma festgelegt gewesen, wäre die damalige Vielfalt historischer Forschungsrichtungen weitaus weniger sichtbar geworden. Zu ange- führten Kritiken an der Auswahl der im zweiten Band porträtierten Historiker verweise ich auf meine Ausführungen in der Einleitung zu eben diesem Band, in dem ich auf ähnliche Kritiken am ersten Band geantwortet habe. Es zeigt sich auch, dass eine von einem Her- ausgeber getroffene Auswahl oder Eingrenzung leicht zu kritisieren ist11.

11 Siehe etwa die Rezension zu : Aussenseiter der Geschichtswissenschaft, hg. v. Helmut Reinalter (Würzburg 2015) in H-Soz-u-Kult 23.03.2016 (www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-23111).

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Im dritten Band ist es erfreulicherweise gelungen, wei- tere „bedeutende“ Historikerinnen und Historiker wissen- schaftsgeschichtlich zu porträtieren, ich nenne nur Oswald Redlich, Hermann Wopfner, Adolf Helbok, Lucie Varga und Otto Brunner. Die heutige „Bedeutung“ der Porträ- tierten ist bei jeder Person an einem bestimmten Platz (oder mehreren) zu verorten. Bei der Mehrheit liegt sie im Bereich der wissenschaftlichen Produktion und ihrer wissenschaftlichen aber auch außerwissenschaftlichen Re- zeption. Unmissverständlich gab es auch Historiker, die geschichtspolitisch wirken wollten und denen dies auch gelang. Selbstverständlich unterscheidet sich die damalige

„Bedeutung“ von der gegenwärtigen, wobei es auch hier zu Verschiebungen der Bedeutungsebene kommen kann.

Sehr viele Texte der Porträtierten sind heute wissenschaft-

lich überholt und nur noch wissenschaftsgeschichtlich von Interesse. Es gibt aber auch Arbeiten, insbesondere Editionen, die wegen ihrer „positivistischen“ Materialfülle in der Forschung immer noch unverzichtbar sind. Schließlich sind noch Werke zu nennen, die wegen ihrer methodischen und konzeptionellen Anlage und der erzielten Forschungser- gebnisse, die wegen ihres intellektuellen Narrativs noch gegenwärtig „anwendbar“ sind und in der Forschung diskutiert werden, so etwa Otto Brunners erstmals 1939 erschie- nene Monografie „Land und Herrschaft“. Anzuführen sind aber auch Lebensläufe, die (auch) wegen außerwissenschaftlicher Aspekte Interesse erwecken. Zu nennen sind etwa Ludo Moritz Hartmann und dessen Tätigkeit im Bereich der damaligen „Volksbildung“

oder Lucie Varga und deren Schicksal als deutsch-jüdische Historikerin12. Und nicht zu- letzt gehört hierher Taras Borodajkewycz, der ohne seine „Causa“ der 1960er-Jahre als Historiker vermutlich weitgehend in Vergessenheit geraten wäre. Öffentliche Ehrungen für Historiker scheinen selten zu sein, und so soll die 1958 herausgebrachte Briefmarke

„Oswald Redlich“ dem Publikum nicht verschwiegen werden, ebenso wenig wie die Tat-

12 Dass „Interesse“ und „Bedeutung“ subjektivem Empfinden erwachsen, ist bekannt. Als ich etwa in einer Re- zension kritisierte, Lucie Varga würde nicht im Buch : Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhun- dert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon, hg. Fritz Fellner, Doris Corradini (Wien 2006) (www.

hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-7673), aufscheinen, schrieb mir der Herausgeber, sie wäre für die österreichische Geschichtswissenschaft nicht bedeutend genug, um aufgenommen zu werden. In Anbetracht der ansonsten im Lexikon anzutreffenden Personen eine durchaus seltsame Ansicht. Freilich ist es andererseits nicht zutreffend, Varga unter die „führenden [!] Vertreter der österreichischen Geschichtswissenschaft“ einzu- reihen (so Stefan Jordan, siehe oben).

Abb. 1 Briefmarke der Republik Österreich von 1958 mit Porträt Oswald Redlichs (Privatsammlung)

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sache, dass in Wien einige Straßen und Parks nach modernen Historikern, so etwa nach Hans Hirsch, Oswald Redlich oder Leo Santifaller, benannt sind.

Die Gesamtheit der in allen drei Bänden vorgestellten ausführlichen 47 Biografien darf für die Geschichte der österreichischen Geschichtsforschung der Zeit von 1900 bis 1945 durchaus als repräsentativ gelten und weist eine große Vielfalt an Lebens- und Karrierewe- gen auf. Von Autorinnen und Autoren aus Österreich, Deutschland, Italien, Tschechien und Slowenien wurden namentlich folgende Personen bearbeitet : Wilhelm Bauer (1877–

1953), Ludwig Bittner (1877–1945), Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984), Otto Brunner (1898–1982), Anton Chroust (1864–1945), Alfons Dopsch (1868–1953), Max Dvořák (1874–1921), Edmund Groag (1873−1945), Adolf Grohmann (1887–1977), Hugo Hantsch (1895–1972), Ludo Moritz Hartmann (1865–1924), Hugo Hassinger (1877–1952), Paul Heigl (1887–1945), Konrad Josef Heilig (1907–1945), Adolf Helbok (1883–1968), Richard Heuberger (1884–1968), Hans Hirsch (1878–1940), Franz Huter (1899–1997), Raimund Friedrich Kaindl (1866–1930), Ernst Klebel (1896–1961), Wil- fried Krallert (1912–1969), Karl Lechner (1897–1975), Johann Loserth (1846–1936), Theodor Mayer (1883–1972), Anton Mell (1865–1940), Emil von Ottenthal (1855–

1931), Erna Patzelt (1894–1987), Gustav Pirchan (1881–1945), Hans Pirchegger (1875–

1973), Camillo Praschniker (1884–1949), Oswald Redlich (1858–1944), Leo Santifaller (1890–1974), Balduin Saria (1893–1974), Heinrich (Ritter von) Srbik (1878–1951), Arthur Stein (1871–1950), Harold Steinacker (1875–1965), Otto Stolz (1881–1957), Karl Maria Swoboda (1889–1977), Michael Tangl (1861–1921), Hans Uebersberger (1877–1962), Mathilde Uhlirz (1881–1966), Lucie Varga (1904–1941), Eduard Winter (1896–1982), Richard Wolfram (1901–1995), Hermann Wopfner (1876–1963), Martin Wutte (1876–1948) und Heinz Zatschek (1901–1965).

