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Stöckli, B. (1993). Ruhe nach dem Sturm? Ökosystemforschung auf Sturmschadenflächen. Argumente aus der Forschung, 5, 13-21.

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Academic year: 2022

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ARGUMENTE

AUS D E R FORSCHUNG

FACHBEREICH WISSENSCHAFT­

LICHE DIENSTE Ruhe nach dem Sturm?

Oekosystemforschung auf Sturmschaden­

flächen

Gruppe Vegetation und Waldreservate Beniamin Stöckli

Der Orkan Vivian hat viele Bäume im Schweizer Wald entwurzelt. Die Aufräumarbeiten und der Transport des Sturmholzes kosten oft mehr, als für das Holz bezahlt wird. Aus Furcht, dass sich Borkenkäfer in den ge­

worfenen Bäumen massenhaft vermehren könnten und den Wald dann zusätzlich in Gefahr bringen, wurde trotzdem aufgeräumt. Viele kahlgefegte Waldpartien sind inzwischen bereits mit jungen Bäumen bepflanzt worden. Auf zwanzig verwüsteten Waldstücken liess man aber alles so liegen, wie der Wind es hingeworfen hat. Dort untersuchen Wissenschafter von der Eidge­

nössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, wie die Natur nach einer Katastrophe das Gleichgewicht alleine wiederfindet.

Orkane wie Vivian sind keine seltenen Ereig­

nisse. Immer wieder reissen Stürme Lücken in unsere Wälder. Letzten Sommer zerstörten hef­

tige Gewitterböen im Mittelland grosse Waldge­

biete. Bäume ohne Kronen, umgestürzte oder zersplitterte Stämme hat das Unwetter auch diesmal hinterlassen.

Wiederbewaldung von Sturmschadenflächen

Bisher wurden die meisten Sturmschadenflä­

chen unter grossem Einsatz geräumt. Waldarbei­

ter sind wochenlang damit beschäftigt, ver­

letzte Bäume zu fällen, zu entasten und abzu­

transportieren - keine ungefährliche Arbeit, denn ein gesplitterter Baum verhält sich oft unberechenbar. Wo es keine Wege gibt, werden mobile Seilkrananlagen oder sogar Helikopter eingesetzt. Sind die Flächen einmal geräumt, werden etwa drei Jahre alte Bäumchen ange­

pflanzt. Die Sanierung der Sturmschadenflächen

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ARGUMENTE

AUS D ER F ORSCHUNG

Die obersten Bäume dieser Sturmschadenfläche im Tritttal liegen auf 1400 Meter ü. M.

und sind erst nach längerem Marsch zu erreichen. Die Kraft­

werke Oberhasli AG ermöglicht es den Forschern, ihre Geräte per Seilbahn in die Höhe zu bringen.

wird zum grossen Teil von der Öffentlichkeit subventioniert.

■Die natürliche Verjüngung des Waldes auf nicht geräumten Sturmschadenflächen wäre eine Alternative. Einiges spricht dafür. Das lie­

gengelassene Sturmholz belastet den strapa­

zierten Holzmarkt nicht noch zusätzlich. Die Waldbesitzer müssten keine Einbussen wegen ho­

her Holzbringungskosten und tiefer Erlöse aus dem Holzverkauf befürchten. Darüber hinaus sind Bäume, die aus natürlicher Ansamung her-

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ARGUMENTE

AUS DE R F ORSC HUNG

Die Forscher untersuchen zum Vergleich auch besondere Si­

tuationen wie auf der T eilflä­

che 2 im Grappliwald am Ober­

see, wo das Holz zwar zersägt und entastet, aber nicht ab­

transportiert wurde, weil der Abtransport per Seilbahn zu aufwendig gewesen wäre.

vorgegangen sind, an die Tücken ihrer Umwelt besser angepasst und widerstandsfähiger als Jungpflanzen aus Baumschulen. Dem halten Kri­

tiker der Naturverjüngung entgegen, dass sich der Keimling in der Baumschule geschützt opti­

mal entwickeln kann und die kleinen Bäume be­

reits einen mehrjährigen Wachstumsvorsprung haben, wenn sie gepflanzt werden. Die Wieder­

bewaldung gehe demnach rascher voran. Anderer­

seits muss die Natur für ihre Bemühungen nicht bezahlt werden.

Obwohl einige Waldbesitzer schon Erfahrungen mit der Wiederbewaldung von Sturmschadenflä­

chen haben und mit wenig Aufwand stabile Wäl­

der begründen, ist es noch eine Glaubensfrage, welche Strategie die bessere ist. Genaue Un-•

tersuchungen fehlen hier. Bis jetzt wurde auch erst in wenigen Fällen auf grösseren Flächen alles Holz liegengelassen. Für eine optimale Wiederbewaldung ist es aber wichtig zu wissen, welchen Einfluss liegengelassenes Holz auf die Keimung und Verjüngung der Bäume hat und auf welche Weise die natürliche Regeneration der Wälder vor sich geht. Dies wollen die Wissen-

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ARGUMENTE

AUS D E R F ORSC HUNG

Umgeworfene Bäume bilden unterschiedlichste Nischen, die vielen Pflanzen und Tieren

Lebensraum bieten.

schafter von der Eidgenössischen Forschungsan­

stalt für Wald, Schnee und Landschaft heraus­

finden.

