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Hermann Wopfner (1876–1963)

Im Dokument Österreichische Historiker (Seite 98-124)

der „tr eueste sohn tirols“1

1. einleitung

Die Motive, Hermann Wopfner mit dem chauvinistisch anmutenden Attribut eines „treuesten Sohn[es] Tirols“ zu belegen, sind bei der Festschrift zu seinem 70. Geburtstag nicht nur in der Huldigungslogik solcher Texte oder der zeitgenössischen Sprache zu suchen. Es ist durchaus glaub-würdig und nachvollziehbar, dass Wopfners Leistungen eine solche Empfindung hervorbrachten, denn er erreichte durch seine Texte, seine reiche Vortragstätigkeit, die Leh-rerausbildung und seine Wanderungen eine Popularität, die heutigen HistorikerInnen nicht mehr zuteilwird. Sein Wirken für die Einheit des Landes nach der Teilung Tirols im Jahr 1918 und seine agrarhistorischen und

volkskund-lichen Schriften über die Tiroler Landwirtschaft, vor allem die Bergbauern, bildeten sein Lebenswerk. Die ihm zugeschriebene „Treue“ resultierte aus diesen Arbeiten, in denen er sich voller Sympathie für die Landbevölkerung zeigte, aber auch aus seinen unermüd-lichen Aktivitäten um die Tiroler „Heimatkunde“, die für Wopfner eine Mischung aus Landesgeschichte und Volkskunde war. Für seine Leistungen erhielt Wopfner das goldene Ehrenabzeichen des Tiroler Bauernbundes, den Ehrenring der Stadt Innsbruck und den Ehrenring des Landes Tirol (samt Ehrensold)2.

Der vorliegende Beitrag versucht, die Literatur über Wopfner in eine Synthese zu brin-gen und bislang nicht berücksichtigte Quellen heranzuziehen, die auf Teilaspekte seines Schaffens neues Licht werfen. Allerdings war es im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich, die verstreut liegende Korrespondenz Wopfners miteinzubeziehen, oder die

vorhande-1 Aus der Widmung der Herausgeber in : Volkskundliches aus Österreich und Südtirol. Hermann Wopfner zum 70. Geburtstag dargebracht, hg. v. Anton Dörrer, Leopold Schmidt (Österreichische Volkskultur.

Forschungen zur Volkskunde 1, Wien 1947) 7–10, hier 10.

2 Kürschners deutscher Gelehrten-Kalender 1961, hg. v. Werner Schuder (Berlin 1961) 2318.

Abb. 6 Hermann Wopfner

nen, leider großteils noch nicht erschlossenen relevanten Nachlässe in ihrer Gesamtheit auszuwerten. Ohne diese mühevollen Vorleistungen bleibt eine umfassende Bewertung von Wopfners Leben und Arbeiten aber unvollständig. Aufgrund der Bedeutung dieses noch immer vielzitierten Autors sowohl für die zeitgenössische Geschichtswissenschaft und Volkskunde wie auch für die Tiroler „Heimatkunde“ wäre ein Fehlen Wopfners in dieser Buchreihe jedoch eine schmerzhafte Lücke.

2. ausBildung und w issensch a ftliche k a r r ier e

Hermann Wopfner wurde am 21. Mai 1876 in Innsbruck als ehelicher Sohn des Kauf-manns Josef Wopfner und der Amalia Neuhauser geboren3. Wopfners Vorfahren waren Bergbauern am Wattenberg, die dort seit Beginn des 15. Jahrhunderts den Hof Wop-fenstatt bewirtschafteten. Von 1886 bis 1894 besuchte er auf Wunsch seiner Mutter das Gymnasium in Innsbruck. Nach der Matura leistete er das Militärjahr ab und setzte bei seinem Vater durch, anstelle des Kaufmannsberufs an der Universität Innsbruck Ge-schichte studieren zu dürfen. Im Gymnasium war der Tiroler Historiker Josef Zösmair sein Geschichtslehrer, der ihn für das Fach interessierte. An der Universität belegte Wopf-ner Vorlesungen bei Emil (von) Ottenthal zur mittelalterlichen, bei Josef Hirn zur öster-reichischen sowie bei Ludwig (von) Pastor zur allgemeinen Geschichte. Aus Interesse am Naturraum belegte er auch Vorlesungen des Geographen Franz (von) Wieser sowie des Geologie- und Mineralogieprofessors Josef Blaas. Dieses Interesse blieb Zeit seines Lebens aufrecht, sodass er, bereits zum Professor berufen, 1919 Geologievorlesungen des jungen Assistenten Raimund (von) Klebelsberg besuchte4.

