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BildungspolitikWas nach den Wahlen angepackt werden muss

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Academic year: 2022

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bildung und wissenschaft –

Zeitschrift der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg

12. Februar 2016 | 70. Jahrgang | 4 Euro Ausgabe 01-02 / 2016

Gesundheitsschutz

Von der Befragung zu Gemeinschaftsschule Viel geschafft und noch Cyber-Mobbing

Ein einziges peinliches

Bildungspolitik

Was nach den Wahlen angepackt werden muss

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JAHR BUCH

für Lehrund Lehrerinnener

Schul- und Dienstrecht

in Baden- Württemberg

2016

ISBN 978-3-944970-01-1 Michael Rux

STANDARDAUSGABE

BUCH JAHR

für Lehrerinnen und Lehrer Schul- und Dienstrechtin Baden- Württemberg

2016

Michael Rux

ISBN 978-3-944970-02-8 Sonderausgabe für Berufliche Schulen

AUV

Außer-

unterrichtliche Veranstaltungen der Schulen

Ein Reader der GEW mit den einschlägigen Vorschriften und vielen weiteren Informationen

Fünfte, völlig neu bearbeitete Ausgabe 2007 ISBN: 978-3-922366-64-5

Vorsorgemappe

55plus Ruhestand und Vorsorge

Informationen zur Planung der letzten Dienstjahre und für die Zeit des Ruhestands

Info für Lehrkräfte und Mitglieder im Ruhestand

7. Aufl age 2013 (Neubearbeitung) ISBN 978-3-922366-91-1

Wissen Service Info

Beruf

Steuererklärung Tipps für die Vorbereitung des beruflichen Teils der Steuererklärung als Lehrerin und Lehrer - Vom Kollegen für Kolleginnen und Kollegen -

Informationen für Lehrkräfte

Neuauflage 2014

auf CD-R

JAHR OM

BUCHfür Lehrerinnen und Lehrer Schul- und Dienstrecht in Baden- Württemberg

ISBN 978-3-944970-03-52016

Michael Rux

Standardausgabe Sonderausgabe für Berufliche Schulen

von Prof. Joachim Bauer und Ralf Schnabel

Lange Lehren in Beziehung

Prof. Dr. Johannes Rux Michael Rux

Eltern- Jahrbuch

2015/2016

Handbuch des Eltern- und Schulr

echts an öffentlichen Schulen in Baden-Württember g Eltern-J

ahrbuch 2015/2016

Mitgliederpreis Normalpreis Exemplare GEW-Jahrbuch 2016 Standardausgabe  13,00 Euro  25,00 Euro Exemplare GEW-Jahrbuch 2016 Berufl iche Schulen  13,00 Euro  25,00 Euro Exemplare GEW-Jahrbuch 2016 auf CD-ROM  13,00 Euro  25,00 Euro Exemplare GEW-Jahrbuch 2016 Doppelpack (Buch + CD)

Standardausgabe  26,00 Euro  40,00 Euro

Sonderausgabe Berufl iche Schulen  26,00 Euro  40,00 Euro Exemplare Außerunterrichtliche Veranstaltungen  6,00 Euro  9,50 Euro

Exemplare 55+ Die Vorsorgemappe  10,00 Euro  20,00 Euro

7. Aufl age 2013

Exemplare Steuererklärung, Neuaufl age Oktober 2014  6,00 Euro  10,00 Euro Lange lehren in Beziehung (DVD-Video)  19,90 Euro (Mitglieder und Nicht-Mitglieder) Eltern-Jahrbuch 2015/2016  12,50 Euro (Mitglieder und Nicht-Mitglieder) Versandkostenpauschale bei einem Warenwert

bis 20 Euro: 3 Euro, 21 bis 40 Euro: 5 Euro, 41 bis 100 Euro: 7 Euro, ab 101 Euro: versandkostenfrei

GEW-Mitgliedsnummer (s. Adressaufkleber b&w) Versand- und Rechnungsanschrift:

Schriftliche Bestellungen: Süddeutscher Pädagogischer Verlag Silcherstraße 7a

70176 Stuttgart Tel. 0711 2103070 Fax 0711 21030799 bestellservice@spv-s.de

Online-Shop: www.spv-s.de

Echte Hilfen für den Alltag

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Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserin, lieber Leser,

Wir haben die Wahl!

Sie haben die Wahl – am 13. März! Soll der nächste Ministerpräsident Kretschmann oder Wolf heißen? Wollen Sie Kultusminister Stoch oder einen (welchen?) Wechsel an der Spitze des Kultusministeriums? Welche Regierungs- konstellation wünschen Sie sich?

Wie die Wahl ausgeht, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass auch die nächste Landesregierung große Aufgaben zu bewältigen hat. Denn der beträchtliche Reformstau, den die grün-rote Landesregierung 2011 vorgefunden hat, ist am Ende dieser Wahlperiode nicht beseitigt.

Das konnte auch niemand erwarten. Für die Umsetzung grundlegender Veränderungen im Bildungsbereich braucht es nicht eine, sondern mindestens zwei Wahlperioden. Die Aufgaben waren riesig: Mehrere zehntausend Krippenplätze fehlten. Für rückläufige Schü- lerzahlen, das Wegbrechen der Haupt- und Werkrealschulen, für die Verpflichtung zur Umsetzung der Inklusion gab es kein Konzept.

Die Landesregierung hat die notwendigen Reformen angepackt. Es waren sehr viele.

Als Wählerinnen und Wähler müssen wir die Arbeit der Landesregierung und die Aussagen in den Wahlprogrammen der Parteien bewer- ten. Konkrete Aussagen zu Ressourcen für die frühkindliche Bildung und den Schulbereich, für die weitere Konsolidierung der Hochschul- finanzierung und die Stärkung der Weiterbil- dung werden Sie in allen Wahlprogrammen vergeblich suchen.

Auf die Agenda muss in der kommenden Wahlperiode die Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an Schulen, in Kitas, an Hochschulen und in der Weiterbil- dung, in der Schul- und Kultusverwaltung.

Zentrales bildungspolitisches Thema im Wahl- kampf ist der Streit um die Schulstruktur, um Schularten. Eine Diskussion, die andere Bun- desländer und erst recht das europäische Ausland längst hinter sich haben. Dass die

Dreigliedrigkeit definitiv keine Perspektive hat, stellt auch die CDU im Bildungskonzept der Landtagsfraktion ausdrücklich fest. Die öffentliche Diskussion spiegelt das nicht wider.

Sie ist leider bestimmt vom Blick auf das, was Jahrzehnte funktioniert hat. Verkannt wird auch, dass das Wegbrechen der Hauptschule ein Thema aller Schularten ist.

Von der Antwort auf diese Herausforderung hängt die Qualität und Leistungsfähigkeit unserer Schulen in allen Schularten ab. Dafür braucht es an allen Schulen bessere Arbeits- bedingungen. Verschlechterungen müssen zurückgenommen werden. Seit Jahren steigt die Arbeitsbelastung. Für Veränderungsprozes- se brauchen Lehrkräfte und Schulleitungen in allen Schulen zusätzliche Zeit. Eine Zukunfts- aufgabe für jede Landesregierung muss es auch sein, die Unterrichtsentwicklung so zu unterstützen, dass die Heterogenität an jeder Schule nicht mehr als Problem wahrgenom- men wird. Dazu liefert WissGem, die wissen- schaftliche Begleitstudie der Gemeinschafts- schule, sehr klare Hinweise – für alle Schulen.

Egal wie die nächste Regierungskonstellation aussieht: Die Reformen müssen fortgesetzt, konsolidiert und besser ausgestattet werden.

Dazu gibt es keine Alternative.

Gehen Sie zur Wahl am 13. März und stärken Sie die demokratischen Parteien! Verhindern Sie, dass die politische und gesellschaftliche Kultur unseres Bundeslandes durch die Wahl der AfD in den Landtag beschädigt wird. Ich will weder im Landtag noch in unserer Gesell- schaft eine Partei, die Diskriminierung, Intole- ranz, Rechtspopulismus und sogar Waffenge- walt gegen Menschen, die Zuflucht suchen, als Programm haben.

