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Eine indische Königstragödie.

Von Hermann Goetz.

Daß Indien noch heute mit dem Zauberglanze des uralten

Wunderlandes umgeben ist, nachdem schon vieles von dem

Reiz fremdartiger Exotik geschwunden ist und wir längst ge¬

lernt haben, sein Leben unter demselben Gesichtswinkel zu

werten wie das unsere, ist zu einem nicht geringen Teile be¬

dingt durch den Mangel fast aller geschichtlicher Überlieferung

aus alter Zeit. Wohl ragen Denkmäler der bildenden Kunst

wie der Literatur und des Glaubens in dunkelste Vergangen¬

heit zurück, wohl erscheinen große Religionsstifter und Heilige

schon in uralter Zeit und ihr Wirken und Charakter ist uns

trotz mancher mythischer Umspinnung wohl erfaßbar; wir

können die religiösen Kämpfe wie die alltäglichen Leiden und

Freuden der Menschen am Ganges beobachten. Und doch

erscheint alles von einem gewissen Schimmer der Unwirklich¬

keit umstrahlt. Wir kennen eben nur die gehobene Seite

ihres Lebens, von seiner rauhen, den harten Wirtschaftsnöten,

den erbitterten sozialen Kämpfen, der Politik wissen wir fast

nichts. So konnte jenes schöne Märchen der Romantiker von

den stillen, ätherischen Menschen am Ganges und seinen Lotus¬

blumen entstehen. Aber die neuere Forschung hat gezeigt,

daß das nur das Werk einer Reihe Völkerwanderungswellen

war, viel länger dauernd und viel zerstörender, als bei uns

im Westen zur Zeit, da Goten und Vandalen das Römerreich

überrannten, und das an geschichtlichen Überlieferungen nur

erhalten geblieben ist, was sich in die frommen Chroniken

oder die schöngeistigen Bücherschätze der Klöster und Tempel

gerettet. Erst dann hat gegen das Jahr 1000 eine neue

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208 H. Goetz, Eine indische Königstragödie.

Geschichtsschreibung- eingesetzt, mit allen Mängeln, aber auch

den Vorzügen unserer mittelalterlichen Chroniken. Und sie

ist es, die uns — freilich nur für ihre Zeit — das reich¬

bewegte politische und soziale Leben mit all seiner wilden

Dramatik einer mittelalterlichen Welt auch in Indien enthüllt,

noch kurz bevor die fanatischen Scharen des Isläm es unter

Blut und rauchenden Ruinen erstickten. Und hier ist es auch

das einzige Mal im Laufe der ganzen rein-indischen Geschichte,

daß wir die Erscheinung weltlicher Persönlichkeiten, Herrscher

und Leute ihrer Umgebung, erfassen und in all ihrer Bedingt¬

heit verstehen lernen können. Besonders die Chronik von

Kaschmir, die nicht wie die meisten zum Lobe oder im Auf¬

trage eines Fürsten verfaßt worden ist, gibt ein äußerst pla¬

stisches Bild des Lebens in diesem paradiesischen Gebiete des

Himälaya während der Zeit ihres Verfassers, Kalhana, im

12. Jahrhundert. Er war der Sohn des Ministers eines wenige

Jahrzehnte vorher gestürzten Königs und benutzte die Muße,

die ihm sein vom Hofe zurückgezogenes Leben auf seinen

Gütern ließ, seiner Familie Erlebnisse, wie die Ereignisse

früherer Zeit darzustellen, mit literarischen Prätensionen, aber

ohne irgendeiner Partei schmeicheln zu wollen. Hier enthüllt

sich uns ein Leben, wie wir es in seiner ganzen Buntheit und

Fülle sonst nirgendwo im alten Indien kennen. Das wilde,

leidenschaftliche Leben einer Zeit, wo ein dekadentes, innerlich

faules Königtum von dem aufstrebenden Landadel mehr und

mehr in seiner Macht beschränkt wird. Die Welt des Hofes

wie das Rom der späteren Kaiserzeit, mit all ihren Orgien

und Intriguen, den schwelgerischen Königen, ehrgeizigen Prä-

torianergeneralen und habgierigen Priestern — und außerhalb

viel Falschheit und Byzantinismus, aber auch edle Vasallen¬

treue, Frauenliebe und die Zahl ernstdenkender Menschen, die

von diesem Leben angewidert sich in die Einsamkeit zurück¬

gezogen haben um sich nur noch dem Ewigen zu widmen.

