Kooperation und Verantwortung in der Versorgung:
Anforderungen an die Reform des
Psychotherapeutengesetzes aus unterschiedlichen Perspektiven
BPtK-Fachtagung
Berlin, 22. März 2018
CHRISTIAN KIESER DGPPN-VORSTAND
Agenda
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1. Ausgangslage
2. Versorgungssystem
3. Herausforderungen für die Zukunft
Ausgangslage I
§ Die Prävalenz psychischer Erkrankungen hat nicht zugenommen, aber die Inanspruchnahme psychiatrischer, psychosomatischer und
psychotherapeutischer Leistungen nimmt zu (DEGS, Mack et al. 2014, RKI, Rattay et al. 2013)
§ Bettenzahlen im stationären Bereich nehmen seit 2008 wieder zu
(Statistisches Bundesamt, 2015)
§ Die Anzahl der Fachärzte und Psychotherapeuten nimmt zu
(Statistische Information Bundesarztregister, 2015)
§ Die Verteilung von Fachärzten für Psychotherapie, Psychosomatik sowie ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten weist große regionale Unterschied auf (Bertelsmann Stiftung, 2015)
§ Psychotherapeutische Behandlung:
Patienten mit substanzbedingten Störungen, dementiellen Syndromen
und Schizophrenien kaum, schwer psychisch Kranke ca. 30% (KBV-Auswertung, 2014)
Ambulante Leistungs-
erbringer
Akut-
Kliniken Reha-
einrichtungen Komplement.
Bereich Wechselnde Leistungsträger
Beziehungs- und Behandlungsabbrüche Ausgangslage II
Zersplittertes Versorgungs- und
Finanzierungssystem
Ausgangslage III
Zersplittertes Versorgungs- und Finanzierungssystem
Hausarzt – SGB V
Psychologischer Psychotherapeu t – SGB V
Ärztlicher
Psychotherapeu t – SGB V
Tagesklinik – SGB V
Psychiatrische Klinik – SGB V
Institutsambulanz SGB V
Ambulante Pflege – SGB V
Soziotherapie – SGB V
Kontakt- u.
Beratungsstellen
Betreutes Wohnen,
Einzelfallhilfe - SGB XII
Beschäftigung, Tagesstätten, Zuverdienst – SGB XII
Sozialpsychiatrischer Dienst
Rehaklinik SGB VI Ambulante
Rehabilitation – SGB V & VI
Niedergelassener Psychiater – SGB V
Berufliche Reha - SGB IX
Bild: Shutterstock (Anatoly Maslennikov)
Niedergelassene Fachärzte – SGB V
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1. Ausgangslage
2. Versorgungssystem
3. Herausforderungen für die Zukunft
Organisation regionaler Versorgung
geringer Bedarf höherer Bedarf hoher komplexer Bedarf
Vertragsärzte/
Psychotherapeuten Vertragsärzte/
Psychotherapeuten
Vertragsärzte/
Psychotherapeuten
Vertragsärzte/
Psychotherapeuten Psychiatrische
Institutsambulanz
Tagesklinik
Stationäre Behandlung Medizinische u.