Als Geschichtestudent wurde Wopfner Mitglied im 1872 an der Universität Innsbruck begründeten „Historiker-Club“, wo zahlreiche spätere Universitätsprofessoren und Fach-historiker schon zu ihrer Studienzeit engagiert waren5. Wopfner bekleidete dort das Amt

3 Franz Huter, Nachruf Hermann Wopfner mit Schriftenverzeichnis, in : Almanach der ÖAW 113 (1963) 449–464 ; Nikolaus Grass, Hermann Wopfner und das „Bergbauernbuch“, in : Hermann Wopfner, Berg-bauernbuch. Von Arbeit und Leben der Tiroler Bergbauern 1 : Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte. I.–III.

Hauptstück, hg. v. Nikolaus Grass (Schlern-Schriften 296, Innsbruck 1995) VII–XXIV ; Hermann Wopf-ner, Selbstdarstellung, in : Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen 1, hg. v. Nikolaus Grass (Schlern-Schriften 68, Innsbruck 1950) 157–201 ; Art. „Wopfner, Hermann“, in : Fritz Fellner, Doris A. Corradini, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biogra-phisch-bibliographisches Lexikon (VKGÖ 99, Wien/Köln/Weimar 2006) 464.

4 Raimund (von) KleBelsBerg, Erinnerungen. 1902–1952 (Schlern-Schriften 100, Innsbruck 1953) 19, so-wie gleichlautend Wopfner, Selbstdarstellung (so-wie Anm. 3) 183.

5 Herbert Irsara, Studentisch-wissenschaftliches Leben an der Universität Innsbruck. Das erste Dezennium des akademischen Historikerklubs in Innsbruck (1872–1882). Edition der Klubchronik mit Einleitung

(Di-des stellvertretenden Vorstan(Di-des und referierte 1897 über „Luther“. Die Aufzeichnungen des Clubs vermerken, dass dieser Vortrag eine sehr rege Debatte entzündet hatte6.

Eine Vorlesung Pastors über das 16. Jahrhundert ließ in Wopfner den Entschluss reifen, sich mit dem Tiroler Bauernrebell Michael Gaismair und dem Bauernkrieg zu befassen.

Die Beschäftigung mit dem Werk „Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter“ von Karl Lamprecht vermittelte ihm erstmals Einblick in die Agrargeschichte und das bäuerliche Wirtschaftsleben der Vormoderne7. Bevor es Wopfner nach Leipzig zu Lamprecht zog, besuchte er 1897/98 als außerordentliches Mitglied Übungen am Institut für österreichi-sche Geschichtsforschung in Wien. Dort lernte er als Lehrer Oswald Redlich sowie Alfons Dopsch kennen und entwickelte ein „freundschaftliches Verhältnis“ zu Harold Steinacker‚

der ihm später in Innsbruck ein „hochgeschätzter Kollege und lieber Freund wurde“8. Ab Mai 1898 studierte Wopfner in Leipzig am Seminar von Lamprecht und trug ihm seinen Plan vor, eine Geschichte des Tiroler Bauernkrieges und seiner Ursachen zu verfas-sen. Bleibenden Eindruck auf Wopfner machten die Lehrveranstaltungen des Mediävis-ten Gerhard Seeliger sowie des Nationalökonomen Karl Bücher, dessen „Entstehung der Volkswirtschaft“ er bereits kannte9. In Leipzig wurde Wopfner durch seine Kommilitonen mit der Ansicht konfrontiert, ein Student dürfe nicht nur in der Stube hocken, sondern

„müsse das Volk kennen lernen“, er „müsse ‚unter das Volk gehen‘“. Ein Gedanke, der ihm gefiel und den er bei den Wahlen für den deutschen Reichstag 1898 praktizierte, in-dem er Wahlversammlungen verschiedener Parteien besuchte. Diese Besuche hinterließen bei Wopfner allerdings nicht das Gefühl, „das Volk“ kennenzulernen. Emotional näher gingen ihm, der bereits in seinen ersten Studienjahren in Innsbruck dem „Akademischen Leoverein“ katholischer Studenten beigetreten war, die Besuche von Menschen aus der Arbeiterklasse, die er im Rahmen seiner Mitgliedschaft beim örtlichen Vincenzverein in

plomarbeit Innsbruck 2003), sowie Gertraud Wilfling, Der akademische Historikerklub an der Universität Innsbruck. Das zweite Jahrzehnt 1882–1892. Edition der Klubchronik (Diplomarbeit Innsbruck 2011).