Und aus dem Wirbel all der Gestalten hebt sich eine,

die glänzendste und blutigste, die liebenswürdigste und schreck¬

lichste, ein junger König, von seinen Zeitgenossen bewundert,

aber selbst ihnen problematisch. Das ist Harsha, vielleicht

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H. Goetz, Eine indische Königstragödie 209

die interessanteste Persönlichkeit auf indischen Fürstenthronen,

jedenfalls die einzige alter Zeit, deren, ach so tragische, Cha¬

rakterentwicklung und Schicksale wir Schritt um Schritt be¬

obachten können. Man hat ihn den Nero Indiens genannt,

und vielleicht mit gewissem Eecht, wie man Kalhana in vielem

wohl mit Tacitus vergleichen könnte; aber die Gerechtigkeit

verlangt es, daß man vieles, was man ihm an Sünden zu¬

schreibt, dem verzweifelten Kampfe dieses letzten absoluten

Herrschers von Kaschmir gegen die mehr und mehr anschwellende

Macht eines unbotmäßigen Landadels anrechnet. Es bleibt

trotz allem dies Leben eine grandiose Tragödie, wie es aus

Not und Lebensgefahr aufsteigt zum Glänze eines Fürsten¬

hofes, der der glänzendste ganz Indiens werden sollte, um, ein

Opfer seiner Geschöpfe, in Cäsarenwahnsinn und geistiger

Umnachtung zu enden, bis die Erkenntnis zu spät ist, und

Harsha verlassen und verraten in der Hütte einer Dirne

unter den Schwertern der Häscher gemordet wird.

Schon die Erlebnisse der Jugendjahre mußten diesen

Fürsten zu einem merkwürdigen Menschen machen. Sein Vater

Kalaka war ein wilder Wüstling, der jung auf den Thron

gelangt, seinem Vater, der zu seinen Gunsten abgedankt hatte,

nach dem Leben trachtete. Kalasa's Eltern verließen darum

mit ihrem Gefolge die Hauptstadt, und seitdem herrschte ein

geheimer Krieg zwischen ihnen und ihrem Sohne. Wie anders

waren sie doch ! Der alte König Ananta weich und gutmütig,

seinem ungeratenen Sohne wieder und wieder verzeihend, die

Mutter Suryämati zur Nachgiebigkeit drängend, vielleicht aus

einem nicht ganz reinen Gewissen. Wenigstens behaupteten

böse Zungen, daß ihr Sohn die Frucht eines geheimen Fehl¬

tritts gewesen sei. Und Kalaia verfolgt seine Eltern weiter,

läßt ihnen ihren Palast über dem Kopfe anzünden, verhöhnt

sie in Gesellschaft von Buhlerinnen und Schmeichlern. Jung-

Harscha muß all das mit ansehen, er flieht, verfolgt von den

Eeitern seines Vaters, zu seinen Großeltern, und flüchtet

sich mit ihnen in den heiligen Bezirk des Tempels von Vijaye-

svara. Und muß es miterleben, wie der Großvater, zum

Äußersten getrieben, in Verzweiflung über die üblen Folgen

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210 H. Goetz, Eine indische Königstragödie

seiner Milde Selbstmord begebt; wie die Großmutter den

Scheiterhaufen ihres Gatten besteigt, den Vater verfluchend,

wie die alten treuen Diener sich aus dem weltlichen Leben

zurückziehen, um als Asketen an einem Wallfahrtsorte Buße

zu tun.

