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Kempf, A. (1993). Vom Nutzen des Waldes im Wandel der Zeit. Argumente aus der Forschung, 7, 4-11.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

FACHBEREICH ZENTRALE DIENSTE

Vom Nutzen des Waldes im Wandel der Zeit

Alois Kempf

Gru e Dokumentation

Der Wald hat bei uns als Ressource der Urproduktion an Bedeutung eingebüsst. Holz findet zwar immer noch vielfältige Verwendung als Rohmaterial und als Energie­

träger, doch häufig sehen Waldbesitzer darin nicht mehr die Hauptfunktion des Waldes. Den sich rasch wandeln­

den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbe­

dingungen kann die Entwicklung des Waldes nur lang­

sam folgen. Alois Kempf interpretiert Fotografien als Dokumente sich verändernder Ansprüche an den Wald.

■ In einer Ausstellungshalle liegt eine grosse Holzscheibe einer alten Arve aus den Schweizer Bergen. An einigen Stellen wurden Stecknadeln befestigt, die mit farbigen Fäden auf eine Zeittafel verweisen. Dort liest man unter anderem: 1798 Zusammenbruch der Alten Eidge­

nossenschaft, 1882 Eröffnung der Gotthard­

Bahn, 1947 Obligatorische Alters- und Hinter­

lassenenversicherung (AHV), ... Der Besucher betrachtet kurz die eng aneinander liegenden Jahrringe der Arve, erinnert sich an das eine oder andere der markierten Ereignisse aus dem Geschichtsunterricht, murmelt vielleicht noch

"Dreihundertfünfunddreissig Jahre, hrnhm", und wendet sich wieder der Gegenwart, dem nächsten Ausstellungsgegenstand, zu.

■ Die Geschehnisse sind im Zeitraffer kaum zu fassen. Und dennoch: die Holzscheibe ist ein historischer Zeuge in zweifacher Hinsicht. Es gibt zweifellos bestimmte Gründe dafür, dass der Baum, von dem die Holzscheibe stammt, meh­

rere Jahrhunderte überleben konnte. Ausser den naturräumlichen Voraussetzungen müssen auch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine solche Entwicklung er­

laubt haben.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

Abb. 1: Oppligen, Kanton Bern, Juni 1927 - Bauernhaus im Bau (Fotoarchiv WSL, H. Burger)

■ Nun gibt es verschiedene Ansätze, um forst­

geschichtlich die sich wandelnden Ansprüche an den Wald aufzuspüren und nachzuzeichnen (Leit­

faden 1973, Schuler et al. 1990, Schuler 1987). Statistische Daten zur Entwicklung eines Waldbestandes, einschliesslich der ein­

gangs erwähnten Jahrringmessung, sind einer der Ansätze, die Interpretation von B�ldern ein anderer. In diesem Beitrag möchte ich mit drei ausgewählten Bildern unterschiedliche Nutzungsweisen andeuten. Das Bild ist ja in unserer Zeit zwar ein nicht zweifelsfreier, aber an Bedeutung gewinnender Informationsver­

mittler geworden. Andererseits wirft die digi­

talisierte, computergestützte Fotografie der Gegenwart gerade für die historische Forschung

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ARGUME NTE

AUS DER FORSCHUNG

Schwarz-Weiss-Negative auf Glasplatten

In der ersten Hälfte des 20.

Jahrhunderts wurden oft Glas­

platten als Träger für Foto-Ne­

gative verwandt. Die WSL ver­

fügt über mehrere Tausend solcher schwarz-weiss Negati­

ve aus verschiedenen Archiv­

Beständen:

a) eigene Sammlung der ehe­

maligen 'Forstlichen Ver­

suchsanstalt' mit Bildern von Prof. H. Burger, Dr. W. Nägeli, u.a. (Zeitraum 1902-1958);

b) Sammlung von Dr. F. Fank­

hauser, eidgenössischer Forstinspektor, (Zeitraum 1902-1932);

c) Sammlung von Prof. H.

Knuchel, tätig an der ETH Zürich, (Zeitraum 1892-1952).

Viele Aufnahmen sind von dokumentarischem Wert für das schweizerische Forstwe­

sen. Einige sind ebenfalls aus kulturhistorischer Sicht von Interesse.

in Zukunft Probleme auf, weil eine Original­

aufnahme nach Belieben verändert werden kann.

Holznutzung

■ "Wer Wald will, muss auch Holz wollen", lau­

tet ein Werbespruch aus unserer Zeit, wo die Verwendung von Holz in seinen unterschiedli­

chen Formen keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Demgegenüber zeigt Abb. 1 ein Berner Ge­

höft von 1925 mit viel Holzkonstruktionen. Der Fotograf H. Burger, damals noch wissenschaft­

licher Assistent der forstlichen Versuchsan­

stalt, hebt diesen Aspekt in der Bildlegende hervor: "Oppliger Bauernhaus im Bau, mit

100 m3 verwendetem Holz". Und es ist unschwer zu erkennen, dass Holz damals auch für Wagen, , Geräte und Zäune verarbeitet wurde. Der land- wirtschaftlichen Bevölkerung brachte Wald Arbeit und Verdienst.