6 UAI, Annalen des acad. Historiker-Clubes zu Innsbruck. IV. ordtl. Versammlung am 19.01.1897. Allgemein zum Club vgl. Gertraud Wilfling, Akademische Fachvereine am Beispiel des „akademischen Historiker-klubs“ der Universität Innsbruck, in : historia.scribere 3 (2011) 81–117, [http://historia.scribere.at], 2010–

2011, eingesehen 20.07.2016.

7 Karl Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter 3 in 4 Bänden (Leipzig 1885/1886).

8 Wopfner, Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 169–170. Zu Redlich siehe den Beitrag von Johannes Holeschofsky in diesem Band, zu Dopsch und Steinacker siehe Thomas Buchner, Alfons Dopsch (1868–1953). Die „Man-nigfaltigkeit der Verhältnisse“, in : Österreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren in Öster-reich, Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftlichen Porträts [1], hg. v. Karel Hruza (Wien/

Köln/Weimar 2008) 155–190 ; Renate Spreitzer, Harold Steinacker (1875–1965). Ein Leben für „Volk und Geschichte“, in : ebd. 191–223.

9 Wopfner, Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 170, sowie Karl Bücher, Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge (Tübingen 1893 ; zahlreiche Nachdrucke bis 1925).

Leipzig absolvierte und bei denen er davon angetan war, „welch vornehme Menschen ge-rade unter den Armen und Verlassenen sich finden“ lassen10. Die katholische Gesinnung war ihm nicht nur gesellige Heimat, sondern auch Lebensschulung durch Vortrags- und Diskussionsrunden. Wopfner stand in Leipzig in regem Austausch über Fragen der Welt-anschauung und Religion mit „freisinnigen“ sowie „sozialistischen“ Studienkollegen. Be-reits in Innsbruck hatte er an bestehenden „schöngeistigen“ Gesellschaften teilgenommen und von den dort stattgefundenen Disputationen vielfältige Anregungen erhalten. Ein weiteres Betätigungsfeld außerhalb seiner wissenschaftlichen Studien wurde ihm die Mu-sik. Wopfner erhielt durch den Direktor des Innsbrucker Musikvereins Josef Pembauer Unterricht im Klavier- und Orgelspiel. Bach und Wagner waren die „leuchtenden Sterne“

seines „Musikhimmels“. In seiner Unterrichtszeit an der Universität Innsbruck begleitete Wopfner am Klavier den Kunsthistoriker Heinrich Hammer, der Geige spielte11.

Zurück aus Leipzig machte sich Wopfner an die Vollendung seiner Dissertation „Der Bauernkrieg in Deutschtirol 1525“ und promovierte am 12. Mai 1900 zum Doktor der Philosophie. Die handschriftlich verfasste Dissertation war von Emil (von) Ottenthal und Ferdinand Kaltenbrunner begutachtet worden. Ottenthal klagte in seinem Urtheil nicht nur über die großteils unleserliche Handschrift und, dass [d]ie Arbeit […] äusserlich einen ungüns-tigen Eindruck [mache,] die Anmerkungen […] unordentlich da und dort beigefügt [seien] ; [es]

Fehler in der Rechtschreibung [gebe], sondern auch über inhaltliche Mängel. Gelobt wurde die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse, welche der Bauernrebell hervorrief und die Besprechung der Ergebnisse derselben. Die Arbeit wurde mit genügend beurteilt12. Im Laufe seiner Dissertation hatte Wopfner ein Thema kennengelernt, das ihn Zeit seines Lebens wis-senschaftlich beschäftigen sollte : die Bedeutung der „Freiheit für ein Volk“13.