Harsha kehrt nun wieder zu seinem Vater zurück. Aber

er ist nicht der Charakter, die Konsequenzen aus seinen bis¬

herigen Erfahrungen zu ziehen. Ein weicher Träumer, weicht

er der rauhen Wirklichkeit aus; ein Phantast und Dichter,

hat er die Schwäche seines Großvaters, die Sinnlichkeit und

Prachtliebe seines Vaters geerbt. Edler als sein roher Vater,

spinnt er sich in ein Leben von Luxus, Kunst und Dichtung

ein. Er gilt als ein guter Poet, ein glänzender Sänger und

Schauspieler. Er umgibt sich mit einer Schar von Künstlern

und Dichtern, Musikern und Tänzerinnen. Und geht in dieser

schöngeistigen Tätigkeit gänzlich auf. Aber sie kostet Geld,

viel Geld ! Seine recht knapp bemessene Apanage reicht nicht

aus, die Kosten seiner Freigebigkeit zu decken. Und um zu

verdienen, tritt er auf der Bühne als Tänzer auf, tanzt so

auch bei Hofe vor seinem Vater. Aber dieser hat nur wenig

Interesse dafür, und sucht sein Vergnügen lieber in fleisch¬

licheren Freuden. Als einst nun Kalasa während einer solchen

Vorstellung den Saal verließ, fühlte sich der Sohn aufs Tiefste

gekränkt, so daß es Intriganten leicht wurde, seine alte Ab¬

neigung gegen den König seinen Vater zum offenen Hasse zu

schüren und ihn in eine Verschwörung wider dessen Leben

zu ziehen. Doch wie Hamlet ist dieser Schöngeist und Dichter

nicht fähig zu handeln und läßt Gelegenheit um Gelegenheit

ungenützt verstreichen, bis die Sache endlich verraten wird.

Noch gibt ihm sein Vater die Möglichkeit, sich selber aus der

Affäre zu ziehen. Aber unentschlossen schwankt er zwischen

den Parteien, bis ihn seine Mitverschworenen zum Losschlagen

zwingen. Er muß sich jedoch mit ihnen in einen Palast

flüchten, wo alle nm ihn von den Gardetruppen niedergemetzelt

werden. Er selber wird ins Gefängnis geworfen.

Kalasa, der trotz aller Gegensätze seinen Sohn liebt, will

ihm die Haft zwar nicht zu sehr fühlen lassen. Aber der

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H. Goetz, Eine indbche Königstragödie 211

alte Lüstling, der er ist, schwach gegen alles Weibliche, hat

er sich inzwischen in seine Schwiegertochter Sugalä verliebt.

Und diese, von Harsha nicht gerade mit viel Liebe nnd Treue

behandelt, wirft sich dem alten Lebemann von König in die

Arme und wird seine Mätresse, freilich nicht ohne sich auch

den Minister Nonaka als Liebhaber zu halten. Denn der

König, von seinen Ausschweifungen ausgezehrt, ist dieser Frau

nur ein Spielball, die Geldquelle, um die Pracht und den Luxus

ihrer Lebenshaltung zu bestreiten, die Atrappe, sich mit dem

Glänze des Königstitels zu umgeben. Aber als Kalasa's Kräfte

abnahmen und sein Siechtum schlimmer und schlimmer wurde,

mußte Sugalä wohl fürchten, daß Harsha's Rache sie doch

noch ereilen könnte. Sie bietet alle ihre Künste auf, um den

greisen König gefügig zu machen. Gift wird in Harsha's

Speisen gemischt, und die Krone selbst einem jüngeren Bruder,

Utkarsha, übertragen. Als endlich Kalasa tot ist, überträgt

Sugalä ihre Gunst auf den neuen König, und ihr Liebhaber

Nonaka ist nun allmächtig in der Verwaltung. Harsha's Not

wird schlimmer und schlimmer. Seine Haft ist verschärft

worden, aus Furcht vor Gift wagt er kaum noch zu essen

und magert mehr und mehr ab, ein bedingungsweises Todes¬

urteil des Königs läßt ihn durch Monate zwischen Tod und

Leben schweben.

Aber Utkarsha ist nicht beliebt. Seine Habsucht und

Tyrannei reizen den Adel, treiben das Volk zur Verzweiflung.

Sein und Harsha's anderer Bruder Vijayamalla überwirft

sich mit ihm und revoltiert, die Bürgerschaft schließt sich

ihm an. Utkarsha, eben noch voll Übermut, wagt nun feige

nicht zu handeln, bis es zu spät ist, glaubt durch Freilassung

Harsha's die Wogen des Aufruhrs besänftigen zu können,

aber nur um damit den Thron zu verlieren und in Verzweif¬

lung sich von seinen eigenen Leuten niederstechen zu lassen.

Seine Anhänger, besonders Nonaka, enden auf dem Pfahl.

