Ausdrücklich Hochachtung
Die erste Presseveröffentlichung über ein im Bundesarbeitsmini- sterium geplantes Gespräch zum Thema „Kostenentwicklung in der sozialen Krankenversi- cherung" fand auch gleich im Deutschen Bundestag eine posi- tive Resonanz. So lobte der
FDP-Bundestagsabgeordnete Hansheinrich Schmidt (Kemp- ten) bei der Bundestagsaus- sprache über das „Sozialbud- get" der Bundesregierung am 16. Januar die Initiative der Ärz- teschaft. Er möchte, so sagte er wörtlich, „ausdrücklich Hoch- achtung davor haben, daß sich hier einmal eine Gruppe, die zu den großen Gruppen gehört, die in der Krankenversicherung Ko- sten verursachen, aus Eigenem
heraus Gedanken darüber macht, wie man den in der Krankenversicherung sich zei- genden Kostenentwicklungen gegebenenfalls entgegensteu- ern oder sie zumindest in einem Rahmen halten kann. Ich begrü- ße diese Erklärung ausdrücklich und kann nur hoffen, daß sich andere Grupppen, andere an diesem Topf ‚Krankenversiche- rung' Beteiligte mit ähnlichen Gedanken befassen, einschließ- lich der Überprüfung, ob alles, was im Krankenhausbereich an Kosten anläuft, wirklich anlau- fen muß oder ob man da nicht auch manches nicht mehr unter dem Stichwort ,gesundheitspoli- tisch, pflegerisch usw. notwen- dig' einrechnen muß."
Die Information:
Bericht und Meinung
Kostenentwicklung in der sozialen Krankenversicherung
vom Bundesarbeitsminister erklärt, daß von seiten seines Hauses kei- ne Gesetze vorgelegt würden, die zu Kostensteigerungen führen könnten. Er erklärte außerdem, daß mit den anderen betroffenen Orga- nisationen und Gruppen (zum Bei- spiel Krankenhausträgern und phar- mazeutischer Industrie), die an die- sem Gespräch am 24. Januar nicht beteiligt waren, in allernächster Zukunft Beratungen im glei- chen Sinne aufgenommen wer- den. Es wurde unterstrichen, daß nur bei gleichsinnigem Verhal- ten aller und bei gleichsinnigem Einwirken aller Erfolge erwartet werden können; in dieser Richtung sollen die Gespräche fortgesetzt werden.
Die Zeit hat natürlich bei dem er- sten Gespräch nicht ausgereicht, um die vielfachen Ursachen der Kostenentwicklung zu analysieren, die ja -- wie ein Blick in die Stati- stik seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges aufzeigt — keineswegs ein einmaliges Phänomen der jüng- sten Vergangenheit ist, sondern im
Augenblick mehr oder weniger auch als eine Art publizistisches Phänomen betrachtet werden kann, dessen Ursachen keineswegs ein- heitlich sind und das eine fast un- wirkliche Katastrophenstimmung erzeugt hat. Aber wenigstens wur- den doch die Hauptursachen ange- sprochen: der Mitgliederzuwachs, der Abbau von Leistungsbarrieren und der Ausbau der Leistungen der Krankenversicherung in Richtung einer Gesundheitssicherung, die ungünstige Entwicklung der Alters- struktur des Versichertenkreises, die dadurch verursachten und ver- mutlich noch weiter steigenden Ko- sten der Krankenversicherung der Rentner, das Konsumverhalten des Versicherten und seiner Familien- angehörigen, die Auswirkungen der Gesundheitspropaganda und die mit dieser Propaganda keines- wegs im Einklang stehende Le- bensweise vieler Menschen.
> Selbstverständlich mußte be- sonders betont werden, welche fast als zentral zu bezeichnende Rolle der Entwicklung der Krankenhaus-
pflegekosten in dem Mosaikbild der Ursachen für die jüngsten Ko- stensteigerungen zukommt. Auch die Rolle des steigenden Anteils der Ausgaben für Arzneimittel wur- de nicht vergessen.
Fortsetzung der Gespräche:
Prüfstein für die Ehrlichkeit des Bestrebens aller
Die Zukunft mit ihren sicher not- wendigen mehrfachen Verhandlun- gen zwischen allen an der Durch- führung der sozialen Krankenversi- cherung Beteiligten wird zeigen müssen, ob die allgemein gute At- mosphäre des Gesprächs beim Bundesarbeitsminister, die nur durch ganz wenige emotionelle Diskussionsbemerkungen gestört wurde, sich erhalten läßt oder ob sich — was die Ärzteschaft nur be- dauern könnte — letztlich doch herausstellt, daß es wieder auf die gegen die Ärzteschaft gerichteten allgemeinen Vorwürfe hinausläuft,
— wie „doppelte Dynamisierung",
„mangelnde Effizienz des deut- schen Gesundheitswesens", „zu häufige Attestierung der Arbeitsun- fähigkeitsbescheinigung", „zu häu- fige Krankenhauseinweisung", „ex- orbitant gewachsene Umsätze" (na- türlich wieder falsch als „Ein- kommen" bezeichnet), „Veranlas- sung von Doppel- und Dreifachlei- stungen", und was wir in der Ver- gangenheit noch alles mehr gehört haben.
> Wie gesagt, müßte die Ärzte- schaft — als diejenige Gruppe, die die Initiative ergriffen hat, alle Part- ner der Träger der sozialen Kran- kenversicherung zu einem kosten- dämpfenden Verhalten aufzufor- dern — es bedauern, wenn die kommenden Gespräche doch wie- der „Schlagseite" in die angedeu- teten Richtungen bekommen wür- den. Insofern stellt die Fortsetzung einen Prüfstein für die Ehrlichkeit des Bestrebens aller dar, von der auf manchen Seiten geübten Poli- tik des „Anklägers der anderen"
abzurücken und ein partnerschaft- liches Verhältnis in gegenseitiger Anerkennung und Achtung zu prak- tizieren. DÄ
312 Heft 6 vom 6. Februar 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT