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Einführung zu den Themen Landtag und Landtagswahl Studien zur politischen Bildung von

Die Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg

1. Einführung zu den Themen Landtag und Landtagswahl Studien zur politischen Bildung von

Schüler/inne/n bestätigen das man-gelnde Wissen über zentrale Merkma-le der demokratischen Grundordnung und ihrer Bedeutung für Freiheit und Gerechtigkeit. Durch altersgemäße Angebote kann Lernenden der Zugang zum demokratischen Parlamentaris-mus erleichtert und Interesse für den Arbeitsalltag der Volksvertreter/innen geweckt werden. Jährlich besuchen rund 20.000 Schüler/innen den Landtag in Stuttgart und gewinnen Einblicke in die Aufgaben und Arbeitsweise der Abge-ordneten. Der Landtag als außerschuli-scher Lernort sowie Angebote der Lan-deszentrale für politische Bildung (LpB) können den Lernenden aufzeigen, wie sehr landespolitische Entscheidungen ihre Lebenswelt betreffen und welche Bedeutung politische Beteiligung hat.

Historie

Nach einer Volksabstimmung im Jahr 1952 ging das Land Baden-Würt-temberg aus den damaligen Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern hervor.

Seither war die CDU stärkste Frak-tion und von 1953 bis 2011 immer

auch Regierungspartei. Von Allpar-teienkoalitionen mit SPD, FDP/DVP und BHE (Bund der Heimatvertriebe-nen und Entrechteten) bis 1960 über christlich-liberale und Große Koaliti-onen in den 70er und 90er Jahren bis hin zur Alleinregierung der CDU zwi-schen 1972 und 1992 hatte die CDU in Baden-Württemberg – insbesondere in

Oberschwaben und Franken - traditio-nell eine besondere Stellung.

Seit 1952 sind im Landtag zwischen drei und fünf Parteien vertreten: CDU, SPD und FDP/DVP seit Gründung des Landes, die Grünen seit 1980 und vor-übergehend die BHE (1952-64), die NPD (1968-72) und die Republikaner (1992-2001).

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Welche Parteien werden in den Landtag einziehen?

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Wahlsystem und Besonderheiten der Landtagswahl in Baden-Württemberg Das Wahlsystem in Baden-Würt-temberg zeichnet sich durch gewisse Besonderheiten aus und unterscheidet sich in einigen Punkten vom Wahlsys-tem des Bundestages. So ist in Baden-Württemberg wahlberechtigt und wählbar, wer das 18. Lebensjahr voll-endet, die deutsche Staatsangehörigkeit und seit mindestens drei Monaten sei-nen Hauptwohnsitz in diesem Bundes-land hat. Die Bewerber/innen müssen sich in einem der 70 Wahlkreise auf-stellen lassen. Neben der Erstkandida-tin bzw. dem Erstkandidaten stellt jede Partei für den Fall des vorzeitigen Aus-scheidens des Erstkandidatierenden auch eine Zweitkandidatin bzw. einen Zweitkandidaten auf. Die Wahl erfolgt nicht über eine Landesliste wie z.B. bei der Bundestagswahl, sondern stellt eine Mischung aus Persönlichkeits- und Verhältniswahl dar. Bei der Landtags-wahl hat die Wählerin bzw. der Wähler nur eine Stimme, die zweifach gewer-tet wird: Von den 120 Mandaten im Landtag werden 70 Direktmandate an alle Kandidat/inn/en vergeben, die im jeweiligen Wahlkreis die meisten Stim-men erhalten haben. Mit diesen soge-nannten Erstmandaten ist der Persön-lichkeitswahl in hohem Maße Genüge getan. Die Verteilung der restlichen 50 Mandate, den sogenannten Zweitman-daten, dient der Sicherstellung des Ver-hältniswahlrechts. Entsprechend dem Stimmenverhältnis der Parteien, die über 5% aller Stimmen erreicht haben, werden die Zweitmandate über Ver-hältnisrechnungen nach einem Höchst-zählverfahren (Sainte-Laguë/Sche-pers) auf der Ebene des Landes und der vier Regierungsbezirke vergeben.

Diese Mandate bekommen – abhängig von der Anzahl der Sitze, die eine Par-tei nach dem relativen StimmenanPar-teil erhält – all diejenigen Kandidat/inn/en, die gegenüber den anderen Bewerber/

inn/en ihrer Partei prozentual die meis-ten Stimmen im jeweiligen Regierungs-bezirk erhalten haben. Erreicht eine Partei in einem Regierungsbezirk mehr Erstmandate, als ihr nach der prozentu-alen Verteilung zustehen würden, wer-den diese „Überhangmandate“ durch

„Ausgleichsmandate“ wieder nach der Verhältnisrechnung weitgehend

austa-riert. So ergab sich bei der Landtags-wahl 2011 eine Gesamtzahl von 138 Landtagsabgeordneten.