Gemäß (der oben skizzierten) „Bedeutung“ einer Historikerin oder Historikers und der zu ihrer bzw. seiner Vita erhaltenen Quellen sowie gemäß der von Autorin oder Au- tor angewandten Analysetiefe werden die 47 Porträts eine verschiedene wissenschaftliche Halbwertzeit besitzen. Während demnach das eine oder andere Porträt für längere Zeit wissenschaftsgeschichtliche Gültigkeit besitzen wird, ist bereits jetzt schon evident, dass bei anderen Porträtierten weitere Forschungen wünschenswert sind, um ein schlüssiges Bild vorlegen zu können. Der älteste der in den drei Bänden „Österreichische Historiker 1900–1945“ porträtierte Historiker wurde 1847 geboren, der jüngste 1912. 1997 starb der letzte der Porträtierten in seinem 99. Lebensjahr. Die Lebensdaten der in den drei Bänden vorgestellten Personen umfassen demnach 150 Jahre, also ungefähr fünf Generationen.

Dass nur drei Frauen gewürdigt werden konnten, ist bekanntlich darauf zurückzuführen, dass im Zeitraum 1900 bis 1945 nur sehr wenige Frauen höhere Positionen in der öster- reichischen Geschichtswissenschaft erklimmen konnten. Da die Zielsetzung der Bücher nicht in einer Sammlung von Historikerinnen bestand, gehen die wenigen „bedeutenden“

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Damen in der Masse ihrer „bedeutenden“ männlichen Kollegen buchstäblich unter. Nicht alle porträtierten Personen arbeiteten als Historiker an der Erforschung und narrativen Darstellung von (mittelalterlicher oder neuzeitlicher) Geschichte. Porträtiert wurden, wie bereits erwähnt, auch Archivare, Bibliothekare, Althistoriker, Archäologen, Geografen, Kunsthistoriker, Orientalisten, Publizisten, Volkskundler und Wirtschaftshistoriker.

Fragt man nach allgemeinen Aussagen, welche aus der Summe der 47 biografischen Porträts gezogen werden können, so wird – kaum überraschend – die Dominanz der Uni- versität Wien für die österreichische Geschichtswissenschaft vor 1945 deutlich sichtbar.

Sie war und blieb das wissenschaftliche „Zentrum“ österreichischer Historikerinnen und Historiker mit hoher (zentripetaler) Ausstrahlungskraft. Den zweiten Rang an wissen- schaftlicher Bedeutung darf die Universität Innsbruck beanspruchen, dann folgt die Uni- versität Graz. Eine Sonderstellung muss der (deutschen) Universität in Prag zu geschrie- ben werden, während die Universität in Czernowitz (Tscherniwzi) als Ausstrahlungs- und Anziehungspunkt einen gewissen Schlusspunkt bildet.

An der Universität Wien kam neben dem Historischen Seminar zwei weiteren Insti- tu tionen eine gewichtige Rolle zu, nämlich dem 1922 eingerichteten „Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte“ und dem seit 1854 existierenden „Institut für öster- reichische Geschichtsforschung“ (IÖG). Ersteres Seminar, das heute im „Institut für Wirt schafts- und Sozialgeschichte“ weiterlebt, ist leider noch nicht zum Objekt einer ausführlichen Institutsgeschichte geworden, die vor allem auch das Ziel haben sollte, den von seinem Begründer Alfons Dopsch initiierten Innovationsschub innerhalb der öster- reichischen Geschichtswissenschaft präzise zu beschreiben13.

Als hochspezialisierte, mit großer Tradition behaftete Ausbildungsstätte zuvorderst für Archivare und Mediävisten kann das IÖG im deutschsprachigen und im mitteleuropäi- schen Raum einen besonderen Rang beanspruchen. Der dort praktizierte mehrsemestrige Ausbildungslehrgang schloss die Absolventen und (wenigen) Absolventinnen zu einer fes- ten Gemeinschaft von Historikern zusammen, die sich – zumal nach dem Ablegen an- spruchsvoller Übungen und Prüfungen– ihres Elitestatus bewusst waren. Zusammen mit ihren Lehrenden, deren Mehrheit aus IÖG-Absolventen bestand, wurde ein sich perma- nent selbst erneuerndes Netzwerk generiert, dessen Einfluss auf die österreichische, aber auch deutsche und böhmische bzw. tschechoslowakische Geschichtswissenschaft in wis- senschaftlichen und akademisch-organisatorischen Bereichen nicht zu unterschätzen ist.

13 Zu Dopschs Seminar siehe Pavel Kolář, Geschichtswissenschaft in Zentraleuropa. Die Universitäten Prag, Wien und Berlin um 1900 (Geschichtswissenschaft und Geschichtskultur im 20. Jahrhundert 9, Berlin 2008) 327–355 ; Thomas Buchner, Alfons Dopsch (1868–1953). Die „Mannigfaltigkeit der Verhältnisse“, in : Ös- terreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tsche- choslowakei in wissenschaftlichen Porträts [1], hg. v. Karel Hruza (Wien/Köln/Weimar 2008) 155–190.