Unmittelbar nach der Promotion trat Wopfner im Juni 1900 in den Dienst des Inns-brucker Statthaltereiarchivs ein. Der damalige Leiter, Prof. Michael Mayr, gestattete

10 Wopfner, Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 171–172.

11 Heinrich Hammer, Selbstdarstellung, in : Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart (wie Anm.

3) 1–16.

12 UAI, Akten der Phil. Fak., Reihe Dissertationsgutachten 1873–1965, Dissertationsgutachten H. Wopfner. Dort findet sich als Dissertationstitel „Der Bauernkrieg in Deutschland“. Vgl. ebd. Urtheil über die Dissertation des K. H. Wopfner, 16.10.1889. Wir verdanken diesen Hinweis Peter Goller, Archivar des UAI. Der Teil seiner Dissertation, der sich mit der Geschichte des Innsbrucker Landtages von 1525 befasste, erschien gedruckt in : ZS des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg III. F., 44. Heft (1900) 85–153.

13 Vgl. dazu auch die Analyse von Laurence Cole, Fern von Europa ? Zu den Eigentümlichkeiten Tiroler Ge-schichtsschreibung, in : Geschichte und Region/Storia e regione 5 (1996) 191–225, hier 198–201. Die Origi-nalfassung dieses Aufsatzes ist in englischer Sprache erschienen : Lawrence [sic !] Cole, Fern von Europa ? The peculiarities of Tirolian historiography, in : Zeitgeschichte 23 (1996), Heft 5/6 181–204. Zu Ottenthal siehe Susanne Lichtmannegger, Emil von Ottenthal (1855–1931). Diplomatiker in der Tradition Theodor von Sickels und Julius von Fickers, in : Österreichische Historiker 1900–1945 [1] (wie Anm. 8) 73–95.

Wopfner großzügig das wissenschaftliche Arbeiten14. Ein eifriger Benutzer des Archivs war der im Frühjahr 1900 als Professor für österreichische Geschichte nach Innsbruck berufene Hans (von) Voltelini15. Wopfner verdankte ihm wertvolle Ratschläge für das juristische Studium, das er in Angriff genommen hatte. Die Wirtschaftsgeschichte hatte ihn zur Rechtsgeschichte geführt. Er schloss dieses Fach 1909 mit seiner Promotion zum Doktor der Rechte in Tübingen beim Rechtshistoriker Siegfried Rietschel ab. Rietschel fungierte dabei als einziger Gutachter16. Wopfner hatte dafür seine Monographie über die Erbleihe, die Rietschel zuvor in der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsge-schichte wohlwollend besprochen hatte, als Doktorarbeit eingereicht17.

Mit dieser Arbeit zur Erbleihe sowie einer ergänzenden Untersuchung über das Frei-stiftrecht hatte sich Wopfner bereits 1904 an der Universität Innsbruck für das Fach Wirt-schaftsgeschichte habilitiert und lehrte dort als Privatdozent. Mit Schreiben vom 29. Mai 1903 hatte er zuvor um die venia docendi für österreichische Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Wirtschaftsgeschichte angesucht und angekündigt, fortan die histori-sche Entwicklung des deutsch-österreichihistori-schen Wirtschaftslebens, die österreichihistori-sche und deutsche Wirtschaftsgeschichte allgemein sowie die Agrargeschichte zu behandeln. Der die Habilitation abschließende Probevortrag hatte am 15. Dezember 1903 stattgefunden.

Die Verleihung der Venia war durch das Ministerium für Kultus und Unterreicht mit Schreiben vom 20. Januar 1904 bestätigt worden18. 1906 wurde Wopfner die Erweiterung seiner Venia auf das „Gebiet der österreichischen Geschichte“ zuteil19.

14 Zu Mayr siehe Hermann J.W. Kuprian, Bundeskanzler Michael Mayr und Tirol. Historiker – Archivar – Po-litiker, in : Tiroler Heimat 51/52 (1987/88) 109–127.

15 Zum Lehrstuhl für österreichische Geschichte vgl. Brigitte Mazohl-Wallnig, Quousque tandem … ? Das Fach Österreichische Geschichte – eine Herausforderung der männlichen Tradition, in : Geschichte und Re-gion/Storia e regione 4 (1995) 223–243. Zu Voltelini vgl. Hans Kramer, Erinnerungen an den Rechtshis-toriker Hans von Voltelini, in : FS Hans Lentze. Zum 60. Geburtstage dargebracht von Fachgenossen und Freunden (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 4, Innsbruck-München 1969) 358–368.