Nun ist Harsha König. Gestern noch im Kerker, in

steter Todesangst, sitzt er nun auf dem Thron der Könige von

Kaschmir. Wie ein Rausch überkommt es ihn. Er will der

beste und größte Herrscher seines Hauses sein. Seine Ver-

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212 H. GrOBTZ, Eine indische Königstragödie

waltung soll die beste sein, sein Hof der glänzendste, sein

Volk das glücklichste. Aber er ist und bleibt Phantast. Ihm

fehlt die Selbstdisziplin und Menschenkenntnis des wahren

Herrschers. Fest folgt auf Fest, er belohnt Dichter und Sänger

mit märchenhaften Geschenken, prachtvolle Bauten werden

errichtet, der Harem durch elegante Frauen vermehrt; sein

Hof wird der herrlichste ganz Indiens, seine Eleganz macht

ihn zum Paris der damaligen Welt am Ganges. Von allen

Seiten strömt dorthin, wer durch Mut, Wissen oder Schönheit

sich auszeichnet. Alle suchen sie dort Ehre, Ruhm und Reich¬

tum zu erlangen. Alle schmeicheln sie um Harsha's Gunst

Und er verschwendet die von seinen Vorfahren aufgehäuften

Schätze an all diese seine Günstlinge. Doch er wählt sie

schlecht. Wer seine sicher vorhandenen Fähigkeiten pries,

fand seine offene Hand, wer selbst in guter Absicht ihm wider¬

sprach, regte an das Mißtrauen, das die Not seiner Jugend¬

jahre in ihm erzeugt. Und er brauchte ja so nötig das Lob,

um die Kraft zur Führung der Regierung zu finden. So

schoben sich immer mehr zweifelhafte Elemente in seine nächste

Umgebung. Kluge, geistreiche Männer, aber skrupellos und

unmoralisch, feige und habgierig. Herrlich schöne Frauen,

aber von dirnenhaftem Wesen. Sie alle umgarnen Harsha

und beginnen einen systematischen Feldzug gegen alle noch

Anständigdenkenden. Zuerst fällt Vijayamalla. Zwischen ihm

und den König wird Mißtrauen gesät, bis der Bruder und

nun schon mehrjährige Minister zur Verschwörung getrieben

wird. Treulos verraten die Mitverschworenen nun den Prinzen,

Vijayamalla muß fliehen, andere werden gemordet. Neue

Intriguen folgen, neue Morde. Die alten Generale werden

beseitigt, ermordet oder verbannt, ihre Posten gehen in die

Hände der Schmeichler über. Die hohen Staatsbeamten seines

Vaters werden gestürzt, einer nach dem anderen, und die

Intriguen der Höflinge tauchen die Hauptstadt in Ströme

meuchlings vergossenen Blutes.

Inzwischen verfliegt bei Harsha der Glaube an das Gute,

und damit sein guter Wille. Er ist mißtrauisch geworden;

seine besten Freunde hat er ja so und so oft beim Verrat

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H. Goetz, Eine indische Königstragödie 218

ertappt, wie viele hat er töten müssen, um sich zu retten;

seiue Frauen haben ihn betrogen, wie viele hat er hinrichten

lassen, weil er sie in fremden Betten fand. Doch er findet

sich nicht heraus aus dieser Wirrnis, weiß nicht mehr, wer

Feind, wer Freund, und vertraut keinem. Nur sein Schwert,

der Terror, bleibt als sichere Stütze seiner Herrschaft. So

treibt er den Glanz seiner Despotie noch höher, um sich selbst,

den Haltlosen, au der eigenen Größe hochzupeitschen. So saugt

er die Schmeicheleien seine Höflinge voll Gier in sich, steigert

sich in frevelhaftem Übermute zum Gotte. Und seine Phan¬

tasie läßt ihn schließlich selber daran glauben. Seine Schranzen

aber treiben das Spiel bewußt weiter. Sie bringen ihm Zauber¬

mittel, ihm ewiges Leben zu gewährleisten. Sie bringen ihm

Freudenmädchen, die sich ihm als Göttinnen ausgeben, die

seine Liebesgunst suchen. Er verliebt sich in die Königin

von Karnäta, und sie errichten ihrem Bilde einen Palast, und

bedienen das Gemälde wie eine lebende Prinzessin. Nun ver¬

liert Harsha auch den letzten Halt unter den Füßen, den

letzten Rest von Wirklichkeitssinn. Gott! Es gibt keine

Schranken für ihn mehr, kein Gesetz. Er genießt in sündiger

Lust die buhlende Gunst seiner eigenen Schwestern und Tanten.

Er drückt das Volk, bis unter der Last der Steuern die

Hungersnot zu wüten beginnt. Er braucht Geld, und läßt

darum die Götterbilder im Allerheiligsten der Tempel durch

schmutzige Strolche entweihen und dann die goldenen Schätze

der Tempel in seine Kammern schleppen. Und noch nicht

genug ! Die Welt soll sein Reich sein, nnd er führt sein Heer

vor die Festen der Darden und Khasis.

Aber hier beginnt sein Größenwahnsinn sich zu brechen.

