ARGUMENTE
AUS DER FORSCHUNG
Zum Beispiel
Madagaskar
Nützen und Schützen natürlicher Ressourcen
Ulrike Bleistein Medien und Information
Ein Transfer europäischen Wissens kann die Probleme der Entwicklungsländer nicht lösen. Notwendig sind vor allem die Erfahrungen und Ideen einheimischer Exper
ten. Rodolphe Schlaepter, Direktor der WSL und Profes
sor für Forstwissenschaften an der ETH, will mit der Ausbildung torstwissenschaftlicher Studenten an der Universität Antananarivo In Madagaskar einheimische Fachleute unterstützen, wissenschaftliche Kenntnisse und Methoden bei der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen anzuwenden.
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Ein Velo muss dem Förster in Miarinarivo genügen, um sein Revier zu besuchen, das mit 500'000 Hektar fast so gross wie der ganze Kanton Bern ist. Zum Vergleich: In derSchweiz, wo die Probleme des Waldes weniger schwerwiegend als in Madagaskar sind, betreuen mehr als eineinhalbtausend Förster und Forst
ingenieure eine Waldfläche von etwa einer Mil
iion Hektar. Die geringe Zahl an Forstleuten erschwert die Erhaltung und die Bewirtschaf
tung der Wälder Madagaskars ganz entscheidend, weshalb die Aus- und Weiterbildung des Forst
dienstes heute einen hohen Stellenwert hat.
Reicht das Holz für alle?
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Holz ist die wichtigste Energiequelle Madagaskars und anders als in der Schweiz ein knapper Rohstoff. Für teure Erdölimporte feh
len den Madegassen die Devisen, denn Madagas
kar ist eines der ärmsten Länder der Erde.
Allein für die Energieversorgung der Haupt
stadt Antananarivo, in der etwa eine Million Menschen leben, werd�n immense Holzmengen benötigt. Eine Nutzungsplanung im Sinne der nachhaltigen Forstwirtschaft gibt es aller
dings noch nicht, so dass die Eukalyptuswälder in der Nähe der Hauptstadt, die den grössten
ARGUMENTE
AUS DER FORSCHUNG
Eukalyptus
Der Eukalyptus stammt aus Australien und wird seit Be
ginn des Jahrhunderts in Madagaskar angepflanzt, ursprünglich um Brennholz und Holzkohle für die Dampf
lokomotiven zu gewinnen.
Von 1920 -1960 forstete die damalige Kolonialverwaltung 300'000 ha mit Eukalyptus auf. Häufigste Art ist Euca
lyptus robusta. Heute werden nicht nur Eukalyptushoch
wälder, sondern auch Nieder
wälder genutzt, in denen die Waldbesitzer regelmässig Stockausschläge schneiden und Baumstümpfe stehen
lassen. Eukalyptusniederwälder sind die wichtigste Quelle für Brennholz in der Nähe der Hauptstadt Antananarivo: Die Stockausschläge werden zur Zeit etwa alle drei Jahre geschnitten, während die Baumstümpfe ste
henbleiben.
Teil des Holzes liefern, immer weiter zurück
gedrängt werden. Die Überlegung, dass der Wald keine unerschöpfliche Ressource ist, beginnt sich bei den Verantwortlichen aber langsam durchzusetzen.
■In den letzten dreissig Jahren hat, wie Satellitenbilder zeigen, die Waldfläche in Madagaskar fast um die Hälfte abgenommen.
Waren 1960 noch fast 17 Millionen Hektar mit Wald bedeckt, sind es heute weniger als 10 Millionen. Hauptursache des Waldschwundes ist
die landwirtschaftliche Anbaumethode: Der Wan
derfeldbau mit Brandrodung vernichtet jedes Jahr 2001000 Hektar Wald. Verstärkt wird die
ser Druck auf den Wald durch die rapide zuneh
mende Bevölkerung; mit nahezu drei Prozent pro Jahr gehört Madagaskar zu den Ländern mit dem höchsten Bevölkerungswachstum. Noch lebt der überwiegende Teil der Madegassen auf dem Land, aber Jahr für Jahr ziehen Menschen in der
Hoffnung auf bessere Lebensverhältnisse in die
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ARGUMENTE
AUS DER FORSCHUNG
Madagaskar im Uberblick Hauptstadt Antananarivo Fläche: 587 041 km2 Bevölkerung: 11 ,3 Millionen (Indonesier, Afrikaner und Araber); 85 % leben auf dem Land; 46 % sind jünger als 15 Jahre
Wirtschaft. Madagaskar ge
hört mit 220 $ Einkommen pro Kopf und Jahr zu den ärmsten Ländern der Welt.
Wichtigste Anbauprodukte sind Reis, andere Grundnah
rungsmittel, Kaffee und Ge
würze. 70 % der Devisen werden mit dem Verkauf von Kaffee, Vanille und Gewürz
nelken erwirtschaftet.