Mit freundlichem Gruß Ihre

Doro Moritz,

Landesvorsitzende GEW Baden-Württemberg

Foto: Michael Bolay

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4

S. 07

1. Mai: Für gerechte Löhne und soziale Sicherheit

bildung & wissenschaft 01-02 / 2016

S. 16 Titelthema

Bildungspolitik: Was nach den Wahlen angepackt werden soll

26

Was die GEW die nächsten Jahre erreichen will

30

Flüchtlinge: Potenzial von übermorgen

15

Tagung zur

Gemeinschaftsschule

Foto: imago

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Inhalt

In dieser Ausgabe

Titelthema

17 Bildungspolitische Bilanz der grün/

roten Landesregierung: Veränderungen brauchen Zeit und Unterstützung 21 Was nach den Wahlen angepackt

werden muss

24 Landesregierung hat viel Geld in Bildung gesteckt

Arbeitsplatz Schule / Kindertageseinrichtung

9 „Die Grundschule: kindgerecht und zukunftsfähig“

10 Mehr Informatik im Schulunterricht 10 Lehrereinstellung: Weniger Bewerber/

innen als im Vorjahr

11 Studie zu Gemeinschaftsschulen:

Viel geschafft und noch viel zu tun 13 Am wichtigsten ist Zeit

15 Gemeinschaftsschulen:

Unterschiedliche Wahlversprechen 30 Flüchtlinge: Potenzial von übermorgen 34 Flüchtlinge: „Wir haben viel zusammen

gelacht“

36 Cyber-Mobbing: Ein einziges peinliches Foto genügt

38 Von der Befragung zu konkreten Maßnahmen

44 484 Beförderungsstellen

Recht/Geld

8 Neues Beurteilungsrecht: Vorgaben ge- fährden die kollegiale Zusammenarbeit 8 Beamtenbund wehrt sich gegen den

eigenen Tarifvertrag

9 Mehr Geld für Gymnasien und Realschulen

42 Hilfestellung der GEW für die Schulen

Aus-, Fort- und Weiterbildung Hochschule

35 Weder Quote noch Note darf den Zugang zum Masterstudium beschränken

Aus der Arbeit der GEW

6 Ein Zeichen gegen Hass und Gewalt 7 Austausch mit SPD und Grüne 7 Austausch mit der Linkspartei 26 Leitanträge der LDV 2016: Was die

GEW die nächsten Jahre erreichen will 28 Weichenstellungen für die nächsten

vier Jahre

29 Neue Kandidat/innen bei der LDV 40 DGB Kongress: Zukunft der Arbeit 41 GEW im Gespräch mit Jusos 43 Personalräteschulung für

Heimsonderschulen

44 Türkei: Lehrkräfte und Schüler/innen von Krieg betroffen

Rubriken 3 Editorial 6 Aktuell 40 Kurz berichtet 45 Vor Ort

46 Vor Ort/Jubilare 48 Vor Ort/Totentafel 51 Leserbriefe/Buchtipps 52 Buchtipps/Impressum

Heftmitte UP

Titelbild: LpB-BW/Andreas Otto Redaktionsschluss für jede b&w Ausgabe:

jeweils der 15. des Vormonats

g

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6 bildung & wissenschaft 01-02/ 2016 Aktuell

KUNDGEBUNG IN STUTTGART

Ein Zeichen gegen Hass und Gewalt

Der DBG hatte Mitte Januar zu einer großen Kundgebung unter dem Motto

„Halt!zusammen“ aufgerufen. Ein unge- wöhnlich breites Bündnis aus mehr als 80 Organisationen – darunter Gewerk- schaften, Parteien, Kirchen, Arbeitgeber und Migrantenvereine – unterstützten die Aktion. Rund 7.000 Menschen nahmen am Samstagvormittag auf dem Schloss- platz in Stuttgart an der Demonstrati-

on gegen Rassismus und Gewalt gegen Geflüchtete teil. Die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Gabriele Fren- zer-Wolf sagte: „Wir sind die vielen, die nicht schweigen wollen. Wir wollen keine Hassparolen hören und lesen. Wir wollen keine Heime brennen sehen.“ Zugleich verurteilte sie die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht als „abscheu- liche Taten“.

„Mit Anfeindungen, Rassismus und Res- sentiments hat sich eine Demokratie noch nie weiter entwickelt. Wir wollen mit die- ser Kundgebung zeigen, dass das Mitein- ander, Offenheit, Dialog und Respekt die Mittel sind, um unsere Gesellschaft weiter voranzubringen“, erklärte Manuela Ruka- vina, die Vorsitzende des Landesfrauenra-

tes. b&w

Rund 7.000 Menschen protestierten auf einer Kundgebung in Stuttgart gegen Rassismus und Gewalt

Foto: Maria Jeggle

GEW-Quiz

1. Anfang März findet die LDV 2016 statt. Wann kommt die nächste?

a) 2019, b) 2020 , c) 2021 2. Welche Aussagen sind falsch?

a) Etwa 370 Delegierte aus allen GEW- Kreisen wählen auf der LDV die GEW- Landesspitze.

b) Im Mittelpunkt der LDV stehen Antragsberatungen.

c) Auf der LDV 2012 wurde Doro Moritz zum ersten Mal zur Vorsitzenden gewählt.

3. Welche Aussagen sind richtig?

a) Geflüchtete Kinder dürfen erst nach 6 Monaten in die Schule.

b) Kinder dürfen erst eingeschult werden, wenn ihr Asylantrag genehmigt wurde.

c) Sobald ein Kind in die Schule will, muss die Schule ohne Rücksicht auf den auf- enthaltsrechtlichen Status den Bildungs- anspruch erfüllen.

Auflösung siehe Seite 40 Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mehr als 5.000 Anwärter/innen und Referendar/innen und auch einige neu- eingestellte Lehrkräfte haben seit Jah- resbeginn ihren Dienst an den Schulen begonnen, darunter viele GEW-Mitglie- der. Ich bitte Sie herzlich, erleichtern Sie den Neuen den Einstieg, zeigen Sie Ihre gewerkschaftliche Solidarität, indem Sie auf sie zugehen.

Es sind Kleinigkeiten und Gesten, die den Neuen den Einstieg, die Kontaktaufnah- me und die Zusammenarbeit erleichtern können und die zeigen: Meine Kolleg/

innen unterstützen mich, ich bin will- kommen.

Kollegialität, Solidarität und Gewerk- schaftszugehörigkeit sind eng verbun- den. Zeigen Sie den Anwärter/innen und Referendar/innen, dass Sie GEW-Mitglied sind – wie 50.000 andere in Baden-Würt- temberg auch! Die GEW, und nur die

GEW, gestaltet in allen Bildungsberei- chen mit und vertritt die Interessen der Beschäftigten.

Sprechen Sie neue Kolleg/innen auf die GEW-Mitgliedschaft an. Sie kostet im Referendariat vier Euro monatlich.

Die GEW hat die künftigen Lehrer/innen bereits an den Ausbildungsseminaren begrüßt und unter anderem das GEW- Jahrbuch als Begrüßungsgeschenk über- reicht. GEW-Mitglieder und die, die es werden, erhalten zusätzlich einen Kino- gutschein.

Es lohnt sich auch für Sie, GEW-Mitglie- der zu werben: Den Antrag auf Mitglied- schaft, die Werbeprämien, auch weitere Informationen und Materialien, finden Sie auf der Homepage der GEW unter www.gew-bw.de

Freundliche Grüße

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Aktuell

LANDTAGSWAHL

Austausch mit SPD und Grüne

Vor der Landtagswahl trafen sich Ver- treter/innen der GEW mit der Spitze der SPD-Landtagsfraktion und bildungspoli- tischen Abgeordneten. Übereinstimmung bestand, dass es im Landtagswahlkampf darum gehen muss, die begonnenen Reformen zu verteidigen und die Ziele für die kommende Legislaturperiode klar zu benennen. In der frühkindlichen Bildung muss die Qualität und das Fachkraft-Kind- Verhältnis weiter verbessert werden. Im Schulbereich sollen Verbesserungen für die Schulleitungen und die Grundschulen durchgesetzt werden. In der Sekundarstu- fe müssen alle Schulen mit einer systema- tischen Unterrichtsentwicklung und den erforderlichen Stellen in die Lage versetzt werden, mit einer heterogenen Schüler- schaft umgehen zu können.

Auch mit dem Vorstand der Landtags- fraktion der Grünen haben sich Vertreter/

innen der GEW getroffen. Im Gespräch wurde ein Blick auf die zurückliegende Legislaturperiode geworfen, aber auch Schwerpunkte für die Bildungspolitik der Grünen nach der Wahl besprochen. Alle waren sich einig, dass es nach der Wahl um ein Verstetigen der begonnenen Refor- men, um die Stärkung des frühkindlichen Bereichs und der Arbeit in der Grundschu- le und um eine Steigerung der Qualität der Bildung gehen muss. Auch die Entlastung der Beschäftigten im Bildungsbereich muss in Angriff genommen werden.