■ Nach Jahrzehnten intensiver Holznutzung bis in die Alpentäler hinein hatte im 19. Jahrhun­

dert die Eisenbahn durch Einfuhr von Kohle und Eisenprodukten allgemein eine Entlastung bei der Brennholznachfrage bewirkt. In unserem Jahrhundert kamen als Folge der industriellen Produktion viele Ersatzstoffe für Bauholz dazu. Doch solche allgemeine Entwicklungsten­

denzen zeigen ein sehr unterschiedliches Muster in ihrer räumlichen Ausdehnung. Zudem haben wirtschaftliche Ausnahmesituationen wie der zweite Weltkrieg in der Schweiz vorüberge­

hend völlig veränderte Nutzungsbedürfnisse ge­

schaffen. Denken wir nur an Motoren mit Holz­

vergaser oder an die Rodungen, um die Anbau­

flächen für Grundnahrungsmittel auszuweiten.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

Der Zuwachs von Holz am Baum dürfte sich kaum im gleichen Tempo angepasst haben. Die raum­

zeitliche Zuordnung von Ressourcen und Bedarf ist mancherorts eine existenzielle Frage: Wäh­

rend Frauen in Addis Abeba täglich für Stunden unterwegs sind, um das nötige Brennholz für eine warme Mahlzeit einzusammeln, kann man bei uns das Chemineeholz mit dem Auto auf dem

Holzlagerplatz abholen.

Abb. 2: Sturmschaden in Toggenburger Alpwald, um 1925. (Fotoarchiv WSL, Sammlung Prof. Knuchel)

landwirtschaftliche Nebennutzungen im Wald

Das zweite Bild, aus demselben Zeitraum

stammend, kann auf den ersten Blick für vieles stehen: Naturgefahren, Schäden, Verjüngung, Bergwald. Ausgewählt wurde es aber wegen des

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

Forstliche Bibliographie der Schweiz

Mit Dr. Ph. Flury ist die

Schweiz in den 1930er-Jahren auf dem Gebiet der forstlichen Klassifikation und Bibliographie international bekannt gewor­

den. Erfreulicherweise kann der forstgeschichtlich Interes­

sierte noch heute etwas von diesen Aktivitäten profitieren.

Der sogenannte 'Flury-Katalog' zur schweizerischen Forstlite­

ratur (bis Ende 1950er-Jahre) und die Kapitel 'Forstwissen­

schaften' aus der 'Bibliographia scientiae naturalis Helvetica' (kurz BSNH genannt) der Jahre 1958-1991 sind gegen­

wärtig an der WSL auch in elektronischer Form abfragbar.

Die computergestützte Suche kann damit den Zugang zu äl­

teren forstlichen Publikationen der Schweiz erleichtern. In ver­

gleichbarer Weise sind ferner bibliographische Hinweise zum Naturschutz in der Schweiz (BSNH-Kapitel 1925 bis 1991) verfüabar.

Begleittextes, der auf etwas aufmerksam macht, was.man nur indirekt sieht. H. Knuchel kommen­

tiert das Bild (Abb. 2) wie folgt: "Sturmscha­

den im Toggenburg: Schwendibaumwald, Alt St.

Johann; nun servitutenfreier Alpwald. Bis vor 2 0 Jahren mit Holzbezugs- und Weideservituten der Alp Schwendi belastet."

Die Bemühungen um eine Ausscheidung von Wald- und Weideflächen und die Unterbindung von Streunutzung zum Schutze des Waldes hat viele Förster über Jahrzehnte hinweg beschäf­

tigt. Viehtritt und verbiss von Jungpflanzen verhinderten nämlich mancherorts eine natürli­

che Verjüngung der aufgelösten Bestände. Die Legende zur Abb. 2 berichtet von einer solchen territorialen Bereinigung. Das Bild macht aber auch deutlich, dass die Bestandesentwicklung infolge natürlicher Ereignisse nicht immer wie geplant verläuft.

Dass die traditionellen Formen der Neben­

nutzungen in den Alpen und Voralpen mit dem Rückgang gesömmerter Grossvieheinheiten und dem Wandei in der Landwirtschaft abnahmen oder ganz verschwanden, ist verständlich. In der Schweiz bleibt aber die Unterscheidung zwi­

schen Waldeigentümern und Nutzniessern am Wald weiterhin hilfreich, um raumplanerische Kon­

flikte an Zonengrenzen (z.B. Wald - Bauzone) oder die Rolle von Nicht-Holznutzungen (z.B.

touristische Einrichtungen im Wald) zu ver­

stehen.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

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Abb. 3: Blick von SW auf Pontresina (Kanton Graubünden), Februar 1915. (Fotoarchiv WSL, Sammlung Dr. Fankhauser)

Wald für die Freizeit

Mit einer Aufnahme von Pontresina zu Beginn dieses Jahrhunderts (Abb. 3) wird die Nutzung des Waldes als Erholungsgebiet angesprochen.