Berufliche Rehabilitation
Betreutes Wohnen
Komplexe Hilfen Einzelfallhilfe
Tages- Strukturierende
Maßnahmen Ambulante Pflege/
Soziotherapie
Stations- äquivalente Behandlung
Agenda
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1. Epidemiologie psychischer Erkrankungen 2. Versorgungssystem
3. Herausforderungen für die Zukunft
Herausforderungen
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Verantwortung – regionale Versorgungsperspektive
Kooperation – Koordination – Steuerung
Qualität
Regionale Verantwortung
Patient im Mittelpunkt
Gemeinsame umfassende Verantwortung für psychisch kranke Menschen der Region
Behandlung auch schwer oder über lange Zeit psychisch kranker Patienten
Komplexe Hilfebedarfe erfordern komplexe Antworten
Ambulanter und stationärer und komplementärer Bereich beteiligen sich an regionaler Versorgungsverpflichtung
Komplexe Systeme erfordern intelligente Steuerung
Koordination Ärzte – Psych. Psychotherapeuten am Beispiel Klinik EvB Potsdam
Station und Tagesklinik
§ Multiprofessionelles Team
§ Leitung und Verantwortung durch Oberarzt mit Facharztqualifikation für Psychiatrie und Psychotherapie
§ Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten fallführende Behandler
§ Tandem (Arzt bzw. Psych. Psychotherapeut + Bezugspflege)
§ Somatische Diagnostik und Psychopharmakotherapie durch ärztliche Kollegen
§ Psychiatrische Diagnostik in Abstimmung mit Arzt
Koordination Ärzte – Psych. Psychotherapeuten am Beispiel Klinik EvB Potsdam
PIA
§ Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten fallführende Behandler
§ 1 x / Quartal Vorstellung beim Arzt
§ 1 x / Quartal Vorstellung des Pat. der Oberärztin
§ bei somatischen Fragestellungen und Psychopharmakotherapie sofortige Vorstellung beim Arzt
Kompetenzen Psych. Psychotherapeuten am Beispiel Klinik EvB Potsdam
§ Fallführende Behandlung
o Psychiatrische Anamnese und Diagnostik o Planung der multimodalen Behandlung
o Koordination der unterschiedlichen Berufsgruppen o Netzwerkarbeit
o Entlassung und Nachsorge
§ Expertise in der Behandlung
o akut psychisch kranke Patienten o schwer psychisch kranke Patienten
o Patienten, die über lange Zeit an ihrer Erkrankung leiden
§ Handlungskompetenz im Umgang mit Not- und Akutsituationen
§ Kenntnisse über Wirkung und Nebenwirkungen von Psychopharmaka
§ Kenntnisse der psychosozialen Landschaft der Region
§ Mitarbeit in Gremien
Koordination Ärzte und Psych. Psychotherapeuten ambulanter Bereich
Bisher zu wenig Informationsaustausch zwischen Psychotherapeuten und Ärzten:
§ Notwendige Aspekte zur Zusammenarbeit bei der Behandlung von gemeinsamen Patienten:
o strukturierter Informationsaustausch
o Übermittlung von Verlaufsberichten an Ärzte
Weitere Probleme in der Kooperation:
§ Teilweise ablehnende Haltung gegenüber psychiatrischer Behandlung, insbesondere Pharmakotherapie
§ Empfehlung pharmakotherapeutische Maßnahmen ohne ausreichende medizinische Kenntnisse
Fallbeispiel Frau K.
35-jährige Patientin
§ Borderline-Störung, seit 15 Jahren krank
§ polyvalenter Substanzkonsum
§ Selbstverletzungen,
§ suizidale Krisen
§ Insulinpflichtiger Diabetes mellitus
§ Partner alkoholabhängig
§ Zwei Kinder
§ ALG II
Hausarzt Haus-
krankenpflege Jugend-
amt
Familien- beratung
Gesetzliche Betreuerin Psychiatrische
Instituts- ambulanz
Psycho- therapeutin Stationäre
Krisen- intervention
Betreutes Einzel- wohnen
Sozial-
psychiatrischer Dienst
Netzwerkkonferenzen
> 3 Jahren
§ kein Substanzkonsum
§ selten Selbstverletzungen
§ selten suizidale Krisen
§ Diabetes mellitus behandelt
§ Berufsausbildung begonnen
§ Partner abstinent, berufstätig
§ Zwei Kinder, (noch) in Pflegefamilie
Zukunftskonzept
Sekundär- versorgung
Primär- versorgung
Prävention Palliativ/Hospiz Pflege Arzneimittelversorgung Stationäre/
teilstationäre Versorgung
Versicherte Population
Populationsorientiert und sektorenübergreifend
Gutachten des Sachverständigenrats (2009)
Vielen Dank
Modellstudiengang § 26
„Feststellung, Verordnung und Überprüfung von psychopharmakologischen Maßnahmen“ setzen voraus:
§ Umfassendes medizinisches Wissen (Biochemie Physiologie, Innere Medizin, Neurologie, anderer Fachdisziplinen)
§ Pharmakologie, Pharmakokinetik und -dynamik
§ Interaktionen bei Polypharmazie
§ Berücksichtigung von somatischen Erkrankungen
§ Indikationsstellung für somatische Diagnostik und Interpretation der Befunde (Labor, Bildgebung, Liquor, etc.)
§ Bewertung: Kompetenzen lassen sich nicht durch Mini-Medizinstudium vermitteln, Gefährdung der Arzneimittel- und Patientensicherheit
§ Fazit: Modellstudiengang ersatzlos streichen