Michael Hirn Gespräch mit der SPD: Von links: Matthias Schneider GEW, Rita Haller-Haid MdL, Claus Schmiedel

MdL, Doro Moritz GEW, Klaus Käppeler MdL, Michael Hirn GEW, Petra Kilian GEW, Sabine Wölfle MdL, Michael Futterer GEW

Foto: SPD Baden-Württemberg

Gespräch mit den Grünen: Von links: Andreas Schwarz MdL, Sandra Boser MdL, Michael Futterer GEW, Doro Moritz GEW, Edith Sitzmann MdL, Inge Goerlich GEW, Michael Hirn GEW, Mussie Habte parlamentarischer Berater

Foto: Grüne Baden-Württemberg

Von links: Bernd Riexinger, Sabine Skubsch und Doro Moritz LANDTAGSWAHL

Austausch mit der Linkspartei

Zum Informations- und Meinungsaus- tausch trafen sich Bernd Riexinger, Bun- desvorsitzender der Partei Die Linke, Sabine Skubsch, GEW-Kollegin und Landtagskandidatin im Wahlkreis Karls- ruhe für Die Linke, mit Doro Moritz.

Im Mittelpunkt des Gesprächs stand die Bewertung der Bildungspolitik der grün/

roten Landesregierung, die Positionen der GEW und der Linkspartei. Überein- stimmung gab es unter anderem in der Notwendigkeit der Steuererhöhung von Vermögen und hohen Einkommen.

b&w

Foto: Ulrike Bär

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8 bildung & wissenschaft 01-02/ 2016 Aktuell

NEUES BEURTEILUNGSRECHT

Vorgaben gefährden die kollegiale Zusammenarbeit

Beschäftigte aus der Schulverwaltung, Schulpsychologen/-innen, Leitungs- personal der Lehrerbildungsseminare und des Landesinstituts für Schulent- wicklung kamen kurz vor Weihnachten zu einem Fachgespräch über das neue Beurteilungsrecht für Beamtinnen und Beamte in Baden-Württemberg nach

Stuttgart. Eingeladen hatte die Landes- fachgruppe Schulaufsicht, Schulverwal- tung und Seminare.

Martin Morgen, Wolfgang Straub und Markus Kreilinger, GEW-Mitglieder im Hauptpersonalrat für den außerschu- lischen Bereich, informierten über die neuen Bestimmungen. Zusammen mit

der Landesvorsitzenden Doro Moritz diskutierten sie über die Auswirkungen auf die Betroffenen (siehe Bericht in der b&w 10/2015).

Die Teilnehmer/innen, darunter auch Beurteiler/innen berichteten von einer großen Verunsicherung in den Dienst- stellen, weil noch immer Informatio- nen zur Umsetzung der Beurteilungs- verordnung fehlen. Einhellig wurden die Bildung von Vergleichsgruppen bei der Regelbeurteilung und die Richt- werte für die Punktevergabe innerhalb dieser Vergleichsgruppen kritisiert.

Diese Vorgaben gefährden die kollegiale Zusammenarbeit und können negative Auswirkungen auf die Motivation der Beschäftigten haben.

Wolfgang Straub von links: Wolfgang Straub, Martin Morgen und Doro Moritz

Foto: Ulrike Bär

ENTGELTORDNUNG LEHRKRÄFTE

Beamtenbund wehrt sich gegen den eigenen Tarifvertrag

Die GEW hat bei der Tarifrunde der Länder im vergangenen Frühjahr den Eingruppierungstarifvertrag für Lehr- kräfte nicht unterzeichnet. Denn er führt bei Beschäftigten zu beträchtli- chen Verschlechterungen und nur bei sehr wenigen Beschäftigten zu geringfü- gigen Verbesserungen. Unterschrieben hat allerdings der Beamtenbund und beklagt jetzt beim Kultusministerium die negativen Auswirkungen des Tarif- vertrags.

In einem Brief an das Kultusministerium hat der Verband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Baden- Württemberg (BLV), der Mitglied des Beamtenbundes ist, seine Sorge ausge- drückt, dass es durch den neuen Tarif- vertrag Probleme geben wird, Lehrerin- nen und Lehrer für eine Einstellung zu interessieren. Der BLV wehrt sich damit gegen den Tarifvertrag, der auch in sei- nem Namen und für seine Mitglieder abgeschlossen wurde.

Der BLV schreibt: „Wenn (…) aufgrund des Tarifvertrags über die Eingruppie- rung und die Entgeltordnung für die

Lehrkräfte der Länder (TV EntgO-L) vom 28. März 2015 die Direkteinsteiger in den ersten drei Jahren der Pädagogi- schen Ausbildung und des Bewährungs- jahres nicht mehr in E 13 (Uni-Absol- venten) bzw. E 12 (FH-Absolventen), sondern in E 12 (Uni-Absolventen) bzw.

E 11 (FH-Absolventen) eingruppiert werden, wird sich die Gewinnung der dringend erforderlichen Lehrerinnen und Lehrer in den Mangelfächern über den Weg des Direkteinstiegs dramatisch verschlechtern.“

So ist es. Dieser Tarifvertrag führt zu Verschlechterungen. Die Vermutung der GEW, dass in den Tarifverhandlungen nur unseren Tarifexperten die Auswir- kungen bewusst waren, scheint sich zu bestätigen. Wunderlich wird es deshalb bei der Forderung des BLV „Wir fordern das Kultusministerium auf, zusammen mit dem Finanzministerium rasch eine Lösung zu finden, damit die Folgen der schlechteren Eingruppierung ausgegli- chen werden.“ Die Lösung hätte einfach sein können: Der BLV hätte sich dafür einsetzen müssen, dass seine Spitzen-

organisation keinen Tarifvertrag unter- schreibt, dessen Regelungen Nachteile für die Beschäftigten haben. Der BLV verschweigt nämlich in diesem Brief, dass dieser Tarifvertrag von der DBB Beamtenbund und Tarifunion(dbb tu) mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) vereinbart und unterschrieben wurde.

Der Beamtenbund hat den Lehrkräften mit diesem Tarifvertrag einen Bären- dienst erwiesen.

In Gesprächen mit der Landesregierung ist es unser Ziel, in den Bereichen, in denen Baden-Württemberg nicht durch den TV EntgO-L gebunden ist, Verbes- serungen für die Kolleg/innen zu errei- chen (z.B. großzügigere Anrechnung von Berufserfahrung auf die Stufen, Arbeitnehmertabellen für die Zulagen, Anwendung der TV-L-Option der vor- gezogenen Stufengewährung bei guter Leistung,…) und Verschlechterungen wie bei den Direkteinsteiger/innen auf- zuheben.

Doro Moritz

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Aktuell

KONGRESS DES KULTUSMINISTERIUMS

„Die Grundschule: kindgerecht und zukunftsfähig“

„Die Grundschulen legen die Basis für eine gelingende Bildungsbiographie. Nur langsam schlägt sich diese Erkenntnis auch in der Ausstattung und den Rah- menbedingungen der Grundschule nie- der. Die erstmalige Zuweisung von Pool- stunden und die zusätzlichen 4 Stunden für Mathematik und Deutsch in der künf- tigen Kontingentstundentafel des neuen Bildungsplans sind ein erster wichtiger

Schritt. Dies muss ausgebaut werden.

Die Benachteiligungen der Grundschul- lehrkräfte bei Ausbildung und Bezahlung müssen beseitigt werden“, sagte Doro Moritz am 7. Dezember auf der Veran- staltung Die Grundschule: kindgerecht und zukunftsfähig. Rund 400 Teilnehmer/

innen besuchten Anfang Dezember 2015 die Veranstaltung des Kultusministeriums im Kursaal Bad Cannstatt. b&w

SACHKOSTENBEITRÄGE

Mehr Geld für Gymnasi- en und Realschulen

Die Sachkostenbeiträge für Gymnasien und Realschulen werden 2016 deutlich angehoben: Gegenüber 2015 steigen die Beiträge für die Gymnasien um 12,4 Prozent und für die Realschulen um 15,2 Prozent. Für die Gemeinschafts- schulen und die Hauptschulen/Werkre- alschulen bleiben sie konstant. Darauf haben sich die Kommunalen Landes- verbände mit dem Kultusministerium geeinigt.

Mit dem Sachkostenbeitrag erhalten die Schulträger einen Ausgleich für die lau- fenden Kosten des Schulbetriebs. Die Höhe der Beiträge ist in der Schullasten- verordnung geregelt und berücksichtigt die tatsächlich entstandenen Kosten.

Die neue Festsetzung der Sachkosten- beiträge wurde auf Basis der Schulkos- tenauswertung des Statistischen Lan- desamtes ausgearbeitet.

b&w Die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz setzte sich auf dem Podium für eine bessere Ausstattung

der Grundschulen ein. Von links: Moderatorin des KM, Kultusminister Andreas Stoch, Doro Moritz und Peter Burkhardt, Schulleiter der Pragschule Stuttgart

Foto: Kultusministerium

Glosse: Keine Wohnung für Lehrkräfte

„Sie sind also Lehrer“, fragte der ziemlich große Wohnungsmakler gedehnt und klappte seine Mappe zu. Ich nickte und dachte: Jetzt sagt er gleich, dass ich die Wohnung kriege, weil ich ja Beamter bin.