16 UAT 189/411. Die mündliche Prüfung fand am 31.07.1909 statt, das Doktordiplom wurde am 06.08.1909 ausgefertigt. Rietschels Gutachten datiert vom 05.07.1909. Wir danken Nina Fehrlen-Weiss vom UAT für diese Auskunft.

17 Siegfried Rietschel, Besprechung von Hermann Wopfner, Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter (Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte 67, Bres-lau 1903), in : VSWG 2 (1904) 327–328.

18 Hermann Wopfner, Das Tiroler Freistiftrecht. Ein Beitrag zur Geschichte des bäuerlichen Besitzrechtes (Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 2 und 3, Innsbruck 1905 und 1906) 245–299 und 1–60. Vgl. UAI, Akten der Philosophischen Fakultät, Reihe „Habilitationsakten 1849–1945“, Habilitationsakt Hermann Wopfner.

19 UAI, Akten der Phil. Fak., Reihe Habilitationsakten 1849–1945, Habilitationsakt H. Wopfner : Gesuch Wopf-ners um Erweiterung seiner venia legendi, 14.10.1905. Die Verleihung der Venia wurde durch das Ministe-rium für Kultus und Unterreicht mit Schreiben vom 03.02.1906 bestätigt. Unter anderem hatte Wopfner

Nach dem Wechsel Voltelinis an die Wiener Universität wurde Wopfner mit 20. De-zember 1908 zum außerordentlichen Professor für Österreichische Geschichte ernannt.

Die Ernennung war verbunden mit der Erwartung, auch weiterhin Vorlesungen in Wirt-schaftsgeschichte zu halten. Von Wopfner wurde diese Ernennung als „eine der größten Freuden [s]eines Lebens“ empfunden. 1914 folgte die Berufung zum ordentlichen Uni-versitätsprofessor für Österreichische Geschichte und Wirtschaftsgeschichte20.

1904 war Wopfner dem Akademischen Alpinen Verein beigetreten, der neben Alpi-nismus auch Heimatkunde betrieb21. Seine Begeisterung für die Natur und das Bergwan-dern war bereits von seinem Vater geweckt worden. Ab seinem 14. Lebensjahr führte er selbstständig Wanderungen mit Kameraden durch. Dabei entstanden Lebensfreundschaf-ten wie die mit dem Geologen Otto Ampferer, den Historikern Karl Dörrer und Franz Huter22, dem Philosophen Richard Strohal23 oder dem Mediziner Wilhelm Berger24. Bei solchen Wanderungen holte sich Wopfner Anregungen zu „Vergleichen von Siedlung und Volksart“25.

Der Erste Weltkrieg unterbrach Wopfners universitäres Schaffen. Obwohl dienstun-tauglich, meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst. Zunächst zu Kanzleiarbeiten heran-gezogen, setzte er seinen Einsatz im Felddienst bei der Bahnsicherung im Pustertal durch.

seine Schrift : Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten (Forschungen zur inneren Geschichte Österreichs 3, Innsbruck 1906) als Habilitationsschrift eingereicht.

20 Gerhard OBerkofler, Die geschichtlichen Fächer an der Philosophischen Fakultät der Universität Inns-bruck, 1850–1945 (Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte VI. = Veröffentlichungen der Uni-versität Innsbruck 39, Innsbruck 1969) 117–122 sowie 128 und 135–136.

21 Zum 1900 gegründeten Verein vgl. Berg und Tal. Akademischer Alpiner Verein Innsbruck, 1900–2000. FS zum hundertjährigen Bestehen, hg. v. Walter Klier, (Innsbruck 2000).

22 Gerhard OBerkofler, Franz Huter (1899−1997). Soldat und Historiker Tirols (Innsbruck 1999), sowie Michael Wedekind, Franz Huter (1899–1997), „Verfügen sie über mich, wann immer sie im Kampfe um die Heimat im Gedränge sind“, in : Österreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren 2, hg. v.

Karel Hruza (Wien 2012) 591–614.