Natur. Madagaskar.verfügt als seit langer Zeit isolierte Insel über eine einzigartige Flora und Fauna. Ein bekann
tes Beispiel sind die Lemuren, Affen, die nur auf Madagas
kar vorkommen.
Hauptstadt, deren Bevölkerung jährlich um fünf Prozent zunimmt.
Nachhaltigkeit - eine Chance für den Wald?
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Nachdem Rodolphe Schlaepfer 1983 von der Schweizer Entwicklungshilfeorganisation Intercooperation um Mitarbeit bei der Ausbildung von Forstleuten gebeten wurde, bot er zunächst an der Universität Antananarivo ein Seminar über die Planung von Waldbeständen an. Bereits nach zwei Jahren erweiterte er aber das Thema des Seminars, weil sich forstwissenschaftliche Probleme nicht isoliert betrachten lassen, und er unterrichtet heute die Studenten in der Planung natürlicher Ressourcen. Mittlerweile betreut Rodolphe Schlaepfer auch noch madegas
sische Doktoranden und Diplomanden. Mit Honore Randrianjafy, einem seiner Doktoranden, griff
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ABGUMENTE
AUS DER FORSCHUNG
Rodolphe Schlaepfer das akute Problem der Energieversorgung Antananarivos auf. Honore Randrianjafy wollte wissen, inwieweit einer
seits in der Gegend von Antanarivo genug Holz für die Bevölkerung bereitgestellt und ande
rerseits die Eukalyptuswälder erhalten werden können.
■Keine einfach zu beantwortende Frage, denn die Bewirtschaftungsweise wird von vielen Bedingungen bestimmt, die Honore Randrianjafy erst einmal analysieren musste: Neben sozia
len, ökonomischen und kulturellen Faktoren untersuchte er auch die Wachstumsbedingungen und den Zuwachs der Eukalyptusbäume. Honore Randrianjafy brachte neben seinen forstwissen-
...
Honort� Randrianjafy und seine Gruppe messen den Zu
wachs der Stockausschläge in den Eukalyptusniederwäldern: Die ergiebigsten Eukalyptusbäume in Madagaskar produzieren jährlich nur etwa 25 Kubikmeter Holz pro Hektar im Gegensatz zu anderen Ländern der Erde, wo bis zu 45 Kubikmeter erzielt werden.
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ARGUMENTE
AUS DER FORSCHUNG
schaftlichen Wissen vor allem seine Kenntnisse der madegassischen Gesellschaft in das Projekt ein, während Rodolphe Schlaepfer ihn bei Ent
wurf und Durchführung seiner Arbeit und vor allem auch bei den Zuwachsuntersuchungen un
terstützen konnte, Untersuchungen, mit denen wir in der Schweiz viel Erfahrung besitzen.
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Dass der aus Australien stammende Eukalyptus mit den klimatischen und geologischen Verhältnissen Madagaskars gut zurechtkommt, konnte Honore Randrianjafy bestätigen. Allerdings produzieren die ergiebigsten Eukalyptusbäume in Madagaskar jährlich nur etwa 25 Kubikmeter Holz pro Hektar im Gegensatz zu anderen Län
dern der Erde, wo bis zu 45 Kubikmeter erzielt werden. Über die Ursachen der geringeren Pro
duktivität der madegassischen Eukalyptusbäume gibt es nur Vermutungen: Möglicherweise sind die Baumstümpfe bereits zu alt, als dass die Eukalyptusbäume die Spitzen der Produktivität erreichen, oder aber die jahrelange Übernutz
ung verhindert einen höheren Zuwachs.
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weiteres wichtiges Ergebnis: Heute werden die Stockausschläge der Eukalyptusbäume alle drei Jahre geschnitten. Die höchste Produktivität wird allerdings erst nach zehn Jahren erreicht. Hier wäre nun eine Änderung der Bewirtschaftungsweise erforderlich, was aber nicht einfach durchzuführen ist: Auch wenn sich eine solche Umstellung langfristig aus
zahlen würde, hätten die Waldbesitzer im Hoch
land Madagaskars, für die der Verkauf des Eukalyptusholzes oft die einzige Einnahme
quelle ist, kurzfristig Umsatzeinbussen zu befürchten.
ARGUMENTE
AUS DER FORSCHUNG
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Allein eine Erhöhung der Produktivität reicht nicht aus, um die Holzversorgung sicherzustellen. Honore Randrianjafy arbeitete noch weitere Vorschläge aus, die das Energie
problem lösen sollen: Im Forstgesetz wäre nicht nur die Verpflichtung zu einer planvol
len und nachhaltigen Bewirtschaftung, sondern auch zu einer Vergrösserung der Waldflächen zu verankern. Dass der Kauf staatlichen Landes für private Waldbesitzer erleichtert werden sollte und vor allem die oft unklaren Besitz
verhältnisse geregelt werden müssten, hält Honore Randrianjafy für eine wichtige Voraus
setzung eines erfolgreichen Waldmanagements.