„Dann tut es mir leid“, fuhr er fort, „aber mein Auftraggeber hat gesagt, er wolle keine Lehrer als Mieter.“

„Wieso das denn?“, entfuhr es mir erschro- cken. Da lachte der Makler. Er trug Kroko- dillederschuhe, einen weißen Anzug und eine Hornbrille mit schwarz-weißen Kuh- flecken drauf. „Ich persönlich hab nichts gegen Lehrer“, sagte er jovial, „ich hab auch nichts gegen Sie.“ Er haute mir auf die Schulter, dass ich mein Schlüsselbein knacken hörte. Aber als Mieter seien Leh- rer leider das absolut Letzte. Noch schlim- mer als Musiker, die mit ihrem Übungs- gedudel allen Nachbarn den letzten Nerv raubten. Und auch schlimmer als Studen- ten, die mit nächtlichen Partys alle um den Schlaf bringen. Klugscheißer seien die Lehrer, erklärte mir der Kroko-Makler, die alles besser wüssten. Pausenlos habe man

Ärger mit ihnen. Die Lehrer seien ja auch dauernd zu Hause, weil sie „morgens recht und mittags frei hätten, hahaha!“

Noch ein Schlag auf das Schlüsselbein.

Und in den Ferien seien sie auch dauernd zu Hause und wohnten die Wohnung run- ter, schlimmer als die arbeitslosen Dau- erfernseher. „Na, und dann haben die doch nichts anderes zu tun, als dauernd Mietrechttexte und Gerichtsurteile zu stu- dieren, um ihrem Vermieter das Leben zu vermiesen, oder?“, grinste er. Sie wüss- ten alles ganz genau. Vor allem, wie man einem Vermieter das Geld aus der Tasche ziehe. „Und ganz ehrlich“, er schaute mich mit bedauernder Miene an, „da verzichtet man lieber auf das zuverlässige Beam- tengehalt.“ Ich würde ja eigentlich ganz vernünftig auf ihn wirken, relativ normal, aber so im Allgemeinen, das wisse man doch, seien Lehrer so.

So fühlt es sich also an, diskriminiert zu werden. Aber ich schluckte den Gedanken runter. „Wen sollen Sie denn nehmen? Also gibt es eine bevorzugte Personengruppe?“,

fragte ich und schämte mich für meine ZDF-Forschungsgruppe-Wahlen-Aus- drucksweise. Aber ich wollte höflich sein.

Meiner Berufsgruppe Ehre machen.

„Auf keinen Fall Leute mit mehr als einem Kind“, sagte er und schaute mich prüfend an, „Kinder machen Krach, das gibt nur Ärger!“ Ich sackte noch mehr zusammen.

Da war ich mit meinen drei Kindern wohl doppelt ausgeschieden.

„Rentner“, sagte er, „Rentner, von mir aus auch mit Hund.“ Die seien schön ruhig.

Und was, wenn die Rentner/innen vorher Lehrer/innen waren, dachte ich gehässig.

Sagte aber nichts. „Oder Beamter“, lachte er, „irgendein Beamter, Finanz oder andere Langweiler, Hauptsache kein Lehrer.“

Danach zählte er mir noch Handwerker als ideale Mieter auf, weil die alles selber in Schuss hielten.

Ich beschloss, mich über mein Lebensen- de hinaus zu verschulden und ein Haus zu bauen. Ich würde nie eine Wohnung krie- gen.

Jens Bucholz

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10 bildung & wissenschaft 01-02/ 2016 Aktuell

BILDUNGSPLANREFORM

Mehr Informatik im Schulunterricht ab 2017

Mitte Dezember 2015 hat das Kultusmi- nisterium ein Konzept vorgestellt, wie mehr Inhalte von Informatik im Zuge der Bildungsplanreform verbindlich in den Schulunterricht verankert werden.

Zusätzlich zur fächerübergreifenden Leit- perspektive „Medienbildung“ und dem

„Basiskurs Medienbildung“ in Klasse 5 ist ein neuer „Aufbaukurs Informatik“ in der Klassenstufe 7 vorgesehen. In den Klas- senstufen 8 bis 10 sollen weitere Inhalte aus der Informatik über spezielle Vertie- fungsmöglichkeiten vermittelt werden.

Begleitend wird ein darauf abgestimm- tes Fortbildungskonzept für Lehrerinnen und Lehrer aufgelegt.

Der „Aufbaukurs Informatik“ in Klassen- stufe 7 soll für Schüler/innen aller allge- meinbildenden Schularten verbindlich sein und im Umfang von einer Stunde pro Woche unterrichtet werden. Dafür werden zusätzliche Deputate geschaffen.

Schüler/innen lernen hier beispielsweise, wie ihre Computer und mobilen Endge- räte aufgebaut sind und setzen sich mit Grundkonzepten der Programmierung auseinander. Die Einführung ist für das Schuljahr 2017/2018 – parallel zur Ein- führung der neuen Bildungspläne in der Klassenstufe 7 – vorgesehen.

Als Vertiefungsmöglichkeit in den Klas- senstufen 8 bis 10 wird in den Gymnasien und Gemeinschaftsschulen ein neues Pro- filfach eingeführt. Das Profilfach trägt die Bezeichnung „Informatik, Mathematik, Physik“ (IMP) und kann von den Schu- len alternativ zum bereits bestehenden Profilfach „Naturwissenschaft und Tech- nik“ (NwT) angeboten werden. Im Fokus von IMP steht die Informatik; Inhalte aus Mathematik und Physik werden darauf abgestimmt vermittelt. Ein praktisches Beispiel ist die Kodierung von Informati- onen in Bild-, Audio- oder Videodateien:

In IMP lernen Schüler/innen die mathe- matischen Grundlagen, die etwa bei der MP3-Technologie oder bei Bildbearbei- tungsprogrammen zur Anwendung kom- men bzw. welche physikalischen Zusam- menhänge eine Rolle spielen, wenn diese Daten mittels WLAN oder Mobilfunk übertragen werden.

An den Haupt-/Werkrealschulen und Realschulen wird in den Klassenstufen 8 bis 10 ein neues Wahlfach „Informatik“

eingeführt. In diesem Wahlfach sollen besonders alltagsrelevante Themen mit Informatikbezug aufgegriffen und Inte- resse geweckt werden. Die Einführung der Vertiefungsmöglichkeiten ist für das Schuljahr 2018/2019 vorgesehen, wenn die neuen Bildungspläne auch in Klas- senstufe 8 eingeführt werden. Sämtliche Informatikkompetenzen werden schulart- übergreifend aufeinander abgestimmt.

b&w

LEHREREINSTELLUNG

Weniger Bewerber/innen als im Vorjahr

Mitte Dezember 2015 wurden die jungen Lehrer/innen ausgewählt, die im Febru- ar eingestellt werden. Die Grund- und Hauptschullehrkräfte (GHS) sowie die Realschullehrkräfte (RS) wurden über die allgemeine Bewerbungsliste einge- stellt. Für die anderen Schularten und die musisch-technischen Fachlehrer/

innen wurden die freien Stellen schulbe- zogen ausgeschrieben. Im GHS-Bereich bewarben sich 446 Personen um eine Einstellung, ein Angebot erhielten lan- desweit nur 50 Personen. Im Realschul- bereich bewarben sich auf zehn zu ver- teilende Stellen für wissenschaftliche Lehrkräfte landesweit 287 Personen.

Aufgrund der sehr guten Sommerein- stellung war die Anzahl der Bewerber/

innen nur halb so groß wie im Vorjahr.

Erstmals konnten die Bewerber/innen für Grund,- Haupt,- und Realschulen beim Listenverfahren ankreuzen, ob sie ein Angebot an einer Gemeinschafts- schule vorrangig, nachrangig oder gar nicht annehmen würden. Diese Mög- lichkeit werden auch die Bewerber/

innen beim Einstellungsverfahren im Sommer 2016 haben. Die musisch- technischen Fachlehrer/ innen (FL), die Sonderschullehrkräfte (WL/FL), sowie die Kolleg/innen an den Gymnasien und beruflichen Schulen konnten sich direkt bei den Schulen um eine Einstellung bewerben. Hier ist nur das Stellenvolu- men bekannt, die Anzahl der Bewerber/

innen nicht. Bei den Einstellungsver- fahren für Bewerber/innen mit Zusatz- qualifikation und den schulbezoge-

nen Stellenausschreibungen wurde der Bewerberschluss auf den 1. Februar um einen Monat nach vorne geschoben.