23 Hans Asperger, Vollendung des Lebens. Herrn Professor Richard Strohal, dem weisen Menschenkenner und Pädagogen, zu seinem siebzigsten Geburtstag in Verehrung gewidmet, in : Erkenntnis und Wirklichkeit. Ein symposion genethliakon mit Richard Strohal, hg. v. Ivo Kohler, Hans Windischer (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft 5, Innsbruck 1958) 191–195.

24 Berger, offenbar jüdischer Herkunft, emigrierte 1940 mit seiner Frau in die USA. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges strebte er aus der amerikanischen Emigration heraus ein Rückstellungsverfahren an, das sich bis Anfang 1948 hinzog. Schlussendlich erhielt er die entzogenen Liegenschaften und mobilen Fahrnisse rücker-stattet. Seine weitere Lebensgeschichte ist unbekannt. Den Hinweis auf das vermutliche Todesjahr verdanken wir dem Leiter des UAG, Alois Kernbauer. Vgl. auch Katharina Bergmann-Pfleger, Geschichte der Uni-versitätsbibliothek Graz 1938–45 (Dissertation Wien 2010) 281–282.

25 Wopfner, Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 180. Mitunter hatten diese Wanderungen auch existenziellen Cha-rakter wie die ausführliche Schilderung eines Lawinenabganges, in den Wopfner und seine Kameraden 1913 geraten waren, belegt.

Dort erlebte er 1915 den Kriegseintritt Italiens. Im Herbst 1916 wurde Wopfner zum Alpinen Referat des 11. Armeekommandos in Trient versetzt, zu dessen Leiter er nach einigen Monaten aufstieg. Der Kriegsdienst war ihm aber auch Inspiration zu ethnogra-phischen wie volkskundlichen Studien26.

Wopfners Forschungen zur Agrargeschichte vor Beginn des Ersten Weltkrieges gipfel-ten in Beauftragungen zur Abfassung von Lexikonartikeln. Für das „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“ lieferte er den Beitrag „Agrargeschichte des Mittelalters“27. Georg von Below beauftragte Wopfner mit der Darstellung der deutschen Agrargeschichte für ein geplantes Sammelwerk, das allerdings kriegsbedingt nicht erschien. Für den Lehr-gebrauch stellte er den Band „Urkunden zur Agrargeschichte“ zusammen, der ebenfalls kriegsbedingt erst 1928 erschien28.

3. w issensch a ftliche sch w er punk te nach 1918

Der Ausgang des Ersten Weltkrieges und der Zerfall des Habsburgerreiches hinterließen bei Wopfner tiefe Spuren. Der „Untergang des großen alten Österreich“ war für ihn das Werk „täppischer Hände“, die die „Ordnung Mitteleuropas“ zerbrochen hatten. Auch Wopfner fand sich zunächst in das „neue, kleine Österreich“ nicht hinein und war ein Anhänger des Anschlussgedankens an Deutschland. Grund dafür war nicht nur die Hoff-nung auf eine „Besserung der Lage aus der Vereinigung mit Deutschland“, sondern auch der Wunsch nach einer Stärkung des föderalistischen Gedankens. Diesen sah er eher in Deutschland verwirklicht, wo durch den Kriegsausgang die Vorherrschaft Preußens ge-schwächt war, als im zentralistisch angelegten Bundesstaat Deutsch-Österreich in der Verfassung von 1920. Mit dieser Prognose lag er letztlich falsch. Der deutsche Zentra-lismus war für Wopfner neben der demokratie- und freiheitsfeindlichen Gesinnung auch ein Grund, den „Anschluss“ Österreichs an Deutschland im Jahr 1938 abzulehnen, wie er rückblickend anmerkte29. Wopfner nahm zur Verfassungsfrage in Österreich in ver-schiedenen Vorträgen und Zeitungsartikeln Stellung und hatte dabei auf die Schweizer Verfassung und deren Zustandekommen 1848 verwiesen. Seiner Ansicht nach war die

26 Hermann Wopfner, Der Rückgang der bäuerlichen Siedlungen in den Alpenländern. Sonderdruck aus Neue Tiroler Stimmen (Innsbruck 1917). Wopfner hatte an kroatischen Soldaten „volkskundliche Studien“ betrie-ben und diese etwa ihre Volkslieder singen lassen. Vgl. Ders., Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 185.