Zu den Aufgaben des Landtags zäh-len die Kontrolle der Landesregie-rung, die Gesetzgebung sowie die Wahl des Ministerpräsidenten. Die Abge-ordneten des Landtags wählen aller-dings nicht nur die Ministerpräsiden-tin bzw. den Ministerpräsidenten, sie haben auch ein Mitspracherecht bei der Bestimmung der Minister/innen.

Das Parlament bestätigt die Minister/

innen, die die/der Ministerpräsident/

in ins Kabinett berufen hat. Ebenso ist es dem Parlament mit einer Zweidrit-telmehrheit möglich, die Entlassung einer Ministerin bzw. eines Ministers zu initiieren. Im März 2008 einigten sich die vier Fraktionen des Landtags auf grundlegende Änderungen für das Parlament. So wird der Landtag durch die Landtagsreform und die ab 2016 geltende sogenannte Unvereinbarkeit von Amt und Mandat zum Vollzeitpar-lament. Durch diese Neuregelung ist es den Abgeordneten nicht mehr mög-lich, neben ihrer Parlamentstätigkeit als Beamte/r oder im öffentlichen Dienst (z.B. als Lehrer/in, Bürgermeister/in oder Landrat/Landrätin) tätig zu sein.

Wahlergebnisse 2011

Insgesamt 7,6 Millionen Bürger/innen waren im Jahr 2011 zur Wahl aufgeru-fen. Teilgenommen haben 66,2% der Wähler/innen und somit ist die Wahl-beteiligung im Vergleich zur Wahl 2006 um 12,8% gestiegen.

Die Landtagswahl 2011 kennzeich-nete einen historischen Wendepunkt in Baden-Württemberg. Die CDU erreichte einen Stimmenanteil von 39%, die Grünen 24,2%, die SPD 23,1%

und die FDP/DVP 5,3%. Zum ersten Mal in der Geschichte Baden-Würt-tembergs reichte es der CDU weder zu einer absoluten Mehrheit noch war sie in der Lage, mit einem Koalitionspart-ner eine parlamentarische Mehrheit zu erreichen. Die Grünen legten um 12,5 Prozentpunkte zu und waren damit zweitstärkste Kraft im Land. So bilde-ten die Parteien Bündnis 90/ Die Grü-nen und die SPD die erste grün-rote Koalition in Baden-Württemberg mit Winfried Kretschmann als ersten grü-nen Ministerpräsidenten.

Nach fünf Jahren wird es nun im Wahl-kampf zur nächsten Landtagswahl am 13. März 2016 spannend. Die grün-rote Koalition kämpft in der Hoffnung auf eine zweite Legislaturperiode um die Gunst der Wähler, und die Oppositi-onsparteien wollen zurück an die Spit-ze, um die Regierung zu bilden und den Ministerpräsidenten zu stellen. Dabei müssen sie sich nun nicht nur gegen die Grünen und die SPD behaupten, son-dern auch gegen noch nicht im Land-tag vertretene Parteien, die Chancen auf den Einzug in den Landtag haben:

die Alternative für Deutschland (AfD) und Die Linke.

Wahlkampfphase 2015

Die Landtagswahl 2016 wird besonders interessant, da am Ende drei, vier, fünf oder gar sechs Parteien in den Landtag einziehen könnten.

Laut einer Umfrage des Meinungsfor-schungsinstituts Infratest dimap vom 03.12.2015 erlangt die CDU 37 und die Grünen kommen auf 25 Prozent. Die SPD liegt demnach mittlerweile bei 18 und die FDP bei 5 Prozent. Zum ersten Mal in den Landtag einziehen würde die AFD mit 8 Prozent, die Linke würde mit 4 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern (zu aktuelleren Prognosen: vgl.

http://www.landtagswahl-bw.de/wahl-prognose.html).

Nach dieser Wahlprognose wäre weder eine grün-rote Koalition möglich, noch würde es für eine Koalition aus CDU und FDP reichen. Jedoch sind Wahl-prognosen nur Momentaufnahmen.

Sie entsprechen in den meisten Fällen nicht den Ergebnissen der Wahlen, denn in den Monaten vor der Wahl ent-scheiden sich viele Wähler/innen doch

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Das Koalitionspuzzle wird 2016 vermutlich spannend

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für eine andere Partei oder entschlie-ßen sich kurzfristig zur Wahl zu gehen.

Möglich wäre demnach eine Koaliti-on aus CDU und Grünen. Wie realis-tisch das ist, bleibt abzuwarten. Sollte die CDU deutlich weniger Stimmen erhalten als bei der Wahl 2011, wäre ebenso eine Koalition aus Grünen, SPD und FDP eine potenzielle Opti-on. Auch eine Koalition aus CDU und SPD ist trotz des historisch niedrigen Wahlergebnisses der SPD nicht ausge-schlossen. Da die AfD als rechtspopu-listisch und fremdenfeindlich gilt, ist die Prognose ihres Stimmenanteils am schwierigsten. Sollte sie die Fünf-Pro-zent-Hürde überschreiten, wird jedoch aller Voraussicht nach keine Partei mit ihr koalieren. Letztendlich ist bei die-ser Wahl ausschlaggebend, wie viele der 7,8 Millionen Wähler/innen (davon sind 550.000 Erstwähler/innen) von ihrem Recht auf politische Beteiligung Gebrauch machen und zur Wahl gehen.