Die guten Einstellungschancen im Som- mer 2015 waren ein Erfolg der GEW, die sich seit Jahren intensiv dafür eingesetzt hat, dass die Landesregierung die ange- kündigte Streichung von 11.600 Lehrer- stellen zurücknimmt. Dass so viele Lehr- kräfte eingestellt wurden, wie zuletzt in den 70er-Jahren, ist sehr erfreulich, schlägt sich nun aber in der Versorgung der Schulen bei den Krankheitsvertre- tungen nieder. Es sind faktisch keine Bewerber/innen für die dringend benö- tigten Krankheitsvertretungen vorhan- den. Die schwierige Situation bei der Suche nach Krankheitsvertretungen in allen Regierungsbezirken zeigt deutlich, dass die feste Lehrerreserve weiter aus- gebaut werden muss und die gut aus- gebildeten Lehrkräfte frühzeitig an die staatlichen Schulen im Land gebunden werden müssen.

Ruth Schütz-Zacher HPR GHWRGS

Fotolia

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Arbeitsplatz Schule

STUDIE ZU GEMEINSCHAFTSSCHULEN

Viel geschafft und noch viel zu tun

Im Januar 2016 wurde der Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung Gemein- schaftsschulen in Baden-Württemberg (WissGem) in der Kurzfassung vorgelegt. Aufgabe der Studie war, Stärken und Schwächen der neuen Schulart aufzuzeigen. Ziel ist, die Gemeinschaftsschule nach dem Start zu verbessern. Von den Erkenntnissen profitieren alle Schularten.

An dem Forschungsprojekt, das das Wissenschaftsministerium und das Kul- tusministerium beauftragt haben, waren die Universitäten Tübingen, Heidelberg und München und die Pädagogischen Hochschulen Heidelberg, Schwäbisch Gmünd, Freiburg, Weingarten und Ludwigsburg beteiligt. Inhalt und For- schungsgegenstand des Gesamtprojekts war die Beschreibung und Analyse des Transformationsprozesses der Gemein- schaftsschule auf der Schulsystemebene, der Einzelschule und des Unterrichts.

Bemerkenswert ist der Ansatz der Stu- die, den Unterricht einzelner Lehrkräf- te zu beobachten und zu analysieren.

Dadurch können Zusammenhänge zwi- schen konkreten Unterrichtsformen und der Lernentwicklung der Schüler/innen erklärt werden. Folgende Themen wer- den im Kurzbericht vorgestellt: Päda- gogische Professionalität, Schulkultur, Unterrichtsqualität, Aufgabenqualität im Fach Mathematik, literarisches Text- verstehen fördern, Individualisierung im Englischunterricht, Umgang mit Hete- rogenität, Lernprozessdiagnostik und Leistungsbeurteilung, Inklusion, die Sichtweise der Eltern auf die Gemein- schaftsschule, Situation und Sicht der Akteurinnen und Akteure, Sozialraum- analyse, Schule als Lebensraum und Diagnostik und Förderung von Schreib- kompetenz.

Pädagogische Professionalität

Die Gemeinschaftsschule stellt als

„Schule für alle“ hohe Anforderungen an die pädagogische Professionalität. Die Lehrkräfte sind dabei besonders maß- geblich. Ohne ihre professionelle Kom- petenz und Qualität kann ein Innova- tionsprozess wie die Entwicklung einer Gemeinschaftsschule nicht gelingen.

Die Studie legt offen, dass die Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen besonders im Hinblick auf die konzeptionelle Arbeit und die Unterrichtsentwicklung gefor- dert sind. Die große Aufgabe, zum einen eine neue Schulart aufzubauen, und zum anderen die heterogene Schülerschaft zu fördern, verlangt von allen an GMS täti- gen Lehrer/innen einen hohen persönli- chen Einsatz. Dies umfasst zum Beispiel viel Zeit für Kooperation, die Erarbei- tung von differenziertem Unterrichts- material und entsprechende Leistungs- rückmeldungen an die Schüler/innen.

Hinzu kommt die Aufgabe der Inklusi- on, die alle Gemeinschaftsschulen seit ihrer Gründung bewältigen müssen.

Der mit einer Transformation verbun- dene Prozess der Reflektion und auch

der intensive kollegiale Austausch wer- den von den Lehrkräften positiv bewer- tet. Die Lehrkräfte wünschen sich aber bessere Umsetzungsbedingungen, vor allem mehr Zeit für die genannten Her- ausforderungen und eine intensive Aus- und Fortbildung. Die Studie zeigt jedoch auch, dass die Fortbildungsbedarfe an den verschiedenen Gemeinschaftsschu- len unterschiedlich sind. Manche Schu- len wünschen sich vor allem Ruhe für die weitere Arbeit.

Schulkultur

Welche gemeinsamen Ziele, Haltungen und Sichtweisen der Lehrkräfte liegen an den Einzelschulen vor? Diese unter dem Begriff der Schulkultur unter- suchten Fragen sind bedeutsam für die

Entwicklung gemeinsamer GMS-spezifischer Konzepte Gemeinsame Umsetzung

GMS-spezifischer Konzepte für den Kernfachunterricht

Es wurden gemeinsame, verbindliche Konzepte entwickelt

Es wurden keine oder nur partiell verbindliche Konzep- te entwickelt

Konzepte werden von den Lehrkräften

einheitlich umgesetzt

Typ A

Schulen mit Kooperations- stufe 4

- Joint Work (2 GMS)

Konzepte werden nicht oder nicht von allen Lehr- kräften umgesetzt

Typ B

Schulen mit Kooperations- stufe 3

- Sharing (4 GMS)

Typ C

Schulen mit Kooperations- stufe 1 + 2

- Storytelling and Scan- ning for Ideas

- Aid and Assistance (3 GMS)

Tab. 1: Kreuztabellierung zu den erfassten Merkmalkonstellationen der Schulorganisation der untersuchten Gemeinschaftsschulen. In Klammern findet sich die Anzahl zugeordneter Schulen.

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Arbeitsolatz Schule

12 bildung & wissenschaft 01-02 / 2016

Implementierung der Gemeinschaftsschu- le, weil die Einschät- zung der Lehrkräf- te „auf den Nutzen, der Praktikabilität und der Bewertung von Reformmaßnah- men“ (S. 21 Kurzfas- sung) entscheidend für deren Erfolg sind.

In der Studie werden hierzu vier Koope- rationstypen (siehe Tabelle 1) entwickelt, die sich aus der Ent- wicklung von GMS- spezifischen Konzep-

ten (vorhanden/nicht vorhanden) und deren Umsetzung (einheitliche Umset- zung/nicht oder nur teilweise Umset- zung) zusammensetzen.

Mit Typ A werden Gemeinschafts- schulen beschrieben, die einen hohen Grad an Kooperation aufweisen und ihre gemeinsam entwickelten Konzep- te in großer kollegialer Übereinstim- mung umsetzen. Gemeinschaftsschu- le mit verbindlichen Konzepten, die aber nicht von allen Lehrkräften umge- setzt werden, entsprechen dem Typ B.

Wenn sowohl die Konzeptrealisierung als auch die Kooperationsformen nicht gut ausgebildet sind, handelt es sich um Gemeinschaftsschule des Typs C.

Die Typologie macht deutlich, dass an den Gemeinschaftsschulen je nach Situ- ation der Einzelschule unterschiedliche Entwicklungs- und Unterstützungsbe- darfe vorliegen.

Unterrichtsqualität

Das individuelle und kooperative Ler- nen ist ein entscheidendes Konstitu-

ierungsmerkmal von Gemeinschafts- schulen. Ein qualitätsvoller Unterricht zeichnet sich dadurch aus, dass er die

„tiefenstrukturelle Ebene“ anspricht und nicht nur auf der Oberfläche agiert. Um dies zu erreichen, ist eine klar struktu- rierte Klassenführung, kognitive Akti- vierung und ein motivierendes und unterstützendes Unterrichtsklima die Voraussetzung. Erst wenn diese Bedin- gungen erfüllt sind, kann differenziertes und individualisiertes Lernen gelingen.

Bei der Bewertung der Unterrichtsqua- lität sind diese vier Voraussetzungen als aufeinanderfolgende Stufen definiert, die als Qualitätsstufen zu verstehen sind.

An Gemeinschaftsschulen zeigt sich eine annähernd gleiche Verteilung der erreichten Unterrichtsqualität wie bei der Referenzgruppe (andere weiterfüh- rende Schularten): Rund 10 Prozent erreichen nur Stufe 1 (Lernklima, Struk- turen sichern), ein Viertel Stufe 2 (Klas- senführung), knapp die Hälfte Stufe 3 (Motivation, Aktivierung) und 15 Pro- zent Stufe 4 (Differenzierung und kom- petente Förderung).

Als wesentliche Befunde hebt die Begleitstudie hervor, dass die Unter- richtsqualität an Gemeinschaftsschulen vergleichbar mit der an anderen Schu- len ist. Die Unterrichtsqualität hängt wesentlich von der einzelnen Lehrkraft und weniger von der Einzelschule ab Dies gilt über alle Schulen und Schular- ten hinweg.