Geschlagen, kommt er nur mit kleinen Resten seiner Armee

zurück. Und nun beginnt es überall zu gären. Der Adel

fürchtet um sein Leben, die Priester zürnen ob zertrümmerter

Tempel und gemordeter Gläubigen, das Landvolk ist in Ver¬

zweiflung zum Äußersten gebracht. Überall droht das Unheil.

In der Provinz Kramaräjya erheben sich die Bauern, aber

er schickt ein Heer gegen sie. Und vor dieser Übermacht

fällt das Volk wie Ähren unter der Sense; der König, blut-

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214 H. GoBTz, Eine indische Königstragödie

berauscht, läßt Preise auf die abgeschlagenen Köpfe der Bauern

aussetzen, reitet durch Siegestore aus Menschenschädeln, durch

Siegesalleen gepfählter Leiber. Allgemein ist das Entsetzen.

Als das Gemetzel auf andere Provinzen ausgedehnt werden

soll, steht das ganze Land auf; Edle, am Hofe ihres Lebens

nicht mehr sicher, stellen sich an die Spitze der Revolutionäre,

die Nachbarfürsten stärken die Aufständigen mit Geld, "Waffen

und Hilfstruppen.

Zwei Prinzen sind die Führer der Bewegung. Uccala,

der bei der verlorenen Schlacht im Dardenlande durch seine

Tapferkeit die Mißgunst der Höflinge erregt hatte, und sein

Bruder Sussala, der allerdings nur wegen einer Ehebruchs¬

affäre hatte fliehen müssen. Sie greifen nun von verschiedenen

Seiten Harsha an und schließen ihn trotz anfänglicher Mi߬

erfolge in seiner Hauptstadt Srinagar ein. Inzwischen hat

sein bester General eine entscheidende Schlacht verloren ; ge¬

fangen, stirbt er unter der Rächerhand der Bauern eines

elenden Todes, er, der sie einst zu Tausenden an Schwert und

Pfahl geliefert. Und die übrigen Günstlinge versagen alle;

unfähig und zu feige sind sie zu kämpfen. Sie fliehen, laufen

über, oder halten sich neutral. Regiment um Regiment deser¬

tiert. Der Kronprinz Bhoja flieht, um noch ins Ausland

zu gelangen. Noch hat er einen großen Angriff Sussala's auf

das Schloß abgeschlagen. Aber er sieht wohl, daß das Spiel

doch verloren ist. Und auf der Gegenfront kämpft Harsha

hoch zu Roß, schweißbedeckt und abgerissen, inmitten einer

kleinen Schar Getreuer auf der Brücke, die über den Fluß

ins Schloß führt, gegen die Sturmkolonnen Uccala's. Er ist

bitter enttäuscht; all seine Gottschaftsträume sind verweht,

seit die Schar der Schmeichler von ihm gewichen. Nun über¬

sieht er wieder den Wahnsinn seiner Taten, aber auch das

unentrinnbare Verhängnis. Mit verzweifeltem Mute kämpft

er, bis der Abend sinkt. Als plötzlich leuchtende Lohe den

Himmel füllt. Hoch schlagen die Flammen aus dem Hofe

seines Schlosses, Priestergesänge, Muscheltrompeten und Klagen

ertönen dorther. Nun weiß er, daß alles zu Ende ! Was dort

in der Lohe hrennt, sind seine Lieblingsfrauen, Prinzessinnen

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H. Goetz, Eine indische Königstragödie 215

aus dem Kaiserhause der Hindu-Öähis, die sich auf die bereiten

Scheiterhaufen geworfen, um der Schande zu entgehen, als die

Truppen Sussala's den Palast stürmten. Eine kleine Eskorte

Reiter um sich, schlägt sich Harsha durch die kampftobenden

Straßen durch, hinaus ins Freie.

Hinter ihm stürmen die bewaffneten Bauern in den Palast,

das Schwert in der Hand. Nichts lassen sie leben, alles

metzeln sie nieder ; sie schänden die Damen des Hofes, morden

die Priester und Diener, reißen die Schätze auseinander. Bar¬

barisch, verständnislos! Man erzählt, sie hätten die Perlen

zu Mehl vermählen, im Glauben, es sei Reis. Bald schlagen

die Flammen aus den Dachfirsten, und als diese ihr Werk

vollendet, teilen sich auf den rauchenden Trümmern Uccala

und Sussala in das Reich und lassen sich inmitten ihrer Horden

krönen.