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In Österreich blieb dieses Wirkungsmonopol des Wiener IÖG noch das gesamte 20. Jahr- hundert hindurch bestehen. Es verwundert von daher nicht, dass unter den 47 porträ- tierten Personen 31 einen IÖG-Lehrgang besucht haben. Das Institut ist bereits dreimal zum Objekt mehr oder weniger wissenschaftlicher Monografien geworden. Leider genügt die zuletzt erschienene umfängliche Studie von Ernst Zehetbauer weder methodisch noch konzeptionell modernen wissenschaftlichen Ansprüchen14, was ebenso für die sich auf den Zeitraum 1929–1945 beschränkende Arbeit Manfred Stoys von 2007 Geltung hat15 ; unverzichtbar bleibt von daher in vielen Bereichen das zur 100-Jahr-Feier des IÖG 1954 veröffentlichte sachlich-souveräne Meisterstück Alphons Lhotskys16. Die Deutungshoheit über die Geschichte des IÖG vor allem im 20. Jahrhundert scheint umstritten : Während Stoys Werk von Apologien für das Wirken der Institutsmitglieder während der 1930er- und 1940er-Jahre durchzogen ist, wollte Zehetbauer seine Arbeit auch für einen privaten Rachefeldzug gegen das IÖG nutzen und Gravamina aufdecken. Am IÖG selbst wird weniger kritische Rückschau gehalten, sondern es werden Memorialveranstaltungen für Mediävisten abgehalten, welche die österreichische Mittelalterforschung wesentlich be- einflusst haben (Heinrich Appelt, Heinrich Fichtenau, Maximilian Weltin). Freilich war es Fichtenau, der 1992 verlautbaren ließ : „Gelehrtengeschichte verträgt keine allzu nahe Distanz“17, als es darum ging, über einen 1940 (!) verstorbenen Historiker zu handeln.

Die Summe der in den drei Bänden vorgestellten Biografien unterstreicht wie gehabt das wissenschaftliche Gewicht des IÖG innerhalb der Geschichtswissenschaft im deutsch- sprachigen Raum, erlaubt aber en passant auch andere Einsichten. So wird beispielsweise erkennbar, dass das IÖG (seit Mitte der 1920er-Jahre ?) durchaus zu einem Sammelort und Anlaufpunkt, letztlich auch Netzwerk für völkisch orientierte Historiker wurde. So- weit ersichtlich, wurde diese Entwicklung vom Direktor Hans Hirsch eher gefördert denn

14 Ernst ZehetBauer, Geschichtsforschung und Archivwissenschaft. Das Institut für Österreichische Ge- schichtsforschung und die wissenschaftliche Ausbildung der Archivare in Österreich (Hamburg 2014). Siehe meine Rezension in : H-Soz-u-Kult Rezensionen 26.11.2015 (www.hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensio nen/2015-4-143) (letzter Zugriff 21.07.2017).

15 Manfred Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung 1929–1945 (MIÖG Erg.-Bd. 50, Wien/

München 2007). Siehe meine Rezension in : H-Soz-u-Kult Rezensionen 09.08.2007 (www.hsozkult.de/publi cationreview/id/rezbuecher-8993) (letzter Zugriff 21.07.2017).

16 Alphons Lhotsky, Geschichte des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 1854–1954. Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts (MIÖG Erg.-Bd. 17, Graz/Köln 1954). Auch die weitaus kürzere Instituts- geschichte von Leo Santifaller, Das Institut für österreichische Geschichtsforschung. Festgabe zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Wien Haus-, Hof- und Staatsarchivs (Veröff. des IÖG 11, Wien 1950), ist immer noch brauchbar.

17 Heinrich Fichtenau, Diplomatiker und Urkundenforscher, in : MIÖG 100 (1992) 9–49, hier 9 : „Mit ihm [Hans Hirsch †1940] soll dieser Überblick beendet werden, denn Gelehrtengeschichte verträgt keine allzu nahe Distanz.“

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behindert. Völkische Historiker wie Heinz Zatschek oder Paul Heigl, Mitglied der SS, be- saßen im IÖG eine feste Verankerung. Für junge Völkische wie Wilfried Krallert, Walter Wache und Irmgard Jung setzte sich Hirsch ein18. Dass hierbei nicht nur wissenschaftliche Momente ausschlaggebend waren, ist leicht erkennbar. Wenig beachtet wurde bisher die

„Karriere“ eines („nebenberuflichen“) Historikers, der unter der Betreuung Hirschs seine Dissertation erarbeitete. Diese „Karriere“ mag von Interesse sein, weil sie den wohl ext- remsten Weg eines Historikers zur Täterschaft als Mitglied der SS darstellt.

Siegfried Seidl, 1911 in Tulln geboren, musste früh sein Studium der Rechte in Wien abbrechen, da er nicht über genügend Mittel verfügte19. 1930 trat er der NSDAP, 1931 der SA bei ; diese verließ er bereits 1932 und wechselte zur SS. Während der „Verbots- zeit“ war er als „Illegaler“ tätig und nahm verschiedene Arbeiten an. Gleichzeitig muss er sein Dissertationsprojekt in mittelalterlicher Geschichte vorangetrieben haben, denn im April 1938 konnte er die schriftliche Arbeit „Die Hauptlinie der Eizinger in Österreich“

einreichen. Gutachter dieser gediegenen Studie waren Hans Hirsch und Otto Brunner.

Wie Seidl zu seinem Dissertationsprojekt kam und ob er eine Karriere als Historiker in Betracht zog, kann derzeit nicht beantwortet werden. Das Promotionsverfahren schloss Seidl erst im Februar 1941 ab. Zu dieser Zeit war seine „Karriere“ in der SS bereits in vollem Gang und er wurde aus der allgemeinen SS in den Sicherheitsdienst der SS (SD) überführt. Reinhard Heydrich und Adolf Eichmann erteilten ihm im Oktober 1941 den Befehl, in führender Position an der Errichtung eines jüdischen Ghettos in Theresienstadt (Terezín) mitzuwirken. Seit Ende des Jahres wohnte Seidl mit seiner Familie in Theresien- stadt und war als Lagerkommandant maßgeblich am Aufbau des Ghettos beteiligt.