Die Studie zeigt, dass die Unterrichts- qualität an den Gemeinschaftsschu- len unterschiedlich ist, und zwar auch dann, wenn dieselbe Unterrichtskon- zeption realisiert wird. Genau hier zeigt sich der Zusammenhang zwischen der Qualität der Einzelschule und der Qua- lität des Unterrichts, z.B. hinsichtlich der Intensität der unterrichtsbezogenen Kooperation, der Fortbildungskonzep- tion oder der Unterstützung durch die Schulleitung.

Das Schaubild (Abb.1) gliedert die erreichte Unterrichtsqualität nach den untersuchten Lerngruppen an zehn Einzelschulen auf. An jeder Schule wurde der Unterricht an jeweils zwei Lerngruppen von bis zu 10 Lehrkräf-

Abb. 1: Erreichte Unterrichtsqualität nach Lehrkräften aufgeschlüsselt. (UB = Unterrichtsbeobachtungen; LG = Lerngruppen).

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Arbeitsplatz Schule

ten (X-Achse) mit einem standardisier- ten Beobachtungsbogen eingeschätzt.

Auf der Y-Achse sind die 4 Stufen der Unterrichtsqualität abgebildet. Die Gra- fiken (Boxplots) der einzelnen Lehrkraft zeigen, auf welcher Stufe ihr jeweiliger Unterricht eingeordnet werden kann.

Daraus lässt sich die Qualität des Unter- richts vergleichen. So liegen z.B. die Ergebnisse der untersuchten Lehrkräfte an Schule H weiter auseinander und ins- gesamt niedriger als an Schule E Umgang mit Heterogenität

Die Herausforderung des Umgangs mit Heterogenität stellt sich an allen Schularten, bei Gemeinschaftsschulen ist sie jedoch konstituierendes Merk- mal. Gemeinschaftsschulen haben den Anspruch und den Auftrag, mit den Schüler/innen differenziert und indivi- duell zu lernen und sie zu fördern. Der Umgang mit Heterogenität wird daran gemessen, wie hoch der Zusammen- hang zwischen bestimmten Unterrichts- formen (fachbezogen, fachunbezogen, Input) und der aktiven Lernzeit gemäß den jeweiligen Niveaustufen der Schü- ler/innen ist.

Die Studie stellt hierzu fest: „[…] dass bei Lernenden des hohen und des unte- ren Leistungsniveaus signifikante Unter- schiede zwischen der Unterrichtsform und der aktiven Lernzeit nachgewie- sen werden konnten. Erstere zeigen die höchste aktive Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand in fachun- bezogenen individuellen Lernzeitstun- den, letztere hingegen in Inputstunden.

Es wird zudem offensichtlich, dass die aktive Lernzeit für Lernende des unteren und hohen Leistungsniveaus in fachun- bezogenen individuellen Lernzeitstun- den höher ausfällt als in fachbezogenen individuellen Lernzeitstunden.“ (S. 36).

Was heißt dies im Klartext?

• leistungsschwächere Lernende schei- nen von der Kombination aus Input und fachungebundenen Lernzeiten eher zu profitieren

• leistungsstärkere Lernende profitieren offensichtlich besonders von der fachun- gebundenen Lernzeit

Insgesamt wird deutlich, dass Inputpha- sen vorhanden und wichtig sind. Ein gemeinsamer Stundenpool, z.B. aus den Fächern Deutsch, Mathematik und (in Teilen) Englisch, könnte den Rahmen für fachungebundene Lernzeiten darstellen.

Die dem Leistungsniveau der Schüler/

innen entsprechende Auswahl, Anwen- dung und Variation von Unterrichtsfor- men ist der Kern des differenzierten und individuellen Lernens. Inputphasen und Instruktion haben auch und gerade in heterogenen Lerngruppen ihren Platz.

Eine Verabsolutierung von bestimmten Unterrichtsformen ist fehl am Platze.

Lernprozessdiagnostik und Leistungs- beurteilung

Die Leistungsbeurteilung an Gemein- schaftsschule zielt auf eine förderorien- tierte Beurteilungspraxis (S. 37). Diese Praxis erfolgt durch

1. Die Lernprozessdiagnostik (Verste- hen und Begleiten des Lernprozesses der Schüler/innen,

2. Die Form der Leistungserhebung (Wann bewerte ich wie?),

3. Leistungsbewertung (tradiert vs. indi- vidualisiert) und

4. Rückmeldung (Noten, Verbalbeurtei- lung)

Die Eingangsdiagnostik wird an Gemeinschaftsschulen intensiv betrie- ben, sie wird jedoch noch zu wenig für das weitere Fördern der Schüler/innen genutzt. Insgesamt konstatieren die For- scher/innen eine Ambivalenz zwischen Bilanzierung und Individualisierung, die deutlich mache, dass die kontinu- ierliche Evaluation in den Lernentwick- lungsbereichen noch stärker „in einen individualisierenden und lernförderli- chen Zweck zu überführen ist.“ (S. 38).

Fazit

Gemeinschaftsschulen bearbeiten The- men, die nicht durch Rückgriff auf lange

Traditionen und tradierte Unterrichts- routinen bewältigt werden können. Der bewusste Umgang mit Heterogenität, wozu auch die Inklusion gehört, muss entwickelt werden, und zwar an allen Schularten. Die Ergebnisse der Begleit- forschung haben auf diesem Hinter- grund zwei Funktionen: Den Gemein- schaftsschulen in ihrer Entwicklung zu unterstützen und den Unterstützungs- bedarf konkreter zu identifizieren, aber auch im Nachgang diese Ergebnisse den anderen weiterführenden Schularten zur Verfügung zu stellen. Denn auch dort stellen sich diese Herausforderun- gen, wenn auch auf je schulartenspezifi- sche Weise, zunehmend.

Die These der „homogenen Schüler- schaft“ war schon immer ein Mythos.

Jetzt geht es darum, der Realität der Heterogenität und dem Recht jeden Schülers, als Individuum gesehen zu werden, im Schulalltag gerecht zu wer- den. Die Gemeinschaftsschulen bejahen diese Aufgabe. Dass sie bereit waren, den Forschern mit dieser bundesweit einmaligen Begleitstudie einen Einblick in ihre Arbeit zu geben, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Ute Kratzmeier GEW-Referentin für allgemeine Bildung

Zum Bericht

Der 87 Seiten umfassende Abschluss- bericht ist eine Kurzfassung des Buches: Bohl, T & Wacker, A (Hrsg.) (2016): Die Einführung der Gemein- schaftsschule in Baden-Württemberg (2016): Abschlussbericht der wissen- schaftlichen Begleitforschung. Müns- ter: Waxmann, erscheint im Mai 2016

Kurzbericht

www.km-bw.de/20_01_

2016+Begleitforschung+

Gemeinschaftsschule

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14 bildung & wissenschaft 01-02 / 2016 Arbeitsplatz Schulen

GEMEINSCHAFTSSCHULEN

Am wichtigsten ist Zeit

Prof. Thorsten Bohl (Universität Tübingen) hatte die Federführung der wissenschaftlichen Begleitfor- schung zu Gemeinschaftsschulen (WissGem). Michael Hirn sprach mit dem Wissenschaftler über die Ergebnisse der Studie und die notwendigen Konsequenzen.

Herr Bohl, für manche war der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie überra- schend. Warum haben Sie mit den Ergeb- nissen nicht bis nach der Landtagswahl gewartet?

Weil das Wissenschafts- und Kultusmi- nisterium als Auftraggeber die Abga- be der zentralen Ergebnisse im Janu- ar 2016 wünschten. Das war bereits im Anschluss an das Begutachtungsverfah- ren Ende 2012 klar. Wir hatten darauf keinen Einfluss.

Was war für Sie das überraschendste Ergebnis der Studie?

Ich habe mehrere Ergebnisse nicht unbe- dingt erwartet: Die deutlichen Unter- schiede zwischen den Gemeinschafts- schulen – auch bei ähnlicher Konzeption.

Der starke Einfluss der Haltung der Lehr- kräfte auf die Schülerzusammensetzung.

Die qualitativ hochwertige Kooperation gegenüber der Vergleichsgruppe. Oder die erfahrungsbasiert positive Haltung gegenüber Heterogenität.

Nach drei Jahren Forschung von über 30 Wissenschaftler/innen: Bewährt sich das Konzept der Gemeinschaftsschulen oder muss es verändert werden?