Was passiert, wenn Holz liegen bleibt?

Welchen Einfluss das liegengelassene Holz auf den Wald und seine Lebewesen hat, interes­

siert die Wissenschafter aber noch genauer. Im natürlichen Lebensrhythmus eines Waldes ist der Tod einzelner Individuen ganz selbstver­

ständlich Vorläufer für neues Leben. Abgestor­

bene Lebewesen bleiben im Wald liegen und die­

nen einer reichen Tier- und Pflanzengemein­

schaft als Lebensraum und Nahrungsbasis.

zunächst wollen die Forscher beschreiben, wie sich das Sturmholz im Laufe der Zeit ver­

ändert: Am Anfang ist es noch grün, dann

trocknet es aus, die Rinde blättert ab, bis es dann morsch wird und zerfällt. Parallel zu diesen Beobachtungen halten die Forscher die Entwicklung der Vegetation fest. Besondere Aufmerksamkeit wird auch der Vermehrung und Ausbreitung von Borkenkäfern geschenkt.

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ARGUMENTE

AUS DE R F ORSCHUNG

Im Schutz umgeworfener Bäu­

me gedeihen Jungpflanzen auf abgestorbenen, vermoderten Holzstücken prächtig. Das Wild kann die Knospen der versteck­

ten Bäumchen nicht abfressen.

Das vermodernde Holz bietet je nach Zustand Insekten, Pilzen und Pflanzen, auch Baumkeim­

lingen, die unterschiedlichsten Lebensräume.

In einem späten Stadium, wenn das Holz weit­

gehend zerfallen ist, reichert es den Boden mit Nährstoffen an.

Liegengebliebenes Holz verändert auch das Mikroklima am Standort. Die herumliegenden

Stämme, Wipfel und Äste bieten Schatten, mil­

dern austrocknende Winde und schützen vor Frost. Gerade Baumkeimlinge finden hier gute Bedingungen vor. Bleiben ganze Bäume verkeilt ineinander liegen, so bilden sie einen natür­

lichen Schutz vor Lawinen und Rutschungen.

Der Wald besteht nicht nur aus Holz

Der Sturm hat nicht nur Bäume durcheinander­

geworfen, sondern die Lebenswelt aller Orga­

nismen im Wald verändert. Wildwechsel und Was­

serläufe wurden unterbrochen, Schlafplätze sind zerstört und Höhlen abgedeckt. Für viele Pflanzen wird das überleben in der veränderten

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

Umgebung unmöglich: Wurzelteller trocknen aus und auf Schatten angewiesene Gräser stehen plötzlich in der Sonne. Die freien Plätze wer­

den allerdings rasch von neuem Leben besie­

delt. Die Umstellungen als Ganzes brauchen aber längere Zeit und können nur durch genaue, systematische und regelmässige Beobachtungen erfasst werden. Dabei ist es äusserst wichtig, dass sich dieselben Wissenschafter immer wie­

der mit dem gleichen Objekt beschäftigen, da bei guter Beobachtungsgabe vieles im Gedächt­

nis haften bleibt, was zunächst nicht als in­

teressant angesehen und deshalb nicht notiert worden ist. Oft lassen sich erst im Verlaufe längerer Beobachtungen grundlegende zusammen­

hänge erkennen. Das Erfassen der Tierwelt so­

wie des Zusammenwirkens der Tiere und Pflanzen braucht Ruhe und Einsamkeit. Zuviele Wissen­

schafter auf einer Versuchsfläche stören die Tiere und zertreten den Waldboden. Sind nur wenige Menschen am gleichen Ort intensiv be­

schäftigt, können Veränderungen durch den Un­

tersuchungsbetrieb noch als solche erkannt werden.

Wiederbewaldung auf Sturmschadenflächen - ein Projekt braucht viele Helfer

Das Projekt läuft jetzt seit knapp zwei Jahren. An seiner Planung und Durchführung sind eine Reihe von Partnern beteiligt. Dank dem Einverständnis der Waldbesitzer mit diesen Versuchsflächen und ihrem mutigen Entscheid, nichts zu verändern, konnten die Untersuch­

ungen überhaupt erst in Angriff genommen wer­

den. Die Wissenschafter der WSL werden zudem

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ARGUMENTE

AUS DE R F ORSCHUNG

Junge Bäume und Pflanzen sind den unterschiedlichsten Bedingungen ausgesetzt, je nachdem, ob sie auf einer kahlen Fläche oder im Wald aufwachsen:

A) Auf einer freien Fläche, wie zum Beispiel auf einer Bestan­

deslücke nach einem Holz­

schlag, fällt direktes Sonnen­

licht während Stunden unun­

terbrochen und ungehindert auf den Boden. Es herrschen am Mittag hohe Temperaturen.