Er empfiehlt auch den Zusammenschluss mehrer Forstbetriebe zu Kooperativen, die dann vom staatlichen Forstdienst unterstützt werden sollten.
Naturwälder - Reichtum Madagaskars
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Während in den Eukalyptuswäldern vor allem wegen des knappen Brennholzes Raubbau betrieben wird, machen den Naturwäldern Madagaskars vorwiegend die Bauern zu schaffen, die tradi
tionell ihre Flächen im Wanderfeldbau mit Brandrodung bewirtschaften. Was früher in Einklang mit der Natur geschah, wird nun mit höheren Bevölkerungszahlen bedrohlich für den Wald, der in Madagaskar nicht nur ein wichti
ger Wirtschaftsfaktor als Quelle von Brenn
holz, Medizinalpflanzen und Nahrungsmitteln, sondern auch Lebensraum zahlreicher einmaliger Tier- und Pflanzenarten ist, von denen bis heute bei weitem nicht alle bekannt sind.
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..J...
Ehemalige Waldfläche: Die landwirtschaftliche Bewirtschaftungsweise ist die grösste Bedrohung für den Wald. Der Wanderfeldbau mit
Brandrodung zerstört jedes Jahr 200'000 Hektar Wald.
■Mit jedem Hektar Wald verschwinden deshalb neben Bäumen auch Vögel, Schmetterlinge und Säugetiere unwiederbringlich. Die Biodiversi
tät, die Artenvielfalt, kann nur erhalten bleiben, wenn auch die Naturwälder geschützt werden. Und ein Problem zieht das andere nach sich: Unbewaldeter Boden ist anfällig für Ero
sion. Jedes Jahr werden in Madagaskar einein
halb Millionen Hektar Boden vernichtet.
■Innerhalb eines gemeinsamen Projektes mit dem World Wildlife Fund (WWF) bemüht sich Minoniaina Razafindramanga, ebenfalls Dokto
randin Rodolphe Schlaepfers, um die Erhaltung der Naturwälder. Sie will die Entwicklung der verschiedenen Vegetationstypen in einem Wald
reservat, das der WWF betreut, während der letzten vierzig Jahre anhand von Satelliten
bildern verfolgen. Dabei kann sie von unseren Erfahrungen in der Schweiz profitieren, wo die Auswertung von Satellitenbildern zum methodi
schen Standard gehört. Sie möchte herausfin
den, welchen Einflüssen der Wald vor allem ausgesetzt ist: Hat etwa die landwirtschaft-
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AUS DER FORSCHUNG
lieh genutzte Fläche zugenommen, sind Steppen entstanden oder ist der Wald unter Häusern und
Strassen verschwunden? Aufgrund dieser Ergeb
nisse können dann sinnvolle Massnahmen zum Schutz des Waldes geplant werden.
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Unter den Umweltschutzorganisationen, die sich in Madagaskar engagie
ren, setzt der WWF in der Öffentlichkeitsarbeit Akzente: Mit Comics wie diesem spricht er vor allem die Jugend an, um ihr Bewusstsein für den Wert des Naturreichtums zu wecken.
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Wege partnerschaftlicher Forschung
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In den nächsten Jahren wird sich Rodolphe Schlaepfer in den Tropen noch weiter engagieren, denn im Vergleich zur Schweiz sind die Probleme der Länder der Dritten Welt schwer
wiegender, und als Forscher denkt und arbeitet er problemorientiert. Mit Wissenschaftern aus der Schweiz und den Entwicklungsländern möchte er sich am Schwerpunktprogramm "Umwelt" des Nationalfonds beteiligen, das ein Modul "Ent
wicklung und Umwelt" enthält. Bruno Messerli, Präsident der Expertengruppe, die an der Pla
nung des Schwerpunktprogrammes beteiligt ist, formuliert einige Leitlinien für das Modul:
"Wir dürfen heutzutage nicht mehr Forschung über die Dritte Welt betreiben und dabei nur Schweizer Forscher finanzieren", und er be
tont, dass "die Förderung von Wissenschaft und Forschung in den Entwicklungsländern zu den zukünftig wichtigsten Aufgaben der Industrie
länder gehört". Aber auch wir können einiges bei der Zusammenarbeit mit den Ländern der Dritten Welt profitieren. Rodolphe Schlaepfer, Direktor der WSL bringt das für sich auf den Punkt: "Aufgrund meiner Erfahrungen in Mada
gaskar habe ich ein ganz anderes Verständnis für die zusammenhänge von Umweltveränderungen mit Traditionen, Ausbildungs- und Lebensstan
dard sowie politischen Strukturen gewonnen.
Forschungsvorhaben, die interdisziplinäre
Aspekte nicht berücksichtigen, unterstütze ich nicht. "