Führende Schulforscher sind sich einig darüber, dass derart umfassende Refor- men nicht nach drei Jahren abgeschlos- sen sind. Mindestens 5 bis 10 Jahre dürfte eher ein angemessener Erwar- tungshorizont sein. Insofern müssen wir vorsichtig sein. So viel lässt sich jedoch sagen: Konzeptionell hat sich in drei Jah- ren sehr viel getan und das Engagement der Lehrkräfte an den Gemeinschafts- schulen, auch im Umgang mit vielfäl- tigen und kreativen Ideen, hat uns sehr beeindruckt. Gleichzeitig gibt es zweifel- los noch Entwicklungsbedarf, etwa im Bereich der Diagnostik und Leistungs- beurteilung oder bei der Passung von

Oberflächen- und Tiefenstruktur des Unterrichts oder bei der Auswahl von Fachaufgaben.

Der Ruf nach Leistungstests, denen sich Gemeinschaftsschulen stellen sollen, ist nicht zu überhören. Wie ist Ihre Einschät- zung dazu?

Zunächst darf ich in aller Deutlichkeit festhalten, dass dies nicht unser Auftrag war. Der Auftrag lautete, eine Begleit- forschung durchzuführen – das ist ein völlig anderer Zugang. Im Vordergrund von WissGem stand, Entwicklungsberei- che an Gemeinschaftsschulen zu identi- fizieren, um die Qualität kontinuierlich zu verbessern und Maßnahmen für die Schulentwicklung und die Lehrerbil- dung abzuleiten. Dieser Auftrag ist in den ersten drei Jahren sinnvoll.

Natürlich müssen sich alle Schularten auch Leistungstests stellen, das ist doch selbstverständlich. Allerdings gibt es bereits mehrere Studien zu integrier- ten Schularten, in deren Rahmen auch Kompetenztests durchgeführt wurden, etwa in Thüringen, Berlin oder Sach- sen. Wer erwartet, diese Befunde wür- den alles klären, der dürfte massiv ent- täuscht sein – nicht nur weil die Befunde beispielsweise aufgrund fachspezifischer Unterschiede zum Teil schwer zu inter- pretieren sind. Zudem gibt es einige methodische Einschränkungen. Bei- spielsweise werden die Eingangsvor- aussetzungen der Schüler/innen nicht immer kontrolliert oder die Stichprobe ist zu klein. Und: das größte Problem bei den meisten Studien ist, dass unklar bleibt welche Ursachen hinter einem bestimmten Leistungsstand stehen.

Daher bleibt dann auch offen, wo der Hebel angesetzt werden könnte.

In WissGem haben wir genau hier ange- setzt und herausgearbeitet, wo Ent- wicklungsbedarf besteht – das ist für

die Steuerung des Schulsystems und für Fortbildungsmaßnahmen sehr hilfreich.

Was brauchen die Gemeinschaftsschu- len am dringendsten, um ihre Arbeit zu verbessern?

Wir haben als wichtigste Ressourcen den Faktor Zeit identifiziert. Zeit für die Konzeptentwicklung und die Umset- zung der vielfältigen Vorhaben, Zeit für Qualifizierungsmaßnahmen oder schlicht Zeit, um bereits realisierte Kon- zepte zu optimieren. Im Hintergrund steht dabei auch die Forderung nach einem veränderten Arbeitszeitmodell, welches die vielfältigen Tätigkeiten, etwa Beratung, Schulentwicklung oder individuelle Förderung, weitaus besser berücksichtigt als das Modell der Zuwei- sung von Unterrichtsstunden.

Lassen sich aus der Studie auch Konse- quenzen für andere Schularten ableiten?

Sämtliche Schularten entwickeln ihre Arbeit im Umgang mit Heterogeni- tät weiter. Die beruflichen Gymnasien haben damit viel Erfahrung, die Real- schulen arbeiten insbesondere in den unteren Klassenstufen an Konzepten zum Umgang mit Heterogenität, das Gymnasium ist bei einer Übergangsquo- te von fast 50 Prozent schon lange keine hochselektierte Exzellenzschule mehr, Grundschulen arbeiten selbstverständ- lich mit sehr heterogenen Klassen. Wir sehen das Schulsystem in Baden-Würt- temberg in einem langfristigen Trans- formationsprozess, zu dem im Kern der Umgang mit Heterogenität auf allen Ebenen zählt – bei gleichzeitig hohem fachlichen Anspruch. Insofern gehen wir in der Tat davon aus, dass unse- re Befunde auch für andere Schularten bedeutsam sind.

Das Interview führte Michael Hirn

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Aus der Arbeit der GEW

GEW-FACHTAGUNG ZUR GEMEINSCHAFTSSCHULE

Unterschiedliche Wahlversprechen

Vier Jahre nach dem Start der ersten Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg zieht die GEW Bilanz. Erfüllen die Gemeinschaftsschulen die Erwartungen und Hoffnung, die in sie gesetzt wurden?

Welche Chancen und Risiken bestehen? Politiker/innen wurden gefragt, wie es nach der Landtags- wahl mit den Gemeinschaftsschulen weitergeht.

Wenige Tage vor der GEW-Tagung zur Gemeinschaftsschule erschien der Abschluss bericht der wissenschaftlichen Begleitforschung Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg (WissGem). So konnte der Erziehungswissenschaftler Thorsten Bohl, der die Federführung der Begleitstudie übernommen hatte, aktu- ell über die neuesten Befunde berichten.

(Ergebnisse und Interview siehe Seite 11 bis 14).

Was integrierte Schulen leisten kön- nen, untersuchte auch der Schulfor- scher Ulrich Vieluf. Er forschte über die Lernentwicklung von zwei Jahrgängen jeweils von Klasse 5 bis 13 an 11 Star- terschulen in Berlin. Diese Schulbegleit- forschung hatte dasselbe Ziel wie die baden-württembergische Studie: Die Untersuchungsergebnisse sollen Ent- wicklungsprozesse an Schulen anstoßen.

Alle Ergebnisse wurden schulbezogen aufbereitet und an die Schulen zurück- gemeldet. Ein Befund unter vielen war:

Im Unterricht setzen sich Lehrer/innen an Gemeinschaftsschulen mit der verän- derten Unterrichtsgestaltung systema- tisch auseinander und finden Wege zu

einem produktiven Umgang mit Hete- rogenität. Die Lehrer/innen nehmen die Unterschiedlichkeit der Schüler/innen eher als Potenzial denn als Belastung wahr.

Rund 300 Teilnehmer/innen aus allen Schularten waren zur Fachtagung der GEW gekommen. Mit Spannung wur- den die Aussagen der Landtagsabgeord- neten verfolgt, die in wenigen Wochen wiedergewählt werden wollen. Auf der Podiumsdiskussion fragte Doro Moritz die bildungspolitischen Sprecher/innen aller Landtagsfaktionen, wie es mit den Gemeinschaftsschulen in der neuen Wahlperiode weitergehen soll. Sand- ra Boser (Grüne) sieht die Schulen auf einem guten Weg. Sie wollte zwar nicht zu viel versprechen, stellte aber die not- wendige Unterstützung in Aussicht.

Stefan Fulst-Blei versprach den Schu- len mehr Ruhe. Man soll die Gemein- schaftsschule arbeiten lassen und sie von dem ständigen Rechtfertigungskampf befreien.

Die CDU will nach Aussagen von Georg Wacker keine Gemeinschaftsschulen schließen, allerdings sollen Noten ver-

bindlich und äußere Differenzierung möglich werden. Neue Gemeinschafts- schulen würde die CDU nicht mehr genehmigen. Gestärkt werden sollen die Realschulen. Die Ressourcen will er in eine „gerechte Balance bringen, weil die Heterogenität überall wächst.“ Der par- lamentarische Berater, Harald Paulsen, der für Timm Kern (FDP) eingesprun- gen war, plädierte für einen fairen Wett- bewerb und mehr Eigenverantwortung der Schulen vor Ort. Zentrale Steuerun- gen hielt er für überflüssig.

Doro Moritz betonte, dass Schulen für unterschiedliche Aufgaben nicht die gleiche Ausstattung bekommen könn- ten. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass die Gemeinschaftsschulen mit ihrem anspruchsvollen Auftrag in keinster Weise privilegiert seien. Professor Bohl plädierte für eine kluge Steuerung der Politik, weil sonst die soziale Gerechtig- keit zu kurz komme.

Maria Jeggle Doro Moritz diskutiert mit den bildungspolitischen Sprecher/innen der Landtagsfraktionen (von

links) Harald Paulsen (FDP), Stefan Fulst-Blei (SPD), Georg Wacker (CDU) und Sandra Boser (Grüne).

Ganz rechts Professor Thosten Bohl von der Uni Tübingen.

