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Combe, J. (1995). Welchen Wald für welche Ziele? Argumente aus der Forschung, 11, 10-14.

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ARGUMENTE

AUS DER F ORSCHUNG

Welchen Wald für welche Ziele?

Jean Combe Antenne romande

Von 1993 bis 1 995 begleitet die Antenne romande der WSL die kantonalen Forstdienste von Genf, Wallis und Waadt bei der Entwicklung einer Methode zur Bestimmung der Waldfunktionen. Sie soll eine straffere Planung der Waldbewirtschaftung ermöglichen, die den vielseitigen Funktionen unserer Wälder gerecht wird. Ein solche Planung hat aber nicht nur Vorteile. Sie birgt auch die Gefahr einer immer technokratischeren Arbeitsweise in sich.

Seit Jahrzehnten hat die Bewirtschaftung in allen Waldtypen gleichzeitig immer mehrere Ziele: zum Be_ispiel die Holzproduktion, den Schutz vor Natur­

gefahren, die Erhaltung der Naturvielfalt oder das Angebot eines Erholungsraumes für Spaziergänger und Touristen. Weil eine Bewirtschaftung, die sich hauptsächlich an einer Funktion orientiert, oft gleichzeitig die Erfüllung weiterer Funktionen begünstigt, haben die Forstleute lange die soge­

nannte Kielwassertheorie verteidigt. Nach dieser Theorie hat die umfassende Bewirtschaftung der Wälder zahlreiche wünschenswerte Nebeneffekte.

Die immer dichter werdende Bevölkerung unseres Landes und die stets steigenden Anforderungen an unsere Wälder als letzte grossräumig naturnahe Gebiete erfordern heute eine noch detailliertere Analyse ihrer Funktionen und eine zielorientierte Planung.

Ein neues Gesetz erfordert neue Ideen Im Verlauf der letzten Jahre haben die kantonalen

Forstdienste die verschiedenen Funktionen ihrer Wälder nach und nach bei den Wirtschaftsplänen berücksichtigt. Das neue Waldgesetz, das anfangs 1993 in Kraft trat, erfordert jedoch einen klareren Arbeitsansatz: die Definition einer Hierarchie von Funktionen wird zur zentralen Entscheidungs­

grundlage der Bewirtschaftung aller multifunktiona­

len Wälder. Sie soll eine zielorientierte Planung und die Bemess1..1ng finanzieller Zuwendungen der Öffentlichkeit an die Waldbesitzer ermöglichen. Das Gesetz sieht vor, Entschädigungen und Subventio­

nen nur an jene Waldbesitzer zu zahlen, deren Wäl­

der gewisse Funktionen erfüllen. Dabei ist es den Kantonen überlassen, die Bedingungen zu formu­

lieren, unter denen das Gesetz anzuwenden ist.

1 0

Damit eine gerechte Verteilung dieser Finanzhilfen gewährleistet werden kann, müssen die Waldfunk­

tionen nach objektiven Massstäben definiert werden.

Mit der Einführung des neuen Waldgesetzes hat die Forstdirektion des BUWAL flankierende Mass­

nahmen ergriffen, mit denen Forschungsarbeiten zu diesem Thema unterstützt werden. Das For­

schungsprojekt der Antenne romande der WSL läuft von 1 993 bis 1 995 und umfasst Fallbeispiele in den Kantonen Genf, Waadt und Wallis. Es sollen Methoden entwickelt werden, mit denen die wich­

tigsten Waldfunktionen in folgenden typischen Situationen objektiv definiert werden können:

$$

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Gebirgswälder in Regionen mit land­

wirtschaftlicher und touristischer Prägung, Fallbei­

spiel Salvan / V S.

Gebirgswälder in Regionen mit intensiver Land­

wirtschaft und Rebbau in der Nähe grösserer Agglomerationen, Fallbeispiel Ollon/ VD.

Argumente aus der Forschung 11/95

(2)

Stadtwälder und stadtnahe Wälder, Fallbeispiel des Kantons Genf.

Produktionswälder des Mittellandes, Fallbeispiel der Region Yverdon/ VD.

Welche Kriterien für welche Funktionen?