Das Licht fördert das Wachs­

tum, doch gleichzeitig trocknet die Hitze den Boden und die Pflanzen aus. Das Licht kann darum nur zum Teil für das Wachstum genutzt werden.

B) Im Bestandesinneren hinge­

gen ist das Lichtangebot stark reduziert. Ein feines Mosaik von direktem Sonnenschein wandert den ganzen Tag über den Boden. Viele Stellen erhal­

ten auch nie direkte Sonnenein­

strahlung. Das Angebot an indirektem, diffusem Licht ist wichtiger. In einem Laubwald ist im Frühling die Einstrahlung auf den Boden höher als nach dem Laubausbruch.

C) In einer Windwurffläche mit liegengelassenen Bäumen sind die Verhältnisse in den ersten Jahren ähnlich wie im Bestand, da die Äste die Nadeln noch einige Zeit behalten. Mit der Zeit fallen nicht nur die Nadeln, sondern auch kleinere Äste ab.

Dann werfen nur noch die Stämme grosse Schatten­

flecken auf den Boden, die sich im Verlauf des Tages umso weniger verschieben, je näher die Stämme am Boden sind.

Auch die Steilheit und die Ausrichtung des Geländes beeinflussen das Wachstum der jungen Bäume und anderer Pflanzen.

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ARGUMENTE

AUS D E R F ORSC HUN G

Am Projekt beteiligte Waldbesitzer und Forstdienste:

- Alpkorporation Selun

- Oberallmeind-Korporation Schwyz - Ziegenzuchtgenossenschaft Meiringen - Kreisalpenkorporation Krummenau-Nesslau - Alpkorporation lltios

- Stiftung "Zentrum der Einheit" Schweibenalp - Schweizerischer Bund für Naturschutz - Tagwen Näfels

- Privatwaldbesitzer: Erbengemeinschaft Kehrli und Herren W. Kehrli, H. Jungen, F. Jungen, U. Grossen

- Gemeinden: Buchs, Alt St. Johann, Krummenau, Stechelberg, Gad­

men, Frutigen, Brienz, Näfels, Disentis, Schwanden, Obersaxen, Trun - Kantone: St. Gallen, Bern, Graubünden, Glarus und Schwyz

Die Kraftwerke Oberhasli AG unterstützte die Arbeiten auf der Ver­

suchsfläche Trifttal.

von den jeweiligen Gemeinden und Forstämtern, der ETH und der Eidgenössischen Forstdirektion sowie zwei Diplomanden der Universität Bern unterstützt.

Mit den einzelnen Waldbesitzern wurden lang­

fristige Verträge abgeschlossen. Sie konnten zum Teil mit Subventionen, die für die Behe­

bung der Sturmschäden vorgesehen sind, ent­

schädigt werden . Den grössten Teil der Pro­

jektkosten trägt allerdings die Eidgenössische Forstdirektion in Bern.

Die Ergebnisse des Projektes sollen nicht nur in wissenschaftlichen Studien festgehalten und in den Archiven der Forscher abgelegt wer­

den. Im Erfahrungsaustausch mit Waldeigentü­

mern, Förstern und Naturschützern wollen die Wissenschafter ihre Erkenntnisse weitergeben.

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ABGU IVI ENTE

A U S D E R F ORSCH U NG

Sturmschadenforschung Schweiz

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Projekt Dauerbeobachtung von Sturmschadenflächen Im Gebirgswald

.Ä. ab 1 991/92 bearbeitete Objekte 6-ab 1 993 zugesicherte, zusätzliche Objekte Objekte des Rahmenprojektes Schadenflächen mit Massnahmen

Auch Künstler lassen sich zur Zeit vorn Thema Natur und Naturgewalten anregen. Bilder könn­

ten helfen, die Schönheiten und die urtümliche Kraft eines wild durcheinandergeworfenen Wal­

des für viele Menschen verständlich und er­

kennbar zu· machen. Die neuartige Bewältigung von Naturkatastrophen erfordert eine intensive gedankliche und gesellschaftliche Auseinander­

setzung. Interessierten wird auf Exkursionen die Gelegenheit geboten, sich über den Stand der Untersuchungen zu informieren . Die Ver­

suchsflächen werden auch noch nach Jahrzehnten Waldeigentümern, Förstern und Naturschützern die Unterschiede zwischen verschiedenen Stra­

tegien der Wiederbewaldung vor Augen führen.

Benjamin Stöckli, dipl. Forstingenieur ETH, leitet die forstwissenschaftlichen Arbeiten für das Projekt "Dauer­

beobachtung von Sturmschadenflächen im Gebirgswald". Er ist Mitarbeiter der Gruppe "Vegetation und Waldreservate" unter der Führung von Dr. Nino Kuhn an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in Birmensdorf.

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