Fotos: Julia Stoye

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bildung & wissenschaft 04 / 2012

Titelthema

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Foto: Bert Butzke Foto: GEW BW Foto: imago

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Titelthema

BILDUNGSPOLITISCHE BILANZ DER GRÜN-ROTEN LANDESREGIERUNG

Veränderungen brauchen Zeit und Unterstützung

Am 13. März finden Landtagwahlen in Baden-Württemberg statt. Die GEW zieht Bilanz über die Bildungspolitik der grün/roten Landesregierung. Grün/Rot hat viele Reformen

angepackt. Trotzdem bleibt noch mehr zu tun und manches muss korrigiert werden.

Im Frühjahr 2011 hatte die neue Landesregierung mit dem Pakt für Familien die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kita- Platz für Kinder unter drei Jahren auf eine verbindliche Grund- lage gestellt. Mit großen Investitionen mussten zunächst einmal Betreuungsplätze für die Ein- bis Dreijährigen geschaffen und die Quantität gesichert werden. Im zweiten Schritt erfolgte die Qualitätsentwicklung. Die Regierungsparteien wollten anstelle von Projekten dauerhaft Strukturen verbessern und übernahm ab 2014 63 Prozent der Finanzierung der Betriebskosten im Bereich der Kinder über 3 Jahren (Ü3) und 68 Prozent für die Krippenplätze (U3). Zusätzliche Mittel wurden für die Sprach- förderung in Kindertageseinrichtungen, die Weiterbildung der Fachkräfte und für Kinder- und Familienzentren bereitgestellt.

In der frühkindlichen Bildung muss in den nächsten Jahren das Augenmerk vor allem auf die Verbesserung der Qualität gerich- tet werden. Hier müssen die Leitungszeit, die Qualifizierung des Personals, die Umsetzung des Orientierungsplans und der Inklusion und selbstverständlich die Aufnahme von Kindern aus Flüchtlingsfamilien in den Blick genommen werden.

Mit dem Wiedereinstieg des Landes in die Finanzierung der Schulsozialarbeit hat die Landesregierung eine wichtige Kor- rektur vorgenommen. Um die Rahmenbedingungen für Schul- sozialarbeiter/innen weiter zu verbessern, müssen als nächstes die Förderrichtlinien überarbeitet werden.

Ein Plus von 10 Millionen Euro wurde den Trägern der Jugendhilfe für die Umsetzung des „Zukunftsplans Jugend“

zur Verfügung gestellt und weitere rund 2,7 Millionen Euro für die Förderung von Einrichtungen und Maßnahmen auf dem Gebiet der Jugendhilfe für Gemeinden und sonstige Träger.

Viele Neuerungen an allgemeinbildende Schulen

Weitreiche Veränderungen gab es in allgemeinbildenden Schulen. Dort wurden wichtige und überfällige Reformen angepackt: das Gesetz zur regionalen Schulentwicklung setzt erstmals einen Rahmen, um das Schulangebot vor Ort unter den Bedingungen von Schülerzahlenrückgang und veränder- tem Schulwahlverhalten zu gestalten.

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Inklusion, das unter ande- rem die Abschaffung der Sonderschulpflicht und erste Schrit- te zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ent- hält, steht das große Vorhaben, ein inklusives Schulsystem zu etablieren, noch ganz am Anfang. Im derzeitigen Stadium mit ungenügender Ausstattung und deutlich zu wenig Stellen und Unterstützung der Lehrkräfte geht es über eine Zielformulie- rung und Willensbekundung noch kaum hinaus.

Es wirft ein besonderes Schlaglicht auf die Bildungspolitik der zurückliegenden Jahrzehnte, dass die gesetzliche Verankerung der Ganztags(grund)schule als großer bildungspolitischer Meilenstein zu werten ist. Damit ist einerseits ein jahrzehn- telanger Modellversuchs-Status beendet, zumindest für die Grundschulen. Andererseits wird hier der enorme Reform- rückstau besonders deutlich, sind Ganztagsschulen doch deutschland- und gar europaweit längst eine Selbstverständ- lichkeit. Bei der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes hat die GEW deutlich Kritik geübt, die sich vor allem auf die Wahl- form, die mangelnde Ressourcenausstattung und Einführung der Monetarisierung bezieht. Als nächstes müssen die weiter- führenden Schulen dringend in das Gesetz einbezogen wer- den!Ungewöhnlich große öffentliche Aufmerksamkeit zog die Bil-

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dungsplanreform auf sich. Allerdings allein durch die Fokus- sierung auf einen Teilaspekt, nämlich die Einführung und Umsetzung der Leitperspektive „Akzeptanz und Toleranz von Vielfalt“. Die GEW hat sich für diese Leitperspektive stark gemacht. Gleichwohl ist die deutlich grundlegendere Neue- rung des neuen Bildungsplans die - mehr oder weniger strin- gente - Abkehr von schulartenbezogenen Bildungsplänen für die Sekundarstufe I. Das ist die eine wichtige Voraussetzung für ein Schulsystem mit weniger Selektion und mehr indivi- dueller Förderung. Getrübt wird dieser positive Ansatz von der Einführung des eigenständigen Fachs Wirtschaft, das im Gymnasium zu Lasten von Gemeinschaftskunde und Erdkun- de geht.

Das zentrale bildungspolitische Projekt der grün/roten Lan- desregierung war die Einführung der Gemeinschaftsschule.

Mit dieser Schulart wurde erstmals das vielgliedrige Schul- system aufgebrochen und gemeinsames Lernen ermöglicht.

Die enormen Anforderungen, die die Beschäftigten an den Gemeinschaftsschulen leisten, stehen in keinem Verhältnis zu den Ressourcen, die sie dafür erhalten. Von einem „bevor- zugten Lieblingskind“, wie die Gegner der Gemeinschafts- schule immer wieder propagieren, kann überhaupt keine Rede sein.

Gegen Ende der Wahlperiode kommt endlich auch die Grundschule in den Blick: Die Erweiterung der Kontingent- stundentafel um vier Stunden ist jetzt unter Dach und Fach, ebenso 180 zusätzliche Stellen für Grundschulen mit „beson- derer Herausforderung“. Damit wird die jahrelange Benach- teiligung der Grundschulen zumindest angegangen. Gesi- cherte Poolstunden hat die Grundschule als einzige Schulart weiterhin nicht. Was immer noch fehlt, ist die flächendecken- de Einführung des Ethikunterrichts ab Klasse 1.

Im Fokus der schulpolitischen Diskussion stand in den letz- ten Monaten auch das neue Realschulkonzept. Mit diesem versucht die Landesregierung das Dilemma zu lösen, dass die Realschule als eine Schulart des mittleren Bildungsweges Schüler/innen der gesamten Leistungsbreite und hier ver- mehrt Schüler/innen aus den weg brechenden Hauptschulen ein passendes Bildungsangebot machen möchte und auch muss. Deshalb werden Realschulen künftig auch auf den Hauptschulabschluss vorbereiten und erhalten dafür zum ersten Mal in ihrer Geschichte Poolstunden.

Die GEW bleibt dabei: Die Einführung der G9-Modelle an Gymnasien war ein Fehler. Das leistet einer Zersplitterung des Schulsystems Vorschub, kostet Ressourcen, verstärkt die Heterogenität der Schüler/innen an Gymnasien und verhin- dert, dass eine Qualitätsdebatte zu G8 geführt wird. Hier besteht Korrekturbedarf.

Mitbestimmung und Personalentwicklung

Mit der Novellierung des Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG) wurden die Verschlechterungen der Beteiligungsrechte durch die CDU/FDP-Landesregierung zurückgenommen und Beteiligungsrechte und Freistellungen erweitert. Dieser große Pluspunkt wird getrübt durch die Einführung der Drittelparität in der Schulkonferenz: Dass die Kollegien, die schulpolitische Reformen maßgeblich tragen, künftig von Schüler/innen und Eltern überstimmt werden können, kritisiert die GEW.

Auch das veränderte Verfahren zur Funktionsstellenbeset- zung ist nicht durchdacht: Anstatt die Schulleitungstätigkeit attraktiver zu machen, wurde das Auswahlverfahren massiv aufgebläht und die Rolle der Schulträger unverhältnismäßig gestärkt.

Ein massives Problem ist das fehlende Personalentwicklungs- konzept für Hauptschullehrkräfte. Die GEW wird nicht locker lassen und auf Wege mit echten Perspektiven und auf Beförde- rungen drängen.

Arbeitsbedingungen verschlechtert

Wie ein roter Faden zieht sich durch die bildungspolitischen Vor- haben das Dilemma, dass viele Reformen richtig und zwingend waren, aber unzureichend finanziert sind. Alle schulpolitischen Veränderungsprozesse sind in Bezug auf zeitliche Ressourcen, strukturelle Vorgaben sowie Qualifizierung und Begleitung der Beschäftigten ungenügend ausgestattet. So werden die Refor- men auf Kosten der Beschäftigten umgesetzt.

Dass die Schulleitungen kleiner Schulen zwei Stunden Anhe- bung für die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben erhalten,

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