In den Monaten des Wahlkampfs in Baden-Württemberg stehen die The-men Wirtschaft, Flüchtlinge, Bildung, Energie und Umwelt und Infrastruktur im Vordergrund. Im Hinblick auf das noch zu erläuternde Planspiel, sollen hier in Kürze die diesbezüglichen Posi-tionen der im Landtag vertretenen Par-teien dargelegt werden:

In der Flüchtlingspolitik setzen die Grünen auf eine humane Politik, die das Asylrecht reformiert und klare Kri-terien für Einwanderung und Zugang zum Arbeitsmarkt schafft. Sie fordern die Abschaffung des Dublin-Abkom-mens (schreibt vor, dass ein Asylbe-werber in dem EU-Mitgliedstaat sei-nen Asylantrag stellen muss, in dem er den EU-Raum erstmals betreten hat) und stehen für die Verbesserung von Unterbringung, Betreuung und Integ-ration von Flüchtlingen (vgl. Die Grü-nen 2014). Auch die SPD spricht sich für ein modernes Zuwanderungsrecht aus, das durch Qualifizierungs- und Integrationsmaßnahmen Chancen für Zuwanderer schafft und transparente Arbeitsmigration zulässt.

Die Opposition aus CDU und FDP kritisiert die Politik der Landesregie-rung als chaotisch und setzt sich in der Flüchtlingspolitik für eine schnel-lere Rückführung von abgelehnten Asylbewerber/inne/n, bessere

Unter-stützung der Kommunen sowie mehr Personal für die öffentliche Sicherheit ein (vgl. http://www.suedkurier.de/

nachrichten/baden-wuerttemberg/

Opposition-glaubt-Kretschmann-nicht;art417930,8196609).

In der Bildungspolitik hat die Landes-regierung aus Grünen und SPD mit der Einführung der Gemeinschaftsschule eine neue Schulform geschaffen, die für das längere gemeinsame Lernen steht.

Mehr als 270 Gemeinschaftsschulen gibt es momentan im Land. Die Oppo-sition aus CDU und FDP setzt hinge-gen auf das dreigliedrige Schulsystem und kündigte an, bei einer Regierungs-beteiligung nach der Wahl keine neuen Gemeinschaftsschulen zu genehmigen, sondern sich auf die sogenannte diffe-renzierte Realschule zu konzentrieren.

In der Energiepolitik setzen Grüne und SPD auf den Ausbau erneuerbarer Energien durch Subventionen und den Einsatz umweltschonender Technolo-gien. Die CDU und die FDP setzen sich für die Versorgungssicherheit durch den Erhalt von Kohle- und Gaskraft-werken sowie die Förderung des tech-nologischen Fortschritts im Einklang mit dem Umweltschutz ein (vgl. http://

www.landtagswahl-bw.de/parteien_

uebersicht_ltw.html).

Beim Thema Infrastruktur setzt die SPD auf einen verstärkten Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel sowie den Ausbau des Straßennetzes. Außerdem will sie die digitale Infrastruktur

deut-lich verbessern (vgl. Grundsatzpro-gramm der SPD). Die Grünen möchten den Abbau umweltschädlicher Subven-tionen sowie die Besteuerung des Res-sourcenverbrauchs vorantreiben. Dar-über hinaus stehen sie für den Ausbau und die Förderung der öffentlichen Ver-kehrsmittel durch die öffentliche Hand.

Durch diese Maßnahmen und den Ausbau des Fahrrad- und Fußgänger-verkehrs sowie Fußgänger-verkehrsberuhigenden Maßnahmen wie Geschwindigkeitsbe-schränkungen sollen zukünftig Staus vermieden werden. Um Naturräume zu erhalten soll der Flächenverbrauch reduziert und die Zerschneidung der Landschaft durch neue Straßen verhin-dert werden (vgl. www.gruene-bw.de/

innovation-im-mittelpunkt/).

Für die CDU ist klar, dass Ausbau und Erneuerung der Straßen klaren Vor-rang vor dem Ausbau der Schienen-wege bekommen. Gegen Staus in den Städten und Ortschaften lautet die Devise: Mehr Umgehungsstraßen statt Tempolimits. Die ländlichen Gegen-den BaGegen-den-Württembergs müssen ihrer Ansicht nach zudem zukunfts-fähig gemacht werden. Daher hat der Ausbau von schnellem Internet höchs-te Priorität. Die FDP setzt sich für eine bessere Vernetzung von Auto-, Bahn-, Bus- und Fahrradverkehr ein. Dabei soll dem Ausbau öffentlicher Verkehrs-mittel jedoch kein Vorrang gegeben werden (vgl. http://taz.de/Wahlkampf-in-Baden-Wuerttemberg/!5213756/).

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Nicht nur das Landtagsgebäude wird umgebaut

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2. Unterrichtspraktische Umsetzung der Thematik: Planspiele zur Landtagswahl