Erwähnenswert ist schließlich, dass Seidl im Juni 1942 persönlich mit einer Häftlings- gruppe in das von NS-Sicherheitskräften vernichtete tschechische Dorf Lidice fuhr, um die Beerdigung dort hingerichteter Männer auszuführen. Seinen Werdegang in der SS setzte Seidl 1943 als Lagerinspektor im KZ Bergen-Belsen fort, um 1944 an den Verfol- gungen von Juden in Ungarn teilzunehmen. Im Juli 1945 wurde Seidl in Wien von der österreichischen Staatspolizei verhaftet. Von einem österreichischen Gericht zum Tode verurteilt, wurde er im Februar 1947 in Wien hingerichtet. Als eine völlige Ausnahme in den Lebensläufen österreichischer und deutscher Historiker kann der Fall Seidl nicht bezeichnet werden. Der im ersten Band proträtierte Wilfried Krallert arbeitete ebenfalls für den SD und war Mitwirkender an einer „Genozidpolitik“. Der mit Heinz Zatschek in bestem Einvernehmen stehende deutsche Historiker Hans Joachim Beyer, Mitglied

18 Siehe die Beiträge zu Heigl, Hirsch, Krallert und Zatschek im ersten und im zweiten Band der „Österreichi- schen Historiker 1900–1945“.

19 Siehe wie auch im Folgenden Tomáš Fedorivič, Der Theresienstädter Lagerkommandant Siegfried Seidl, in : Theresienstädter Studien und Dokumente 2003 162–209.

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der SS, konnte für sich einen Einsatz in einer Einsatzgruppe des SD in der Ukraine im Sommer 1941 verbuchen20. Erwähnenswert ist schließlich noch die Vita Josef Pfitzners, eines Osteuropahistorikers und „Historikers der Sudetendeutschen“, der enge Kontakte zu Hirsch pflegte, in Prag starke, auf Gegenseitigkeit beruhende Animositäten zu Zat- schek entwickelte und 1939 zum stellvertretenden Primator Prags ernannt wurde. In Ver- antwortung für seine, in dieser Funktion betriebene Politik für das NS-Regime wurde er 1945 verurteilt und hingerichtet21. Das sind wohl die extremsten und traurigsten „Karri- erewege“, die deutsche und österreichische Historiker einschlugen.

Aufschlussreich für die politische Atmosphäre am IÖG sind auch die Erinnerungen Fritz Poschs. Er kam aus einem katholisch ländlichen Milieu an das IÖG und nahm am 40./41. Ausbildungslehrgang 1936–1939 teil. Über Posch war bzw. wurde bekannt, dass er keine Sympathien für den Nationalsozialismus hegte und vom „katholischen“ Profes- sor Hugo Hantsch entsandt worden war22. Das brachte ihm offene Ablehnung und so- gar Feindschaft einiger anderer Kursteilnehmer ein, weit weniger der Lehrenden23. Dass sich die Verhältnisse am IÖG in den 1930er-Jahren jedoch kompliziert und vielfältig gestalteten, beweist der Lebenslauf Gerhart B. Ladners. Als Student jüdischer Herkunft hatte er mit der offenen Gegnerschaft antisemitischer Kommilitonen zu kämpfen, fand aber am IÖG zunächst sogar ein friedliches Auskommen mit dem „Krypto-Nazi“ Paul Heigl24. Entscheidend war, dass sich ihm Hans Hirsch „günstig gesinnt“ zeigte und seine wissenschaftliche Karriere bis zur Habilitation kurz vor dem „Anschluss“ 1938 för- derte25. Bemerkenswert scheint schließlich, dass das IÖG im weiteren Verlauf bis 1945 nicht zu einem Zentrum der während des Nationalsozialismus als Paradigma propagierten

„Volksgeschichte“ mutierte, sondern die Lehre weiterhin überwiegend an der bis dahin

20 Karl Heinz Roth, Heydrichs Professor. Historiographie des „Volkstums“ und der Massenvernichtungen. Der Fall Hans Joachim Beyer, in : Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918–1945, hg. v. Peter Schöttler (Frankfurt/M. 1997) 262–342, hier 288–291.

21 Siehe Detlef Brandes, Alena Míšková, Vom Osteuropa-Lehrstuhl ins Prager Rathaus. Josef Pfitzner 1901–

1945 (Praha/Essen 2013).

22 Siehe die Selbstdarstellung Fritz Poschs in : Recht und Geschichte. Ein Beitrag zur österreichischen Gesell- schafts- und Geistesgeschichte unserer Zeit. Zwanzig Historiker und Juristen berichten aus ihrem Leben, hg.

Hermann Baltl, Nokolaus Grass, Hans Constantin Faussner (Studien zur Rechts-, Wirtschafts- und Kul- turgeschichte 14, Sigmaringen 1990) 197–219.

23 Ebd. 205 : „Nach dem Anschluß jedoch wurde mein Stipendium gestrichen, weshalb ich bald das Institut verließ, da ich die Attacken meiner Kollegen nicht mehr aushalten konnte.“ 206 : „Man begegnete mir […]

überall mit Mißtrauen, die Professoren waren durchwegs national-liberal oder nazistisch, die Studenten fast durchwegs nazistisch. […] Noch kurz vor dem Anschluß führte Prof. Otto Brunner den Kurs durch das Tech- nische Museum. Alle Teilnehmer erschienen mit dem illegalen Parteiabzeichen, außer Prof. Brunner und ich.“

24 Gerhart B. Ladner, Erinnerungen, hg. v. Herwig Wolfram und Walter Pohl (SB Wien, Wien 1994) 49.

25 Ebd. 24, 28 und 60.

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gepflegten Tradition einer Archivarsschule ausgerichtet wurde. Das belegt unter anderem das Verhalten des überzeugten Nationalsozialisten Heinz Zatschek, der 1942 dem IÖG den Rücken kehrte und an die Deutsche Universität in Prag zurückging, die sich unter Einfluss der SS befand. Zatschek glaubte, als seine geschichtspolitischen Ambitionen auf wenig positive Resonanz stießen, an der aus seiner Sicht konservativen und verschlafenen Universität in Wien seine volksgeschichtlichen und geschichtspolitischen Pläne nicht re- alisieren zu können26. All diese Zeugnisse belegen, dass die Geschichte des IÖG während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein spannendes und fruchtbares Thema darstellt und kritische Studien sehr erwünscht sind. Diese sollten sich nicht nur auf dem Feld der wissenschaftsgeschichtlichen Biografieforschung bewegen sondern auch Themen und Paradigma der damaligen Geschichtsforschung analysieren, also Beiträge zur Geschichte der österreichischen Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert liefern27.