Die Unterschiede in der Funktionshierarchie zwi­

schen den drei Kantonen treten durch die Fallbei­

spiele klar zutage (Tab. 1 ). Im Kanton Waadt spricht man nicht von Funktionen, sondern gleich von Zie­

len der Forsteinrichtung. In diesem Kanton wird auch zwischen «Landschaftsschutz» und «biologi­

schem Schutz» unterschieden, Begriffe, welche in

Schutzwälder des Jura, Fallbeispiel ' Vallorbe/ VD.

Sy1vo-pastorale Systeme auf Waldweiden des Jura, Fallbeispiel Vallorbe/ VD.

den anderen Kantonen unter der Rubrik «Natur und Landschaft» zusammengefasst sind. Die Walliser Planer unterscheiden ihrerseits die sylvo-pastorale von der Holzproduktionsfunktion und unterteilen die forstliche Schutzfunktion in zwei lntensitätsstu­

fen. Die Genfer Forstleute interpretieren die Pro­

duktionsfunktion hauptsächlich in Hinsicht auf eine Erhaltung des ökologischen Potentials. Ziel ist die Walderhaltung im weitesten Sinne.

Tab. 1 . Vergleich der Funktionskategorien und ihrer Bezeichnungen.

Funktionen gemäss Kanton Waadt Forstliche Kanton Wallis Kanton Genf

dem Waldgesetz Einrichtungsziele: Funktionen: Funktionen:

wirtschaftliche Holzverwertung Holzproduktion Produktionsfunktion Funktionen

sylvo-pastorale Funktion

Schutzfunktionen Materieller Schutz Schutzfunktion Stufe 1 Schutzfunktion Schutzfunktion Stufe 2

ökologische Landschaftsschutz Natur und Landschaft Natur und Landschaft Funktionen

biologischer Schutz

soziale Funktionen Wohlfahrt- und Erholung Erholung und Wohlfahrt Sozialfunktion

(3)

Tab. 2. Die sechs Etappen zur Ausscheidung von Wäldern mit besonderer Schutzfunktion (BSF) gemäss den waadtlän- dischen Fallbeispielen.

Etappe

1. Inventar der gefährlichen Gebiete 2. Inventar der schützenswerten Objekte

3. Abschätzung der Bedeutung von Gefahren

4. Abschätzung der waldbaulichen Massnahmen 5. Ausscheidung der Perimeter von Wäldern mit

möglicherweise besonderer Schutzfunktion

6. Dekret eines Perimeters von Wäldern mit besonderer Schutzfunktion

Generell sind die Methoden zur Funktionsbe­

stimmung in allen drei Kantonen sehr sachbezogen und stützen sich in erster Linie auf die bestehenden Dokumente sowie die Erfahrung und technischen Kompetenzen der Planungsfachleute und des Forstdienstes vor Ort.

Viel nuancierter als bei anderen Waldfunktionen wird bei der Definition der Kriterien für Wälder mit Schutzfunktion vorgegangen. Dabei müssen sowohl die Gefahren (zum Beispiel Lawinen, Stein­

schlag, Murgang) als auch das Schadenpotential (potentiell gefährdete Objekte wie Gebäude und Verkehrswege, ihr Wert und ihre Präsenzwahr­

scheinlichkeit) beurteilt werden. Der Kanton Waadt schlägt für Wälder mit besonderer Schutzfunktion (BSF) eine Bestimmungsmethode mit sechs Etap­

pen vor (Tab. 2), wogegen die «Schutzfunktion erster Intensität» des Kantons Wallis in vier Etap­

pen bestimmt wird. Der Kanton Genf scheidet kei­

ne Wälder mit besonderer Schutzfunktion aus.

.Eine Wäldertypologie bringt die Unter­

schiede zum Vorschein

Die sechs Fallstudien lassen klar erkennen, welche Vielzahl von Situationen der forstliche Betriebsleiter in Betracht ziehen muss. Im Vergleich lassen sich die prioritären Funktionen wie folgt zusammenfas­

sen:

1 2

Kriterium Terrainneigung

Gefährdung von Menschenleben oder besonderen Objekten

möglicher Schädigungsgrad der Objekte unter Berücksichtigung des erwarteten Ausmasses und der Eintretenswahrscheinlichkeit der Gefahr Fähigkeit des Waldes die Risiken zu begrenzen und dazu notwendige Massnahmen

Beurteilung der Bedrohlichkeit gefährlicher Prozesse und der Dringlichkeit waldbaulicher Massnahmen

Politischer Entscheid durch die lokalen Behörden

Gebirgswälder in Regionen mit landwirtschaftlicher und touristischer Prägung

A priori erfüllen praktisch alle Wälder dieses Typs je nach Ausmass des Schadenpotentials und der Ge­

fahren in irgendeiner Form eine Schutzfunktion.