Inzwischen flieht Harsha, todmüde und erschöpft, durch

die Nacht. Einer nach dem andern sind seine letzten Begleiter

verschwunden. Nur zwei Diener folgen ihm noch. Er kann

nicht mehr. Als vor ihnen die Mauer eines Gartens auftaucht,

klettern sie hinüber. Dort ist ein kleiner Tempel und daneben

eine Hütte, die sie erbrechen. Sie ist verlassen; erst am

andern Tage kommen deren Bewohner, ein Bettelmöneh und

eine Hure, die sie durch mehrere Tage verpflegen. Er leidet

furchtbar unter der Not, dem schlechten Leben und der ganzen

Hoffnungslosigkeit seiner Situation. Noch wartet er auf Nach¬

richt von seinem Sohn ; endlich kommt sie : Erschlagen ! Nun

verliert der gestürzte König allen Mut. Er kann sich nicht

mehr entschließen, weiter zu fliehen. Wird inzwischen von

der Dirne verraten. Am Morgen starrt der Garten von

Schwertern und Lanzen. Schnell verrammeln sie die Tür;

sie haben keine Waffen mehr außer ein paar kleinen Messern.

Da schickt er seine treuen Diener fort und kämpft allein

weiter. Keiner kommt über die Schwelle der zerspaltenen

Tür, es sei denn tot. Aber nun reißen die Soldaten das Dach

ein; über die Mauer springen Bewaffnete; er kämpft immer

verzweifelter, bis ihn ein Schwert dureh den Rücken trifft.

Seineu Kopf trägt man auf einem Spieß naeh Srinagar zurück.

2 J *

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216 H. Goetz, Eine indische Königstragödie

Ein Fürstenscliicksal, einzig an Dramatik und Tragik in

den Annalen indisclier Geschichte! Aber sonst nur allzu¬

menschlich, allzufürstlich! Das Los eines begabten, hoch¬

talentierten Menschen, nur nicht zum Herrschen geboren. An

anderer Stelle stände er nun als berühmter Dichter, so aber,

in den Händen ehrgeiziger Politiker verdorben, steht er im

Gedächtnis der Menschheit als blutiger Tyrann. Hat er nicht

genug der Leidensgefährten? Sind es andere Züge, wenn auch

durch Zeit und Umstände variiert, die Hamlet, späterhin Nero

und endlich Macbeth zeigen ? Der Fluch der Macht für die zu

Schwachen. —

2 3 »

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Ein Hymnus auf Zervan im Bundahisn.

Von H. S. Nyberg,

Die wenigen uns zugänglichen Nachrichten über den

Zervanismus verdanken wir bekanntlich hauptsächlich nicht¬

iranischen Quellen; es sind die Griechen, Armenier, Syrer,

Araber, bei denen wir jetzt über diese Richtung Belehrung

suchen müssen. Offenbar hat mit der sasanidischen Restau¬

ration seitens der zur Macht gelangten mazdayasnischen Ortho¬

doxie eine Reaktion gegen den Zervanismus eingesetzt und ihn

vom Vordergrunde des religiösen Lebens verdrängt, so daß er

sich schließlich nur als sektiererische Anschauung behaupten

konnte. Ganz ist es freilich der mazdayasnischen Priester¬

scbaft nicht gelungen, den alten Glauben zu überwinden, dazu

war er zu fest eingewurzelt. Es ist bezeichnend, daß selbst

unter den spärlichen Resten des mazdayasnischen Schrifttums,

die auf uns gekommen sind, sich eine Schrift befindet, die

sicher zervanistischen Kreisen entstammt, nämlich MenoM xrat

,die transzendente Vernunft"), wo nicht selten eine ziemlich

rein zervanistische Grundanschauung zutage tritt. Weniger

bekannt dürfte sein, daß sogar eine so orthodoxe Schrift wie

der Bundahiän starke Spuren des Zervanismus aufzuzeigen hat.

In der indischen Rezension dieses Buches, die bis in die aller¬

letzte Zeit in Europa fast ausschließlich studiert worden ist,

wird man allerdings vergebens danach suchen, aber die ira¬

nische Rezension, die jetzt durch die von Anklesaria (Bombay

1908) photozinkographisch hergestellte Ausgabe der Hand¬

schrift TD allgemein zugänglich ist, gewährt in dieser wie in

1) So ist zu lesen und zu Ubersetzen, wie ich in meinem demnächst erscheinenden Pehlevi-Grlossar näher darlegen werde.

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