Die Lektüre der einzelnen biografischen Porträts evoziert, wie bereits angedeutet, Fragen nach den Netzwerken österreichischer Historikerinnen und Historiker, ein For- schungsfeld, das erst am Anfang steht und wertvolle Ergebnisse verspricht28. Anzuführen ist hier etwa der 1872 eingerichtete, im Februar 1938 aufgelöste „Akademische Histo- rikerklub“ in Innsbruck, der bereits 1919 Frauen aufnahm und ohne „Arierparagraf“

auskam. Mitglieder in diesem „wissenschaftlichen Studentenverein“ waren beispielsweise Hugo Hantsch, Richard Heuberger, Franz Huter, Emil von Ottenthal, Oswald Redlich, Harold Steinacker, Otto Stolz, Hermann Wopfner und vermutlich auch Adolf Helbok29. In Wien gab es den nur „Ariern“ vorbehaltenen „Akademischen Verein deutscher His- toriker in Wien“30, ähnliche Historikerklubs existierten in Graz und in Prag. Ins Blick- feld als Netzwerkzentren gehören selbstverständlich auch landeshistorische Vereine wie

„Verein für Geschichte der Stadt Wien“, „Verein für Landeskunde von Niederösterreich“,

26 Siehe den Beitrag zu Zatschek im ersten Band der „Österreichischen Historiker 1900–1945“.

27 Wenig beachtet wurde leider das Buch Ota Konrád, Německé bylo srdce monarchie … Rakušanství, němectví a střední Evropa v rakouské historiografii mezi válkami [Deutsch war das Herz der Monarchie … Österreichertum, Deutschtum und Mitteleuropa in der österreichischen Geschichtsschreibung zwischen den Kriegen] (Praha 2011)

28 Siehe etwa Kreise – Bünde – Intellektuellen-Netzwerke. Formen bürgerlicher Vergesellschaftung und politi- scher Kommunikation 1890–1960, hg. v. Frank Michael Kuhlemann, Michael Schäfer (Bielefeld 2017), darin vor allem den Beitrag Andreas HuBer, Katholisch-deutschnationale Eliten. Cartellverband, Deutscher Klub und ihre Mitglieder in der Hochschullehrerschaft der Universität Wien 1932–1950 (189–220).

29 Siehe Getraud Wilfling, Akademische Fachvereine am Beispiel des „akademischen Historikerklubs“ der Universität Innsbruck, in : historia.scribere 3 (2011) 81–117 (http.//historia.scribere.at) (letzter Zugriff 2507.2017).

30 Aktenmaterial zu diesem Verein findet sich im WStLA, HHStA und UAW. Zum Verein siehe jetzt Thomas WinkelBauer, Das Fach Geschichte an der Universität Wien. Von den Anfängen um 1500 bis etwa 1975 (Schriften des Archivs der Universität Wien 24, Göttingen 2018) 150–168.

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„Historischer Verein für Steiermark“ und auch „Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen“.

Nachhaltige Netzwerke generierten auch (nicht fachspezifische) studentische Verbin- dungen bzw. Burschenschaften. Bis in die Gegenwart bekannt ist der Einfluss des „Car- tell verbands“, aufgerollt wird derzeit die Geschichte des „Deutschen Klubs“31. Mitglie- der dieses von 1908 bis 1939 bestehenden, nur Männern und schließlich nur „Ariern“

reservierten „Sammelbecken[s] deutschnationaler Verbindungen“, das immer mehr in den Sog des Nationalsozialismus geriet, wie nicht nur die Zahl von NSDAP-Mitgliedern ausweist, waren von den 47 porträtierten Historikern32 : Wilhelm Bauer (1919, 1939), Ludwig Bittner (1919, 1939), Alfons Dopsch (1919, 1939), Adolf Grohmann (1919), Paul Heigl (1939), Hans Hirsch (1919, 1939), Theodor Mayer (1919), Harold Steina- cker (1919), Hans Uebersberger (1919, 1939). Es fällt sogleich auf, dass bis auf Groh- mann alle einen Ausbildungslehrgang am IÖG absolviert haben und bis auf Dopsch, Grohmann und Heigl alle einer Generation angehören33. Es hat (jedenfalls vorläufig) den Anschein, als sei der „Deutsche Klub“ für jüngere Historiker in Wien nicht sehr attraktiv gewesen ; freilich sind auf diesem Feld weitere Forschungen nötig und wün- schenswert.

Es wird demnach deutlich, dass österreichische Historikerinnen und Historiker in eine Vielzahl von Netzwerken eingebunden sein konnten, die sich überlappten, also unter- einander Schnittmengen produzierten. Dass diese Netzwerke auch über den eigenen Be- rufsstand hinausreichten, beispielsweise die Ministerialbürokratie erfassten, konnte sie für den Einzelnen sehr wertvoll und hilfreich machen, wie zum Beispiel der Fall des Bundes- ministers Heinrich Drimmel offenbart, der einer Wiedereingliederung der nationalsozia- listisch belasteten Historiker Taras Borodajkewycz und Heinz Zatschek ins Berufsleben wohlwollend gegenüberstand34. Hier eröffnet sich für die Zukunft ein weites Forschungs- feld. Das gilt ebenso für die Frage nach Identitäten österreichischer Historikerinnen und Historiker. Aus den Porträts der drei Bände lässt sich gut ablesen, welch überlappende, aber auch in verschiedenen Intensitäten postulierte Identitäten aufschienen. Im behan- delten Zeitraum waren in Österreich Identitäten als Österreicher, Deutscher und nach

31 Linda Erker, Andreas HuBer, Klaus Taschwer, Von der „Pflegestätte nationalsozialistischer Opposition“

zur „äußerst bedrohlichen Nebenregierung“. Der Deutsche Klub vor und nach dem „Anschluss“ 1938, in : Zeitgeschichte 44 (2017) Heft 2 78–97.