27 Handwörterbuch der Staatswissenschaften, hg. v. Johannes Conrad (Jena 31909) 188–196.

28 Hermann Wopfner, Urkunden zur Agrargeschichte (Ausgewählte Urkunden zur deutschen Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte 1–3, Stuttgart 1925–28).

29 Vgl. Wopfner, Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 186 und 193–195.

Schaffung einer österreichischen Verfassung nicht die Aufgabe des Nationalrates, als viel-mehr einer Versammlung von Länderdelegierten30.

Die im Zuge der Friedensverhandlungen von Saint-Germain-en-Laye beschlossene Tei-lung Tirols sah er als Verpflichtung, an der „Rettung Südtirols“ mitzuwirken. Er befand sich dabei in einem Verbund aus Geographen, Historikern, Romanisten und Germanisten der Universität Innsbruck, die den wissenschaftlichen Nachweis „vom alten deutschen Charakter Südtirols“ zu erbringen und deren behauptete „Italienität“ zu widerlegen ver-suchten31. Institutionalisiert erscheinen diese Bemühungen als Denkschrift des Akademi-schen Senats der Universität Innsbruck32.

In seinen Vorlesungen bezog Wopfner nach 1919 verstärkt die geschichtliche Volks-kunde ein. Im Bauerntum sah er den Erhaltungsträger des Alten. Das „bäuerliche Volk der Gegenwart“ war ihm wichtige Quelle für die Erkenntnis älterer Wirtschafts- und Kul turzustände. In zwei Beiträgen, die in den 1930er Jahren erschienen sind, arbeitete er seine Überlegungen auch programmatisch aus33. Unter „Volk“ verstand Wopfner die autochthone Bevölkerung eines Tales oder einer Landschaft, vornehmlich die „bäuerliche Bevölkerung“. Für Mittelschullehrer hatte er bereits 1910 eine Vorlesung über Hausbau, Siedlung und Flurverfassung „im gesamten deutschen Volksgebiet“ gehalten. In seinen universitären Vorlesungen wandte er sich vermehrt der Siedlungskunde zu.

Zunehmend begann sich Wopfner, im Stil von Wilhelm Heinrich Riehl, Tirol allein zu er-wandern34. In seiner „Selbstdarstellung“ bezeichnete er diese Wanderungen als die „schöns-ten Erinnerungen [s]eines Lebens“. Dabei konzentrierte er sich vor allem auf die materiellen Artefakte und bedauerte, dass davon vieles, im Gegensatz zu Sitten und Bräuchen, nicht überliefert worden sei. Er sah „noch viel Mittelalter in Tirol lebendig“. Durch diese Begeg-nungen entstand in ihm der „Stolz auf die Zugehörigkeit zu einem so wackeren Volke“35.

30 Ebd. 194.

31 Gerhard OBerkofler, Der Kampf der Universität Innsbruck um die Einheit des Landes Tirol (1918–1920), in : Tiroler Heimatblätter 55 (1980) 78–89 ; künftig auch Ingo Schneider, Kultur als Argument und My-thos. Über die Verantwortung von Wissenschaft und Politik für die Etablierung von Differenz in Südtirol, in : Storia regionale del Trentino Alto Adige nel XX secolo. Volume IV : Cultura (fine Ottocento – fine Nove-cento), hg. v. Quinto Antonelli, Josef Berghold, Giorgio Mezzalira, Cesare Poppi (Trento 2017).

32 Die Einheit Deutschtirols. Denkschrift des akademischen Senats der Universität Innsbruck (Innsbruck o. J.

[1918]).

33 Hermann Wopfner, Die Bedeutung der Volkskunde für die Wirtschaftsgeschichte, in : Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum in Innsbruck 12 (Voltelini-FS), Innsbruck 1932, 1–26 sowie Ders., Die For-schung nach der Ursache des Bauernkrieges und ihre Förderung durch die geschichtliche Volkskunde, in : HZ

33 Hermann Wopfner, Die Bedeutung der Volkskunde für die Wirtschaftsgeschichte, in : Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum in Innsbruck 12 (Voltelini-FS), Innsbruck 1932, 1–26 sowie Ders., Die For-schung nach der Ursache des Bauernkrieges und ihre Förderung durch die geschichtliche Volkskunde, in : HZ

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