Aber auch die anderen, nicht-materiellen Funktionen sind wichtig. So bestimmt gerade die landschafts­

gestaltende Qualität dieser Wälder in hohem Masse ihren Wert als Erholungsraum für Touristen. Zur Holzgewinnung oder als Waldweide wird der Wald hingegen nur an solchen Orten genutzt, wo er be­

reits erschlossen ist. Sämtliche Gebirgswälder des Kantons Wallis gehören zu diesem ersten Typus.

Gebirgswälder in Regionen mit intensiver Landwirt­

schaft und Rebbau in der Nähe grösserer Agglo­

merationen

Etwa die Hälfte aller Waldflächen dient hauptsäch­

lich der Holzgewinnung, vor allem Flächen mit grossem Holzproduktionspotential. Weil diese Waldtypen, die sich von der Ebene bis zur oberen Waldgrenze hin erstrecken, sehr vielfältig sind, haben sie noch zahlreiche andere Funktionen, als Schutz vor Naturgefahren sowie zur Erhaltung von Landschaft und biologischer Vielfalt. Deswegen gibt es gerade hier, wo verschiedenste Ansprüche aufeinandertreffen, beispielsweise an den Waldrän­

dern zwischen Gebirgswald und Rebbergen zahlrei­

che Konflikte.

Argumente aus der Forschung 11/95

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Stadtwälder und stadtnahe Wälder

In allen Wäldern dieses Typs besteht die Haupt­

funktion des Waldes darin, ganz einfach zu existie­

ren, sich gegenüber den zahlreichen Anforderun­

gen zu behaupten und langfristig einen gewissen Teil der Landesfläche zu bedecken. In-diesem Sinn ist die Waldfläche unentbehrlich als ökologisches Potential, Basis aller künftigen Entscheidungen.

Der stadtnahe Wald ist in weniger als zwanzig Minu­

ten von jedem Ort der Stadt aus erreichbar und nicht mehr als zehn Minuten von einem bewohnten Stadtteil entfernt. Unter solchen Bedingungen sind alle weiteren Funktionen entsprechend den lokalen Besonderheiten höchstens in Einzelfällen von Be­

deutung.

Produktionswälder des Mittellandes

Die Nutzung des Holzes konzentriert sich zu Recht auf alle Flächen, die sich durch grosse standörtli­

che Produktivität auszeichnen und schon über die nötige Infrastruktur zur forstlichen Bewirtschaftung verfügen. Dies rechtfertigt einen intensiven Wald­

bau auf verhältnismässig grossen Flächen, wobei die anderen Funktionen jedoch ebenfalls wichtig sind. Diese Wälder schützen Einzugsgebiete; sie sind ökologisch wertvoll, weil die Vielfalt der Baum­

arten dank der immer häufiger praktizierten natürli­

chen Verjüngung zunimmt, und sie haben wegen ihrer reichhaltigen Stn:iktur mit zahlreichen Wald­

parzellen und Waldrändern zunehmend Bedeutung als landschaftsgestaltendes Element. Davon hängt wiederum die Funktion als Erholungsraum ab, der regelmässig auf der gesamten zugänglichen Wald­

fläche beansprucht wird.

Schutzwälder des Jura

Die Produktionsfunktion ist auf mehr als der Hälfte der bewaldeten Fläche prioritär. In gebirgigen Re­

gionen aber schützt der Wald die unter ihm liegen­

den Strassen, Eisenbahnlinien und Wohngebiete.

Typisches Beispiel hierfür sind die jurassischen Klusen, in denen eine Bewirtschaftung der Wälder praktisch unmöglich ist und wo durch spezifische, zielgerichtete waldbauliche Massnahmen die Schutzwirkung des Waldes erhalten und gefördert werden muss. Dort, wo die Gefahr am grössten ist, am Fusse der Felswände, befinden sich häufig auch touristische Attraktionen wie Schluchten, Quellen und Tropfsteinhöhlen.