32 Freundliche Auskunft von Andreas Huber (Wien). Die Jahreszahlen verweisen auf die Mitgliederlisten von 1919 und 1939.

33 Bittner, Uebersberger und Steinacker besuchten den 22. Kurs 1897–1899, Bauer, Hirsch und Srbik, das „tri- folium“, den 23. Kurs 1899–1901.

34 Siehe die Beiträge zu Borodajkewycz und zu Zatschek im vorliegenden und im ersten Band der „Österreichi- schen Historiker 1900–1945“.

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den historischen (Bundes-)Ländern anzutreffen. In einigen Fällen wurde deutlich, dass an erster Stelle die Identität zum Beispiel als Tiroler oder Kärntner stand. Diese Identitäten waren prioritär gegenüber der Identität als Deutscher, aber noch mehr gegenüber jener als Österreicher. Durchgehend existent war der Zwiespalt oder die Reibung zwischen den Identitäten als Österreicher und Deutscher, und es scheint, dass bereits am Ende der 1920er-Jahre bei einigen völkisch gesinnten österreichischen Historikern die Identität als Deutscher diejenige als Österreicher verdrängt hatte. Mit dem geschichtlichen Gesche- hen der 1930er- und 1940er-Jahre veränderten sich die Identitäten, bis seit 1945 bei der Mehrheit der Historikerinnen und Historiker die Identität als Österreicherin oder Österreicher bestimmend wurde. Freilich blieben Identitäts-Spannungen virulent. Der Kärntner oder Tiroler blieb auch nach 1945 zuerst Kärntner oder Tiroler ; welches seine

„zweite Identität“ wurde, Österreicher oder Deutscher, ist nicht immer zu eruieren. Dass die Identität als Deutscher nach 1945 nicht immer (zu Genüge) abgestreift wurde, bezeugt das Beispiel Taras Borodajkewycz. Auffallend ist aber, dass vor dem „Anschluss“ 1938 der aktivste Vertreter einer (freilich bestimmten) Österreich-Idee unter den Porträtierten der aus Deutschland kommende Konrad Josef Heilig war. Die Frage nach „Identitäten“ von Historikerinnen und Historikern berührt auch das Forschungsfeld, in dem „Habitus“

und „Typus“ von Universitätsprofessoren bzw. Gelehrten und Intellektuellen untersucht werden. Auch hier bieten die Biografien der drei Bände „Österreichischer Historiker“

hoffentlich verwertbares Material.

Am Schluss dieser Einleitung soll – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf einige Literaturneuerscheinungen hingewiesen werden, die Relevanz für das Thema „Österrei- chische Historiker 1900–1945“ aufweisen. In „biografiA“, einem großen „Lexikon öster- reichischer Frauen“, sind etliche biografische Skizzen österreichischer Historikerinnen versammelt35. Zu Otto Brunner hat Hans-Henning Kortüm zwei Aufsätze publiziert36. Peter Schöttler hat seinen grundlegenden Beitrag zu Lucie Varga in überarbeiteter Fassung 2015 in einem Sammelband seiner Annales-Studien nochmals veröffentlicht37. Johannes Holeschofsky konnte nach seinem Beitrag zu Hugo Hantsch im zweiten Band „Öster- reichische Historiker 1900–1945“ eine Monografie über diesen Historiker publizieren38. Reto Heinzel hat 2016 eine Biografie des einflussreichen österreichischen Mediävisten

35 biografiA. Lexikon österreichischer Frauen, hg. v. Ilse Korotin (Wien/Köln/Weimar 2014).

36 Hans-Henning Kortüm, Otto Brunner über Otto den Großen. Aus den letzten Tagen der reichsdeutschen Mediävistik, in : HZ 299 (2014) 297–333 ; Ders., „Gut durch die Zeiten gekommen.“ Otto Brunner und der Nationalsozialismus, in : Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 66 (2018) Heft 1, 117–160.

37 Peter Schöttler, Die „Annales“-Historiker und die deutsche Geschichtswissenschaft (Tübingen 2015).

38 Johannes Holeschofsky, Hugo Hantsch. Eine biografische Studie (Studien und Forschungen aus dem Nie- derösterreichischen Institut für Landeskunde 59, St. Pölten 2014).

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Theodor Mayer vorgelegt39, den Helmut Maurer im ersten Band „Österreichische His- toriker 1900–1945“ kritisch porträtiert hat. Mit Leben und Wirken des böhmischen, deutsch-jüdischen Historikers Samuel Steinherz haben sich zuletzt Alexander Koller, Jörg Osterloh, Zděnka Stoklásková und Helmut Teufel beschäftigt40. Den mehr „Ausnahme- historiker“ als „Außenseiter“ Friedrich Heer porträtierte Sigurd Paul Scheichl41. Die um- fangreiche Biografie eines anderen katholischen Historikers, nämlich Eduard Winter, hat Ines Luft 2016 vorgelegt42, während die tschechische Biografie Winters von Jiří Němec, Autor eines Winter-Porträts im ersten Band der „Österreichischen Historiker 1900–

1945“, ein Jahr später erschien43. Erwähnt werden soll an dieser Stelle auch der 2017 erschienene Sammelband zu Leben und (auch politischem) Wirken des österreichischen Ägyptologen Hermann Junker44. Etliche Bezüge zu österreichischen Historikern finden sich in der Biografie des sudetendeutschen Historikers und Hirsch-Schülers Josef Pfitzner, die Detlef Brandes und Alena Míšková publiziert haben45. Rafael Kropiunigg hat in sei- ner Studie zum „Fall Borodajkewycz“ vor allem die Ereignisse der 1960er-Jahre aufgerollt und ist auf die Biografie Borodajkewycz’ nicht näher eingegangen46, wegweisend ist das an dieser Stelle publizierte Porträt. Berührungspunkte zu Österreich gibt es in den neuen umfänglichen Biografien der deutschen Historiker Friedrich Baethgen, Johannes Haller, Erich Maschke, Karl Alexander von Müller und Peter Scheibert oder der tschechischen Historiker Václav Novotný und Václav Vojtíšek47. Etliche österreichische Wissenschaftler

39 Reto Heinzel, Theodor Mayer. Ein Mittelalterhistoriker im Banne des „Volkstums“ 1920–1960 (Paderborn 2016).

40 Siehe deren Beiträge in : Avigdor, Benesch, Gitl. Juden in Böhmen, Mähren und Schlesien im Mittelalter.

Samuel Steinherz (1857 Güssing – 1942 Theresienstadt), hg. Helmut Teufel, Pavel Kocman, Milan Repa (Brünn/Prag/Essen 2016).