Die Situation um 1915 war, nicht bloss wegen des ersten Weltkrieges, eine ganz andere als heute. Fremdenverkehrszentren gab es schon da­

mals, doch waren die damit verbundenen Ansprü­

che an den Wald, beziehungsweise die daraus sich ergebenden Einflüsse auf den Wald, ver­

schieden von jenen der Gegenwart. Wintersport­

aktivitäten, Motorisierung, Siedlungsausdeh­

nung und Besucherintensität sind nur einige veränderte Faktoren, die sich auf die Nutzung des Raumes und damit natürlich ebenfalls auf den Wald auswirken.

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ARGUMENTE

AUS DER FORSCHUNG

Verschiedene Bürgergemeinden, Korporationen und andere öffentliche Waldbesitzer haben in den vergangenen Jahrzehnten aus solchen Grün­

den eine Neuorientierung für die Hauptfunktion ihrer Wälder vorgenommen. Dies belegen Wald­

wirtschaftspläne wie z. B. diejenigen der Bür­

gergemeinde von Basel, wo für die stadtnahen Wälder die Bewirtschaftungsweise den vielsei­

tigen Wohlfahrtsfunktionen angepasst wurden.

Der im schweizerischen Zivilgesetzbuch seit Jahrzehnten verankerte freie Zugang zum Wald, auch dem Privatwald, spielt hier eine beson­

dere Rolle.

In jüngster Zeit ist bei uns eine Gewichts­

verlagerung in der Bewertung des Waldes als Ressource und als Areal festzustellen. Wald als "forstwirtschaftlicher Sektor " der Urpro­

duktion hat an Bedeutung eingebüsst gegenüber Forderungen, das Ökosystem Wald und seine Fläche in unserer hochtechnisierten Gesell­

schaft als 'ergänzenden Lebensraum' für die Menschen, als Rückzugsgebiet für bedrohte Tie­

re und als Ort der pflanzlichen Vielfalt zu betrachten. Einige dieser Ansprüche sind be­

reits vom neuen Bundesgesetz über den Wald anerkannte Leistungen.

Schlussbemerkungen

"Historia docet", oder "Aus der Geschichte kann man lernen", besagt eine lateinische Re­

densart. So lässt sich feststellen, dass wach­

sen Zeit braucht und forstliches Handeln sich somit langfristig auswirkt. Auf der anderen Seite machen die rasanten technischen Verän­

derungen deutlich, dass sich Geschichte nicht

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AB.GlJlVIENTE

AUS DER FOR SCHUNG

Literaturnachweis

Leitfaden für die Bearbeitung von Regionalwaldgeschichten, Revierge­

schichten und Bestandesgeschichten. IUFRO Subject Group S6.07 (ehemals Sektion 07 Forstgeschichte), Unterausschuss Revier- und Bestandesgeschichte. Zürich, 1973. 39 S.

Küchli, C.; Chevalier, J.: Wurzeln und Visionen. Promenaden durch den Schweizer Wald. Aarau: AT Verlag, 1992. 214 S.

Schuler, A.: Der Mensch und der Wald gestern und heute; unter beson­

derer Berücksichtigung der schweizerischen Forstgeschichte. Schweiz.

Z. Forstw., 138, 1987, 12: 1055-1067.

Schuler, A. et. al.: Forstgeschichte in der Schweiz. Forest history in Switzertand. Histoire des forets en Suisse. News of Forest History, Nr. 11/12. Wien: Forstliche Bundesversuchsanstalt 1990. 27 S.

einfach wiederholt. Die Nutzung des Waldes und damit seine Erscheinungsform sind deshalb

nicht zuletzt von gesamtwirtschaftlichen Gege­

benheiten abhängig. Dieser Lokalbezug ("Busi­

ness is local") gilt ganz besonders auch für Waldnutzungen.

■ Es ist mir klar, dass mit den gewählten Beispielen viele Gesichtspunkte nur angetippt wurden. "Waldbilder" im mehrfachen Sinne des Wortes, und mit forstgeschichtlicher Tiefe, sind seit einigen Monaten aus Anlass des 150- jährigen Bestehens des Schweizerischen Forst­

vereins in Buchform erhältlich und in natura zu betrachten (Küchli/Chevalier 1992). Wer selber tiefer graben will, dem sei die forst­

liche Bibliographie der Schweiz (siehe Kasten 2) oder die 'Bibliographie der Schweizerge­

schichte ' empfohlen, wo durch Mitarbeit der Forschungsstelle für Forstgeschichte an der ETH Zürich (Prof. Dr. A. Schuler) einschlägige Arbeiten Eingang gefunden haben.

Alois Kempf, Geograph Dr. phil, vermittelt durch computergestützte Informationsrecherchen für Forschende an der WSL Zugang zu externen Wissensspeichern (z.B. Literaturdatenbanken). In der Gruppe Dokumentation wurden ferner ausgewählte Nachweise zu forstlichen Text- und Bilddokumenten der Schweiz für die elektroni­

sche Abfrage aufbereitet die für forstgeschichtliche Arbeiten nützlich sein könnten.

Referenzen

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