Sylvo-pastorale Systeme auf Waldweiden des Jura Der Wald dient vorwiegend als Produzent von Holz und Viehfutter. Naturwiesen, welche grossflächig und extensiv bewirtschaftet werden, bieten gleich­

zeitig auch Gewähr für eine gewisse biologische Vielfalt. Dies fördert wiederum die Bedeutung die­

ser Wälder als landschaftsgestaltendes Element und somit auch als Erholungsraum, was in allen Gebieten mit Waldweiden zunehmend geschätzt wird. Dieses ideale Gleichgewicht zwischen zahlrei­

chen Funktionen ist jedoch durch die zunehmende Extensivierung von Waldbau und Viehzucht wieder

in Frage gestellt. Gezielte Massnahmen sind not­

wendig, um die Waldweiden langfristig zu erhalten.

Können diese im Rahmen der jetzigen Bewirt­

schaftung durchgeführt werden oder muss die natürliche Wiederbewaldung in Zukunft durch land­

schaftspflegerische Unterhaltsarbeiten eingedämmt werden?

Die Kielwassertheorie ist gestorben ... es lebe die Kielwassertheorie!

Der Vergleich von sechs Fallstudien ergab Gemein­

samkeiten, aber auch Unterschiede zwischen den Kantonen. Die Gemeinsamkeiten sind hauptsäch­

lich methodischer Art: Alle Waldpläne beruhen auf Karten, die ausgehend von Standortsfaktoren alle möglichen Parameter kombinieren. Grössere Unter­

schiede gibt es hingegen bei der Definition von Bewirtschaftungszielen, weil jeder Waldbewirt­

schafter auf dem Erhalt der Funktionsvielfalt seiner Wälder beharrt, selbst wenn die neuen gesetzlichen Vorgaben von ihm eine Prioritätenordnung der

Ein neuer Wortschatz für altbewährtes Gedankengut

Gefahr Schaden­

potential BSF ZOPP Kielwasser­

theorie

potentiell ablaufender gefährlicher Prozess

potentiell gefährdete Objekte beschrieben durch ihren Wert und ihre Präsenzwahrscheinlichkeit Wälder mit besonderer Schutzfunktion Zielorientierte Projektplanung

Gesamtheit aller gewünschten sekundären Funktionen, wird durch die Erfüllung einer Hauptfunktion erreicht

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Funktionen fordern. Die zielorientierte Planung hätte hingegen oft eine definitive und starre Schematisie­

rung zur Folge, wie sie auch bei Orts-, Regional­

und Landesplanung auftreten kann. Der Praktiker, immer vorsichtig, wenn es darum geht, die Nach­

haltigkeit der Funktionen seiner Wälder festzulegen, formuliert seine Ziele möglichst offen. Er lässt wei­

terhin prioritäre und sekundäre Ziele in der stillen Hoffnung nebeneinander bestehen, dass sich eines

Tages die Produktion von Holz, der einzigen natürli­

chen und nachhaltigen Ressource 1.mseres Landes, wieder lohnt. Dies bedeutet auch, dass die Sub­

ventionierung der Wälder gemäss den Bewirtschaf­

tungszielen auf ein gewisses Misstrauen stösst.

Werden wir immer über genügend Mittel verfügen, um die Ziele unserer Politik zu erreichen?

Die universelle Methode zur Bestimmung der Waldfunktionen existiert also noch nicht, aber die Planungsmethoden werden anhand vergleichbarer

1 4

Grundsätze entwickelt, und dank dem hier be­

schriebenen Projekt ist die Transparenz und Ver­

gleichbarkeit der Kriterien nun gewährleistet.

Bibliographische Referenzen (Interne Berichte 1 994)

HucK, Jean-Frarn;:ois: Methode pour la determina­

tion des fonctions de la foret dans le canton de Vaud; etude des cas «Ollon» et « Vallorbe».

J0LY, Andre; STEINMANN, Philipps: Determination . des fonctions de la foret dans le canton de

Geneve.

MErnco, James: Methode pour la detE;lrmination des fonctions de la foret dans le canton du Valais;

etude du cas «Salvan».

Argumente aus der Forschung 11/95

Referenzen

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