41 In : Aussenseiter der Geschichtswissenschaft (wie Anm. 11) 109–129.

42 Ines Luft, Eduard Winter zwischen Gott, Kirche und Karriere. Vom böhmischen katholischen Jugendführer zum DDR-Historiker (Leipzig 2016).

43 Jiří Němec, Eduard Winter 1896–1982. Zpráva o originalitě a přizpůsobení se sudetoněmeckého historika [Eduard Winter 1896–1982. Über Originalität und Anpassungsfähigkeit eines sudetendeutschen Historikers]

(Brno 2017).

44 Hermann Junker. Eine Spurensuche im Schatten der österreichischen Ägyptologie und Afrikanistik, hg. v.

Clemens Gütl (Göttingen 2017).

45 Brandes, Míšková, Pfitzner (wie Anm. 21).

46 Rafael Kropiunigg, Eine österreichische Affäre. Der Fall Borodajkewycz (Wien 2015).

47 Joseph LemBerg, Der Historiker ohne Eigenschaften. Eine Problemgeschichte des Mediävisten Friedrich Baeth gen (Campus Historische Studien 71, Frankfurt a.M./New York 2016) ; Benjamin Hasselhorn, Jo- hannes Haller. Eine politische Gelehrtenbiographie (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bay- erischen Akademie der Wissenschaften 93, Göttingen 2015) ; Barbara Schneider, Erich Maschke. Im Bezie- hungsgeflecht von Politik und Geschichtswissenschaft (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 90, Göttingen 2015) ; Matthias Berg, Karl Alexander von Müller.

Historiker für den Nationalsozialismus (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Aka-

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werden in der zweiten erweiterten Auflage des großen Sammelwerkes „Handbuch der völkischen Wissenschaften“ in biografischen Skizzen von mehreren Druckseiten vorge- stellt48, so Otto Brunner, Hugo Hassinger, Adolf Helbok, Hans Hirsch, Gunther Ipsen, Wilfried Krallert, Theodor Mayer, Oswald Menghin, Leo Santifaller, Heinrich Srbik, Ha- rold Steinacker, Eduard Winter, Hermann Wopfner und Heinz Zatschek. Viele Autoren der „Österreichischen Historiker 1900–1945“ haben hierzu Beiträge geliefert.

Hinzuweisen ist schließlich auf umfassende Darstellungen bestimmter Themenberei- che und Institutionen. An erster Stelle soll die übergreifende Darstellung des Faches Ge- schichte an der Wiener Universität angeführt werden, die der gegenwärtige Direktor des IÖG, Thomas Winkelbauer, verfasst hat und in der die in den drei Bänden „Österrei- chische Historiker 1900–1945“ porträtierten „Wiener“ Historiker Erwähnung finden49. Hier schließen sich Roman und Hans Pfefferle mit ihrem Buch „Glimpflich entnazifiziert.

Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren“ an50. Ein Sammelband widmet sich den „Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus“ an der Universität Wien51, während Klaus Taschwer in einer Monografie den während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an der Universität herrschenden Antisemitismus beschreibt52. Die „Säuberungen“ im akademischen Milieu werden im Sammelband „‚Säuberungen‘ an österreichischen Hochschulen 1943–1945. Voraussetzungen, Prozesse, Folgen“ themati- siert53. Im Katalog einer Ausstellung befassen sich die Autorinnen und Autoren mit der

„Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945“54. Zum großen Gründungsjubi- läum der Wiener Universität erschienen 2015 unter dem Obertitel „650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrtausend“ vier Bände, die zusammen auf über 2000 Seiten

demie der Wissenschaften 88, Göttingen 2014) ; Esther ABel, Kunstraub – Ostforschung – Hochschulkarri- ere. Der Osteuropahistoriker Peter Scheibert (Paderborn 2016) ; Jaroslava Hoffmannová, Václav Novotný (1869–1932). Život a dílo univerzitního profesora českých dějin [Václav Novotný (1869–1932). Leben und Werk eines Universitätsprofessors der tschechischen Geschichte] (Praha 2014) ; Pavel Vaško, Profesor Václav Vojtíšek : archivářem od monarchie po socialismu [Professor Václav Vojtíšek : Archivar von der Monarchie bis zum Sozialismus] (Praha 2014).

48 Handbuch der völkischen Wissenschaften 1 : Biografien ; 2 : Forschungskonzepte – Institutionen – Organisa- tionen – Zeitschriften, hg. v. Michael FahlBusch, Ingo Haar, Alexander Pinwinkler unter Mitarbeit v.

David Hamann (Berlin/Boston 2017).

49 WinkelBauer, Fach Geschichte (wie Anm. 30).

50 (Schriften des Archivs der Universität Wien 18) Göttingen 2014.

51 Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus. Das Beispiel der Universität Wien, hg. Mitchell G. Ash, Wolf- ram Niess, Ramon Pils (Göttingen 2010).

52 Klaus Taschwer, Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert (Wien 2015).

53 Hg. v. Johannes Koll (Wien 2017).

54 Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, hg. v. Johannes Feichtinger, Herbert Matis, Stefan Sienell, Heidemarie Uhl (Wien 2013).

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mehr als 100 Beiträge von 115 Autorinnen und Autoren enthalten55. In all diesen Werken wird mehr oder weniger ausführlich auf das Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker eingegangen. Dieses Wirken ist auf verschiedenen Ebenen zu eruieren, und so verwundert es nicht, wenn in Janek Wassermanns Monografie zu deutsch nationalen rechtskonservativen Kreisen, ihren intellektuellen Protagonisten (und „linken“ Gegen- spielern) und dem von ihnen propagierten Gedankengut auch Historiker wie Ludo M.

Hartmann, Raimund F. Kaindl, Oswald Menghin und Heinrich Srbik ihre berechtigte Erwähnung finden56.

Im 2008 publizierten ersten Band „Österreichische Historiker 1900–1945“ steht am Beginn meiner Einleitung ein Hinweis auf die „Causa“ Borodajkewycz. Der Hinweis schließt mit dem Satz : „Mitte der 1960er Jahre wurde – wohl erstmals nach 1945 – [in Österreich] in breitester Form zur Diskussion gestellt, dass auch ein Historiker als Wis- senschaftler mit den Denkmustern des Nationalsozialismus in Verbindung stehen und diese, noch 20 Jahre nach Kriegsende, in die universitäre Lehre einbringen konnte.“ Die Mitte der 1960er-Jahre ist mittlerweile mehr als ein halbes Jahrhundert Vergangenheit und die seitdem erschienene Fachliteratur bezeugt eindringlich, dass sich österreichische, aber auch „ausländische“ Historikerinnen und Historiker vielfach mit Leben und Wirken ihrer österreichischen Fachgenossinnen und -genossen kritisch und auch mal weniger kri- tisch auseinandergesetzt haben. Die erforschten Lebensläufe und Werke erfassen zeitlich die moderne Geschichtswissenschaft vom 19. Jahrhundert bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die oben angeführte Literatur bezeugt neben zahlreichen anderen, nicht namentlich angeführten Werken, dass sich auch die großen österreichischen Wis-

55 650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrtausend [1–4] : Universität – Forschung – Lehre. The- men und Perspektiven im langen 20. Jahrhundert, hg. v. Katharina Kniefacz, Elisabeth Nemeth, Elisa- beth Posch, Friedrich Stadler ; Universität – Politik – Gesellschaft, hg. v. Mitchell G. Ash, Josef Ehmer ; Reichweiten und Außensichten. Die Universität Wien als Schnittstelle wissenschaftlicher Entwicklungen und gesellschaftlicher Umbrüche, hg. v. Margarete Grandner, Thomas König ; Reflexive Innensichten aus der Universität. Disziplinengeschichten zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik, hg. v. Karl Anton Fröschl, Gerd B. Müller, Thomas Olechowski, Brigitta Schmidt-LauBer (Göttingen 2015). Hin- weisen möchte ich auch auf : Die Geschichte der Technischen Hochschule in Wien 1914–1955 1 : Verdeck- ter Aufschwung zwischen Krieg und Krise (1914–1937) ; 2 : Nationalsozialismus – Krieg – Rekonstruktion (1938–1955), hg. v. Juliane Mikoletzky, Paulus EBner (Wien/Köln/Weimar 2016).

56 Janek Wassermann, Black Vienna. The radical right in the red city 1918–1938 (Ithaca/London 2014). In diesen Kontext gehört auch : Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime 1933–1938. Vermessung eines Forschungs- feldes, hg. v. Florian Wenninger, Lucile Dreidemy (Wien/Köln/Weimar 2013), Anton Pelinka, Die ge- scheiterte Republik. Kultur und Politik in Österreich 1918–1938 (Wien 2017) ; Kurt Bauer, Die dunklen Jahre. Politik und Alltag im nationalsozialistischen Österreich 1938–1945 (Frankfurt/M 2017), sowie Gerhard Botz, Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Kriegsvorbereitung 1938/39 (Wien 2018), und Manfred Flügge, Stadt ohne Seele. Wien 1938 (Berlin 2018).

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senschaftsinstitutionen „ihrer Vergangenheit gestellt“ haben, um eine häufig verwendete, freilich auch wenig Konkretes aussagende Floskel anzuführen.

Im Juni 2015 hat die Wirtschaftsuniversität (früher Hochschule für Welthandel) Wien nicht nur ein Mahnmal errichten lassen, dass an ihre während des Nationalsozialismus vertriebenen oder ermordeten Angehörigen erinnern soll, sondern auch aus Anlass 50 Jahre „Affäre Borodajkewycz“ eine Gedenkveranstaltung mit einer Diskussionsrunde ab- gehalten57. An ihr nahmen auch die damals involvierten Bundesminister a.D., Ferdinand Lacina und Bundespräsident Heinz Fischer, teil. Auf die Frage der Moderatorin, warum die Aufarbeitung der NS-Zeit an der WU so lang gedauert habe, antwortete Heinz Fi- scher : „Die Geschichte ist so komplex, mit so vielen Facetten durchzogen – da kann es keine klare Antwort geben. Die NS-Zeit war auch nach ’45 Teil der Gesellschaft. Heute wissen wir mehr darüber als damals. Und können hier, 50 Jahre danach, rational diese Diskussion führen.58“ Die drei Bände der „Österreichischen Historiker 1900–1945“ bil- den mit ihren kritischen Biografien hoffentlich einen wesentlichen Beitrag zu einer wis- senschaftlich-rationalen Diskussion über Leben und Wirken österreichischer Historiker, zu denen eben auch Taras Borodajkewycz zu zählen ist. Alle drei Bände mögen, und das sei als Wunsch des Herausgebers explicit formuliert, nicht nur wissenschaftsgeschichtliche Impulse zur weiteren kritischen Erforschung der Lebenswege und Werke österreichischer Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler im „langen“ 20. Jahrhundert ge- ben, sondern darüber hinaus auch zu rationalen Diskussionen über die gesellschaftliche und politische Rolle von Wissenschaft überhaupt anregen.

57 Ein Video der Veranstaltung vom 9. Juni 2015 im Festsaal 1 der Wirtschaftsuniversität „Die WU stellt sich ihrer Vergangenheit. 50 Jahre Affäre Borodajkewycz – Eine Gesprächsrunde gegen das Vergessen“ ist einsehbar unter : www.wu.ac.at/wutv/show/clip/20150609-borodajkewycz-complete (letzter Zugriff 02.08.2017).

58 Ebd. zu hören.

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